Dark Places
- Regie:
- Rotunno, Donato
- Jahr:
- 2006
- Genre:
- Horror
- Land:
- GB, LUX
- Originaltitel:
- In a dark Place
1 Review(s)
09.12.2006 | 15:09Gruselklassiker, in den Schnee gesetzt
Der Horror beginnt für das junge Kindermädchen (Sobieski) unmittelbar nach Antritt ihrer neuen Stelle in dem malerischen Herrenhaus Bly. Als Privatlehrerin soll sie sich um zwei Waisen kümmern, die ein dunkles Geheimnis hüten.
Zusätzlich zum Gerede von unnatürlichen Sünden der Kinder und dem Tod ihrer Vorgängerin künden geisterhafte Erscheinungen und merkwürdige Ereignisse vom unmittelbar bevorstehenden Grauen. Ein Kampf um die Seelen ihrer Schützlinge entbrennt, bei dem Anna bald auch um ihre eigene Gesundheit fürchten muss. (Verlagsinfo) Der Film ist eine Adaption von Henry James' bekannter Novelle "The Turn of the Screw" aus dem Jahr 1898.
Filminfos
O-Titel: In a dark Place (GB, LUX 2006)
Dt. Vertrieb: Koch Media (20.10.2006)
FSK: ab 16
Länge: ca. 95 Min.
Regisseur: Donato Rotunno
Drehbuch: Peter Waddington nach der Novelle "The Turn of the Screw" von Henry James
Musik: Adam Pendse
Darsteller: Leelee Sobieski, Tara Fitzgerald u.a.
Handlung
Die Gegenwart. Schulleiter Mr. James schüttelt den Kopf. Wieder einmal hat die junge Kunstlehrerin Anna Veigh (Sobieski) etwas zerbrochen. Offenbar ist sie ihrer schulischen Aufgabe nicht gewachsen. In väterlicher Weise nimmt er sich ihrer an und vermittelt sie an einen reichen Unternehmer, einen gewissen Laing. In dessen Firma stellt sie sich vor. An der Rezeption wird Ms. Grose (Tara Fitzgerald) auf die unbeholfen auftretende Lehrerin aufmerksam.
Laing ist der Vormund und Onkel der zwei Kinder seines bei einem Flugzeugabsturz verstorbenen Bruders und seiner Schwägerin. Da er als Junggeselle nichts von Kindererziehung verstehe, will er die Erziehung von Miles und Flora in kompetente Hände legen. Allerdings leben sie nicht in London, sondern auf dem Gut Bly, dem Stammsitz der Familie. Sie wäre neben Miss Grose die einzige Frau auf Bly. Es gibt nur eine Bedingung, die er stellt: Sie darf ihn niemals, unter keinen Umständen, mit den Angelegenheiten auf Bly behelligen. Anna sagt zu - nicht zuletzt wegen des dicken Schecks - und die kühle Ms. Grose fährt sie hinaus aufs Land.
Das Willkommen auf Bly ist nicht nur wegen der winterlichen Jahreszeit recht kühl, und Ms. Grose, die Haushälterin mit Manager-Allüren, erweist sich als eine gebildete und auf Distanz Wert legende Frau. Für sie ist der Luxus völlig selbstverständlich, doch Anna, die aus einfachen Verhältnissen stammt, schwelgt in duftenden Schaumbädern.
Die asthmatische Flora teilt mit der neuen Gouvernante schon bald das Zimmer. Der zehnjährige Miles wird erst in drei Wochen aus dem Internat zurückerwartet, doch ein Brief seines Schuldirektors kündigt zu aller Überraschung seine vorzeitige Rückkehr an. Anna und Ms. Grose können sich nicht erklären, warum Miles von der Schule verwiesen wurde: "schädliches Verhalten" - was soll darunter zu verstehen sein? Flora meint resignierend: Es ist jetzt schon das dritte Mal, dass Miles rausfliegt.
