Reeker
- Regie:
- Payne, David
- Jahr:
- 2005
- Genre:
- Horror
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Reeker
1 Review(s)
21.05.2006 | 12:52Irgendwo in der Wüste des US-amerikanischen Südwestens findet eine grandiose Rave-Party statt. An der wollen fünf Studenten beiderlei Geschlechts unbedingt teilnehmen. Leider verschweigt der geistig schlicht gestrickte Trip seinen Mitfahrern Gretchen, Cookie, Nelson und dem blinden Jack, dass er sich den Zorn des Drogenpanschers Radford zugezogen hat, als er diesem eine ganze Kiste Extasy-Tabletten klaute. Der erboste Pillerdreher droht mit handgreiflicher Vergeltung und macht sich an die Verfolgung des Quintetts.
Dieses ist inzwischen in einem heruntergekommenen Motel gestrandet, da das Vehikel den Geist aufgegeben hat. An Hilfe ist nicht zu denken; die Anlage ist völlig verlassen, für die Handys gibt es keinen Empfang. Wohl oder übel richtet man sich auf eine Nacht in der Wüste ein, was verständlicherweise vor allem Trip etwas nervös reagieren lässt. Tatsächlich glaubt er bald seinen rachsüchtigen Dealer zu sichten. Zunächst taucht allerdings nur der alte Henry auf, der seine Gattin vermisst, über Herzschmerzen und Gedächtnislücken klagt und sichtlich etwas verbergen möchte.
Doch für die fünf jungen Leute kommt die Gefahr, als sie sich buchstäblich materialisiert, aus einer ungeahnten Richtung: Flirrende Luft und ekelhafter Gestank nach faulendem Fleisch kündigen die Ankunft des skeletthaften "Reekers" an, der sie mit einer Kollektion eindrucksvoller Mordmaschinen verfolgt und dabei nicht ohne Erfolg bleibt. Das Ungeheuer ist schnell und leider unverwundbar. Schlimmer noch: In dem und um das Motel beginnen scheußlich verstümmelte Gestalten umzugehen, die kryptische Botschaften verkünden, nach denen man sich gar nicht mehr in der Realität aufhalte. Was das bedeuten mag, muss ungeklärt bleiben, denn die Flucht vor dem "Reeker" hält die rasch zusammenschmelzende Schar unserer unglücklichen Partygänger in Atem. Ohnehin gibt es Faktoren, die ihnen verborgen bleiben werden, bis es zu spät ist bzw. das Wissen darum keine Rolle mehr spielen wird ...
Schon wieder so ein Schlitzerfilmchen, das hübsche, triebhafte, dämliche Jugendliche mit einem irren Killer konfrontiert? Genauso sieht es zunächst aus; schon bevor der Vorspann einsetzt, gibt es einige wirklich fiese Morde. Doch schon zu diesem frühen Zeitpunkt merkt der Zuschauer auf: Hier hält die Kamera nicht einfach platt aufs Geschehen - hier wird inszeniert und das mit erfreulichem Geschick: Gruseln und Neugier auf das, was noch kommen wird, stellen sich umgehend ein.
Wie sehr der "Reeker" über dem Bodensatz des C-Horrorfilms aufsteigt, kann bzw. soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Dem insgesamt spannungsreichen Hauptteil folgt ein zwar nicht wirklich neuer, aber sehr geschickt umsetzter Twist, der die gesamte Handlung in ein völlig neues Licht stellt. Damit wird "Reeker" zu einem der seltenen Filme, die man sich gleich ein zweites Mal anschauen kann und dabei eine "neue" Geschichte erleben kann: Was bisher erschreckend und rätselhaft blieb, fügt sich plötzlich logisch ein.
