Justitia - Blinde Göttin
- Regie:
- Carl Jørgen Kiønig
- Jahr:
- 1997
- Genre:
- Kriminalfilm
- Land:
- Norwegen
- Originaltitel:
- Blind gudinne
1 Review(s)
27.04.2006 | 09:29Hintergrund
"Blind Gudinne" (so der Originaltitel des Films) basiert auf einem Roman der norwegischen Erfolgsautorin Anne Holt. Dabei bringt Holt - als studierte Juristin - ihr Wissen über das norwegische Justizministerium und die Polizei in ihre Bücher mit ein (sie arbeitete jahrelang als Polizeijuristin und war sogar Norwegens Justizministerin). Die Hauptfigur all ihrer Romane, Hanne Wilhelmsen, weist erstaunlich viele Parallelen zu Holts eigenem Leben auf.
Handlung
Ein toter Drogendealer wird in einem Park gefunden - nichts Außergewöhnliches für die Polizei. Als am Tag darauf jedoch der Anwalt des Opfers brutal hingerichtet wird, nimmt die Mordkommission umgehend die Ermittlungen auf. Polizeihauptkommissarin Hanne Wilhelmsen (Kjersti Elvik) übernimmt die Führung dieser SoKo. Zusammen mit dem Polizeijuristen Håkon Sand (Lasse Kolsrud) findet sie den Täter sehr schnell, einen jungen, holländischen Gaststudenten. Beim Verhör macht der Holländer einen sehr schlechten Eindruck, scheint er doch panische Angst vor Strafverteidigern zu haben. Durch Kommissar Sand gerät der junge Mann an Karen Borg (Anne Ryg), eine gelernte Wirtschaftsjuristin. Sie übernimmt von nun an die Strafverteidigung des Holländers.
Schnell bemerken alle Beteiligten, dass hinter den Morden mehr steckt, als der Holländer ihnen weismachen will. Er ist bloß ein Laufbursche, der die Drecksarbeit für die höheren Kreise erledigt. Durch ihn kommt Wilhelmsen einer Drogenmafia auf die Spur, die bis in die höchsten politischen Kreise hineinreicht. Was Wilhelmsen nicht weiß: auch die Gegenseite hat ihre Ermittlungen aufgenommen und versucht all diejenigen aus dem Weg zu räumen, die ihrem Geheimnis auf die Spur kommen könnten. Das bringt gerade Karen Borg in größte Gefahr...
Kritik
"Justitia- Blinde Göttin" kam 1997 als Vierteiler ins norwegische Fernsehen. Es war eine sehr gute Entscheidung der Produzenten, Anne Holts Erfolgsroman auf diese Art und Weise zu verfilmen, da man der vielseitigen und interessanten Geschichte so die Möglichkeit geben konnte, sich frei und relativ ungekürzt zu entfalten. Dies mündet folglich in einen überladenen ersten Teil, der die Grundlage für die weitere Handlung liefert. Alle relevanten Charaktere werden eingeführt, inklusive ihres Hintergrunds, was auf Grund der Informationsfülle anfänglich größere Probleme macht. Zusammen mit den spärlichen Informationen der frühen Ermittlungen fühlt man sich als Zuschauer hilflos und verloren.
Erst mit dem Ende des ersten Teils (welches einen guten Cliffhanger zurücklässt) kommt wirkliches "Krimifeeling" auf. Die Grundlage für einen spannenden Krimi ist geschaffen. Glücklicherweise verdichtet sich die Geschichte im zweiten Teil sehr stark, so dass sich drei Handlungsebenen ergeben: die der Sonderkommission um Hanne Wilhelmsen, die der Anwältin Karen Borg und die der Gegenseite. Man erfährt im Folgenden auf drei Ebenen die Hintergründe und kann aufgrund der klugen Geschichte die Ereignisse einer Ebene mit in die andere nehmen. Letztlich ist am Ende des zweiten Teils die größte Verwirrung gelüftet und der vermeintliche Drahtzieher ist gefunden. Die beiden weiteren Teile beschäftigen sich nun einzig mit der Verschwörung rund um die sogenannte Drogenmafia - und verlieren dabei deutlich an Fahrt. Waren die Spannungen zwischen der Polizei und der Justiz anfänglich der große Reizpunkt des Films, wirken die letzten 75 Minuten ohne diesen Konflikt unrealistisch und vor allem konstruiert. Die anfänglich wirklich gute Geschichte wird zum Ende hin zu stark aufgeblasen, der Konflikt auf eine zu hohe politische Ebene verlagert. Hier verliert der Film an Glaubwürdigkeit!
