Sophiiiie!
- Regie:
- Michael Hofmann
- Jahr:
- 2002
- Genre:
- Drama
- Land:
- Deutschland
1 Review(s)
10.07.2007 | 11:35Die Großstadt ist ein Panoptikum menschlicher Abgründe und Widerwärtigkeiten. Auf engstem Raum fließen unterschiedlichste Persönlichkeiten zusammen, ergeben einen Körper mit tausend Gesichtern. Hässlich sind sie allesamt. In ihren Augen schimmern Angst, Wut und Größenwahn. Sie beobachten einander. Immerzu. Gefühlswelten werden exhibitionistisch nach außen gekehrt. Je extremer man sich verhält, desto weniger fällt man auf. Keine bewusste Lebensauffassung, sondern zunehmender Identitätsverlust in einer Gesellschaft, die die Relativierung alles Erfass- und Erfahrbaren als einzige Wahrheit duldet.
Sophie weiß, dass sie wenig weiß und eigentlich gar nicht mehr wissen will. Was sie weiß, reicht aus, um zu wissen, dass Wissen überschätzt ist. Sophie ist zwanzig Jahre alt. Aber eigentlich ist sie das auch nicht. Sie steht am Anfang ihres Lebens und am Ende. Lernen will sie nicht mehr, trotzdem tut sie es. Ihr ungeborenes Kind ist tot, bevor Sophie beschließt, es töten zu lassen. Schuld daran ist nicht sie, sondern die Großstadt. Als ”professionelle Großstädterin” weiß Sophie zwar um die Gefahren, die auf sie lauern. Doch sie kann nicht aus ihrer Haut. Sie muss saufen, huren, lügen, schlagen. Sonst wäre sie nicht Sophie. Sonst wäre sie nicht das Gesicht mit den tausend Körpern.
Sophie verschlingt die Großstadt und kotzt sie wieder aus. In ihrem Kopf winden sich Straßen und Kanäle, ändern permanent ihre Gestalt. Sophie liest sich selbst und zeigt sich fasziniert von dem Labyrinth, das ihr Körper ist. Mit großer intuitiver Sicherheit spinnt sie einen Faden, der sie immer tiefer hineinführt. Sie schreitet von Katastrophe zu Katastrophe, pisst auf offener Straße und gegen die Fassaden, ohne eigentlich pissen zu müssen. Sie will nicht gewinnen, verlieren will sie aber auch nicht. Sophie fühlt sich manchmal alleine, redet gerne und viel. Als sie jemanden kennen lernt, der ihr zuhört, verstummt sie plötzlich und verschwindet.
Michael Hofmann wollte einen radikalen Film drehen. Das ist ihm gelungen, wenn auch anders, als von ihm beabsichtigt. Nicht Sophie ist es, die radikal ist, nicht der Umstand, dass sie allem und jedem in die Fresse tritt. Nein, das ist eher ermüdend, da berechenbar. Radikal ist Hofmanns Drama eher insofern, als dass es gar nicht erst den Versuch unternimmt, den Menschen Sophie und das Menschsein an sich nuancierter zu zeichnen. Im Sophieschen Kosmos regiert das Elend. Und dort, wo das Elend nicht ganz so offensichtlich herrscht, ist es noch viel schlimmer. Ärgerlich, mag der eine oder andere Cineast denken. In jedem Fall aber konsequent.
Konsequent ist in gewisser Weise auch die umfangreiche Ausstattung der DVD. Die weiß nämlich einerseits zu gefallen, andererseits hält sie die eine oder andere Merkwürdigkeit bereit. Zu den zahlreichen Extras gehört eine Serie von Interviews mit Schauspielern und Verantwortlichen. Ein hübsch blasierter Alexander Beyer gibt hierbei bekannt, dass er eigentlich nichts bekannt zu geben hat. Robert Stadlober, weniger blasiert, dafür umso hübscher, philosophiert über die Schauspielerei und über die Identifikationsproblematik, die durch selbige forciert wird. Katharina Schüttler hat ebenfalls einiges zu sagen, kratzt jedoch nur an der Oberfläche, so wie die von ihr gespielte Sophie.
- Redakteur:
- Marco Pütz