Hypnos
- Regie:
- David Carreras
- Jahr:
- 2004
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Spanien
- Originaltitel:
- Hipnos
1 Review(s)
05.06.2006 | 14:28Labyrinth der Albträume made in Spain
Dr. Beatriz Vargas ist eine Spezialistin auf dem Gebiet der Hypnose. Sie will einem jungen Mädchen helfen, das sich seit einem furchtbaren Erlebnis in einer Psychiatrie befindet. Doch nach anfänglichen Erfolgen wird das Mädchen plötzlich mit aufgeschnittenen Pulsadern tot aufgefunden. Ein unheimlicher Patient warnt Beatriz: "Es war kein Selbstmord." Je mehr sie sich mit dem Vorfall befasst, desto mehr verschwimmen für sie die Grenzen zwischen Traum und Realität. Und eines steht fest: Beatriz soll als nächste sterben. (Verlagsinfo)
Filminfos
O-Titel: Hipnos (Spanien 2004)
Dt. DVD-Vertrieb: e-m-s
VÖ: 18.05.2006 / 06.07.2006
FSK: ab 16
Länge: ca. 90 Min.
Regisseur: David Carreras
Musik: Oscar Maceda
Darsteller: Cristina Brondo ("Do you like Hitchcock" von Dario Argento); Demian Bichir; Marisol Membrillo u.a.
Handlung
Ein Lastwagen verliert auf regennasser Fahrbahn den Halt und kracht in einen Strommast. In der nahe gelegenen Stadt fällt der Strom aus. Infolgedessen muss der Polizeiinspektor mit der Taschenlampe eine Feuerleiter emporklimmen, da der Lift in dem Mietshaus ja ausgefallen ist. Er begibt sich an einen Tatort: In einer Wohnung, die nun stockdunkel ist, wurde eine getötete Frau gefunden. Ein Mädchen steht in der Ecke, offenbar unter Schock. Es schreit. Später werden wir die Namen der Frau und des Mädchens erfahren. Vom Täter fehlt jede Spur …
Dr. Beatriz Vargas (Brondo) tritt ihre neue Stelle als Psychiaterin in dem abgelegenen Nervensanatorium von Dr. Sanchez Blanch an. Es ist wie eine Festung an die kahle Küste des Atlantik gebaut, innen jedoch hypermodern eingerichtet und designt. Weder in den Korridoren noch auf der Wendeltreppe gibt es Kanten oder Ecken. Beatriz hat eine Phobie vor Aufzügen und erklimmt stets die Treppe in den zweiten Stock, wo sich die Behandlungsräume befinden. Die Ärztin Elena wie auch Dr. Blanch empfangen sie freundlich.
An ihrem ersten Tag begegnet sie einem jungen Mädchen – es ist das gleiche wie aus der Tatwohnung, und statt zu sprechen, zeichnet es das Meer: einen blauen Strich. Beatriz fasst sofort Zuneigung zu ihr. Daher trifft es sie umso härter, als sie abends heimlich in Dr. Blanchs Büro geht und dort das Mädchen auf einer Couch liegen sieht, offenbar hypnotisiert. Dr. Zabala sitzt bei ihm und suggeriert ihm, dass der Selbstmord durch das Aufschneiden der Pulsadern ein sehr friedvoller Tod sei, nicht wahr? Doch das Mädchen bemerkt (trotz Hypnose“) die Beobachterin und starrt sie voller Angst an. Dies entgeht Zabala nicht und er ermahnt Beatriz streng, stets einen weißen Kittel zu tragen – nur Patienten trügen einen blauen.
Als Blanch anordnet, dass Beatriz mit Zabala am Fall des Amnesie-Patienten M arbeiten soll, kommt es mit diesem zu einem Zwist, woraufhin sie den Fall des stummen Mädchens übernehmen darf. Beatriz hofft, dessen Geheimnis zu erfahren, doch so weit kommt es nicht. In der Nacht findet man die Leiche des Mädchens im Gartenteich. Sie hat sich die Pulsadern aufgeschnitten. Ein finsterer Verdacht beschleicht Beatriz und wird sogleich von Patient M bestätigt: "Es war kein Selbstmord!" Werden die Patienten hier per Hypnose zum Selbstmord verleitet?
Beatriz’ Visionen und Albträume nehmen an Heftigkeit zu. Sie liegt in der Badewanne und sieht diese voller Blut. Sie schreit unter Wasser. Sie schwimmt in den Ozean, um den Patienten Ulloa zu retten, doch stattdessen stößt sie auf die Wasserleiche des Mädchens. Dass die Ärztin Elena mit dem Patienten M vögelt, findet sie auch nicht in Ordnung. Offenbar hat Elena ebenfalls Probleme – und agiert sie lieber in ungezügeltem Sex aus, statt sie in sich hineinzufressen wie Beatriz.
