Hills Have Eyes, The - Hügel der blutigen Augen
- Regie:
- Alexandre Aje
- Jahr:
- 2006
- Genre:
- Horror
- Land:
- USA
1 Review(s)
26.10.2006 | 09:45„Big Bob" Carter, ehemaliger Polizist, will in Kalifornien eine Sicherheitsfirma eröffnen. Die Fahrt dorthin verbindet er mit einer Familienreise anlässlich seines 25. Hochzeitstages. Gattin Ethel folgt gelassen, weniger begeistert sind Teenager-Tochter Brenda und Sohn Bobby. Völlig genervt ist Doug, der von Big Bob als liberales Weichei geschmähte Schwiegersohn, der mit Ehefrau Lynn und dem gerade geborenen Baby ebenfalls an Bord des gewaltigen Wohnwagens ist, den Bob hinter seinen PS-starken Van gehängt hat.
Nach strapaziöser Fahrt ist man in der Wüste von New Mexiko angekommen. Hier hat die US-Regierung ab 1945 umfangreiche Tests mit Atomwaffen durchgeführt, die weite Regionen mit radioaktivem Fallout vergifteten. Noch heute dürfen Menschen die von Kratern durchzogene Wüste nur im Schutzanzug betreten.
Doch Seltsames geht vor in den von der Sonne und der Bombe verbrannten Hügeln. Eigensinnige Bewohner der Wüste hatten sich damals nicht von der Regierung vertreiben lassen und waren in unterirdische Minen und Stollen geflüchtet. Die Atombomben wurden trotzdem gezündet, die Strahlung hat viele dieser Männer und Frauen getötet, andere grässlich verbrannt. Schlimmer waren die Schäden auf genetischer Ebene; die Kinder der zu Aussätzigen Gewordenen sind körperlich und geistig deformiert. Aus Menschen wurden Mutanten, die in den Hügeln auf Reisende lauern, die sie überfallen, ausrauben, töten – und fressen!
Ein alter Tankwart schickt ihnen neue Opfer in die Wüste, wofür ihn Mutantenchef Jupiter an der Beute beteiligt. Auch die Carters gehen ihm in die Falle. Die Mutanten legen den Wagen lahm. Ohne Aussicht auf Hilfe gestrandet, muss die Familie sich mörderischer Attacken aus dem Hinterhalt erwehren. Die Carters sterben, doch dann begehen die Mutanten einen Fehler: Sie rauben das Baby. Dies ist der Moment, in dem Vater Doug und die überlebenden Carters zum Gegenangriff übergehen. In den Wüstenhügeln entspinnt sich ein erbitterter Kampf, dessen Teilnehmer Pardon weder geben noch erwarten ...
Die Familie gilt nicht nur in konservativen Kreisen als Nukleus der menschlichen Zivilisation. Von ihr geht demnach aus, was die Menschen als „soziale Wesen" funktionieren lässt, sie ist der Hort, auf den man sich in der Stunde der Not verlassen kann. Dass dies sehr oft ein schöner Traum bleibt, ist natürlich auch diesen Zeitgenossen klar; sie schätzen es indes nicht, wenn solche Zweifel deutlich gemacht oder gar als zutreffend bewiesen werden. Kritiker der „Festung Familie" fallen gern ins andere Extrem, erzählen von Gruselsippen, die ihre private, von der Außenwelt abgeschottete Welt als eine von Streit, Konkurrenz und Gewalt dominierte Hölle inszenieren.
"Hügel der blutigen Augen" ist ein Film, der es den Vertretern beider Deutungsrichtungen recht machen könnte – theoretisch jedenfalls, denn realiter werden sie sich ausnahmsweise einig sein und diesen Film als sinnlose Gewaltpornografie verdammen. Das Konzept ist einfach, aber interessant: Da ist zum einen die Reise ins Nichts und der Kampf gegen das Unbekannte – eine Handlung, die immer faszinieren kann, wenn die Elemente stimmen, was in unserem Fall zutrifft. Ist das eigentliche Rätsel gelüftet – Wer springt da aus der Dunkelheit hervor? -, schält sich eine interessante Spiegelsituation heraus: Auf der einen Seite steht die Familie Carter, auf der anderen der Clan von „Papa Jupiter". Zunächst scheint die Wertung einfach: Die Carters sind redliche Leute, gut situiert, aber keineswegs reich, und sie unternehmen ihre Reise gemeinsam. Dagegen sind Jupiter und seine Jungs degenerierte Mörder, Räuber, Vergewaltiger und Kannibalen.
Doch auf den zweiten Blick fällt diese Schwarz-Weiß-Kategorisierung in sich zusammen. Die Carters sind alles andere als eine Musterfamilie. Big Bob ist ein rechthaberischer Leitbulle, der Widerstand nicht duldet und Pazifismus als Schwäche verachtet. Dies trifft in erster Linie den Schwiegersohn Doug, der in der Handybranche arbeitet und Waffen verabscheut. Lynn ist ständig damit beschäftigt zu vermitteln. Brenda und Bobby langweilen und streiten sich. Auch Ethel ist von ihrer Silberhochzeitsreise nicht wirklich begeistert.
