Herr der Ringe, Der: Die Rückkehr des Königs
- Regie:
- Peter Jackson
- Jahr:
- 2003
- Genre:
- Fantasy
- Land:
- USA / Neuseeland
- Originaltitel:
- The Lord Of The Rings: The Return Of The King
1 Review(s)
12.12.2003 | 07:12Die Welt ist grau, es nieselt, es ist kalt, Autos hupen viel zu laut, Menschen hasten dahin. Die satten 200 Minuten des dritten Teils der "Herr der Ringe"-Saga führen eindeutig zu mittelschwerem Realitätsverdruss. Denn "Die Rückkehr des Königs" ist in einer Weise pompös, opulent und ehrfurchtgebietend inszeniert, dass selbst der Achselschweiß des linken Kino-Nachbarn nicht mehr stört. Denn was ist ein bisschen Mief gegen die Abenteuer, die sich auf der Leinwand abspielen?
Der Film beginnt in trüber Atmosphäre. Gollum (Andy Serkis) führt den Ringträger Frodo (Elijah Wood) und seinen "Gärtner" Sam (Sean Astin) immer weiter nach Mordor hinein, auf dem Weg liegt das Versteck der genial eklig in Szene gesetzten Riesenspinne Kankra. Außerdem schafft es Gollum, die beiden Freunde immer stärker zu entzweien, besonders der hervorragend schauspielernde Sam leidet sichtlich darunter. Die restlichen Helden um Aragorn (Viggo Mortensen) ahnen nichts davon und können nur hoffen. Doch der erneut brillierende Gandalf (Sir Ian McKellen) bringt es auf den Punkt: "Es bestand nie viel Hoffnung. Nur ein Narr konnte hoffen." Denn Obermotz Sauron plant nach seiner Niederlage bei Helms Klamm einen noch schwereren Schlag gegen die Menschheit: Die Zerstörung der weißen Feste Minas Tirith, die Hauptstadt von Gondor. Die Chancen stehen gut: Der amtierende Truchsess Denethor (John Noble) ist aus Trauer um seinen toten Sohn Boromir (Sean Bean) verrückt geworden, gleichzeitig rücken 200.000 Feinde aller Art vor, besonders die mächtig austeilenden Olifanten sind der absolute Hingucker. Da helfen selbst die zu Hilfe eilenden Reiter aus Rohan kaum...
Diese zu Tränen rührende Hoffnungslosigkeit fängt Regisseur Peter Jackson perfekt ein, die heraufziehende Dunkelheit über Mittelerde ist fast physisch spürbar. Besonders die Inbrunst, mit der sich die letzten freien Völker von Mittelerde in eine unmöglich zu gewinnende Schlacht stürzen, den sicheren Tod vor Augen, rührt zu Tränen, lässt den Bedarf nach Taschentüchern immens steigen. Der Soundtrack ist dabei wie in den vorangegangenen Teilen präzise auf die jeweiligen Rassen abgestimmt, Komponist Howard Shore trifft jede Situation perfekt. Fast noch besser sind die Trickeffekte gelungen, die noch realistischer wirken als in "Die Gefährten" und "Die Zwei Türme". Besonders die Schlacht um Minas Tirith entpuppt sich mit ihren atemberaubenden Kamerafahrten über wahre Orkmassen als intensivstes Kinoerlebnis der neueren Zeit und stellt den Kampf um Helms Klamm locker in den Schatten - solch grandiose Kriegsgemälde gab es noch nie zu sehen, hier atmet Tolkiens Geist laut und vernehmlich. Der Autor des Buchs ist im dritten Teil sowieso in jedem Filmschnipsel präsent, der Streifen hält sich ziemlich genau an die Buchvorlage, viele Dialoge sind originalgetreu übernommen. Jackson nimmt sich sogar die Zeit für einen episch-langen und melancholisch-süßen Schluss nach einem unbeschreiblich infernalisch und spannend in Szene gesetzten Finale, ohne im Kitsch zu versinken. Allerdings merkt man dem Film in den drei Stunden vorher die Größe der Vorlage an: Einige wichtige Szenen werden nur sehr kurz behandelt, sind aber wohl auf der im November 2004 erscheinenden Extended-DVD-Version enthalten.
Doch warum gefällt so ein Film, dessen Geschichte so weit entfernt vom tatsächlichen Leben spielt? In einer Welt von feigen Terrorattacken, undurchschaubaren Wirtschaftskonflikten und schwindelerregenden Politikergefeilsche bietet die gesamte Trilogie "alte", aber immer noch gültige Werte wie Ehre, Mut, wahre Liebe, Kameradschaft, Leidenschaft für eine Sache bis zur Selbstaufgabe... Hier gibt es noch echte Helden und gefallene Charaktere. Jedes Kleidungsstück und jede Waffe ist kunstvoll ausstaffiert – nix mit Stangenware aus dem Discounter von nebenan. Und die Elben: Ein Sinnbild für den Verfall, in herbstlich anmutenden Landschaften, ewig lebend und doch zum Verlassen von Mittelerde verdammt. Oder der kommende König von Gondor Aragorn, der im ständigen Zweifel ob seiner wirklichen Kraft liegt. Aber auch der naive und dennoch unglaublich tapfere Sam, der seinen Herrn Frodo einfach nur beschützen will und dafür bereit ist zu sterben. "Der Herr der Ringe" lebt von solchen existenziellen Entscheidungen, Gefühlen und Fragen, fernab der nächsten Telefonrechnung oder der Farbe der neuen Couchgarnitur. Vielleicht macht das die Faszination dieser Trilogie aus, vielleicht ist sie aber auch nur die größte, magischste und lebendigste Literaturverfilmung aller Zeiten. Die Oskars rufen schon...
PS in eigener Sache: Ja, ich habe bei diesem Film geheult wie ein Schlosshund. Vielen anderen Besuchern der Pressevorführung ging es ähnlich - sowas habe ich bei einer solchen Veranstaltung noch nicht erlebt. Der Realistätsverlust führte so weit, dass das unweit des Sony Centers Berlin geparkte Auto für kurze Zeit nicht mehr auffindbar war. Was soll nach diesem Film noch kommen? Antworten erwünscht! *schnief*
- Redakteur:
- Henri Kramer