4 Schlüssel
- Regie:
- Jürgen Roland
- Jahr:
- 1966
- Genre:
- Thriller
- Land:
- BRD
1 Review(s)
06.05.2006 | 16:19Tresorschlüssel gesucht: Gentleman-Gangster auf Einkaufstour
Der Chef des Bankhauses Traven & Co. wird vorzeitig zum Flughafen gerufen, wo er seine Tochter abholen soll. Zu spät begreift er, dass das Telegramm fingiert war und er sich in der Gewalt von Gangstern befindet. Ein eiskalt berechnender Verbrecher will am Wochenende mit seinen Leuten 3,5 Millionen Mark aus dem Banktresor rauben. Unter seiner unheilvollen Regie werden alle Beteiligten zu Marionetten in einem Spiel auf Leben und Tod. (Verlagsinfo) Jürgen Roland bezeichnet "4 Schlüssel" in der Doku als seinen wichtigsten Film. Der Drehbuchautor ließ sich von einer wahren Begebenheit im Jahr 1951 inspirieren.
Filminfos
O-Titel: 4 Schlüssel (D 1966)
Dt. Vertrieb: E-M-S (16.02.2006)
FSK: ab 16
Länge: ca. 102 Min.
Regisseur: Jürgen Roland
Drehbuch: Max Pierre Schaeffer und Thomas Keck
Musik: Konrad Elfers
Darsteller: Günther Ungeheuer, Hellmuth Lange, Hanns Lothar, Ellen Schwiers, Walter Rilla u.a.
Handlung
PROLOG. Eine Beerdigung, höchst feierlich inszeniert. Aber wer wird hier zur letzten Ruhe gebettet? Ist es der Bankier Rose selbst, die schöne Silvia Rose – oder ein bis dato unbekanntes Opfer?
Haupthandlung.
Der Tag beginnt ganz normal in der Hamburger Bank Traven & Co., die das Opfer werden soll. Die meisten Verantwortungsträger treten auf. Darunter Rolf Thilo (Hellmuth Lange), Konrad von Brenken (Paul Edwin Roth) und die Sekretärin Irene Quinn (Ellen Schwiers). Eine neue Geldladung wird im Tresorraum untergebracht, was von Thilo beaufsichtigt wird. Unterdessen planen Quinn und von Brenken ein nächtliches Rendezvous in seinem Jagdhaus.
Der Bankier Rose (Walter Rilla) wird durch einen fingierten Anruf zum Flughafen gerufen, um seine Tochter Silvia (Peitsch) vom Flieger abzuholen. Dort wird er schon erwartet. Doch statt seiner Tochter taucht eine junge Österreicherin (Silvana Sansoni) auf, die sich als Freundin Silvias ausgibt. In einem Wagen wird Rose auf dem Weg zu seiner Villa entführt.
In der Villa laufen alle Fäden des Projekts zusammen. Federführend tritt der aalglatte und schnell denkende Alexander Ford (Ungeheuer) auf. Auch er richtet wie seine Spießgesellen eine Pistole auf den Bankier. Und als auch Silvia Rose abgeliefert und bedroht wird, bleibt dem alten Herrn nichts anderes übrig als zu kooperieren.
Ford erklärt ihm seinen Plan. Er hat sich vorgenommen, 3,5 Mio. Mark aus dem Tresor der Bank in seine eigenen Taschen zu transferieren. Es gibt nur ein Problem: Wie kann der Tresor geöffnet werden? Für eine Sprengung oder das Aufschweißen hat der intelligente Verbrecher keine Zeit – ihm steht nur das Wochenende zur Verfügung. Es geht viel einfacher: Er braucht nur die vier Träger der Tresorschlüssel dazu zu bringen, ihm ihren jeweiligen Schlüssel zu übergeben. Doch um Mitternacht, wenn die Kontrollstreife der Polizei eintreffen wird, muss die Sache erfolgreich über die Bühne gegangen sein. Ford steht unter Zeitdruck.
Unter Fords cleverer Regie werden alle Beteiligten zu Marionetten in einem teuflischen Plan. Und völlig Unschuldige in ein gigantisches Verbrechen hineingezogen. Aber auch ein faules Ei ist darunter, und das wird Ford letztlich zum Verhängnis.