Bob will das „Erlebnis Familie" erzwingen – und scheitert. In der Krise erweist sich seine scheinbare Stärke als Fiktion. Jupiter und seine Brut haben ihn schnell durchschaut und spielen mit ihm wie eine Katze mit der Maus. Schwierigkeiten wird ihnen erst Doug bereiten, den die Angst um sein Kind in einen Killer verwandelt, der seinen Gegnern gewachsen ist.
Die Mutanten sind bei näherer Betrachtung keineswegs die anarchistischen Un(ter)menschen, als die sie die Handlung betreten. Man schlägt sich vielleicht, aber man hält zusammen. Der verblüffte Doug findet das geheime Versteck seiner Gegner nicht in einer Höhle. Stattdessen haben sich die Mutanten in einem jener Dörfer eingerichtet, die von der Regierung zu Testzwecken aufgebaut und vollständig eingerichtet wurden, um die Wirkung der Atombombe möglichst „realistisch" zu überprüfen. Die Mutter des Clans schaut sich im Fernsehen Talkshows an. Der schauerlich verunstaltete „Big Brain" singt die amerikanische Nationalhymne. Er ist es auch, der Doug in Vertretung aller „guten" Amerikaner vorwirft, ihn und die anderen Mutanten quasi „erschaffen" zu haben, indem die Regierung die Bomben im Wissen um die versteckten Wüstenbewohner explodieren ließen.
Darin erschöpft sich die Gesellschaftskritik von "The Hills Have Eyes" freilich. Sie steht ohnehin nie im Zentrum des Geschehens, obwohl hinter der Filmkamera ausgiebig auf die entsprechende Relevanz des Streifens hingewiesen wird. Stattdessen ist "The Hills …" reines Entertainment der blutigen Art, ein Horrorfilm des frühen 21. Jahrhunderts, der auf die ironische Brechung der gezeigten Gewalt verzichtet, sondern sie explizit in drastischen Bildern vorführt. Diese fallen in der DVD-Version noch ein wenig deutlicher aus, verstören jedoch wieder einmal nicht dann, wenn das meiste Blut spritzt, sondern dort, wo – gewollt oder ungewollt – an menschlichen Urängsten gerührt wird. Die in der Kinofassung geschnittene Vergewaltigungsszene im Wohnwagen ist in der Tat starker Tobak. Big Bobs feuriges Ende (dessen ungekürzte Fassung wohl einer zukünftigen „Director's Cut"- Ausgabe von "The Hills …" vorbehalten bleiben wird) ist ebenfalls schwer zu ertragen.
Dagegen lassen die offenkundig als Spektakel inszenierten „richtigen" Gemetzel relativ kalt. Man bewundert die filmhandwerkliche Qualität, mit der sie verwirklicht wurden. Beim Schrotschuss in den Kopf muss nicht mehr ausgeblendet werden; dank Animatronics und CGI lässt sich genau verfolgen, wie der malträtierte Schädel zerbirst. Der moderne Zuschauer zumal von Horrorfilmen ist „abgehärtet" und erkennt die schrecklichsten Untaten als das, was sie sind: Filmtricks.
Von der Kritik hat "The Hills …" vorwiegend schlechte Noten erhalten. Es können nicht die logischen Löcher sein, die das Drehbuch verunzieren; phantastische Filme sind nicht für ihre Realitätsnähe bekannt und ihr auch nicht verpflichtet. (Schlauere Mutanten würden z. B. die zahlreichen Autos ihrer Opfer sicher nicht weithin sichtbar in einem riesigen Bombenkrater abstellen; dies gibt allerdings ein tolles Bild.) Auch an der Machart kann es nicht liegen, denn es gibt beliebtere Filme, die wesentlich dilettantischer in Szene gesetzt wurden. Regisseur und Drehbuchautor Alexandre Aja hat jedoch das Pech, im Schatten eines ungleich erfolgreicheren Vorbilds zu stehen. „Sein" Film ist das Remake eines obskuren Werks gleichen Namens, das 1977 ein noch junger Wes Craven ("Nightmare on Elm Street", "Scream"-Trilogie) drehte. Vor allem Horrorfans älteren Jahrgangs werden es ketzerisch finden, doch aus heutiger Sicht ist dieser Klassiker ein krudes, billiges Trashfilmchen mit vergleichsweise kümmerlichen Tricks. Sein Status erwuchs aus der für den Zeitpunkt der Entstehung radikalen Machart, die keine Rücksicht auf damals noch wesentlich stärker ausgeprägte Gewalttabus nahm (und mit dem einzigartigen Michael Berryman über einen Mutantendarsteller verfügte, der sich nicht einmal verkleiden musste.)
