Kolya
- Regie:
- Jan Sverák
- Jahr:
- 1996
- Genre:
- Drama
- Land:
- Tschechische Republik
- Originaltitel:
- Kolya
1 Review(s)
20.11.2007 | 18:24Ein tschechischer Film, der als bester ausländischer Film einen Oscar erhalten hat? Das hat mich schon ein wenig neugierig gemacht. Allerdings hielten sich meine Erwartungen doch sehr stark in Grenzen, weil diese Auszeichnung meistens nicht sehr viel über die wirkliche Qualität des Films aussagt, bzw. ob er mir dann wirklich schlussendlich gefällt. Zumindest in der Vergangenheit war das so, weil die amerikanischen Oscar-Juroren einen typisch amerikanischen Blick und somit auch einen anderen Geschmack als den meinigen an den Tag gelegt haben.
Die Rede ist von "Kolya", einem Drama vom Jungregisseur Jan Sverák, der in unseren Gefilden leider eher unbekannt geblieben ist. Ein Anzeichen, dass der Film wirklich gut ist, bietet da schon eher die gute Benotung der User der Imdb.
Die Handlung:
Wir befinden uns im von den Russen besetzten Prag des Jahres 1988. Der Junggeselle Frantisek Louka (Zdenek Sverák) wurde von seinem Sinfonieorchester, bei dem er bislang als Geiger arbeitete, entlassen und muss seitdem, um seinen Lebensunterhalt zu sichern, auf Beerdigungen spielen. Außerdem erledigt Frantisek auch sonst kleinere Jobs, die so anfallen.
Er genießt sein Leben aber in vollen Zügen und lässt auch keine Möglichkeit aus, mit dem weiblichen Geschlecht anzubandeln. Doch wie gesagt, plagen ihn leider Geldsorgen. Da kommt ein Vorschlag seines Freundes gerade recht: Er soll gegen Bezahlung eine Scheinheirat mit einer russischen Braut eingehen, damit diese die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft bekommt. Dafür bekommt Frantisek dann soviel Geld, dass es sogar für einen Trabant-Kombi reicht. Gesagt, getan – der eiserne, etwas verschrobene Junggeselle heiratet.
Dummerweise setzt sich die neue Ehefrau nach kurzer Zeit in den Westen nach Deutschland ab. Sie hinterlässt ihm aber ihren fünfjährigen Sohn Kolya, der zu allem Überfluss auch nur russisch spricht. Für einen Junggesellen, der Russen nicht mag und außerdem mit Kindern keinerlei Erfahrung hat, eine fast unlösbare Aufgabe – zumal auch das tschechische Staatsorgan inzwischen vermutet, dass mit der Heirat alles nicht so ganz in Ordnung war ...
Kritik:
Ich muss sagen, dass ich wirklich positiv überrascht war! Durch die eher blassen und trostlosen Farben hat der Regisseur die damals vorherrschende Stimmung in der 'noch Tschechoslowakei' sehr authentisch eingefangen. Auch das typisch spitzbübische und sympathische Wesen der Tschechen kommt durch die fein ausgearbeitete Story und die sehr guten Schauspieler schön zur Geltung. Der oft mit humoristischen Einlagen aufgepeppte Film vermittelt so ganz nebenbei aber auch die damaligen historischen Ereignisse, welche ja die 'Befreiung' Tschechiens zur Folge hatten (auch im Film zu sehen). Für mich, der in der Nähe zur Grenze der Tschechischen Republik lebt, ist das natürlich von besonders großer Bedeutung – damals saßen wir ja in der 'ersten Reihe'.
Aber nicht nur das Drumherum stimmt, sondern auch die Geschichte weiß zu gefallen. Sympathische Charakter und eine langsame Erzählweise unterhalten wirklich hervorragend, ohne den Zuschauer zu überfordern. Besonders positiv ist mir da noch die Kameraarbeit aufgefallen, welche die böhmische Landschaft und vor allem die Prager Altstadt mit ihren Türmchen und leicht verfallenen Häusern in ein besonders reizvolles Licht rückt. Das hat dann auch einen Hauptanteil an der Wohlfühlstimmung des Filmes ausgemacht.
