Für alle Fälle Fitz / 1.Staffel
- Regie:
- Tim Fywell, Jimmy McGovern
- Jahr:
- 1995
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Großbritannien
- Originaltitel:
- Cracker - Season 1
1 Review(s)
18.06.2006 | 11:37Pünktlich zur geplanten Wiederkehr der in England sehr beliebten Spielfilmserie "Cracker" - in Deutschland unter dem Titel "Für alle Fälle Fitz" - veröffentlichen Koch Media in mehreren Schüben die bisherigen zehn Folgen der spannenden Thriller-Reihe, die in Deutschland bislang nur im Spätabendsprogramm zu sehen war. Mal wieder typisch, wenn man bedenkt, welche Perlen sich oft auf den öffentlich-rechtlichen Sendern gegen den (mit Verlaub) Dreck der privaten Konkurrenz behaupten muss, dabei aber nur von einer erlesenen Fanschar mit entsprechenden Quoten belohnt wird. Jetzt, wo es die Filme aber auf DVD gibt, hat sich dieses Problem ja auch schon wieder erledigt...
Inhalt
1. Mord ohne Erinnerungen
Die Leiche der jungen Studentin Jacqui Appleton wird in der Eisenbahnlinie nach Manchester blutüberströmt und grausam entstellt gefunden. Schnell glaubt die Polizei den Mörder entdeckt zu haben, als sie in unmittelbarer Nähe einen Mann auffindet, der ebenfalls sehr viele Blutreste an seiner Kleidung trägt. Allerdings ist dieser Verdächtige nicht zur Vernehmung fähig, denn nach eigenen Aussagen hat er sein gesamtes Gedächtnis verloren. Appletons Dozent an der Universität, der obskure Edward Fitzgerald, nimmt sich der Sache an und nähert sich der Seele des möglichen Täters auf seine Art und Weise.
2. Mörderische Liebe
Sean und Tina sind gesellschaftliche Außenseiter; die eine wegen ihrer ausfallenden Art, der andere wegen seines Sprachfehlers, der ihm immer wieder im Wege steht. Ausgerechnet diese beiden lernen sich in einem Club kennen und verlieben sich prompt ineinander. Doch der sehr ruhige Sean weiß zu diesem Zeitpunkt noch nicht, worauf er sich eingelassen hat. Seine neue Freundin steckt nämlich in großen Schwierigkeiten und wird wegen ihres finanziellen Misskredits von einem Gangster bedroht. Um sich all ihrer Probleme zu entledigen, arbeitet sie einen Plan aus, an dessen Ende Sean den lästigen Gegner töten soll - erfolgreich. Doch war Mord der einzige Ausweg für diese beiden unscheinbaren Menschen? Mr. Fitzgerald wird erneut hinzu gezogen.
3. Tod eines Knaben
In einem nahe liegenden Wald wird die Leiche eines Jugendlichen gefunden, der sich ersten Vermutungen nach selber das Leben genommen hat. Wie sich jedoch herausstellt, wurde der Junge schon getötet, bevor er einen Strick um den Hals hatte, was wiederum die Polizei und ihren wertvollen verbündeten 'Fitz' auf den Plan ruft. In den Ermittlungen stellt sich heraus, dass der 14-jährige Tim auf seiner Schule kaum Akzeptanz fand; wegen seiner Homosexualität wurde er vor allem von seinen Mitschülern abgelehnt und isoliert, woraus sich für die Ermittler schon ein erstes Tatmotiv ergibt. Dann jedoch gerät der Lehrer des Jungen plötzlich in Verdacht, denn auch er scheint dem eigenen Geschlecht mehr verbunden zu sein als dem weiblichen, und als er dann auch noch versucht, sich ebenfalls umzubringen, steht der Fall für die Polizei kurz vorm Abschluss. Allerdings sorgen die schwerwiegenden Beschuldigungen für lautstarke Proteste verschiedener Gremien, und schon stehen Edward Fitzgerald und seine Kollegen vor einem neuen Rätsel.
Meine Meinung
Auf den ersten Blick, und speziell mit der kurzen Inhaltsangabe im Hinterkopf, scheint "Für alle Fälle Fitz" ein ziemlich typischer, britischer Krimi zu sein, der hinsichtlich der drei hier vorgestellten Storys auch Parallelen zu "Columbo" und Co. aufweist. Nun, das vermutet man zumindest. Und ja, die drei Teile sind in der Tat sehr britisch, wenn man ausschließlich den außergewöhnlichen, schwarzen Humor betrachtet, mit dem diese erste Staffel gekennzeichnet ist.