Auch sonst ist der Enthusiasmus, mit dem die Macher von "Reeker" Slasher-Routinen weitgehend vermeiden, jederzeit spürbar. Mit erstaunlichem Einfallsreichtum gelingt es ihnen zum Beispiel das geringe Budget vergessen zu lassen. Die Wahl eines begrenzten, wenig aufwändigen Schauplatzes sowie das Engagement weitgehend unbekannter und deshalb kostengünstiger Darsteller sind bekannte Folgen chronischen Geldmangels, der im Horrorfilmgenre jenseits der großen Studios an der Tagesordnung ist. Die scheinbaren Nachteile können sich jedoch unter den Händen fähiger Drehbuchautoren, Regisseure und Ausstatter durchaus in Vorteile verwandeln. "Reeker" ist so ein Film, der keinen Moment wie ein ständiger Kompromiss wirkt, sondern in seiner Kulisse zur idealen Spielwiese für die gewählte Geschichte wird.
Die Spezialeffekte halten sich quantitativ in Grenzen. Dafür lassen sie in Sachen Qualität keinen Grund zur Klage aufkommen. Was den Pechvögeln widerfährt, die dem "Reeker" unter dessen Bohrer, Klingenpropeller oder Elektromesser kommen, wirkt ausgesprochen realistisch, ohne gleichzeitig nur auf den Effekt bedacht zu sein: Wenn es in diesem Film blutig wird, dann gehört es zur Handlung. Digitale Tricktechnik kommt ebenfalls gut überlegt zum Einsatz. Den "Reeker" umgibt ein flirrender, heißer Schwall stinkender Luft. Dieser ist optisch sehr gut gelungen und lässt die Spannung steigen, wer - oder was - sich hinter dieser Tarnung verbirgt.
Das günstige Urteil des Kritikers schließt die Schauspielerriege ausdrücklich ein. Das ist beileibe keine Selbstverständlichkeit, da für Slasher-Filme üblicherweise gut gebaute Jungmänner und knackige Mädels gecastet werden, die für die kurze Zeit ihrer Darstellung notgeilen Jungvolks proper aussehen sollen, bevor sie möglichst einfallsreich gekillt werden. In "Reeker" könnte dieses Klischees höchstens auf Cookie und Trip zutreffen, die in ihrem hirnarmen Auftreten jedoch wichtige Rollen im Ensemble übernehmen: Sie bilden die Gegengewichte zum "vernünftigen" Trio Gretchen, Nelson und Jack.
Gretchen ist eine interessante Figur - dies sogar buchstäblich, denn sie entspricht nur bedingt den oben skizzierten Anforderungen. Tina Illmans außerordentlich markant geschnittenes Gesicht wird ihr in Hollywood sicherlich keinen Superstar-Status bescheren, aber es verleiht ihr eine Individualität, die sich in der gespielten Persönlichkeit widerspiegelt: Gretchen kommt aus dem südafrikanischen Johannisburg und lässt sich schon deshalb schwer aus der Ruhe bringen. Sie ist von ernstem Wesen und verfügt über ausgeprägte ethische Grundsätze. In diesem Punkt entspricht "Reeker" dem Klischee: Gretchen verhält sich gesellschaftskonform konservativ und empfiehlt sich damit schon früh als potenzielle Überlebende. (Übrigens findet man in den Darstellerlisten zahlreicher "Reeker"-Berichte zwei Gretchens, die von Tina Illman bzw. Tina Payne gespielt werden. Hierbei handelt es sich einerseits um einen Fehler, der einfach immer wieder übernommen wurde, und andererseits um ein & dieselbe Person: Tina Illman hat inzwischen den Regisseur David Payne geehelicht und dessen Nachnamen angenommen.)
Das gilt auch für Jack, denn der ist blind und übernimmt deshalb eine Sonderrolle. "Reeker" ist keiner dieser zynischen Neo-Schlitzer, die mit dem ausdrücklichen Willen politisch unkorrekt zu unterhalten, die Schwachen und Hilflosen erst recht zu einem grausigen Tod verdammen. Jack ist blind aber kein Opfer, er hat sich mit trockenem Humor in seine Behinderung gefügt. Deshalb ist er auch in der Krise kein Hindernis, sondern weiß sich und seinen Gefährten zu helfen.