Kommen wir nun zu den Schauspielern, von denen ich ehrlich gesagt vor diesem Film noch nichts gehört hatte. Auch in diesem Punkt wurde ich positiv überrascht, denn alle Schauspieler machen ihre Sache sehr gut und spielen ihre vielschichtigen Charakter überzeugend. Wie gesagt – das unkomplizierte und spitzbübische Wesen der Tschechen wird punktgenau getroffen. Dass die tschechische Filmindustrie über genügend gute Schauspieler verfügt, haben wir aber auch schon an anderer Stelle sehen können. Herausragend aus den allgemein guten Leistungen der Darsteller und somit ein echtes Highlight sind aber die beiden Hauptakteure. Besonders Andrei Chalimon als Kolya hat mich förmlich aus den Socken gehauen. Wirklich, ich habe bisher selten ein Kind mit soviel schauspielerischem Talent gesehen.
Untermalt wird die ganze Szenerie von klassischen Streichern und den traurigen Beerdigungsstücken. Auch das passt hervorragend ins Bild der damaligen Zeit und zu den verfallenen, renovierungsbedürftigen Häusern im farbarmen Prag der damaligen Zeit.
Für wen ist dieser Film nun interessant? Ich würde sagen für alle, die einer etwas ruhigeren und manchmal lustigen Erzählweise etwas abgewinnen können. Die Schauspieler sind topp und es wird wirklich nie langweilig. Zusätzlich verhilft die gute Technik dem Film zur nötigen Atmosphäre. Ob der Oscar berechtigt war, kann ich nicht sagen. Der Film ist wirklich gut, aber sicher auch kein Meisterwerk, das neue Maßstäbe setzt. Eben gute Unterhaltung.
Die DVD:
Die Bildqualität dieser Veröffentlichung von Buena Vista Home Entertainment zu beurteilen, fällt mir nicht leicht. Ich weiß ja nicht, ob das leichte Bildgrieseln nicht unter die Rubrik „künstlerisch notwendig“ fällt. Die Farbarmut war auf jeden Fall sicherlich so gewollt und passt hervorragend zum Film. Ansonsten ist das Bild ein wenig unscharf und bietet auch sonst nur durchschnittliche Werte.
Das Gleiche beim (Stereo-)Ton, der zwar gut verständlich ist, aber es fehlt ihm eindeutig an Klarheit und Dynamik. Das ist aber durchaus zu verschmerzen, da es sich bei diesem Film um ruhiges Erzählkino handelt. Bei einem Actionfilm sähe die Sache natürlich anders aus. Die verfügbaren Tonformate (alle „nur“ in DD 2.0 Stereo): Deutsch, Spanisch, Tschechisch, Französisch
Folgende Sprachen wurden der DVD als Untertitel spendiert: Deutsch, Englisch, Englisch für Hörgeschädigte, Französisch, Spanisch, Portugiesisch
Dummerweise gibt es als Bonusmaterial nur eine Dokumentation „Hinter den Kulissen“. Schade, denn bei diesem Titel hätte es sich durchaus angeboten, auf die wichtigen politischen Ereignisse, welche zur Zeit des Films stattgefunden haben, einzugehen.
Mein Fazit:
Lustig, tragisch und auch zum Wohlfühlen – so lässt sich der Film "Kolya" am besten beschreiben. Für mich kein Meisterwerk, aber doch sehr gute Unterhaltung mit super Schauspielern auf hohem Niveau. Eben mal wieder etwas anderes, weit weg vom Mainstream. Am meisten hat mich dann aber doch überrascht, dass dieser Film einen Oscar gewonnen hat, weil er so gar nicht in das stereotype Schema der amerikanischen Juroren hineinpassen will. Meine Empfehlung für den niveauvollen Film zwischendurch!
- Redakteur:
- Detlev Ross