Mein Eindruck
Man merkt es dem Aufbau des Films an, dass Regisseur Jürgen Roland jahrelang dokumentarische TV-Reportagen und reportagenhafte TV-Filme gedreht hat, so etwa "Dem Täter auf der Spur", das berühmte "Stahlnetz" und schließlich den realistischen Spielfilm "Davidwache" (1964), übrigens alle in Schwarzweiß, aber allesamt so genannte "Straßenfeger", wie das schmeichelhafte Regisseursporträt informiert.
"4 Schlüssel" geht in der Dramaturgie und Fiktionalisierung einen Schritt weiter, um einen eigenständigen Spielfilm zu bieten. Dabei vergisst aber Roland aber durchaus nicht, das Zeitgeschehen zu berücksichtigen. In der ersten halben Stunde, die mir dadurch recht lang vorkam, ist der Wahlkampf zu sehen und die Ankunft einer bis dato wenig bekannten Rockband namens The Rolling Stones. Bei dieser Szene ist Jürgen Roland mit Kamera zu sehen.
Sobald jedoch klar ist, wie der Generalplan für die Beschaffung der vier Schlüssel zum Tresor aussieht, gewinnt die Handlung Struktur, Spannung und Tempo. Natürlich darf die Beschaffung der Schlüssel nicht reibungslos verlaufen, sonst wäre der Film schon nach einer Dreiviertelstunde zu Ende. Der Clou ist ja gerade, dass völlig Unschuldige in den Sog dieses sauber ausgetüftelten Verbrechens geraten. Die Aussage ist klar: Es kann jeden "normalen" Bürger treffen, und zwar auch Kinder. Deshalb ist es so wichtig, dass alle gegen das Verbrechen zusammenhalten.
Doch wer geht letzten Endes gegen die Verbrecher vor, die ja Geiseln genommen haben, die man nicht gefährden darf? Einer nach dem anderen von den bösen Buben geht der Polizei ins Netz, bis nur noch der Kopf der Bande übrig bleibt. Dass er sich ausgerechnet die schönste aller Frauen im Film – Silvia Rose (Monika Peitsch) – als Geisel geschnappt hat, ist sicherlich kein Zufall, sondern trägt zur emotionalen Wucht dieses Finales bei.
Schließlich sieht es so aus, als hätte Alexander Ford durch seine Skrupellosigkeit das riskante Spiel gewonnen. Da wirft sich ein Bürger aufopferungsvoll vors Auto, und das Spiel ist aus. Ironischerweise ist dieser Bürger (gespielt von Hanns Lothar) ein Mitarbeiter der Bank, der selbst Dreck am Stecken hat. Man kann sich also mit Recht fragen, ob seine Tat, die für ihn tödlich endet, der Sühne für sein eigenes Verbrechen diente.
Die beste Sequenz ist in meinen Augen der Überfall auf das Jagdhaus, wo sich die Sekretärin Irene Quin (Ellen Schwiers) in Gesellschaft von Filialleiter von Brenken mit Liebesstunden vergnügen will. Doch die Verbrecher vereiteln jede weitere amouröse Betätigung, sondern versuchen einzudringen. Da von Brenken jedoch mutig und einfallsreich ist, wird aus dem beabsichtigten Überfall eine Belagerung. Während Irene um Gnade usw. fleht, weiß sich von Brenken mit einer Flinte zu wehren – das würde jeden Ami entzücken. Doch Alexander Ford muss den Schlüssel unbedingt haben, sonst ist sein Plan futsch. Also setzt er Gas ein, um die Bewohner auszuräuchern. Das dürfte bei den Nachkriegsdeutschen finstere Erinnerungen an die Nazi-Gaskammern in Auschwitz geweckt (sofern sie davon wussten) und umso fieser gewirkt haben.
