Crying Fist
- Regie:
- Ryoo Seung-wan
- Jahr:
- 2005
- Genre:
- Drama
- Land:
- Südkorea
- Originaltitel:
- Jumeogi unda
1 Review(s)
12.07.2007 | 14:18Hintergrund
Regisseur Ryoo Seung-wan zählte Anfang des Millenniums zur Riege der jungen Wilden im koreanischen Film. Mit seinem Debüt "Die Bad" machte er sich einen Namen unter den Produzenten Koreas und erregte gleichsam das Aufsehen der Zuschauer und Kritiker. Sein zweiter Film "No Blood No Tears" konnte jedoch mit dem starken Debüt nicht mithalten. Überstilisierte Action ist auch alles andere als neu. Erst mit seinem dritten Film "Arahan" gelang Seung-wan der große kommerzielle Erfolg. Sein Bruder Seung-bum spielt in dieser Martial Arts Komödie die Hauptrolle. "Crying Fist" vereint die Brüder wieder vor, respektive hinter der Kamera.
Handlung
Kung Tae-shiks (Choi Min-sik, "Oldboy") Leben liegt in Trümmern. Der einst gefeierte Asian Games Silbermedaillengewinner im Boxen hat nach der Trennung von seiner Frau weder ein Dach über dem Kopf, noch Geld in der Tasche. Um sich wenigstens etwas zu Essen kaufen zu können, beschließt er, sich als lebender Boxsack in die Fußgängerzone zu stellen. Für 10000 Won kann jeder seinen Frust und seine Aggressionen an Tae-shik auslassen. Ohne Perspektive und ohne jegliche Achtung seitens seiner Mitmenschen beschließt er, seine Ehre wiederherzustellen. Beim lokalen Boxturnier soll sein Stern ein letztes Mal leuchten und Tae-shik zu neuem Ruhm und Ehre führen.
Gleichzeitig zerstört der gerade einmal 20-jährige Yu Sang-hwan (Ryoo Seung-bum, "Arhan") sein Leben. Der Kleinganove hat keine Achtung vor seinem Umfeld und ein massives Gewaltproblem. Nach einem gescheiterten Raubüberfall landet er auch im Gefängnis. Dort gelangt er durch einen Wärter ins Gefängnisboxteam und lernt seine Aggressionen zu kanalisieren. Als er nach dem tragischen Unfalltod seines Vaters überraschend wieder auf freien Fuß kommt, beschließt auch er, an dem Boxturnier teilzunehmen. Wie auch Tae-shik sieht Sang-hwan in diesem Turnier seine letzte Chance auf Wiedergutmachung.
Kritik
"Rocky" mit Stäbchen oder ein verdammt gutes Boxdrama! Boxfilme gibt es wie Sand am Meer. Egal ob als heroische Selbstinszenierung der Marke Stallone ("Rocky"), Meilenstein eines herausragenden Charakterdarstellers (Robert deNiro in "Wie ein wilder Stier"), oder als kantige Underdog Story von Clint Eastwood ("Million Dollar Baby")- große Sportdramen aus Hollywood spielen meist vor einem Box-Hintergrund. Mit "Crying Fist" gibt es endlich eine asiatische Antwort!
"Crying Fist" erzählt die Geschichte zweier Menschen, die ihren Platz in der Gesellschaft verloren haben. Während der eine (Tae-shik) vom Stolz der eigenen Vergangenheit zehrt, verliert sich der andere (Sang-hwan) in einer Spirale aus Gewalt. Beide verleben ein tristes Dasein, keiner von ihnen spiegelt den klassischen Helden wieder. Anders als in "Rocky" und Co. wird hier keine Aufsteigergeschichte erzählt, die aus einem netten Jungen den großen Helden macht. Die beiden "Crying Fist"-Protagonisten sind Versager, unsympathische Zeitgenossen, die ihr Schicksal durch ihre Taten verdient haben.
Es ist der große Verdienst des Films, beim Zuschauer Sympathien für diese Anti-Helden zu wecken. Er zeigt am Anfang beide ganz unten und baut sie sukzessiv auf. Außer ihrem finalen Ziel habe die beiden Protagonisten jedoch nichts gemeinsam. Tae-shik geht gegen Bares mit Passanten ins Sparring, riskiert im wahrsten Sinne Kopf und Kragen und kriegt doch keine Anerkennung. Für die Passanten ist er nicht mehr als eine kleine Attraktion, nicht mehr wert als die heimische Playstation oder vergleichbare Unterhaltungsmedien. Als Ein-Mann-Dienstleistungsunternehmen soll er zu jeder Zeit den Wünschen der Passanten entsprechen und keine Widerworte geben. Tae-shik frisst seine Wut in sich hinein und lässt sich lediglich gelegentlich an seiner Familie aus. Die Passanten in der Fußgängerzone kennen das Schicksal des ehemaligen Silbermedaillengewinners wahrlich nicht. Um seinen alten Ruhm wiederherzustellen und ein gewisses Maß an Achtung zu erlangen bleibt ihm nichts anderes übrig, als am großen Boxturnier teilzunehmen.
Sang-hwan lebt förmlich das Gegenteil. Von seiner Familie geliebt, verliert sich der junge Mann im Verbrechen und der Gewalt, ohne jegliche Rücksicht auf sein Umfeld. So landet er auch wenig überraschend im Gefängnis. Erst dort lernt er nach und nach seine Aggressionen mittels des Boxsports zu kanalisieren und in positive Energie umzuwandeln. Von schweren Schicksalsschlägen getroffen, taumelt er sogar aus dem Gefängnis, um sich nach dem Unfalltod seines Vaters um seine todkranke Großmutter zu kümmern. Das anstehende große Boxturnier soll ihm als Resozialisierungsmaßnahme dienen.
