Turistas - Go Home!
- Regie:
- Stockwell, John
- Jahr:
- 2006
- Genre:
- Horror
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Turistas
1 Review(s)
03.07.2007 | 06:00Weil sie ihr Reiseziel Brasilien nicht nur aus der Luft besichtigen möchten, wählen sechs junge Leute aus den USA, England und Australien den Bus. Der trägt sie unbequem und mit Höchstgeschwindigkeit durch einen gebirgigen Dschungel, bis der untaugliche Fahrer das Vehikel in eine Schlucht stürzen lässt. Glücklicherweise können die Passagiere sich retten, doch nun sind unsere Gringos gestrandet. Ihr Missmut schlägt in Begeisterung um, als sie sich umschauen und plötzlich in einem kleinen Paradies am Meeresstrand stehen. Dort finden sie eine urgemütliche Bar, die von hübschen Mädchen, potenten Mannsbildern sowie von Sven und Annika aus Schweden bevölkert wird, die den Neuankömmlingen die Freuden von Wein (plus Gras), Weib (oder Kerl) und Gesang schildern. Folgerichtig beschließt unser Sextett, vor Ort zu bleiben.
Doch der schöne Schein trügt: In diesem abgeschiedenen Winkel ohne Polizei, Handy- Empfang oder Autoverkehr hat "Doktor" Zamora sein Spinnennetz aufgestellt. Er wütet wegen der postkolonialen Ausbeutung seines Heimatlandes, das von sexsüchtigen und sauflustigen Gringo-Barbaren gestürmt und dessen Bewohner neuerdings als unfreiwillige Organspender für finanzstarke Ausländer missbraucht werden. Zamora dreht den Spieß um: Er lässt weißhäutige Trottel, die sich in sein Reich verirren, von seinen Schergen kidnappen und in sein Labor schleppen, wo er ihnen lebenswichtige innere Organe entnimmt, die er später brasilianischen Patienten einpflanzt: Auge um Auge, Leber um Leber, Niere um Niere. Auch unseren sechs Abenteurern droht dieses Schicksal. Kiko, ein auffällig freundlicher junger Landesbewohner, lädt sie in das Haus seines "Onkels" ein, das natürlich identisch ist mit Zamoras Ausschlachterei. Als der Hausherr erscheint, enden seine "Gäste" gefesselt in Käfigen, während im OP die weiter oben beschriebene "Ernte" beginnt.
Doch selbst Dummköpfe machen in der Krise ungeahnte Kräfte mobil: Mit Hilfe eines Schweizer Taschenmessers befreit Alex seine Leidensgenossen. Es beginnt eine Flucht durch den Dschungel, bei der die Vorteile klar auf der Seite Zamoras und seiner schwer bewaffneten Spießgesellen liegen, die wiederum die Entschlossenheit und den Einfallsreichtum ihrer Opfer unterschätzen ...
"Bleibe im Lande und nähre dich redlich": Dieses alte Sprichwort gewinnt neue Aktualität in einem Land wie den USA, seit sich der Rest der Welt als Hort terroristischer Despoten und undankbarer Ausländer entpuppt, die sich einfach nicht durch die Vereinigten Staaten retten und beglücken lassen wollen. Selbst schuld sind deshalb jene Unverbesserlichen, die trotzdem die Heimatgrenzen überschreiten, weil sie in der Fremde etwas lernen und ihren Horizont erweitern wollen. So ein Schwachsinn! "Fremd" bedeutet vor allem "böse", denn überall auf dieser Erde lauern finstere Mächte auf Dummköpfe, die sich dorthin wagen, wo sie partout nichts verloren haben! Sie werden nur Verbrechen, Degeneration und Verworfenheit finden und übel enden. Hinter freundlichen Gesichtern nisten böse Gedanken, willige Frauen sind garantiert Prostituierte - wenn man Glück hat! -, und nicht einmal den Kindern kann man trauen.
Plumpe Xenophobien der skizzierten Art haben dem Horrorfilm ein neues Subgenre beschert. Das Ausland als Hort des Bösen wurde nie so schamlos beschworen wie heute, seit ein Film wie "Hostel" zum Kassenknüller wurde. "Hostel" verwandelte dreist in Bilder, was der sich vor dem Fremden fürchtende, aber politisch korrekte Zuschauer nur zu denken wagte, und war wie gesagt außerordentlich erfolgreich damit. Die Filmindustrie reagierte nach eingeschliffenem Muster: Es wird kopiert, was Geld in die Kassen spült.