Ein Mann, der solche Mittel einsetzt, ist umso verabscheuungswürdiger. Deshalb war es dem Regisseur und seinen beiden Drehbuchautoren Schaeffer (dem Romanautor) und Keck offensichtlich wichtig, in einer enorm langen Szene im ersten Drittel den Kopf der Bande zu charakterisieren. Er stellt sich als gescheiterter Manager in edlem Anzug vor, dem nun mal die Geduld für den langen Aufstieg fehlt und der deshalb den kurzen, aber lukrativeren Weg des Verbrechens gewählt hat.
Seine eleganten Managermanieren vermögen viele der Opfer zu blenden, doch alsbald zückt auch er eine Pistole, das Mittel der Gewalt. Ich kann mich nicht erinnern, dass er jemals selbst abdrückt – er überlässt die Drecksarbeit stets den Handlangern. Wenn man will, könnte man dies als Kritik an den "Tätern im Maßanzug" verstehen. Für jeden der "Bürger" wird dieser Verbrecher zum Prüfstein: So mancher scheitert daran, aber andere wachsen daran und zeigen, was sie draufhaben. Der Tresorschlüssel erweist sich im übertragenen Sinn auch als "Schlüssel" zu ihrem Charakter, genau wie es der Drehbuchautor beabsichtigt hat.
Was mir etwas merkwürdig auffiel: Sobald die Schlüsselverwahrer ihre begehrte Trophäe an Ford abgeliefert hatten, verschwanden sie von der Bildfläche. So ergeht es auch meinem Lieblingsschauspieler aus dieser Filmära, Hellmuth Lange (der sich in der Doku enthusiastisch über "Stahlnetz" Folge 1 äußert). Obwohl er im Film das Zeug zum Playboy und Herzensbrecher hat, kommt er bei keiner der Damen zum Zuge - seine Herzensdame scheint des Bankdirektors Töchterlein Silvia Rose zu sein, und die steckt die ganze Zeit in sicherem Gewahrsam, nachdem sie den Gangstern in die Falle gegangen ist. Nach der ersten Hälfte ist seine Rolle nicht mehr gefragt – eigentlich schade, hätte er doch das Zeug zum Bond-Epigonen. (Der britische Agent war damals erst vier Jahre im Kino präsent.)
Roland erlaubte sich übrigens einen Seitenhieb auf seinen schärfsten Filmkritiker. Der Journalist Nettelbeck wird in Gestalt eines Lebensmittellieferanten auf die Schippe genommen.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 4:3 (s/w)
Tonformate: D in DD 2.0
Sprachen: D
Untertitel: -
Extras:
- Bonusfilm "Jürgen Roland – von Stahlnetz zum Großstadtrevier" (ca. 40 Minuten)
- Booklet von 12+20 Seiten
- Musikbox (Schlager)
- Trailershow
Mein Eindruck: die DVD
Obwohl der Film ziemlich genau vierzig Jahre alt ist, so besticht doch seine Präsentation auf dieser DVD durch ein tadelloses Bild. Keine Schnitte, Anschlussmarkierungen oder dergleichen Artefakte stören den positiven Eindruck. Der Sound in Monoqualität ist erwartungsgemäß nicht berauschend, erfüllt aber den Standard Dolby Digital und ist, soweit ich festgestellt habe, frei von Fehlern.
Der Bonusfilm "Jürgen Roland – von Stahlnetz zum Großstadtrevier" (ca. 40 Minuten) entstand für den Norddeutschen Rundfunk und ist insgesamt recht schmeichelhaft für den Regiepionier Roland. In den zwanziger Jahren als Jürgen Roland Schellack geboren, wollte er Clown werden und dies gelang ihm auch. Doch nach dem Arbeitsdienst kam der Wehrdienst. 1945 kehrte er in ein zerbombtes Hamburg zurück, um wieder Clown zu werden. Dies vereitelte sein Nachbar, der für den Rundfunk der britischen Militärverwaltung einen Mitarbeiter suchte. Daraus wurde der Nordwestdeutsche Rundfunk. Hierzu hat Roland einige amüsante Anekdoten beizusteuern.
