Uncertain Guest – Du bist nicht allein (DVD)
- Regie:
- Morales, Guillem
- Jahr:
- 2004
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Spanien
- Originaltitel:
- El habitante incierto
2 Review(s)
02.12.2011 | 14:20Das geschieht:
Gerade haben sich Félix und seine Lebensgefährtin Vera getrennt. In seinem riesigen Haus lebt der erfolgreiche aber neurotische Architekt nun allein. Die Einsamkeit geht ihm auf die Nerven, zumal er eines Abends eine Dummheit begeht: Er öffnet einem Fremden die Haustür und lässt ihn telefonieren. Als Félix nach einiger Zeit nach ihm schaut, ist der Mann verschwunden.
Aber hat er wirklich das Haus verlassen? Félix zweifelt, denn schon in der folgenden Nacht beunruhigen ihn seltsame Geräusche: Es klingt, als würde jemand verstohlen durch die Räume wandern. Zwar kann Félix niemanden finden, doch er gerät zunehmend in Aufregung und alarmiert sogar die Polizei, die allerdings ebenfalls erfolglos sucht.
In seiner Angst sucht Félix erneut die Nähe zu Vera. Da sie ihn durchaus vermisst, geht sie auf seine Avancen ein. Doch als Félix eines Nachts durchdreht, sie beschuldigt, mit dem Eindringling gemeinsame Sache zu machen, und sie versehentlich verletzt, ergreift Vera die Flucht.
Félix verfällt endgültig in Paranoia und Panik. Er beschafft sich eine Waffe. Als er tatsächlich einen Fremden im Haus stellt, schießt er und schließt ihn verletzt auf dem Dachboden ein. Anschließend gibt Félix sein Haus auf und lebt zunächst in seinem Wagen, bis er zufällig die Identität des Eindringlings in Erfahrung bringt: Offenbar handelt es sich um den Archäologen Martín, einen Félix unbekannten Nachbarn. Félix verschafft sich Einlass in dessen Haus. Dort lebt die gelähmte Claudia, die Vera wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Sie vermisst ihren Gatten, der seit einigen Tagen nicht mehr heimgekehrt ist. Fasziniert nistet sich Félix in Claudias Heim ein. Er wird zum unsichtbaren Gast, der sich immer stärker in den Wahn steigert, dass Claudia (zu) ihm gehört ...
Die Kunst der unterhaltsamen Überraschung
So selten sind für den altgedienten Filmfreund jene Momente, in denen er überrascht und erstaunt einen Film verfolgt, der ihm etwas Neues bieten kann, dass sie einer Offenbarung gleichkommen. "The Uncertain Guest" versetzte zumindest diesen Rezensenten in eine beinahe euphorische Stimmung, was doppelt schwierig ist, da er ein Freund stringenter und schlüssiger Handlungen ist.
Bemerkenswert ist die Tatsache, dass Guillem Morales zwar eine bizarre Geschichte erzählt, die er jedoch völlig plausibel entwickelt. Dies führt zu der angenehmen Enttäuschung, mit einem Film konfrontiert zu werden, dessen Handlung man nach einer Weile vorauszusagen zu können glaubt, um sich wenig später mit Wendungen konfrontiert zu sehen, mit denen so einfach nicht zu rechnen war.
Zur inhaltlichen Qualität kommt eine formale Umsetzung, die der Geschichte noch im kleinsten Detail zuarbeitet. Das Haus des Architekten Félix ist eine großartige Kulisse und gleichzeitig Spiegelbild seines komplexen und instabilen Charakters. Es gibt unzählige Räume, die viel zu ordentlich eingerichtet sind. Scheinbar solide Wände lassen sich bewegen, was die Übersichtlichkeit Lügen straft, und in der Nacht sorgt die Designer-Beleuchtung nicht für klare Sicht, sondern erzeugt unheimliche Schatten, aus denen sich undefinierbare Geräusche umso deutlicher herausschälen.
