Faustrecht der Großstadt
- Regie:
- Otto Preminger
- Jahr:
- 1950
- Genre:
- Kriminalfilm
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Where the Sidewalk Ends
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06.11.2004 | 09:15"Where the Sidewalk Ends" (so der englische Originaltitel von "Faustrecht der Großstadt") – wo der Gehweg endet, beginnt die Gosse. Und genau dahin zog es in den 40er Jahren die Filmemacher, die in ihren Film Noir-Filmen die dunklen Seiten des Lebens thematisierten. Organisiertes Verbrechen, finstere, zwielichtige Typen und mittendrin ein Detektiv oder Polizist, der angesichts all des Übels nur als tragische Gestalt enden kann. In "Faustrecht der Großstadt" zeigt uns der legendäre Regisseur Otto Preminger einen Polizisten, der nicht nur gegen das Verbrechen ankämpft, sondern auch mit seiner eigenen Vergangenheit zu ringen hat.
Wegen seiner rüden Methoden gegenüber Verdächtigen handelt sich der Polizist Mark Dixon (Dana Andrews) öfters einen Rüffel von seinen Vorgesetzten ein. Als er einen Mordverdächtigen Paine (Craig Stevens), den er für unschuldig hält, in dessen Wohnung verhören will, kommt es zwischen den beiden zu einem Handgemenge, bei dem Paine nach einem unglücklichen Sturz stirbt. Aus Angst um seine Zukunft macht sich Dixon daraufhin daran, die Leiche verschwinden zu lassen, und hofft wohl insgeheim auch darauf, dass der Ganove Tommy Scalise (Gary Merrill), der ihm schon länger ein Dorn im Auge ist, in Verdacht gerät, Paine beseitigt lassen zu haben. Doch die Sache wird komplizierter, als Dixon Paines von ihm getrennt lebende Ehefrau Morgan (Gene Tierney) kennen lernt und sich in sie verliebt. Zu allem Überfluss gerät dann auch noch Morgans Vater in Verdacht, seinen unliebsamen Schwiegersohn getötet zu haben. In dieser verfahrenen Situation versucht Dixon nun mit allen Mitteln zu retten, was noch zu retten ist.
Die dunklen Ecken der Stadt sind es, die in dem Film in den Mittelpunkt rücken, die kleinen Leute, die sich der Wirkung dieser dunkeln Ecken nicht entziehen können, gleichgültig auf welcher Seite des Gesetzes sie nun stehen. Wie 35 Jahre später auch Sergio Leone in seinem Gangster-Epos "Once upon a Time in America" ("Es war einmal in Amerika", 1984), erhält dabei die Brooklyn Bridge einen besonderen symbolischen Wert. Während sie mächtig über der Stadt thront, vegetiert eine Gestalt wie Paine in ihrem Schatten, was in einigen der schönen Schwarzweiß-Kameraaufnahmen, die die Straße vor Paines Wohnung zeigen, bestens zur Geltung kommen. Und während die Brooklyn Bridge als ein Zeichen von Größe dasteht, packt Dixon in ihrem Schatten Paines Leiche in seinen Kofferraum, um die Zukunft seines kleinen, bedeutungslosen Lebens zu sichern.
Das Spiel mit Licht und Schatten, mit Schein und Wirklichkeit, wie es bei einem richtigen Film Noir dazugehört, gelingt Preminger auf meisterhafte Weise. Und das nicht nur was den Makrokosmos der Stadt angeht, sondern auch im Kleineren bei den Charakteren selbst. So wirken die in lange Trenchcoats eingehüllten Personen wie verkleidet, ihr typisches Pokerface (auch das Merkmale des Film Noir) wirkt nach außen wie Abgebrühtheit, ist letztendlich jedoch nur ein Hinweis auf die Unfähigkeit der Protagonisten, ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen, und auf die dahinterliegende dunkle Vergangenheit, die es zu kaschieren gibt.
Genauso wie Dixon auch in der Handlung von "Faustrecht der Großstadt" den Unglücksfall Paines zu verschleiern sucht, um seiner Vergangenheit zu entkommen. Sein Vater war nämlich ein berüchtigter Gangster; eine Tatsache, die Dixon nie überwinden konnte, nicht in mehreren Jahren Polizeidienst und erst recht nicht durch sein zwanghaft hartes Durchgreifen gegen Verbrecher. Vielmehr ist es genau dieses und seine Verschleierungsaktion dessen, was Paine zugestoßen ist, was ihn immer näher zu seinem Vater hin, anstatt von ihm weg führt, was ihm aber erst bewusst wird, als es schon fast zu spät wird.
Genau diese Verflechtung von Motiven, die die Grundaussage des Films auf vielen verschiedenen Ebenen zum Ausdruck bringt, ist es, die den Film zu einem echten Genre-Meisterwerk macht und zeigt, warum Regisseur Preminger auch heute noch zu größten Hollywood-Regisseuren gezählt wird. Die überzeugend spielenden Darsteller tun ihr übriges dazu, den Film zu einem wahren cineastischen Genuss zu machen. Und auch die herrlich sarkastischen Wortduelle zwischen Dixon und Martha, der Wirtin seines Stammrestaurants, möchte ich nicht unerwähnt lassen. Nicht nur, weil sie den Film in ganz gehörigem Masse auflockern, sondern auch, weil dadurch eine weitere Brücke gespannt wird zu den für das Genre stilprägenden Romanen Raymond Chandlers und deren oft meisterhafte Verfilmungen.
Meisterwerk! Auf diesen kurzen Nenner kann man "Faustrecht der Großstadt" ohne Zweifel und Übertreibungen bringen. Anhänger des Film Noirs kommen um ihn nicht herum und auch Fimfans allgemein sollten nicht lange zögern, wenn sich ihnen die Möglichkeit bietet, diesen Film zu sehen.
Die bei Koch Media erschienene DVD kann mit einem gelungenen und scharfen Bildtransfer im Originalformat 4:3 und sowohl der originalen englischen als auch der synchronisierten deutschen Sprachfassung aufwarten. Erwähnenswerte Extras sucht man allerdings vergebens.
- Redakteur:
- Andreas Fecher