"Turistas" ist "Hostel" in Südamerika. Der Plot ähnelt dem Vorbild nicht, er kopiert bzw. plagiiert ihn schamlos. Die Story ist denkbar simpel: Gringos geraten in eine Todesfalle; einige Pechvögel gehen spektakulär zu Grunde; die Überlebenden nehmen den Kampf um ihr Leben auf; es entspinnt sich eine turbulente Verfolgungsjagd, die auf beiden Seiten Opfer fordert; am Ende steht das finale Duell von Gut & Böse, das dieses Mal sehr klassisch endet: Dr. Zamora kriegt, was er verdient, und es gibt Überlebende - die angepassten Langweiler, die von Anfang an misstrauisch (= klug) waren.
Simple Story, dumpfe Moral. Das ist für den Horrorfilm fast typisch, doch manchmal gelingt es, die bekannten Elemente so erfolgreich zu variieren, dass sie trotzdem für angenehm gruselige Überraschungen sorgen. Hier leider nicht. "Turistas" ist ein kostengünstig, aber handwerklich sorgfältig produzierter Film, der insgesamt nicht unterhalten kann. Diverse Szenen sind zwar durchaus fesselnd. Dazu gehören mehrere Sequenzen, die in denjenigen Höhlen unter Wasser spielen, in die sich die Überlebenden zeitweilig flüchten müssen. Die Fotografie ist bemerkenswert, hier fiebert man mit den Figuren, die noch in dieser bedrohlichen, lebensfeindlichen Welt von ihren Häschern verfolgt werden. Sie trösten über die wenigen und kaum überzeugenden Splattereffekte hinweg, die "Turistas" vom B- zum C-Movie degradieren.
Ansonsten stützt sich das Drehbuch jedoch ausschließlich auf Klischees. Dass wir uns einen Film anschauen, wird uns Zuschauern mehrfach förmlich eingehämmert. Wieso erklärt der böse Dr. Zamora seine Motive ausgerechnet dann ausführlich, als er gerade eine unserer Hauptdarstellerinnen zerschnetzelt? Sie interessiert das ebenso wenig wie das nächste Opfer, das sich auf dem Nachbartisch windet. Nein, uns soll endlich enthüllt werden, was den Doktor treibt! Sollte uns das jetzt betroffen machen, weil wir akzeptieren, dass er nur ausgleicht, was die bösen Ausländer den Brasilianern antun? Dieses dürftige Mäntelchen deckt nicht, Zamora ist und bleibt ein "mad scientist", der umgelegt gehört! Er endet folgerichtig unter der Faust eines US-Jünglings, den man zu weit getrieben hat und der sich deshalb wehrt, wie es sein Recht ist - Selbstjustiz ist sorgfältig "begründet" kein Verbrechen!
Wer überlebte, hat seine Lektion übrigens gelernt: Als Alex endlich in ein Flugzeug steigen kann, das ihn und seine ebenfalls entkommene Schwester in die Zivilisation (= die USA) zurückbringen wird, streitet sich hinter ihm ein Pärchen, ob es lieber den Bus nehmen solle, um das Land besser kennen zu lernen. "Nehmt das Flugzeug", rät Alex eindringlich, das Paar merkt ihm an, dass er weiß, wovon er spricht, und folgt ihm. Hoffentlich werden sie das Ausland zukünftig so durchqueren, wie es sich gehört: in der Luft! Und Bea wird fürderhin sicherlich auf ihren großen, klugen Bruder hören.
Dem Klischee wird auch in Sachen Casting vollauf entsprochen: Drei Männer und drei Frauen - oder besser: drei Kerls und drei dralle Girls - verkörpern unsere "Turistas". Sie sind streng nach Proporz besetzt. Alex ist der "Vernünftige", der im Auftrag von Mutti seine deutlich leichtlebigere Schwester Bea im Feindesland begleitet und beschützt. Melissa, die globetrottende Australierin, spricht die Landessprache und hat zumindest rudimentär Kenntnis davon, dass in anderen Ländern andere Sitten herrschen, die man kennen oder wenigstens respektieren sollte, was in der Regel mit Gastfreundschaft belohnt wird. Finn und Liam personifizieren vermutlich das Gros der (männlichen) Zuschauer. Sie sind fröhliche, strohdumme Holzköpfe, die nichts als saufen, kiffen und bumsen wollen. Weil das daheim nicht funktioniert, probieren sie es halt im Ausland (und sind verblüfft, als sie auch dort Rückschläge verzeichnen müssen). Amy ist weder notgeil noch ernsthaft genug, den Ernst der Situation zu begreifen; sie bekommt ihre große Szene auf dem Operationstisch des Dr. Zamora.
Jung mussten die Hauptdarsteller sein, während schauspielerische Fähigkeit nebensächlich blieben. Handfeste Gründe lassen sich dafür anführen: "Turistas" ist ein Film, der seine Darsteller in außerordentlich actionreiche Geschehnisse verwickelt. Sie müssen nicht nur rennen, springen oder sich prügeln, sondern auch ausgiebig schwimmen und tauchen. Das gelingt ihnen sämtlich bravourös.