Sie holt ihn mit Flora ab. Der zehnjährige Miles erweist sich als kleiner Gentleman und hat die arglose Gouvernante in Nullkommanix um den Finger gewickelt. Es ist Winter und sie unternimmt mit "ihren" beiden Kindern lange Spaziergänge, besonders zum nahen See. Da sieht sie eines Tages einen fremden Mann in einem Fenster des Turms: Er scheint sich erhängt zu haben. Er wirkt auf sie wie eine dämonische Bedrohung, doch Ms. Grose hat ihn nicht gesehen. Doch Anna sieht den Fremden erneut draußen vor ihrem Küchenfenster. Ihr ist klar: "Er sucht die Kinder!"
Nun muss Ms. Grose mit der Wahrheit herausrücken: Es handle sich wohl der Beschreibung nach - Glatze, stechender Blick, schlecht sitzende Kleidung - um Peter Quint, den früheren Hausverwalter. Doch keine Angst: Er sei bereits Jahre tot. Miles sei ihm hörig gewesen, denn Quint führte unangefochten das Regiment auf Bly. In Annas Albträumen blitzt immer wieder die Erinnerung an ein junges Mädchen von etwa zehn Jahren auf - ist sie es selbst? Das Mädchen nimmt ein Geschenk von einem Fremden an …
Annas Schutzreflex wird noch verstärkt durch die Geisterstimme, die ihr am See zuflüstert: Es ist Violet Jessel, die vorherige Gouvernante, die im See ertrank. Doch Flora gibt vor, sie nicht zu sehen. Kein Wunder, denn auch Miss Jessel ist schon länger tot. Quint und Jessel liegen in einem gemeinsamen Grab, und Violet starb, als sie im dritten Monat schwanger war. Das Verhalten der beiden Kinder, die Anna Streiche spielen, weckt zunehmend ihr Misstrauen. Stecken sie etwa mit den beiden Geistern unter einer Decke? Haben sie sich gegen sie verschworen? In ihrer Verlorenheit lässt sie sich auf eine Liebesnacht mit Ms Grose ein. Diese trauert ihrer früheren Geliebten Violet immer noch nach.
Da entdeckt Anna, welches Geheimnis sich hinter den beiden Geistern verbirgt. Ihre ernste Besorgnis steigert sich zu verzweifelter Panik, um ihre beiden Schutzbefohlenen vor dem Verderben zu retten. Denn auch Annas Seele belastet ein dunkles Geheimnis.
Mein Eindruck
So wie Schönheit laut Volksmund im Auge des Betrachters liegt, so verhält es sich mitunter auch mit dem Bösen. Ist die Bedrohung durch Quint und Jessel für die Kinder wirklich oder eingebildet? Die Kunstlehrerin hat sich in ihre charmante Dienstherrin Ms Grose verliebt, doch als weit unter ihr stehende Frau unterdrückt sie ihre Libido, sublimiert sie vielmehr, indem sie sich zärtlich den beiden Waisenkindern widmet.
In Peter Quint erblickt Anna den bedrohlichen Doppelgänger eines Mannes aus ihrer verdrängten Vergangenheit. Da sie jedoch weder auf Autorität noch auf Erfahrung zurückgreifen kann, ist sie völlig auf sich angewiesen. Ihren Befürchtungen ausgeliefert, bildet sie sich die Bedrohungen durch die beiden Vorgänger ein. Ihre eigenen Aggressionen gegen die Welt überträgt sie auf die beiden Vorgänger, verdammt sie zudem in moralischer Hinsicht, weil die beiden eine "schamlose" Beziehung zueinander hatten. Ihre Aggression überträgt sie aber außerdem, und das ist letzten Endes ausschlaggebend, als Misstrauen auf die Kinder: Sie sollen Gehilfen der beiden Dämonen sein.
Die größte Ironie besteht jedoch darin, dass sie selbst es ist, die zu einer Besessenen wird. In ihrem Bemühen, sich als des Postens und der Aufgabe würdig zu beweisen, kann sie nicht auf Autorität oder altersbedingte Erfahrungen zurückgreifen. Ms. Grose ist in ihrer emotionalen Kühle ebenfalls keine Hilfe. Die unschuldige Lehrerin glaubt, endlich dem "schamlosen" Geheimnis auf die Spur zu kommen, das Miles verbirgt: Worin bestand sein "schädliches Betragen"? War es etwas sexuell Anstößiges? Gut möglich an einer kirchlich geführten Schule.