Ein weiterer großer Kritikpunkt ist die sehr mäßige Regieführung von Carl Jørgen Kiønig. Grundsätzlich war es ein großer Fehler, fast ausschließlich Handkameras zu verwenden, da das Resultat nicht so recht zu einem Krimi passt. Das Bild ist viel zu häufig unruhig und somit wird z.B. die bedrohliche Ruhe eines Verhörs unnötig genommen. Weiterhin ist der Schnitt stellenweise eine mittlere Katastrophe! Hektische, unübersichtliche und unnötige Schnitte ziehen sich durch den ganzen Film. Während dieser Umstand in den ersten beiden Dritteln des Films zwar ärgerlich, aber nicht störend ist, wächst dieser Malus im letzten Drittel zu einer der Schwächen dieses Vierteilers an! Die nun gehäuft auftretenden Actionszenen sind schlicht nicht nachvollziehbar, da viele wesentliche Details durch die Umschnitte verloren gehen und der Fluss der Szene so arg ins Stocken gerät. Auch die Musik ist mehr als unpassend, die immer wieder auftretende Titelmelodie gar nervig. Hier hätte Regisseur Kiønig einen Profi seine Arbeit verrichten lassen sollen, anstatt selbst zum Dirigentenstock zu greifen!
Es gibt jedoch auch einige Dinge, die man dem Film zugute halten kann. Wie schon oben erwähnt, ist die Geschichte im Großen und Ganzen nicht schlecht, hat durchaus ihre spannenden Momente und überzeugt vor allem durch ihre Vielschichtigkeit. Die Charaktere sind zwar teilweise arg stereotypisch (raue, Harley-fahrende Hauptkommissarin, verruchter Undercover Cop etc.), was jedoch sehr gut zu dieser Art von Film passt.
Auch die Schauspieler machen ihre Sache überdurchschnittlich gut, wodurch der Film ein ums andere Mal vor dem Absturz gerettet wird. Besonders Kjersti Elvik weiß zu gefallen. Ihr Spiel zeigt den Stress und die privaten Probleme einer Hauptkommissarin während der Ermittlungen wunderbar auf. Sowohl Härte und Wille als auch die nötige Portion Verletzlichkeit kommt sehr gut rüber. Die zweite weibliche Hauptrolle (Karin Borg) ist auch sehr gut besetzt worden. Anne Ryg macht ihre Sache gut, spielt quasi das genaue Gegenteil von Kjersti Elviks Charakter - größtenteils verletzlich und überfordert, zum richtigen Zeitpunkt jedoch tough und schlagkräftig. Die Nebendarsteller sind allesamt annehmbar und fügen sich gut in ihre Rollen ein.
Die DVD
Das Bild ist insgesamt ganz gut. Ein sichtbares Rauschen zieht sich durch den ganzen Film, ist jedoch nicht so störend wie der schlechte Kontrast - in den dunklen Szenen gehen Details verloren, hier wäre ein besserer Schwarzwert wünschenswert. Die Farben sind zwar recht blass, passen aber gut zum Stil des Films. Die Bildschärfe schwankt von gut bis mäßig, vor allem die Großaufnahmen sind aber gut gelungen.
Beim Ton darf man nicht viel erwarten. Da es sich hier um einen TV-Vierteiler handelt, kommt der Ton lediglich in DD2.0 daher. Dieser ist jedoch sowohl in deutscher als auch in norwegischer Originalsprache vorhanden. Beim O-Ton ist zu erwähnen, dass sich die Untertitel nicht ausblenden lassen - Besitzer eines DVD-Players ohne User-Prohibits sollte dies nicht weiter stören. Die Dialoge sind bei beiden Tonspuren gut verständlich.
Leider sind die Extras sehr dürftig geraten. Außer einer Lesung aus Anne Holts Roman "Justitia - Blinde Göttin" gibt es nur eine Trailershow und Texttafeln zu der Hauptdarstellerin, dem Regisseur und der Autorin.
Fazit
"Justitia - Blinde Göttin" ist ein annehmbarer Krimi, der stellenweise mehr Justizdrama als Kriminalgeschichte sein will. Eine insgesamt gute Geschichte und gute Darsteller stehen einer schlechten Regie und einem missratenen Schnitt gegenüber. Krimifreunde und Fans der Autorin können einen Blick riskieren, sofern sie die oben genannten Kritikpunkte verschmerzen können.
Alle anderen sollten den Film vor dem Kauf unbedingt ausleihen, um einen eventuellen Fehlkauf zu vermeiden.
Carl Jørgen Kiønig hat übrigens noch einen weiteren Roman aus Anne Holts Feder verfilmt. Dabei handelt es sich um "Rache für meine Tochter" (Buchtitel: "Selig sind die Dürstenden").
- Redakteur:
- Martin Przegendza