Mindestens ebenso wichtig ist der Faktor Attraktivität: Vor allem der ideenarme Horrorfilm baut auf die körperlichen Attribute seiner Darsteller. Folglich ließ sich der Drehbuchautor eine Szene einfallen, in der unseren Helden das Reisegepäck mit ihren Klamotten gestohlen wird. Während die Männer seltsamerweise in Jeans und T-Shirts stecken, tragen die Frauen "zufällig" gerade Bikinis der extrem knappen Art, als dies geschieht. Wenn später gelaufen, gesprungen und geschwommen wird, sorgt die Bewegung für heftiges Wippen & Wogen in den prall gefüllten Tops - ein Spezialeffekt, der in jeder Hinsicht billig ist.
Wiederum dem Klischee geschuldet ist die Charakterisierung der Brasilianer. Da sind zunächst Zamora und seine Finsterlinge - sie sprechen eine fremde Sprache, gestikulieren bedrohlich und sehen gemein aus. Kein Wunder, dass sie entsprechend handeln, aber als ausländische Teufel der Dritten Welt ist das ohnehin ihr Job. Keine Hilfe sind auch die (möglicherweise) unschuldigen Dorfbewohner, die unsere gestrandeten Gringos nicht auf Händen zurück in die Zivilisation tragen, sondern bestenfalls gleichgültig bleiben oder feindselig die Machete recken, nur weil ein entnervter Fremdling einem diebischen Indiokind einen Stein an den Kopf wirft. (Als die Überlebenden des Zamora-Massakers allerdings in Blut & Lumpen und bar jeder Arroganz ins Dorf zurücktaumeln, werden sie sofort geborgen, verbunden und gepflegt.)
Zwischen den Welten steht Kiko, der die Sprache der Gringos spricht und Zamora deshalb als Lockvogel dient. Er ist scheinbar ein unbedarfter Zeitgenosse, dem deshalb sogar die misstrauischen Ausländer vertrauen. Angesichts solcher Freundlichkeit keimen in Kiko moralische Bedenken auf, die ihn in eine zentrale Rolle bei der Flucht unserer Organspender zwingen. Nur: Wieso hat sich Kiko überhaupt an Zamora verkauft? Hier gibt eine der "deleted scenes" Aufschluss: Den jungen Kiko hat die Organmafia überfallen und eine Niere gestohlen, die ins Ausland verschachert wurde. Diese kurze Sequenz wäre der Story gut bekommen, doch sie wurde aus dem Film geschnitten.
Daten
Originaltitel: Turistas
USA 2006
Regie: John Stockwell
Drehbuch: Michael Ross
Kamera: Enrique Chediak
Schnitt: Jeff McEvoy
Musik: Paul Haslinger
Darsteller: Josh Duhamel (Alex Trubituan), Melissa George (Pru Stagler), Olivia Wilde (Bea Trubituan), Desmond Askew (Finn Davies), Beau Garrett (Amy Harrington), Max Brown (Liam Kuller), Agles Steib (Kiko), Miguel Lunardi (Dr. Zamora), Gustav Roth (Sven), Olga Diegues (Annika), Diego Santiago (Jacaré), Marcao (Ranan), Miguelito Acosta (Jamoru), Jorge Neves (Tulio), Julia Dykstra ("Krankenschwester") u. a.
Anbieter: UFA Home Entertainment
Erscheinungsdatum: 09.05.2007 (Verleih-DVD) bzw. 04.06.2007 (Kauf-DVD)
Bildformat: 16 : 9 (2,35 : 1 - anamorph)
Audio: Dolby Digital 5.1 (deutsch, englisch)
Untertitel: deutsch (für Hörgeschädigte)
DVD-Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2)
Länge: ca. 90 min.
FSK: keine Jugendfreigabe
Wieder unterlasse ich mangels entsprechenden Wissens eine Beurteilung der "technischen" Aspekte dieser DVD. Bild und Ton sind scharf, konturenreich bzw. gut zu hören (meine Ansprüche sind da sicherlich nicht mehr zeitgemäß ...), meines Wissens hängt kein vergessenes Mikro irgendwo in die Szene, und die einzige als solche brutal deutlich zu erkennende CGI-Sequenz (Annikas Klippensturz) lässt sich angesichts offensichtlicherer Mängel verschmerzen.
DVD-Features
Nicht gerade üppig sind zumindest die der Leih-Version dieser DVD aufgespielten Extras. Zum Kinotrailer (und der unvermeidlichen Werbung für andere Filme des Labels) kommen nur die "Deleted Scenes", die bis auf eine Ausnahme (s. o.) zu Recht aus dem Film entfernt wurden, da sie zur Handlung gar nichts beizutragen haben.
- Redakteur:
- Michael Drewniok