Anna muss beweisen, dass die beiden Dämonen Quint und Jessel, das unmoralische Liebespaar, Besitz von den Kindern ergriffen haben. Nur so kann sie sich auch selbst für unschuldig halten und denken, sie befinde sich im Recht. Schlägt dieses Bemühen fehl, ist ihr Irrtum offenkundig, ihr Versagen vollständig.
Und daher kennt ihre Besessenheit kaum Grenzen, als sie anhand der Bilder, die sie malen lässt, erkennt, dass die Kinder sie hänseln. Oder sind es deren Wünsche? Der innere Druck nimmt zu, ihre eigenen Repressalien - stets wohlmeinend zum Schutz der Kinder eingesetzt - erweisen sich schließlich als verhängnisvoll. Das Geheimnis aus ihrer Vergangenheit hat sie eingeholt. Das Geheimnis, dass sie selbst missbraucht wurde. Dies ist ein entscheidender Schritt, in dem der Film über die Vorlage hinausgeht.
~ Die Inszenierung ~
Leelee Sobieski hat bislang in schicken B-Horror- und in Independent-Filmen mitgespielt (The Glass House, Joyride, My first Mister). Das spricht nicht gerade für ihre mimische Ausdrucksfähigkeit, und dies beweist sich leider auch "Dark Places". Ihr stehen nur eineinhalb Gesichtsausdrücke zur Verfügung, und das ist bei weitem zu wenig, um den Zuschauer für ihre Figur einzunehmen. Deshalb ist es paradoxerweise ihr Gegenüber, Tara Fitzgerald als Hausverwalterin Miss Grose, die uns mit ihren durchdringenden Augen fixiert und für sich interessiert. Fitzgerald spielt Sobieski glatt an die Wand. Im Rückblick wundert es mich nicht, dass nicht Sobieski ihren Luxuskörper in Frontalansicht zeigt, sondern in einem Rausch der Bilder und Farben Tara Fitzgerald.
Kamera, Regie und Drehbuch tun der Hauptdarstellerin keinen Gefallen, wenn sie sie kahle Korridore entlangschleichen lassen und durch den weißen Schnee hetzen. Von der inszenatorischen Raffinesse des Genre-verwandten "The Others" ist "Dark Places" meilenweit entfernt. Regisseur Rotunno weiß seine Möglichkeiten nicht zu nutzen, obwohl er doch mit dem alten Herrenhaus über eine optimale Location verfügt. Es ist vor allem der langsame Schnitt, der dafür sorgt, dass der Zuschauer nicht genügend beunruhigt und berührt wird. Alles wirkt recht kontrolliert - was im krassen Gegensatz zu dem psychologischen Horror steht, der auszudrücken ist.
Die Musik ist keineswegs klassisch instrumentiert, sondern recht modern, mit vielen bedrohlich klingenden Bässen und dissonant kreischenden Obertönen, die aus dem Computer kommen. Diese Sounds bringt der Klangstandard DTS ausgezeichnet zur Geltung. Es ist das einzige Inszenierungselement, das den Psychohorror evoziert - leider nicht genug.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,85:1 (anamorph)
Tonformate: D in DTS, DD 2.0 und DD 5.1, Englisch in DD 2.0
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D
Extras:
- Trailer (2:07 Min.)
- Making-of (12:08)
- B-Roll (am Set; 1 unveröffentlichte Szene)
- 4 Film-Clips (10:05)
- Soundbites: Statements von Sobieski, Fitzgerald, dem Regisseur und den beiden Kinderdarstellern Gabrielle Adams und Christian Olson (14:20)
- Trailershow:
o Uncertain Guest
o Evel Knievel
o Pale Blue Moon
o Child of Mine
o Happy End
o Red Dust
o Bull Fighter (siehe meinen Bericht)
o Ab-normal Beauty (siehe meinen Bericht)
Mein Eindruck: die DVD
Im Making-of "Light in a dark place" behauptet Regisseur Donato Rotunno, sein Film sei weder eine normale Adaption der literarischen Vorlage von Henry James noch ein Remake der zwei bisherigen Verfilmungen von 1961 ("The Innocents") und 1971 ("The Nightcomers"). Natürlich stellt er sich genau als das heraus, und zwar mit einer bemerkenswerten Werktreue. Allerdings wurde die Figur des Vormunds mit der Figur der Miss Grose verschmolzen, die nun nicht mehr eine treue, aber tumbe Seele ist, sondern sehr kompetent in ihrer Eigenschaft als Hausverwalterin. Tara Fitzgerald ist eine Britin, Sobieski hingegen Amerikanerin, und dieser Unterschied in der Interpretation der Rolle ist unübersehbar.