Eine erste Krise wird erreicht, als sich der Patient M als Polizist Miguel offenbart. Wie versprochen findet sie unter einem Baum seine Dienstwaffe und –marke. Er behauptet, er ermittle verdeckt gegen die Betreiber des Sanatoriums. Hier würden einfach zu viele Leichen auftauchen, lauter Selbstmörder. Als sie auf seinen Tipp hin im Archiv deren Akten sucht, sind alle leer.
Patient Ulloa warnt Beatriz, dass etwas Schreckliches passieren werde. Wenig später sieht sie ihn an einem Baum hängen: Er hat sich das Leben genommen. Nun will Beatriz nur noch weg. Doch das ist leichter gesagt als getan. Denn sie ist als nächstes Opfer auserkoren …
Mein Eindruck
Dieser horrormäßige Psychothriller könnte direkt vom Autorengespann Nicci French stammen, so kunstvoll sind Kriminalhandlung und psychopathologischer Hintergrund miteinander verknüpft worden. Dass die Hauptfigur zudem weiblich und schön ist, ist eine weitere Übereinstimmung mit dem britischen Vorbild.
Aber Regisseur David Carreras kennt natürlich auch die modernen Vertreter des Thrillerkinos. Insbesondere Finchers "Sieben" und Mangolds "Identität" scheint er sich ganz genau angesehen zu haben. In jeder spannenden (Mord-)Nacht regnet es wie aus Kübeln, und der Weltuntergang scheint mal wieder sehr nahe zu sein.
Außerdem sind die Übeltäter lange Zeit nicht zu definieren, denn hier agieren doch intelligente Menschen, oder? Als die Ärzte als die Schuldigen feststehen, findet Beatriz’ Erwachen – nunmehr ist sie eine Patientin in blauem Kittel – in einem steril weißen Behandlungsraum statt, der wie die Treppen und Korridore kreisrund ist: Es gibt keinen Ort, sich zu verstecken. Klaustrophobie setzt ein. Das erinnert mich an manche Medizinthriller.
Die Soundkulisse ist zunächst schon relativ beunruhigend, mit tiefen Bässen und einer nervös-fragilen Pianomelodie. Doch als Beatriz’ voll in Panik ausbricht, steigert sich die Soundkulisse zu einem nervenzerfetzenden Bohren und Schrillen, dass es kaum auszuhalten ist. Erst nach ihrem Nervenzusammenbruch herrscht wieder Stille, eine beängstigende Stille.
Diese expressionistische Handhabung der Musik wirkte auf mich etwas zu aufdringlich, und auch so manches symbolische Bild war jetzt plakativ gewählt. Die Bebilderung der Albträume jedoch verfehlt ihre Wirkung nicht. Leider dürfte der männliche Betrachter hier mehr die wohlgebaute Anatomie der Hauptdarstellerin bewundern, als sich um ihre Angstvisionen zu kümmern. Brondo kann es mit jedem Playmate aufnehmen, und der Regisseur und der Kostümbildner nutzen ihre optischen Reize weidlich aus, damit der Zuschauer sich auf die Hauptfigur konzentriert.
Wer nun bangt, der Film versinke in einem aussichtslosen Albtraum, darf beruhigt werden. Beatriz wird geheilt, aber auf eine ganz andere Art und Weise als erwartet. Die Heilung führt sie in eine altmodisch eingerichtete Wohnung. Hier spielt das Röhrenradio eine Jazzmelodie mit dem Titel "Nice job if you can get it". Da dieses Lied (möglicherweise gesungen von Billie Holiday) immer wieder zitiert wird, gibt es einen sehr ironischen Kommentar auf Beatriz’ Job als Ärztin ab. In dieser alten Wohnung findet die Szene statt, in der der Zusammenhang zwischen Beatriz und dem jungen Mädchen aus der Anstalt deutlich wird. (Aber auch ein Widerspruchs innerhalb der verschiedenen Aussagen des Mädchens zu dieser Szene wird erkennbar: Darauf kann ich nicht eingehen, ohne alles zu verraten.) Nicht nur der Polizist Miguel ist anwesend, sondern auch Elena …
Ganz am Schluss gibt es – wie am Schluss von "Identität" – noch einen boshaften Schlenker, in dem der eingangs erwähnte Lastwagen eine verhängnisvolle Rolle spielt. Dies macht die Filmhandlung zu einem Rondo, das sich immer wieder von neuem abspulen kann. Die Welt ist offenbar ein Gefängnis, aus dem es kein Entrinnen geben kann. Das ist der ultimative Horror.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: Widescreen 2,35: 1 (anamorph)
Tonformate: DTS (deutsch); DD 5.1 / (spanisch) DD 5.1
Sprachen: D, Spanisch
Untertitel: D
Extras:
- Trailer
- 2 fast identische Teaser
- Making-of (5 Min.)