Besonders die Darstellung des exzentrischen Pleitegeiers 'Fitz', der wohl all die schlechten Eigenschaften, die ein Mann nur haben kann, in sich vereint, ist ziemlich kurios, denn dieser Kerl ist alles andere als ein typischer Kriminalbeamter. Der Doktor der Psychologie säuft regelmäßig, verzockt sein gesamtes Gehalt beim legalen sowie illegalen Glücksspiel und bettelt im Anschluss die eigenen Kinder um finanzielle Unterstützung, damit er seine Spielschulden wieder tilgen kann. Dass der Mann dabei meistens ziemlich schlecht gelaunt ist, versteht sich von selbst und ist auch Teil seiner nicht gerade sympathischen Ausstrahlung. Insofern ist der Hauptdarsteller auch das Paradebeispiel für einen Anti-Helden und kommt aufgrund seines Erscheinungsbild gleichermaßen dem Idealbild eines A...lochs ziemlich nahe.
Auf der anderen Seite ist Fitzgerald in seiner Arbeit als Profiler ein echtes Genie, dessen gutes Gespür und feine Menschenkenntnis unter anderem auch von seiner anrüchigen Umgebung herrühren. Würde sein Leben nicht selber von Chaos und zweifelhaften Machenschaften bestimmt sein, fiele es ihm wahrscheinlich ungleich schwerer, sich in die Lage der analysierten Personen zu setzen und ihre Motive zu erörtern. Dies wird besonders im zweiten Film "Mörderische Liebe" offenbar, bei dem die beiden seltsamen Außenseitefiguren Fitzgerald im Grunde genommen stärker ähneln, als der erste und zweite Blick dies zunächst vermuten lassen. Und so ist es schließlich auch generell: Je verworrener und wahnsinniger die Charakterzeichnungen werden, desto näher kommt sich der ermittelnde Dozent bei seiner Arbeit.
Robbie Coltrane ist in dieser Rolle wohl die optimale Besetzung; er verkörpert den Zwiespalt aus gebeuteltem Fiesling und genialem Denker sehr glaubhaft und setzt hierzu vor allem seine Körpersprache sehr gut mit ein. Er präsentiert sich in seinen depressiven Phasen mit gebückter Körperhaltung, trabt bei den Ermittlungen mit stolzer Brust an die Tatorte und verwandelt sich mit zunehmender Dauer in ein sich stetig wendendes, seelisches Chamäleon. Kein Wunder also, dass die Macher der "Harry Potter"-Filme auf den gewichtigen Briten aufmerksam wurden und ihn für den Part des Hargid verpflichteten. Er alleine bestimmt den Kurs der Serie und lenkt mit seinem unnachahmlichen Auftreten alle Geschicke dieser deutschlandweit noch stark unterschätzten Reihe. Und wegen seiner klischeefreien Darstellung ist er Kollegen wie Columbo und Schimanski schließlich auch noch haushoch überlegen - sowohl als Schauspieler, als auch als Sinnbild für ein gesamtes Genre. Es wird also höchste Zeit, dass man dies in unserer Republik auch mal gebührend anerkennt und dafür sorgt, dass 'Fitz' in Bälde noch einmal über die Mattscheibe flimmert.
Die ersten drei Folgen erscheinen aber schon mal vorzeitig, und dies in einer schmucken 2-DVD Box inklusive Pappschuber, leider aber ohne eines der informativen Booklets von Koch Media. Die Aufmachung ist zwar schlicht, aber trotzdem gut umgesetzt und der Stimmung der drei Thriller durchaus angepasst. Bonusmaterial gehört aber trotzdem nicht zur Ausstattung.
Hinsichtlich der Aufarbeitung gilt es aber dann doch ein wenig Kritik loszuwerden. Es ist der Ton, der hier Angriffsfläche bietet, weil er stellenweise recht dumpf klingt und die Standards des digitalen Silberlings nur in Ansätzen bedient. Dafür ist aber zumindest das Bild echt gut geworden, wenngleich die bekannte britische Blässe auch bei diesen drei Streifen nicht außen vor bleibt. Aber auch dies passt zur bedrückten Grundstimmung. Daher passt letztendlich auch nur der Sound nicht so ganz zum richtig überzeugenden Eindruck dieser kleinen Box.
Fazit
Ein toller Hauptakteur, eine tolle Serie und jede Menge Spannung. "Für alle Fälle Fitz" bietet atemberaubendes Krimi-Flair vermischt mit Psycho-Dramaturgie und der dichten Atmosphäre eines Thrillers. Mit recht unkonventionellen Mitteln sind die verschiedenen Regisseure hier an die Arbeit gegangen und stellen ausnahmsweise mal nicht die Tat samt Motiv in den Vordergrund, sondern vorwiegend das Menschenbild, das hinter dem Mörder steckt. Das Ergebnis dieser Herangehensweise spricht in den ersten drei Folgen bereits Bände. Spannung bis zum Abwinken und der extravagante Protagonist sind die beiden Hauptargumente für den Kauf dieses kleinen Schmuckstücke. Übertroffen lediglich noch von der Tatsache, dass einem selbst nach beinahe sechs Stunden Spielzeit nicht danach ist, sich vom Fernsehgerät zu lösen. Die zweite Staffel kann also ruhig kommen. Doch bis dahin zehren wir gerne noch vorm Hochgenuss dieser ersten drei Episoden!
- Redakteur:
- Björn Backes