Fitzgerald verrät auch in ihren Statements viel mehr Durchblick als Sobieski, die sich ständig wiederholt, als sei sie geistig weggetreten. So spricht Fitzgerald von archetypischen Figuren und erwähnt die Tatsache, dass alle Männer abwesend und die meisten Figuren im Film weiblich sind. Das finde ich sehr bemerkenswert, habe aber nicht den Platz, diesen Aspekt zu vertiefen.
Die "Film-Clips" bestehen aus vier Szenen, die recht gut gelungen sind. Insbesondere jene, in der Tara Fitzgerald die Geige ihrer toten Geliebten spielt, in eine ekstatische Trance fällt und sich selbst liebt, gehört zweifellos zu den besten Ausschnitten des Films. Sobieski in der Badewanne zu zeigen, fand man hingegen nicht einer Auswahl wert, und das ist völlig in Ordnung, denn es gibt dabei nichts Besonderes zu sehen. Sobieski hat zwar viel Holz vor der Hüttn, aber einen Hintern wie ein Brauereipferd. Es ist besser, sie versteckt ihn.
Fast alle "Soundbites", also Statements der Schauspieler, sind im Making-of zu finden. Diesen Punkt kann man sich also komplett sparen. Die "B-Roll" ist noch langweiliger, denn hier sieht man nur die Schauspieler und die Filmcrew im Schnee herumstapfen. Nur am Schluss fahren alle in die Stadt, um eine Szene zu drehen, die es nicht in die Endversion schaffte.
Der Originaltrailer fasst die spannendsten Szenen zusammen, doch sollte man sich auf keinen Fall auf diesen Eindruck verlassen - der Streifen ist recht langatmig und ich habe des Öfteren auf die Uhr an meinem Player geschaut. Die Trailershow bietet eine recht gelungene Auswahl, so etwa einen Vorgeschmack auf die ungewöhnlichen Produktionen "Bull Fight" und "Ab-normal Beauty".
Unterm Strich
Eine schlechte Hauptdarstellerin, ein schleppendes Erzähltempo, der Mangel an Schockeffekten und eine überflüssige Portion Teaser-Erotik machen den Film zu einer der langweiligsten und frustrierendsten Verarbeitungen der klassischen Gruselnovelle "The Turn of the Screw" von Henry James überhaupt. Tara Fitzgerald als Miss Grose spielt Leelee Sobieski locker an die Wand und beherrscht jede Szene, in der sie auftritt. Durchweg erscheint Sobieski nicht als Bewohnerin, sondern als zeitweiliger Gast oder Insasse des Herrenhauses. Sie sagt selbst im Making-of, dass diese Figur sehr wenig mit ihr selbst zu tun habe, und dass diese Distanz sogar Absicht gewesen sei. Man sieht es Anna Veigh an.
Die Story selbst leidet darunter zum Glück nicht. Es wird immer ein relevantes Thema sein, bestimmen zu wollen, an welchem Punkt ein Mensch, der sich als Beschützer auffasst, zu einem "Monster", ja einem Terroristen wird. Man könnte diese Diskussion beispielsweise auf die Staatsmacht übertragen: Ab welchem Punkt schlägt der Schutzauftrag des Staates in die Unterdrückung der Beschützten um? "Fürsorgliche Belagerung" ist der bekannte Ausdruck dafür.
Die DVD-Macher haben ihr Bestes versucht, aus dieser britisch-luxemburgischen Silberscheibe etwas Ansehnliches zu machen. Es ist ihnen nur teilweise gelungen, aber der Soundstandard DTS bringt dem Endergebnis von mir einen Pluspunkt ein.
Insgesamt landet dieser Silberling im Mittelfeld der Gruselproduktionen.
- Redakteur:
- Michael Matzer