Wahnsinn kennt keine Grenzen
Wie ernst kann man eine Geschichte nehmen, die um "Wohnraum-Parasitismus" kreist - ein Begriff, den Félix selbst in einem Moment rationaler Selbstreflexion prägt? Es stellt sich heraus, dass dies nicht der Punkt ist: Morales erteilt uns eine Lektion über die Tiefen des menschlichen Geistes, in denen sich erschreckende Kreaturen verbergen können.
Wahnsinn ist ein gern eingesetztes Film-Element. In der Regel kommt er freilich plakativ daher; dem Irren steht entweder buchstäblich der Schaum vorm Mund oder er gibt den genialischen Serienkiller oder Weltenzerstörer. Tatsächlich ist Wahnsinn ein Phänomen, dessen eigentlichen Schrecken ebenfalls Félix in Worte fasst: Das eigene Gehirn lässt ihn im Stich. Es registriert und entschlüsselt nicht, was geschieht, sondern folgt eingebildeten Reizen. Auf diese Weise gehen Realität und Fiktion ineinander über, sie lassen sich nicht mehr differenzieren.
Schon als filmische Reise in den Wahnsinn ist "Uncertain Guest" ein böser Trip. Doch Morales sorgt für ein zusätzliches Element der Unsicherheit: Versteckt sich womöglich doch ein 'Untermieter' in dem Haus, wo er parallel zu Félix unsichtbar sein Dasein fristet? Die gegenteiligen 'Erklärungen' überzeugen die Polizei oder die ungläubige Vera, aber der Zuschauer zweifelt ebenso wie Félix.
Wahnsinn ist ansteckend
Während wir endlich eine Erklärung für die seltsamen Ereignisse gefunden haben und darauf warten, dass Morales sie in die entsprechende Handlung umsetzt, schlägt diese plötzlich eine völlig neue Richtung ein. Félix tritt die Flucht nach vorn an. Er schaltet seinen unheimlichen Peiniger aus - und verliert darüber endgültig den Verstand. In einem genial eingefädelten Handlungsfaden verwandelt sich Félix in das Pendant seines Verfolgers. Er schleicht sich in das Haus von Martín und Claudia ein und wird selbst zum Wohnraum-Parasiten!
Als solcher verbreitet er Angst und Schrecken wie sein anonymes Gegenstück - und er genießt es. Plötzlich erleben wir aus der Perspektive des Täters mit, was das Opfer vormals erdulden musste, wobei Opfer und Täter nun identisch sind. Die zweite Filmhälfte spiegelt die Ereignisse der ersten wider, was dadurch unterstützt wird, dass sowohl Vera als auch Claudia von Mónica López dargestellt werden.
Wahnsinn steckt voller Überraschungen
Wie kann eine solche Geschichte aufgelöst werden? Morales gelingt das Kunststück. Das letzte Viertel inszeniert er als Kette unerwarteter Twists, die sich keineswegs in spektakulären Effekten und reiner Unterhaltung erschöpfen, sondern subtil eine groteske aber in sich ruhende Story plausibel abrunden.
Dieses Finale soll hier natürlich nicht aufgedeckt werden, zumal man ohnehin sehen muss, um glauben zu können, wie aberwitzig endet, was sieben Menschen das Leben gekostet hat, nachdem Félix erneut zum Opfer der von ihm bedrängten Pechvögel wurde, die ihre eigenen düsteren Geheimnisse hüten. Niemand spielt in diesem Film mit offenen Karten, und Wohnraum-Parasitismus ist offenbar stärker verbreitet, als man geahnt hätte ...
