A Real Friend
- Regie:
- Enrique Urbizu
- Jahr:
- 2006
- Genre:
- Horror
- Land:
- Spanien
- Originaltitel:
- Adivina quién soy
1 Review(s)
29.11.2006 | 08:44Die Serie ”Masters Of Horror” stand zweifelsfrei Pate bei der spanischen Anthologie ”Six Films To Keep You Awake”. Wie schon bei ihrem amerikanischen Vorbild wurden auch hier teils renommierte Filmemacher, teils talentierte Nachwuchsregisseure verpflichtet, die dem etwas angestaubten Horrorfilm neue Ideen abgewinnen sollten. Dass der vierte Beitrag ”A Real Friend” so viel origineller ist als die meisten anderen, liegt vor allem daran, dass er sich über die genrespezifischen Gesetze hinwegsetzt und Horrorklischees in einem Spiel aus Zitaten konsequent dekonstruiert.
Die junge Estrella lebt mit ihrer Mutter in einer gepflegten, aber anonymen Neubausiedlung. Da die Mutter berufsbedingt bis spät abends außer Haus ist, muss das etwas eigensinnige und kontaktscheue Mädchen viel Zeit alleine verbringen. Sie kreiert sich eine Parallelwelt, die von unterschiedlichen Monstren aus Film und Fernsehen bevölkert wird. Estrella sieht in den Kreaturen jedoch keine Bedrohung, sondern findet in ihnen Verbündete, die ihr auch mal im grauen Alltag zu helfen wissen. Neben einer spanischen Version von Leatherface hat es ihr besonders ein charismatischer Vampir angetan. Häufig unterhält sie sich mit dem faszinierenden Fremden, bekommt von ihm die Aufmerksamkeit, die ihr im wahren Leben verwährt bleibt. Als jedoch ein überaus realer Priester den Vampir zu jagen beginnt, entwickeln Estrellas Phantasmagorien Eigendynamiken, die die Situation eskalieren und eine Trennung zwischen Wirklichkeit und Fiktion unmöglich werden lassen.
Enrique Urbizu standen – wie allen anderen Regisseuren dieser Serie auch – nur äußerst begrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung. Dennoch ist es ihm gelungen, eine gleichermaßen unterhaltsame und anregende Arbeit anzufertigen. Anders als viele seiner Kollegen verzichtet er auf die typischen Blutbäder und Actioneinlagen, legt den Schwerpunkt eher auf Handlung und Charakterentwicklung. Mit einfachen Mitteln gelingt es Urbizu, eine kohärente Atmosphäre zu erzeugen. Nächtliche Busfahrten und ausgestorbene Tiefgaragen zeigen auf, dass sich sein eigentliches Verständnis von Horror nicht in überspitzt gezeichneten Massenmördern oder Blutsaugern manifestiert. Der Schrecken lauert hinter der Oberfläche, verbirgt sich sozusagen in den Köpfen der Menschen. Um dies deutlich zu machen, bricht der spanische Regisseur mit zahlreichen Klischees. Indem er das stereotype Horrorinstrumentarium zerlegt und wieder neu zusammensetzt, lotet er nicht nur die Grenzen des Genres aus, sondern überschreitet sie auch.
e-m-s präsentiert ”A Real Friend” in 1.78:1 anamorph. Die Farben fallen ein wenig blass aus, was dem Film allerdings nicht abträglich ist, da auf diese Weise die trostlose Wohn- und Familiensituation plastischer herausgearbeitet wird. Sowohl der deutsche (DTS, DD 5.1) als auch der spanische (DD5.1) Ton sind kräftig und gut ausbalanciert. Wie so oft in letzter Zeit trübt jedoch das spärlich vorhandene Zusatzmaterial (zwei Trailershows) das positive, aber mit 73 Minuten schon recht kurze Filmerlebnis. Insbesondere Freunden des etwas anderen Horrorfilms ist die DVD dennoch zu empfehlen.
- Redakteur:
- Marco Pütz