Them
- Regie:
- David Moreau/Xavier Palud
- Jahr:
- 2006
- Genre:
- Horror
- Land:
- Frankreich
- Originaltitel:
- Ils
1 Review(s)
20.08.2007 | 13:30Clémentine und Lucas sind vor drei Monaten aus Frankreich nach Rumänien umgezogen. Sie lehrt französisch an einer Schule in der Hauptstadt Bukarest, er versucht sich als Schriftsteller. Das Leben im ehemaligen Ostblock ist billig, so dass sich das Paar am Stadtrand eine riesige, allerdings teilweise verfallene Villa mieten kann, die ziemlich abgelegen in einem großen Waldstück liegt.
Die ersten Eingewöhnungsschwierigkeiten sind überwunden, Clémentine und Lucas beginnen sich wohl zu fühlen. Doch sie bleiben Fremde in diesem Land, was fatal ist, weil ihnen entgeht, dass seit einiger Zeit Menschen in ihrer Umgebung verschwinden. Eines Nachts sind auch sie an der Reihe. Es beginnt mit verdächtigen Geräuschen, die Clémentine auf Einbrecher zurückführt. Ihr Irrtum wird offensichtlich, als die Eindringlinge das Paar systematisch von der Außenwelt abzuschneiden beginnen: Das Auto verschwindet, die Fensterläden werden zugeworfen, der Strom abgeschaltet.
Panik kommt auf, als sich maskierte Gestalten im Inneren des Hauses zu tummeln beginnen. Clémentine verliert durch eine heimtückische Attacke beinahe ein Auge, Lucas wird schwer am Bein verletzt. Aus der Belagerung wird notgedrungen ein Kampf, doch die Angreifer sind in der Überzahl. Verzweifelt brechen Clémentine und Lucas aus ihrem zur Falle gewordenen Heim aus. Sie werden verfolgt, und ihre Peiniger kennen sich sehr gut aus in dem unwegsamen Gelände. Sie treiben ihre Opfer auf das heruntergekommene Kanalsystem zu, um sich ihnen unter der Erde ungestörter widmen zu können ...
Die einfachen Geschichten sind oft die besten, dachten sich die Regisseure und Drehbuchautoren David Moreau und Xavier Palud, die zwar wenig Geld, aber gute Ideen für einen Film hatten. Was macht dem Menschen Angst, fragten sie sich. Die Antwort lässt sich nicht in nur einem Satz zusammenfassen. Eine Tatsache kristallisierte sich allerdings heraus: Es müssen keine grausig anzuschauenden (und teuer zu realisierenden) Monster sein, die uns aus der Leinwand förmlich ins Auge springen. Der Horrorfilm ist reich an ungleich subtileren Spannungselementen, die durchaus eine spannende Handlung tragen können, wenn man sie denn kennt und einzusetzen weiß.
Moreau & Palud bedienen sich erfolgreich diverser Ur-Ängste. Da ist natürlich die Furcht vor der Nacht und das Wissen darum, dass dich unerkannt bleibende Kreaturen belauern, die nicht nur feindselig sind, sondern sich im Gegensatz zu dir in der Dunkelheit zurechtfinden.
Schrecklich ist weiterhin die Erkenntnis, dass dich das Grauen im eigenen Heim finden kann, das du dir als Burg und Höhle eingerichtet hast, in der du dem anstrengenden Alltag mit seinen unzähligen Regeln entkommen und dich erholen kannst. Hier lässt du die Maske fallen, weil du dich sicher fühlst. Deshalb ist es der Gipfel des Horrors, wenn sich dies als Illusion und das Heim sich als Falle erweist.
Für Clémentine und Lucas ist ihr Heim doppelt wichtig, denn sie sind neu in einem fernen und fremden Land. Rumänien ist kaum ein Ziel, das viele Auswanderer wählen würden. Jahrzehnte der Schreckensherrschaft unter dem Despoten Nicolae Ceausescu und die Instrumentalisierung Rumäniens als sowjetischer Satellitenstaat haben nicht nur die Infrastruktur, sondern auch die gesellschaftlichen Werte verwüstet. Unter einer inzwischen scheinbar "zivilisierten" Oberfläche schwären nach dem Fall Ceausescus 1989 die Wunden einer nie überwundenen oder gar verarbeiteten Vergangenheit weiter. Moreau & Palud fassen genau das in Bilder, indem sie ihre mörderischen Angreifer aus der Kanalisation auftauchen lassen.