Für seinen Spielfilm-Erstling wurde Guillem Morales gern mit David Lynch verglichen. "Uncertain Guest" ist jedoch kein Arthouse-Film, sondern bleibt primär der Unterhaltung verpflichtet. Macht man sich von der Erwartung frei, dass hinter dem merkwürdigen Verhalten der Protagonisten ein 'Sinn' stecken muss, bleiben bei genauer Beobachtung keine Fragen, wenn die Schlusstitel einsetzen. Bis es soweit ist, überlässt Morales nichts dem Zufall, weshalb man sich "Uncertain Guest" sehr sorgfältig und womöglich mehrfach anschauen sollte. Nebensächliche Handlungen, sinnfreies Reden, sogar Einrichtungsgegenstände im Bildhintergrund ergeben nachträglich einen Sinn bzw. Hinweise auf das eigentliche Geschehen. Da die Figuren nicht schlauer sind als der Zuschauer, wird auch ihnen dies zu spät klar.
Kammerspiel in zwei verwinkelten Häusern
"Uncertain Guest" ist eine Herausforderung für die Darsteller, die in kleiner Besetzung eine komplexe Handlung stimmig tragen müssen. Die meiste Zeit sehen wir Andoni Gracia als Félix und Mónica López zusammenspielen, an die in ihrer Doppelrolle besondere Ansprüche gestellt werden.
Gracia ist zunächst erschütternd überzeugend als Opfer einer tatsächlichen oder eingebildeten Heimsuchung, während er später erschreckend glaubhaft in der Rolle des Stalkers wirkt. Der psychische Verfall wird nur selten durch entsprechende Ausbrüche 'verdeutlicht', sondern teilt sich in Félix' Verhalten und Äußerungen mit, die Paranoia und Misstrauen in einem verhängnisvollen Aufschaukeln zeigen: Der Wahnsinn wohnt - die Realität zeigt es - gern und lange unbemerkt hinter unauffälligen Gesichtszügen.
Das Spiel der Nebenfiguren fügt sich noch in den kleinsten Rollen harmonisch und mit katastrophalen Folgen in das Geschehen ein. Mitleid will sich beim Zuschauer nur selten einstellen. Die Figuren fordern ihr Schicksal durchaus selbst mit heraus. Allerdings schlägt es in der Realität kaum so konsequent und erbarmungslos wie unter Morales' Anleitung zu.
An einer ähnlich verwickelten und abrupt kehrtwendenden Geschichte versuchte sich Morales 2010 in "Los ojos de Julia" ('dt.' "Julia’s Eyes"). Wiederum waren Inszenierung und Schauspiel erlesen, doch dieses Mal zerfiel der Film zu deutlich in zwei Abschnitte. "Uncertain Guest" bleibt in jeder Hinsicht das bessere Werk.
DVD-Features
Die Extras zum nur als DVD veröffentlichten Film sind karg, doch das knapp viertelstündige "Making-of" wird der Zuschauer dankbar zur Kenntnis nehmen, werden hier doch wichtige und interessante Hintergrundinformationen gegeben. (Leider fehlt die Antwort auf die Frage, wieso "El habitante incierto" - "Der ungewisse Gast" - in Deutschland mit "Uncertain Guest" 'übersetzt' wird.) Weniger wichtig sind der Trailer zum Film und eine Bildergalerie (ca. 100 Fotos), die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit niemand ansehen wird.
Infos zu Film und DVD
Originaltitel: El habitante incierto (Spanien 2004)
Regie u. Drehbuch: Guillem Morales
Kamera: Sergi Bartrolí
Schnitt: Joan Manel Vilaseca
Musik: Marc Vaíllo
Darsteller: Andoni Gracia (Félix), Mónica López (Claudia/Vera), Francesc Garrido (Bruno), Agustí Villaronga (Martín), Minnie Marx (Senora Mueller), Pablo Derqui, Violeta Llueca, Xavier Capdet (Polizeibeamte) u. a.
Label/Vertrieb: Koch Media (www.kochmedia-film.de)
Erscheinungsdatum: 06.10.2006 (DVD)
EAN: 4020628987947 (DVD)
Bildformat: 16 : 9 (1,85 : 1, anamorph)
Audio: Dolby Digital 5.1 (Deutsch, Spanisch), Dolby Digital 2.0 (Dutsch, Spanisch)
Untertitel: Deutsch
DVD-Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2)
Länge: 109 Min.