Mein Eindruck: die DVD
Wie schon angedeutet, ist die Musik- und Soundkulisse des Films von erstklassiger Qualität, was nicht zuletzt am hohen DTS-Sound-Standard liegt. Natürlich sind Musik und Sound von grundlegender Bedeutung für einen so klaustrophobischen Thriller wie "Hypnos". Hier müssen die entsprechenden Gefühle und Stimmungen vor allem akustisch transportiert werden. Das Bühnenbild, so wird im Making-of erzählt, hat den gleichen Zweck: Die Spiralen und gebogenen Korridore und verspiegelten Wände lassen keinen Platz zum Verstecken zu. Der Gang vor den Behandlungszimmer ähnelt eher einem U-Boot als moderner Architektur. Das Gefühl, sich in einem ausweglosen Labyrinth zu befinden, setzt der Hauptfigur zunehmend zu. Der Zuschauer kann dies ohne Weiteres nachvollziehen.
Das einwandfreie Bild wird durch den exzellenten Schnitt dramaturgisch wirksam. Der Cutter kommt im Making-of sogar selbst zu Wort, was äußerst selten der Fall ist. Seine Kunst ist meist subtil, doch an der Stelle, an der Beatriz ihren Nervenzusammenbruch erleidet, darf er sich austoben: Sie erlebt eine extrem geraffte Rekapitulation aller schlimmen Bilder, die sie im Sanatorium gesehen hat – dann folgt der bekannte "Filmriss". Die Bilder während dieses Kollapses sind natürlich ultrakurz, jedes wohl weniger als eine zwanzigstel Sekunde (für jede Filmsekunde sind bekanntlich 24 Bilder zu veranschlagen). Das Auge hat Mühe, sie überhaupt zu unterscheiden.
Das Bonusmaterial besteht nur aus einem sehr kurzen Making-of, den Rest bildet Werbung. Der Werkstattbericht beginnt nicht sonderlich einfallsreich mit einer Reihe von Aussagen, was der Film darstellt: Regisseur, Cutter, Hauptdarsteller – alle dürfen ihren Senf dazu geben. Wesentlich interessanter ist da schon die Präsentation eines richtigen psychologischen Fachmannes namens Dr. Andrés Cuarteto. Er hypnotisierte die Hauptdarstellerin tatsächlich. Danach folgt wieder eine Plattheit vom Regisseur: "Vorstellungen sind meistens krasser als die Realität" – nee, echt?
Unterm Strich
David Carreras hat seinen labyrinthisch aufgebauten Psychothriller mit allem angereichert, was heutzutage angesagt ist, doch es fehlt das Quentchen Originalität, das den Streifen aus der Masse der Produktionen herausheben würde. In Japan und Korea werden solche Streifen ja schon fast am Fließband hergestellt. Stets sind es Schulmädchen oder Studentinnen, denen der wie auch immer geartete Horror den Garaus macht.
Auch Carreras verzichtet – trotz aller plausiblen Psychologie – nicht auf mystische Elemente wie etwa die Hellseherei des Patienten Ulloa. Allerdings setzt er auch stark auf das erotische Element. Sex ist hier sowohl Elenas Obsession als auch Sucht. Und wenn Beatriz sie beim ziemlich heftigen Vögeln betrachtet, so ahnen wir, dass ihr Blick voll Neid ist. Beatriz selbst ist stets alleine, interessiert sich aber – vergeblich – für Dr. Blanch, ihren geistig-seelischen Mentor. Wie man sieht, wäre der Film eine Fundgrube für Freudianer. Allerdings reicht dies nicht aus, um jeden Zuschauer zu überzeugen. Auch mich nicht.
Obwohl die Machart des Film hinsichtlich Ton und Bild qualitativ erfreulich hoch ist, enttäuscht doch das Bonusmaterial. Ein derart kurzes Making-of sieht man selten. Während ich auf die Werbung dankend verzichten kann, vermisse ich hingegen Bio- und Filmografien zu den Darstellern und den Machern. Insbesondere zu David Carreras würde ich gerne mehr erfahren, aber nicht aus dem Internet, sondern aus Material auf der Silberscheibe. Leider Fehlanzeige.
- Redakteur:
- Michael Matzer