Eine kleine, aber schöne Rolle wird vom B-Movie-Veteranen Michael Ironside gemimt. Er gibt zur Abwechslung nicht den lautstarken Eisenfresser, sondern kommt ganz leise als Teil des Ensembles ins Geschehen. Er spielt gut und mit sichtlichem Vergnügen, aus dem er im Interview keinen Hehl macht: Ironside freut sich, wenn er mal nicht der böse Mann sein muss. Hier kommt ihm statt dessen eine zentrale Bedeutung bei der Auflösung des "Reeker"-Rätsels zu. Noch zwiespältiger wirkt in dieser Beziehung der verhinderte "Doktor" Radford, der dem "Reeker" scheinbar unfreiwillig zuarbeitet, während ihm in diesem Drama eine völlig unerwartete Rolle zufällt.
Der "Reeker" zeigt sich im Verlauf der Handlung vermutlich deutlicher als dies der Regisseur beabsichtigt hat. Die Skelettmaske ist ordentlich, kann aber nicht die Unheimlichkeit dieses Unholds ersetzen, der viele Filmminuten nur auftritt, wie es der Originaltitel ankündigt: als durchsichtiger, "übel riechender Qualmer". (Wieso "Reeker" in der deutschen Fassung beibehalten wurde, ist schwer nachzuvollziehen. Sonst ist man nicht zimperlich mit der Erfindung von Titeln, die plump & plakativ das Gezeigte ankündigen.) Freilich ist auch er letztlich nur Element der vielen Täuschungen, mit denen wir Zuschauer erfolgreich in die Irre geführt werden.
Daten:
Originaltitel: Reeker
USA 2005
Regie u. Drehbuch: David Payne
Kamera: Mike Mickens
Schnitt: Daniel Barone
Musik: David Payne
Darsteller: Devon Gummersall (Jack), Derek Richardson (Nelson), Tina Illman (Gretchen), Scott Whyte (Trip), Arielle Kebbel (Cookie), Michael Ironside (Henry), Eric Mabius (Radford), Marcia Strassman (Rose), David Hadinger (Reeker), Les Jankey (Trucker) uva.
Anbieter: MC-One
Erscheinungsdatum: 21. März 2006 (Verleih-DVD) bzw. 11. Mai 2006 (Kauf-DVD)
Bildformat: Widescreen 16 : 9 (1.78 : 1) anamorph
Audio: Dolby Digital 5.1 (deutsch u. englisch); DTS (deutsch)
Untertitel: Deutsch
DVD-Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2)
Länge 87 min.
FSK: keine Jugendfreigabe
DVD-Features
Der positive Eindruck, den "Reeker" hinterlässt, bleibt beim Anschauen der Extras erhalten. Schon die Leih-DVD geizt nicht mit Extras. Zwar müssen auch hier Features wie "Behind the Scenes", "Making of" und vor allem die "Interviews" mit Vorsicht genossen werden: Alle Beteiligten loben einander über den grünen Klee und vermitteln den Eindruck einer großen, glücklichen Familie. Das ist die werbetaktische Fortsetzung des Schauspielens im "Dokumentarischen" - eine 'Kunst', die vor allem in den USA vollendet beherrscht wird. Über das reale Geschehen am Drehort oder die Stimmung erfährt man nichts oder höchstens nebenbei. In diesem Fall durchbrechen zumindest Regisseur David Payne und Darstellerin Tina Illman - die gleichzeitig Produzentin des Films ist - das Schema, indem sie mit sympathischer Offenheit und erkennbarem Vergnügen von besonders fiesen Einfällen schwärmen.
Warum DVDs weiterhin mit "Fotogalerien" bepackt werden, muss ein Rätsel bleiben: Wem nützen die kommentarlos wiedergegebenen Abbildungen? Was sehen wir, wie können wir es einordnen? Es bleiben Schnappschüsse, die einfach deshalb zu sehen sind, weil die DVD den Speicherplatz dafür bietet. (Plumpe Werbetrailer gibt es natürlich auch, aber die straft bekanntlich fast jeder Zuschauer mit Missachtung - hoffe ich jedenfalls!)
- Redakteur:
- Michael Drewniok