FSK: 16
- Redakteur:
- Michael Drewniok
Das Kuckucksproblem
Ungebetener Besuch für den von einer schweren Lebenskrise gebeutelten Felix. Eines Abends steht ein völlig Fremder mit der Bitte vor der Tür, kurz sein Telefon benutzen zu dürfen. Als Felix der Bitte nachkommt, erweist sich das als verhängnisvoller Fehler. Denn als er ins Wohnzimmer zurückkehrt, ist der Unbekannte wie vom Erdboden verschluckt. Oder doch nicht?
In Felix' Villa geschehen merkwürdige Dinge, die der paranoide Architekt bald nicht mehr als Hirngespinste abtun kann: Er hat tatsächlich einen ungebetenen Gast – aber was hat der Eindringling vor?
Filminfos
O-Titel: El habitante incierto (E 2004)
Dt. Vertrieb: Koch Media (06.10.2006)
FSK: ab 16
Länge: ca. 112 Min.
Drehbuch & Regie: Guillem Morales
Musik: Marc Vaillo
Darsteller: Andoni Gracia (Félix), Monica Lopez (Vera, Claudia), Agusti Villaronga (Bruno), Minnie Marx (Frau Helga Müller) u. a.
Handlung
Tag 1.
Félix ist ein Architekt, der eine alte Villa renoviert hat. Seit seine Frau Vera vor zwei Monaten ausgezogen ist, bewohnt er die 500 Quadratmeter ganz alleine. Damit ihn die Einsamkeit nicht bezwingt, klammert er sich an Gewohnheiten. Jede Störung wird als Invasion empfunden. Als er merkwürdige Geräusche hört, stößt er auf Vera, die immer noch ihren eigenen Hausschlüssel hat und wieder einmal einen Teil ihrer Sachen abholt. Sie erzählt, sie lebe jetzt in einer 40-Quadratmeter-Wohnung im Zentrum.
Tag 2.
Wieder einmal stürmt morgens der Hund von Nachbarin Helga Müller in die Küche, um sich eine Salamischeibe zu stibitzen. Félix rastet beinahe aus, und Frau Müller schimpft wie ein Rohrspatz. Wenig später holen Möbelpacker Veras letzte Sachen ab. Das Haus ist nun völlig leer, bis auf ihn und seine Möbel. Da klingelt es an der Tür.
Doch es ist nicht Vera, die zu ihm zurückkehren will, sondern ein völlig Fremder. Der Mann um die 40 behauptet, die Telefonzelle vor dem Haus sei kaputt und fragt, ob er bei Félix telefonieren dürfe. Dem Architekten liegt es fern, einen Hilfesuchenden abzuweisen und er lässt ihn ein. Nur die Fragen des Fremden sind sonderbar: Ob das Haus einen Keller habe und wie groß es sei, will er wissen. Und ob er bitte alleine telefonieren könne?
Als Félix wieder zurückkehrt, ist der Fremde verschwunden – ohne "Danke" und "Auf Wiedersehen". Eine Suche im Haus verläuft ergebnislos, doch es stellt sich heraus, dass das Telefon in der Zelle vorm Haus einwandfrei funktioniert. Was soll das? Auf der Suche nach merkwürdigen Geräuschen in dem weitläufigen Haus erkundet Félix auch seinen Keller. Da fällt die Tür zu. Es gelingt ihm, die Tür aufzuschieben. Wollte man ihn einsperren?
Tag 3.
Doch die Polizisten, die er herbeiruft, als er Spuren eines männlichen Eindringlings findet, suchen vergeblich. Er will nicht zugeben, dass ihn ein Schatten im Büro genarrt hat. Doch die Geräusche hören nicht auf, so dass er nun Vera zu Hilfe ruft. Sie ist immer noch nicht sicher, ob es eine gute Idee war, sich von ihrem Mann zu trennen. Als sie gesteht, dass sie seine Berührung vermisst, finden sie wieder zu einer körperlichen Nähe und verbringen die Nacht zusammen.
