Executive Koala
- Regie:
- Minoru Kawasaki
- Jahr:
- 2005
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Japan
- Originaltitel:
- Koala kachô
1 Review(s)
10.06.2006 | 09:11Schon beim Nippon Connection Festival im letzten Jahr erstaunte der Regisseur Minoru Kawasaki mit dem außergewöhnlichen 'Tierfilm' "The Calamari Wrestler" ("Ika Resuraa", 2004), in dem ein zum Calamari gewordener Ex-Wrestler wieder in den Ring steigt, um unter anderem gegen eine Riesenkakerlake zu kämpfen. In diesem Jahr bescherte er uns einen Film über einen Büroangestellten, der eigentlich ein ziemlich durchschnittlicher Schlippsträger wie alle anderen im Büro wäre, würde es sich bei ihm nicht um einen Koalabären handeln, der unter Mordverdacht geraten ist.
Eigentlich läuft alles hervorragend für Tamura: In seinem Beruf steht er kurz vor einem bedeutenden Geschäftsabschluss mit einer koreanischen Firma und in seinem Privatleben hat sich eine neue Beziehung angebahnt. Allerdings endet diese Beziehung recht abrupt, als er eines Morgens aufwacht und seine Freundin ermordet neben ihm in seinem Bett liegt. Natürlich gerät Tamura daraufhin selbst unter Mordverdacht. Schließlich kann er sich weder an die vorhergehende Nacht erinnern, noch hat er irgendetwas von dem Mord, der sich ja in seiner Anwesenheit zugetragen haben muss, mitbekommen - und dann wäre da noch die Sache mit seiner letzten Freundin, die vor einigen Jahren einfach spurlos verschwunden ist. Von da an heftet sich also ein Kommissar an Tamuras Versen, dem dieser schon seit dem zurückliegenden Fall ein Dorn im Auge ist. Noch kann er ihm allerdings nichts beweisen, und so wandelt Tamura auch weiterhin in Freiheit und versucht, seine Trauer durch das Fortführen seines Alltagslebens und gelegentliche Besuche bei seinem Psychiater zu bewältigen. Doch diese krampfhaft aufrechterhaltende Normalität gerät ins Wanken, als Tamura Besuch von einem potentiellen Geschäftspartner aus Korea enthält. Dieser kennt nämlich nicht nur Tamuras verschwundene Freundin, sondern besteht zudem vor Vertragsabschluss auf eine kleine Martial-Arts-Einlage mit ihm, die unangenehme Seiten an Tamura zu Tage fördert, die diesem selbst noch nicht bekannt waren. Und auch der Kommissar war indessen nicht untätig und hat in Tamuras Heimatdorf Hinweise auf dessen dunkle Vergangenheit aufgedeckt.
Die Story an sich mutet bis zu diesem Zeitpunkt wohl kaum sonderlich ungewöhnlich an, handelt es sich doch um einen typischen Thriller-Plot, wie man ihn so oder so ähnlich des öfteren antreffen kann. Allerdings gewinnt der Film eben schon allein dadurch, dass es sich bei Tamura um einen Koala handelt, der sich inmitten einer sonst fast nur von Menschen bewohnten Filmwelt bewegt, als sei es das Normalste der Welt, dass ein ausgewachsener Bär in einer Firma für Konservengemüse arbeitet. Da gibt es hin und wieder spöttelnde Bemerkungen von seinen Arbeitskolleginnen ob seiner starken Körperbehaarung oder auch mal bewundernde Blicke für seinen gewaltigen Körperbau – das war es aber auch schon an außergewöhnlichen Reaktionen auf seine eigentlich ungewöhnliche Statur. Eigentlich hört sich das Ganze wohl ziemlich plump an: Man nehme eine 08/15-Thriller-Story und platziere darin mal einfach so einen auffallenden Protagonisten und hoffe, dass sich das alles von selbst trägt und das Publikum zum Lachen bringt. Aber erstaunlicherweise tut es das auch – jedenfalls über weite Strecken. Es ist einfach zu unglaublich mit anzusehen, wie sich der Koala-Darsteller in einem Kostüm, welches bewusst als solches erkennbar ist, mit gezwungenermaßen ungelenken Bewegungen durch das Büro müht. Da braucht er nur mal einem Kollegen seine übergroße Hand zu reichen oder mit seinem lediglich aufgenähten Mund an einem Strohhalm zu nippen, und schon sorgt das für Erheiterung beim Zuschauer. Und nicht nur, dass dieses Kalkül überhaupt aufgeht, der Effekt hält auch erstaunlich lange an, wozu auch das unvermittelte Auftauchen anderer Tiercharaktere beiträgt: So entpuppt sich Tamuras Chef als schneeweißes Karnickel mit roten Äuglein und der Verkäufer um die Ecke als giftgrüner Frosch.
Aber spätestens nach der Hälfte des Films lässt der Effekt dann doch nach. Allerdings beginnt auch just dann die Story ihre konventionellen Bahnen zu verlassen und alles, was vorher als gegeben akzeptiert wurde, wird über den Haufen geschmissen. So offenbaren nahezu alle Charaktere nach und nach ein Geheimnis, es entstehen neue Verwirrungen und Auflösungen in den Verhältnissen der Figuren zueinander, und die Geschichte entwickelt sich zunehmend immer absurder und verletzt schließlich auch alle Gesetze der Logik der Natur.
Passend dazu wird ebenfalls der Regiestil um einiges abgedrehter und ungewöhnlicher und mutet einmal comichaft, dann wieder recht surreal an, so dass sich der Zuschauer nach der anfänglichen Konventionalität mit punktueller Wirklichkeitsverfremdung nun einem wahren Sammelsurium an Verfremdungseffekten ausgesetzt sieht, der stellenweise schon zuviel des Guten ist. So kann man je nach persönlichem Geschmack den gewollten Verlust des roten Faden – der sowohl die Story als auch die Inszenierung angeht – entweder als Stärke oder als Schwäche des Films ansehen. Um den Film aber bis zum Ende genießen zu können, benötigt man auf jeden Fall ein großen Maß an Offenheit und sicherlich auch einen Faible fürs Absurde.
Insgesamt kann man "Executive Koala" als ein Experiment ansehen, die Konventionalität eines herkömmlichen Thrillers nach und nach in immer absurdere Situationen abgleiten zu lassen - wobei der Ausgangspunkt, einen Koala als Hauptfigur agieren zu lassen, nur als Einstimmung auf das Folgende zu verstehen ist. Daher ist er wohl im Ganzen auch nur für Freunde außergewöhnlicher Filme geeignet, die damit leben können, wenn ein Film nicht allzu viel Tiefgang besitzt.
- Redakteur:
- Andreas Fecher