Carla's Song (Ken-Loach-Box)
- Regie:
- Ken Loach
- Jahr:
- 1997
- Genre:
- Drama
- Land:
- Großbritannien / Spanien/Deutschland
1 Review(s)
24.09.2005 | 08:50Ken Loach wird in seiner Heimat Grobritannien auf cineastischem Gebiet als der Meister des britischen Sozialrealismus bezeichnet, und diese Bezeichnung finde ich persönlich äußerst treffend, denn der Regisseur von Filmen wie "Bread & Roses" zeichnet in seinen Produktionen die Schicksale der denkbar kleinen Leute, von Menschen, die so unscheinbar sind, aber dennoch eine einmalige Geschichte haben, und von Menschen, deren unverblümte Realität meist härter ist, als man dies auf den ersten Blick vermuten wird.
Einer dieser Filme, der jetzt auch in der Ken-Loach-Box enthalten ist, nennt sich "Carla's Song" und ist womöglich auch der Film, der Robert Carlyle zum internationale Durchbruch als Schauspieler verhalf. In diesem Streifen wird die Geschichte von Carla erzählt, die glaubt, sich in Schottland vor den Problemen in ihrer Heimat Nicaragua verstecken zu können, schließlich aber feststellt, dass ihre Bestimmung eindeutig darin liegt, sich ihrem Schicksal zu stellen, da sie nur auf dieser Art und Weise Befriedigung und Genugtuung für ein bis dato trauriges Leben finden kann.
Story:
Die nicaraguanische Tänzerin Carla kann die Situation in ihrer Heimat nicht mehr ertragen; der Bürgerkrieg zwischen Sandinisten und Contras hat auch sie schicksalhaft berührt, weswegen sie nach Schottland flieht. Dort trifft sie in einem Linienbus den etwas großmäuligen Busfahrer George, der ihr bei einer Schwarzfahrt zur Flucht verhilft und dadurch seinen Job verliert.
George ist irgendwie fasziniert von dieser Frau, und als er sie erneut trifft, muss er feststellen, dass er sich Hals über Kopf in Carla verliebt hat. Dann jedoch entdeckt George, dass Carla eine sehr grausame Vergangenheit durchlebt hat, über die Carla selber nicht viel zu berichten wusste. Nach und nach erfährt George, welcher Mensch hinter Carla steckt und was sie in ihren furchtbaren Albträumen beängstigt. Carla entschließt sich, zurück nach Nicaragua zu reisen, um die Ursache ihrer Träume zu bekämpfen. Zusammen mit George macht sie sich vor Ort auf die Suche nach einem gewissen Antonio, von dem alle wissen, dass sein Zustand nicht sehr gut ist, aber jeder vorgibt nicht zu wissen, wo er sich tatsächlich befindet. Bevor sie ihn jedoch finden können, stecken sie wieder mitten in der Realität des schrecklichen Krieges ...
Bewertung:
"Carla's Song" ist eine vollkommen typische Ken-Loach-Produktion. Damit wäre eigentlich alles gesagt, denn der Meister hat mal wieder einen fabelhaften Handlungsstrang zusammengestrickt, bei dem die einmalige Kultur und das Temperament der mittelamerikanischen Gesellschaft zu einhundert Prozent authentisch und überzeugend herübergebracht wird. Loach hat fünf Wochen in Nicaragua verbracht, um die Menschen in dieses Projekt einzubeziehen und ein reales Bild von dem zu zeichnen, was in Nicaragua gang und gäbe ist, und das, was dabei herausgekommen ist, ist nur mit Begriffen wie 'einzigartig' und 'bewegend' zu bezeichnen.
Das Schicksal der Menschen dort, in diesem Falle repräsentiert von der von qualvollen Träumen geplagten Carla, und die Lage vor Ort, all das lässt einen tagelang nicht mehr los. Ich habe den Film vor einer Woche angesehen, und immer noch ringe ich nach den richtigen Worten, um dieses Meisterwerk zu beschreiben. Die Gedanken werden nicht mehr frei, nachdem man die mordenden Contras bei einem Überfall auf ein kleines Dorf erlebt hat, oder wenn man den Berichten über die Verletzung jeglicher Menschenrechte zuhört. Es gibt so viele Kriegsfilme mit tausenden von Leichen, doch selten ist es dort der Fall, dass die gesamte Tragik so authentisch auf die Mattscheibe gebracht wird. Durch den Einbezug der einheimischen Sprache und die vereinzelt eingeflochtene musikalische Untermalung ist ein echtes Original entstanden, quasi eine Dokumentation in Spielfilmform, so empfindet man es zumindest.
"Carla's Song" ist ein Film, der stellenweise wehtut und vielleicht auch zu Tränen rührt. Verpackt in eine ganz ungewöhnliche Lovestory, bei der Robert Carlyle eine Glanzleistung als innerlich zerrissener Liebender abliefert, hat Ken Loach hiermit seinen vielleicht besten und gewaltigsten Streifen überhaupt abgedreht, und schließlich hat mich das Ganze nun auch dazu bewegt, mir die gesamte Box dieses großartigen Regisseurs zu bestellen. Diese 127 Minuten sind für Liebhaber sozialkritischer Dramen Pflicht!
- Redakteur:
- Björn Backes