Tag 4.
Nachdem er sie in seiner Paranoia mit einem Küchenmesser verletzt hat, ist Vera abgehauen. Er bekommt nicht mal eine zweite Chance. Da stürmt der Hund der Nachbarin wieder in die Küche. Genau der richtige Spürhund, um den Eindringling dingfest zu machen, denkt Félix. Zusammen mit der schimpfenden Frau Müller stürmt er die Haupttreppe empor. Bestimmt ist der Eindringling, dieser "Wohnparasit", auf dem Dachboden. Doch dazu kommt es nicht. Eine Verkettung unglücklicher Umstände kostet Frau Müller und ihren Hund das Leben.
Auf dem Polizeirevier wird er von jeglicher Schuld freigesprochen, doch in einem unbeobachteten Augenblick kann er eine Pistole klauen. Die hübsche Frau im Büro nebenan gibt gerade eine Vermisstenanzeige auf. Ihr Mann Martin, ein Archäologe, sei seit Tagen verschwunden. Nun, das kümmert Félix wenig. Gut bewaffnet begibt er sich in den Korridoren seines Hauses auf die Pirsch. Doch wer es ist, auf den er auf dem Dachboden schießt, wird er erst zwei Tagen herausfinden – mit wachsendem Entsetzen.
Mein Eindruck
"El habitante incierto" bedeutet eigentlich "der ungewisse Bewohner", wobei nicht nur der Eindringling gemeint ist, sondern auch der angestammte Hausbesitzer. Regisseur Guillem Morales zeigt in seinem spannenden Film die Wechselwirkung, die zwischen Mensch und Raum besteht. Félix muss ständig alles kontrollieren, um sich als Herr über die Lage in seiner Riesenvilla zu fühlen. Mit seinem Ordnungswahn hat er bereits Vera vertrieben. Ihr sind 40 m² völlig ausreichend, sie hat lieber weniger Platz, aber dafür intime Nähe. Sie findet nichts dabei, Félix unangemeldet zu besuchen. Schließlich ist sie mit ihm verheiratet.
~ Der Verlust der Kontrolle ~
Dass seine Machtbefugnis nicht ausreicht, um die Villa zu kontrollieren, muss Félix schon bald erfahren. Der Fremde ist spurlos verschwunden, aber wohin? Plötzlich werden die entlegenen Zimmer und Nischen zu Gefahrenzonen, zu Risikobereichen. Wurde er absichtlich im Keller eingeschlossen, oder war es nur der Wind, der die Tür zufallen ließ? Der einzige sichere Bereich stellt sich als sein eigenes Auto heraus. Das kann er wenigstens komplett kontrollieren. Vera weigert sich, ihn bei sich aufzunehmen. Seine Morgentoilette erledigt er in einem Obdachlosenheim. Félix, der die Raumkontrolle verloren hat, ist obdachlos. Nach der Schießerei ist sein Haus sogar zu einer Gefahrenzone erster Klasse geworden. Er macht alle Schotten dicht und wirft den Schlüssel weg. Nach ihm die Sintflut.
~ Spiegelung ~
Dann aber vollführt die Handlung einen höchst ironischen Schwenk, der die bisherige Lage der Dinge auf den Kopf stellt. Nach seinem Eindringen in das Haus der gelähmten Nachbarin, die ihren Mann vermisst, wird Félix selbst zum "habitante incierto", mit allen Folgen. Er macht es sich als "Wohnparasit" in Claudias Haus bequem – ein Katz-und-Maus-Spiel, das dem Unbehausten sehr zusagt. Doch eines Nachts sieht er Schatten durchs Haus schleichen. Haben etwa noch mehr Leute die gleiche Idee gehabt?