Wer da aus dem Untergrund auftaucht, soll hier verschwiegen werden, da dieses Wissen den Höhepunkt des Geschehens einläutet. Der Gegner ist furchtbar, weil man ihn nicht als solchen akzeptieren mag. Die "Entlarvung" wirkt enttäuschend, weil sie einen bisher als Horror inszenierten Film das Element des Übernatürlichen raubt. Moreau & Palud finden eine logische Lösung für ihr Rätsel. Man erkennt schnell, dass diese weitaus konsequenter und erschreckender ist als das mögliche Wirken eines Spuks: Diese Ungeheuer sind von Menschen quasi "gemacht". Verwahrlosung und Perspektivenlosigkeit haben sie entstehen lassen. Nun sind sie da - real und gefährlich. Nicht umsonst berufen sich die Regisseure zudem auf einen angeblich realen Kriminalfall, der sich in Snagov ereignet haben soll - im hier gelegenen Kloster liegen die Gebeine des Vlad Tepes, der zum historischen Vorbild des Grafen Dracula wurde. Wie Vampire wirken denn auch die dunklen Gestalten, die über Clémentine und Lucas herfallen.
Verloren in der (osteuropäischen) Fremde: "Them" scheint in die Reihe der "neuen" Horrorfilme à la "Hostel" zu passen, die das Ausland mit der Hölle gleichsetzen: Wer sich dorthin begibt, fordert sein Schicksal heraus und verdient, was ihm angetan wird. Doch Clémentine und Lucas fallen nicht als arrogante Eindringlinge ein, sondern kommen als wahre Reisende nach Rumänien: Sie sind neugierig und bereit, sich auf das Land und vor allem die Menschen einzulassen. Das wird belohnt, denn die ersten Szenen zeigen Clémentine integriert in den Kreis ihrer rumänischen Kollegen. Was ihnen zustößt, haben sie keinesfalls selbst heraufbeschworen, und das lässt ihr Schicksal umso eindringlicher wirken.
Das große Haus im tiefen Wald ist eine klassische Kulisse, die immer wieder "funktioniert". So auch hier. Wir begleiten die beiden Bewohner an einem sonnigen Tag, der die halb eingerüstete, weil vom Zahn der Zeit arg benagte Villa malerisch wirken lässt. Das ändert sich radikal in der Nacht. Plötzlich verwandeln sich die vertrauten Räume, wirken riesig, unübersichtlich, sind erfüllt von bedrohlichen Schatten, die in unzähligen Winkel nisten. Im "Making-Of" erfahren wir, dass die Regisseure nicht das Drehbuch einem vorhandenen Haus "angepasst" haben, sondern lange nach einem Gebäude suchten, das den im Drehbuch vorgegebenen Gestaltungskriterien entsprach. "Them" ist ein "kleiner", d. h. niedrig budgetierter (und auch deshalb nicht in Frankreich, sondern kostengünstig in Rumänien entstandener) Film, der bis in seine Details sehr sorgfältig geplant und umgesetzt wurde.
Gewalt kommt vor, doch sie wurde konsequent in die Handlung integriert oder besser: ihr untergeordnet. Blut um des Effektes willen fließt hier nicht. Man vermisst es nicht, denn der Spannungsbogen ist trotzdem (oder gerade deswegen?) stabil. Wenn es brutal wird, ist der Schrecken umso größer.
Auch mit der Besetzung machen Moreau und Palud geschickt aus der (finanziellen) Not eine Tugend. "Them" ist ein Kammerspiel, das von nur zwei Darstellern getragen wird. Diese mussten verständlicherweise sehr sorgfältig gecastet werden, denn die Auswirkungen einer möglichen Fehlbesetzung ließen sich hier nicht durch die Leistungen einer größeren Gruppe ausgleichen. Clémentine und Lucas sind stets im Bild, müssen ständig präsent sein - und sie sind es!