Nachdem er die Reportage zum Hörbild gemacht hatte, gelang ihm der erste TV-Report: sehr kurios mit einem Lüneburger-Heide-Schäfer. Nach dem ersten Dokufilm startete er die oben erwähnten Kriminaldokus und Doku-Spielfilme, die zu regelrechten Straßenfegern wurden und den Aufstieg des Mediums Fernsehens enorm beflügelt haben müssen, will man den verantwortlichen Zeitzeugen wie etwa Peter von Zahn glauben. 1964 folgte der Spielfilm "Davidwache" und darauf "4 Schlüssel". Bis 2000 scheint Roland an TV-Serien wie "Großstadtrevier" im Regiestuhl mitgewirkt zu haben – eine rund fünfzigjährige Laufbahn beim TV.
Diese Serien machten seinerzeit dem Bürger klar, dass Landhausverbrechen à la Agatha Christie, Miss Marple oder Edgar Wallace der Vergangenheit angehörten. Banküberfälle und schließlich Geiselnahmen sollten schon in den sechziger Jahren das Gesicht des Verbrechens prägen. Ein früher Höhepunkt war sicherlich der große Überfall auf den englischen Postzug im Jahr 1967, der in dem deutschen Klassiker "Die Gentlemen bitten zur Kasse" bekannt gemacht wurde.
~ Das Presseheft ~
Nähere Informationen hierzu finden sich in den Beiträgen, die im beigefügten Presseheft abgedruckt sind. Auf Hochglanzpapier sind die Überlegungen von Roman- und Drehbuchautor Schaeffer sowie von Regisseur Roland nachzulesen, und ich fand sie sehr aufschlussreich. "4 Schlüssel" betrachtet Roland als den ersten deutschen Gangsterfilm. Und darin spielen nicht Räuber und Gendarm Fangen, sondern Weiße-Kragen-Gauner gegen Normalbürger.
Frauke Hanck porträtiert im Anschluss die beiden Exponenten des Films: Regisseur Roland und Hauptdarsteller Günther Ungeheuer. Die fünf Textbeiträge werden mit den vollständigen Credits und zahlreichen s/w-Fotos aus dem Film abgerundet – diese bilden praktisch eine Art Daumenkino, anhand dessen sich der Leser eine ungefähre Vorstellung von Filmablauf machen kann.
~ Das Verleihheft zur Serie "Kinohits von gestern" ~
Nach den Credits enthält das Begleitheft zur Serie kurze Porträts zu Günther Ungeheuer, Hellmuth Lange und Ellen Schwiers, die somit das Presseheft sinnvoll ergänzen. Etwas kurios mutet die anschließende Liste "Was erregte und bewegte die Welt im Jahre 1966" in stilechter zeitgenössischer Optik an. Damals begann immerhin schon der junge Autorenfilm mit Schlöndorffs "Der junge Törless" sowie "Es" von Ulrich Schamoni. Eine abschließende Liste führt die Filme der Reihe "Kinohits von gestern" auf. Sie sind alle ähnlich aufwändig aufgemacht.
Neben der unvermeidlichen Trailershow zu dieser Reihe findet sich ein Menüpunkt namens "Musik-Box". Hier lassen sich diverse Film-Schlager der Zeit abspielen.
Unterm Strich
Wer auf Krimi und Action der sechziger Jahre steht, kommt an diesem Film nicht vorbei – an Jürgen Roland sowieso nicht. Man besinnt sich heute wieder auf die kulturellen Errungenschaften jener Frühzeit des Fernsehens und der deutschen Krimiserie. Da ich jedoch Rolands Produktionen kaum kenne, ging ich recht unbeleckt ans Betrachten dieses Streifens. Obwohl dessen Meriten offensichtlich auf der Reportageseite liegen, so mangelt es doch im ersten Drittel an einer strafferen Dramaturgie. Immerhin entschädigt das letzte Drittel voll und ganz für diesen schleppenden Beginn.
Die DVD ist als Sammleredition konzipiert. Doch auch als Einstieg ins Werk von Jürgen Roland eignet sie sich, denn das Zusatzmaterial – von der Doku bis zum Presseheft – liefert genügend Informationen, um den Neuling für diesen TV-Pionier zu begeistern. Sound und Bild sind den Limits des Materials angemessen: Bild sehr gut, Sound passabel.
- Redakteur:
- Michael Matzer