~ Finale ~
Um die Geschichte rund zu machen, muss Félix zum Ausgangspunkt zurück: dem Dachboden, wo er auf einen unbekannten Schatten geschossen hat. Dort erwartet ihn der Schock seines Lebens. Die These des Regisseurs, dass wir alle in dieser Welt unbehaust und gefährdet sind, wird hier zur letzten Konsequenz getrieben.
~ Die Strategie des Kuckucks ~
Je öfter man den Thriller anschaut, desto irrsinniger wird das Verhalten von Félix. Ist seine Vorfolgungsangst nur eingebildet – oder doch begründet? Hat er den echten Eindringling erschossen oder jemand anderen? Warum flüchtet er dann vor seiner Verantwortung und dringt selbst in ein anderes Haus ein? Es ist, als übertrüge er eine Krankheit, mit der man ihn angesteckt hat: die Krankheit der Unbehaustheit, des Parasitentums. Nicht zufällig sehen wir Félix beim Anschauen einer TV-Dokumentation über die Überlebensstragie des Kuckucks. Auch die Musik stößt uns mit der Nase darauf: "wrong lips, wrong man" heißt es in einem wunderschönen Jazz-Song. Jeder kann sich selbst einen Reim darauf machen, was der Regisseur und Drehbuchautor Morales damit sagen will.
~ Strange Sex ~
Zweimal gibt es Sex im Film. Félix und Vera tun es auf den Dielen, doch dabei fühlt sich Félix von jemandem beobachtet. Beim zweiten Mal ist er selbst zum Beobachter geworden und schaut der hübschen Claudia zu, wie sich selbst zum Höhepunkt streichelt. (Dass ihr dies überhaupt gelingt, ist angesichts ihrer Querschnittslähmung recht erstaunlich.) Zusammen mit ihr bringt sich Félix zum Höhepunkt. Als sie zusammen schlafen, tut es Claudia oben IM Bett und Félix UNTER dem Bett – eine wunderschöne Darstellung virtueller Zweisamkeit, denn im Bild sieht es so aus, als schliefen sie Seit' an Seit'.
~ Gefährliche Nähe ~
Doch dieser Abstand kann einem Eindringling wie Félix nicht genügen. Seine Emotionen, sein Verlangen nach der verlorenen Nähe zu einer Frau zwingen ihn, Anspruch auf Claudia zu erheben. Doch als er aus der Anonymität heraustritt, verursacht er eine Katastrophe. Seine Emotionen haben ihm ein Bein gestellt; er kann sie nicht handhaben, weil er nicht bereit ist, die Verantwortung für die Folgen zu übernehmen. Die Folgen gelten auch für das ungeborene Leben ...
Der Film überträgt eine ernst zu nehmende Aussage über den Zustand der gegenwärtigen menschlichen Kultur. Und alles ohne Internet und Computer.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,85:1 (anamorph)
Tonformate: D in DD 5.1, Spanisch in DD 2.0
Sprachen: D, Spanisch
Untertitel: D
Extras:
- Trailer
- Making-of
- Bildergalerie
- Trailershow
Mein Eindruck: die DVD
Die Qualität von Bild und Ton ist ausgezeichnet. Das Bild weist, wie man sich leicht vorstellen kann, viele dunkle Nischen auf, und je nach TV-Gerät wird das Schwarz unterschiedlich gut wiedergegeben; die neuen LCD-TVs weisen diesbezüglich noch Schwächen auf. Der Ton ist im Soundstandard Dolby Digital 5.1 gespeichert. Mit der entsprechenden Anlage ist es möglich, die zahlreichen, sehr tiefen Bässe herauszukitzeln und dabei eine ordentliche Gänsehaut hervorzurufen. Mein Funkkopfhörer hatte damit jedenfalls erhebliche Probleme. Sie sollten bei einem guten Subwoofer nicht auftreten.
~ Die Extras. ~
Der Originaltrailer (1:30) ist in Spanisch gehalten, also weniger interessant. Die Trailershow enthält acht DVDs, die zurzeit von Koch Media angeboten werden.