Wie so oft wurden von wohlmeinenden und dem Filmestablishment abholden Kritikern allerlei gesellschaftskritische Kommentare in diesen Film interpretiert. Dabei sollen sowohl die 1977-er als auch die 2006-er Version nichts als unterhalten und Geld einspielen. Dieses Ziel erreicht auch Alexandre Ajas. Möglicherweise ist sein Film trotz der Brutalitäten zu „glatt", zu „sauber". In seinen ruhigen Momenten präsentiert "The Hills …" atemberaubend schöne Bilder der Wüste, die als unwirtlicher aber nie toter Ort unendlich wirkender Weiten erscheint. (New Mexiko wurde übrigens perfekt „gedoubelt" vom kostengünstigeren Marokko.)
Mehr oder weniger bekannte Gesichter tummeln sich vor der Kamera; es hat den Vorteil, dass man kaum raten kann, wen es als nächste/n erwischt. Die Abwesenheit von Starprominenz passt zudem zur Darstellung einer Durchschnittsfamilie. Emilie de Raven kennen die jüngeren Zuschauer vermutlich aus der TV-Erfolgsserie "Lost". Auch Billy Drago ist wahrlich kein Unbekannter; seine ausgeprägte Galgenvogelphysiognomie stand echtem Starruhm im Weg, doch im B- (und C-) Film ist er seit Jahren quasi Stammgast als Drogenboss, Meuchelmörder, Frauenschänder oder Zombie. Noch im übelsten Machwerk gibt er sein Bestes. Auch Alexandre Aja findet nur lobende Worte über Dragos bedingungslosen Einsatz als Darsteller des Papa Jupiter, der „vor der Kamera wahrscheinlich töten würde, wenn man es ihm befehle."
Die Mutantendarsteller wurden mit dicken Latex- und Schminkeschichten bedeckt. Das erschreckende Bild, das sie auf diese Weise bieten – die Make-up-Spezialisten orientierten sich an dokumentierten Fällen radioaktiver Verseuchung -, ist bereits die halbe Miete. Dennoch beschränkt sich ihr Job nicht darauf, furchteinflößend und ekelhaft zu sein. Aja wollte mehr – die Mutanten parodieren die (US-amerikanische) Idealfamilie. Außerdem haben sie Gefühle, die über Hunger auf Menschenfleisch, Mordlust und Geilheit hinausgehen. Immer wieder gibt es Szenen, die ihre Sehnsucht nach einem „normalen" Leben verraten, das sie so gut es geht imitieren. Vor allem die junge Ruby ist zwar entstellt, aber niemals bösartig und stets ein Verbündeter der Carters.
Daten
Originaltitel: The Hills Have Eyes
USA 2006
Regie: Alexandre Aja
Drehbuch: Alexandre Aja/Grégory Levasseur (nach einem Script von Wes Craven)
Kamera: Maxime Alexandre
Schnitt: Baxter
Musik: tomandandy [= Tom Hajdu, Andy Milburn]
Darsteller: Ted Levine (Big Bob Carter), Kathleen Quinlan (Ethel Carter), Emilie de Raven (Brenda Carter), Dan Byrd (Bobby Carter), Aaron Stanford (Doug Bukowski), Vinessa Shaw (Lynn Carter-Bukowski), Tom Bower (Tankwart), Billy Drago (Jupiter), Michael Bailey Smith (Pluto), Robert Joy (Lizard), Desmond Askew (Big Brain) uva.
107 min.
Anbieter/Vertrieb: 20th Century Fox Home Entertainment
Erscheinungsdatum: 18.09.2006 (Verleih-DVD), 16.10.2006 (Kauf-DVD)
Bildformat: Widescreen 16 : 9 (2,35 : 1) anamorph
Audio: Dolby Digital 5.1 (deutsch u. englisch)
Untertitel: Deutsch, Englisch, Türkisch
DVD-Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2)
Länge ca. 103 min.
FSK: keine Jugendfreigabe [= FSK 18]
DVD-Features
Wieder einmal kann und mag ich zur technischen Ausstattung nichts sagen; diesen Job haben Kundigere übernommen, die dem im Internet Ausdruck verleihen. Ton und Bild lassen keine Wünsche offen; die Wüste wirkt geradezu plastisch.
Unter den üblichen Features ist das 50-minütige (!) Making-Of unter dem Titel „Überleben in den Hügeln" eine Erwähnung wert; es erspart dem Zuschauer lange, langweilige und verlogene „Interviews", sondern vermittelt Hintergrundwissen zur Entstehung von "The Hills Have Eyes". Darüber hinaus gibt es ein Musikvideo, auf dem eine No-Name-Gruppe namens THE FINALISTS mit viel Getöse den Song "Leave the Broken Hearts" zu Gehör bringt.
Anmerkung
"The Hills …" entstand mit einem soliden aber kleinen Budget. Der Film wird vor allem in seiner DVD-Fassung einen hübschen Gewinn abwerfen. Ganz in alter Hollywood-Manier entsteht deshalb unter der Regie von Martin Weisz nach einem Drehbuch von Jonathan und Wes Craven zur Zeit "The Hills Have Eyes II". Diese Quasi-Fortsetzung, die nicht an die Ereignisse des Vorgängers anknüpft, sondern die blutigen Abenteuer einer Gruppe Militärpolizisten im Mutantenland zum Inhalt hat, wird 2007 in die Kinos kommen.
- Redakteur:
- Michael Drewniok