Die beiden Handlungsstränge verlaufen völlig unabhängig voneinander, ohne sich großartig im Verlauf zu verweben. In regelmäßigen Abständen wechseln sich die Protagonisten ab, bis es zum erwartungsgemäßen und unausweichlichen Finale kommt. Trotz dieser Isolierung ergibt sich aber ein sehr stimmungsvolles Bild. In ihrem Ziel vereint arbeiten beide Charaktere von völlig unterschiedlichen Startpunkten dem großen Finale entgegen, woraus sich der Großteil der Spannung ergibt.
Es ist den großartigen Hauptdarstellern zu verdanken, dass das Konzept der isolierten Handlungsstränge aufgeht. Gerade der aus "Oldboy" bekannte Choi Min-sik spielt grandios und beeindruckt besonders in den Boxszenen. Doch auch Ryoo Seung-bum, der Bruder des Regisseurs, macht seine Sache außerordentlich gut.
Eine weitere Stärke stellen die Boxkämpfe dar. In dynamischen Bildern inszeniert Regisseur Ryoo Seung-wan realistische Kämpfe, die recht „frei“ anmuten. Die Choreographie ist dermaßen gut, dass man fast denkt, es handle sich hier um echte Boxkämpfe. Sicherlich, allzu großen technischen Anspruch darf man von den Hauptdarstellern nicht erwarten. Dennoch ist es schön, hier zwei völlig unterschiedliche Boxstile zu sehen. Die restliche Kameraarbeit unterstreicht den realistischen Gesamtlook, ohne dabei große Spielereien zu liefern.
Doch wo viel Licht ist, gibt es auch Schatten. Als erstes wäre hier der recht unauffällige Score zu nennen. Einige passable Stücke sind durchaus vorzufinden, meist plätschert die Musik jedoch vor sich hin, ohne die Atmosphäre großartig zu unterstützen oder zu unterstreichen. Zudem erwarten den Zuschauer einige arg Klischee behaftete Szenen, die so nicht unbedingt hätten sein müssen. Ferner will sich eine Trainingsszene im letzten Filmdrittel nicht so recht in den Kontext fügen. Diese "Rocky" inspirierten 120 Sekunden wirken wie ein Fremdkörper- eigene Lösungsansätze seitens des Regisseurs wären sicherlich die bessere Alternative gewesen! Zu guter Letzt dürften sich auch einige an dem unerwarteten und kitschigen Ende stören.
Letztlich sind diese Kritikpunkte jedoch Erbsenzählerei. "Crying Fist" ist ein sehr gutes Boxdrama, das durch eine schöne zweigeteilte Story und seine beiden großartigen Hauptdarsteller zu gefallen weiß.
Die DVD
Das Bild (2,35:1) ist recht gelungen. Die Detailschärfe ist sehr gut, die Tiefenschärfe in Ordnung. Die Farbpalette zeigt natürliche Töne, was dem realistischen Look des Films zu Gute kommt. Kontrast und Schwarzwert geben ebenfalls keinen Anlass zur Kritik. Leider stören einige Dropouts den ansonsten sehr guten Gesamteindruck ein wenig.
Der Ton (Deutsch, Koreanisch je DD5.1) kann da locker mithalten. Die Dialoge tönen sauber aus der Front und werden häufig von Hintergrundgeräuschen aus dem Rearbereich unterstützt. Direktionale Effekte sind ebenfalls häufiger zu vernehmen. Zudem breitet sich der Score des Öfteren über alle fünf Kanäle aus. Bei der koreanischen Tonspur zeigte sich auf dem Testsystem ein eigenartiger Fehler. Der Front- und Rearbereich war vertauscht. So tönten die Dialoge zusätzlich zum Center noch über die beiden hinteren Boxen, während die beiden Frontboxen Umgebungsgeräusche wiedergaben. Inwieweit dieser Fehler auch auf anderen System auftritt, lässt sich nicht sagen.
Und auch die Extras halten das Niveau. So finden sich auf der Bonus DVD 6 informative Interviews, u.a. mit den beiden Hauptdarstellern. Daneben gibt es knapp 12 Minuten an Boxszenen zu bewundern, die eindrucksvoll zeigen, wie realitätsnah der Dreh war. Das gute Making Of teilt sich in fünf einzelnd anwählbare Features und gewährt einen tollen Blick hinter die Kulissen. Eben dieser Blick 'Behind The Scenes' bildet den Abschluss der Extras. 10 Minuten unkommentierte Aufnahmen vom Dreh warten hier auf den Zuschauer. Insgesamt ein sehr informatives und hochwertiges Packet.
Fazit
Sportfilme und Boxdramen im Besonderen tendieren dazu, Klischees in ein sportliches Outfit zu pressen. Meist ist der Sport die Alternative zum Tellerwäscher. Am Ende hat die Welt einen neuen Helden, meist sogar eine Ikone. "Crying Fist" ist hier grundlegend anders. Die Protagonisten sind unsympathisch Zeitgenossen, die sich mühsam wieder in den Ring der Gesellschaft boxen müssen. Zwei Charaktere, die unterschiedlicher nicht sein könnten, in ihrem Ziel jedoch vereint sind. Ryoo Seung-wan erzählt in 116 Minuten ein spannendes und packendes Boxdrama, das von seinen realistischen Kämpfen, einer gut erzählten, dreiteiligen Geschichte und vor allem seinen überragenden Hauptdarstellern lebt. Wer Boxfilme à la "Rocky" oder "Wie ein wilder Stier" mag, kann hier bedenkenlos zugreifen.
- Redakteur:
- Martin Przegendza