Die Bildergalerie enthält exakt 100 Bilder. Sie zeigen nicht nur Filmszenen, sondern in der Mehrzahl Szenen hinter den Kulissen. Dabei kann der Betrachter zu seiner Überraschung feststellen, dass Frau Müller von einem Mann gedoubelt wurde.
Das Making-of ist der wichtigste Bonus-Beitrag. Mit rund einer Viertelstunde gelingt es dem Beitrag, nicht nur den Anfang der Story folgerichtig zu skizzieren, sondern auch dem Film einen Sinn zu verleihen. Dies habe ich oben in meine Würdigung einfließen lassen. Bemerkenswert: Monica Lopez, die gleich zwei Rollen spielt (Vera, Claudia), beeindruckt durch die gebildet formulierte Meinung und eine präzise Aussagekraft. Ihr zufolge entsprechen Räume dem Seelenzustand ihrer Bewohner. Als Félix die Kontrolle über sein Haus verliert, verliert er auch den Verstand und vertraut nur noch auf seine Gefühle.
Demgegenüber fallen die Statements von Regisseur und Hauptdarsteller etwas ab. Lopez weist zudem darauf hin, dass der Schnitt recht anspruchsvoll ist. Die Akteure werden aus sehr vielen Blickwinkeln gezeigt. Die Sichtlinien sind von entscheidender Bedeutung, wenn es gilt, einen Eindringling zu entdecken. Das Katz-und-Maus-Spiel in Claudias Villa erforderte Kameraarbeit vom Feinsten.
Was der Film aussagen soll – der Regisseur überlässt es dem Zuschauer, der immer nur den Blickwinkel von Félix zur Verfügung hat. Es ist ein Psychothriller, wie die Produzentin sagt. Aber das wussten wir schon. Ob sich die Aussagen auch auf Terrorismus und das Immigrantenproblem anwenden lassen, muss jeder für sich selbst überlegen. Es ist zu begrüßen, dass die Story so offen ist. Einen belehrenden Zeigefinger gibt es hier jedenfalls nicht.
Unterm Strich
Nur in der ersten Hälfte ist "Uncertain Guest" ein Psychothriller, jedoch ohne irgendein japanisches Vorbild zu imitieren. Es erinnert eher an manche Hitchcock-Szenen. In der zweiten Hälfte, in einer spiegelnden Umkehrung der Verhältnisse, verstärkt sich dieser Eindruck noch, nur dass diesmal ironische Effekte auftreten. Dass dieser Zustand nicht von Dauer sein kann, macht der dritte Akt nur zu klar, der mit einem emotionalen Hammer endet.
Obwohl der Streifen nicht mit umwerfenden Effekten oder gar mit Mord-undTotschlag-Szenen um sich wirft, ist es gerade dieser leise Ton, der dafür sorgt, dass sich der Zuschauer auch noch nach dem Ende mit der Aussage des Films befasst. Könnte es mir genauso gehen? Lässt sich die Aussage auf Immigranten, Asylanten und Terroristen anwenden? Was ist, wenn der "Kuckuck" im eigenen Nest Ansprüche anmeldet, die nur unter Opfern für die "Alteingesessenen" zu erfüllen sind? Der Film lässt eine ganze Reihe von Deutungen zu und eignet sich daher sehr gut als Diskussionsgrundlage.
Die DVD liefert zwar nicht Berge von Extras, doch Bild und Sound sind solide und gut. Das Making-of liefert keine vorgefertigten Interpretationen, sondern vielmehr Denkanstöße, etwa zur Wechselwirkung von Mensch und Raum, Besitzer und Territorium, Sicherheit und Kontrolle, Gast und Eindringling, Verstand vs. Emotionen und vieles andere mehr. Sehr schön fand ich herauszufinden, dass die beiden weiblichen Hauptfiguren von der gleichen Schauspielerin dargestellt werden. Das fügt eine weitere Bedeutungsebene hinzu.
- Redakteur:
- Michael Matzer