Gekonnt legen uns die Regisseure und Drehbuchautoren das Duo ans Herz. Clémentine und Lucas sind keine hirnentkernten Hollywood-College-Geilis, sondern ein Paar, das seine turbulenten Jugendjahre schon hinter sich hat und harmonisch zusammenlebt. Olivia Bonamy und Michaël Cohen - beide bereits über 30 - spielen ebenso glaubhaft wie sympathisch. Als der Schrecken einsetzt, verwandeln sie sich nicht in rachsüchtige Killermaschinen, sondern spielen wiederum realistisch zwei Menschen in Not, die nur flüchten und überleben wollen. Dabei sind sie gleichberechtigt und Clémentine ihrem Lucas nie ein Klotz am Bein. Eher ist es zeitweise umgekehrt, denn Lucas wird durch einen klugen Drehbuchkniff recht unbeweglich, so dass seine Restkraft die von Clémentine nicht übertrifft. Sie sind aufeinander angewiesen, und sie bleiben zusammen, obwohl sie gegen die Angst und den Drang, notfalls allein zu flüchten, ankämpfen müssen.
Daten
Originaltitel: Ils
Frankreich 2006
Regie: David Moreau u. Xavier Palud
Drehbuch: David Moreau u. Xavier Palud
Kamera: Axel Cosnefroy
Schnitt: Nicolas Sarkissian
Darsteller: Olivia Bonamy (Clémentine), Michaël Cohen (Lucas), Alexandru Boghiu (Kind), Emanuel Stefanuc, Horia Ioan, Stefan Cornic, George Iulian (Munkelmänner) u. a.
Anbieter: Ascot Elite Home Entertainment
Erscheinungsdatum: 24.04.2007 (Verleih-DVD) bzw. 24.05.2007 (Kauf-DVD)
Bildformat: 16 : 9 (2,35 : 1 - anamorph)
Audio: Dolby Digital 5.1 (deutsch, französisch)
Untertitel: deutsch
DVD-Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2)
Länge: 77 min.
FSK: 16
DVD-Features
Die Features dieser DVD sind wie der Hauptfilm sparsam. Hervorzuheben ist freilich ein beispielhaftes "Making-Of", das sich nicht in beliebigen Drehort-Impression und inhaltsfreien Interviews erschöpft, sondern echte Informationen bietet. "Them" wurde in Rumänien gedreht - eine finanziell begründete Entscheidung, die vor Ort gewisse Zugeständnisse erzwang. Die einst beachtliche einheimische Filmindustrie liegt seit dem Fall des Eisernen Vorhangs danieder, Rumänien ist wie so viele andere Länder des ehemaligen Ostblocks zum Drehort für ausländische Filmemacher geworden, die mit dem Geld haushalten müssen. Hart und lange wird deshalb gearbeitet, Improvisation groß geschrieben. Für zimperliche Zeitgenossen ist das kein Zuckerschlecken. Nur ein Monat Drehzeit stand dem Team zur Verfügung.
Vor allem Olivia Bonamy berichtet mit Schrecken (und dem Stolz der Überlebenden) von körperlichen Herausforderungen und Sicherheitsmaßnahmen, die vor allem auf Gottvertrauen basierten, und zeigt diverse Blessuren vor. Die unbemerkt weiterlaufende Kamera zeigt sie mehrfach weinend oder fluchend, weil sie schon wieder seit Stunden in einem feuchten, schmutzigen Loch unter der Erde sitzt und sich die Seele aus dem Leib mimt.
Michaël Cohen spricht vom schauspielerischen Vorteil, den der Dreh von "Them" in Rumänien ihm und seiner Partnerin verschaffte: Wie Clémentine und Lucas waren auch sie Fremde in einem fernen Land. Die daraus resultierende Unsicherheit half ihnen sich in ihre Rollen einzufinden.
David Moreau und Xavier Palud erinnern sich an ihre Erfahrungen als Autoren und Regisseure. Sie erläutern, wie sich das eigentlich fertige Drehbuch änderte, weil die Story von "Them" während der Umsetzung ihre eigene Entwicklung nahm. Große Teile des Dialoges entfielen beispielsweise und wurden durch Geräusche, Licht- und Schatteneffekte ersetzt. Der Vergleich zwischen Entwurf und Umsetzung belegt, wie dies diesem Film zu Gute kam, der kein Glanzstück seines Genres, aber eine sehens- und erinnerungswerte Abwechslung vom ewigen Einerlei des modernen Mainstream-Metzelhorrors ist.
- Redakteur:
- Michael Drewniok