Postman Blues
- Regie:
- Hiroyuki Tanaka
- Jahr:
- 1997
- Genre:
- Komödie
- Land:
- Japan
- Originaltitel:
- Posutoman burusu
1 Review(s)
14.12.2007 | 17:06Es gibt aus Japan nicht gerade viele gute Komödien, die ebenso mit unserem westlichen Geschmack verträglich sind, aber trotzdem noch japanisch genug daherkommen, um auch Asiafilm-Fans zu begeistern. Neben Takeshi Kitano- oder dem etwas spezielleren Miike-Klassiker gibt es noch einen von mir favorisierten Regisseur, den ich euch zu erst einmal etwas genauer vorstellen möchte, da er hierzulande noch eher unbekannt sein dürfte.
Die Rede ist von Hiroyuki Tanaka, geboren am 18. November 1964 im japanischen Wakayama City, auch als "SABU" oder Hiroki Tanaka bekannt, der vor allem auf den verschiedenen Filmfestivals für sehr gute Kritiken sorgte. Der Künstlername "SABU" kommt übrigens vom Namen einer Filmfigur, welche er als Schauspieler verkörpert (ein Yakuza). SABU war vor seinem Regiedebüt 1996, bereits 1986 als Schauspieler tätig, hat dann aber lieber selbst das Heft in die Hand genommen und übt neben der Regieführung auch das Drehbuch aus.
Inzwischen hat SABU seinen eigenen Erzählstil gefunden, wobei seine Filmografie aber immer noch sehr kurz ausfällt (fast das Gegenstück zu Miike, der ja ca. 3 Filme im Jahr dreht).
Filmografie:
- Dead Run (2005)
- Hold Up Down (2005)
- Hard Luck Hero (2003)
- Drive (2002)
- Blessing Bell (2002)
- Monday (1999)
- Unlucky Monkey (1998)
- Postman Blues (1997)
- Wie eine Kugel im Lauf (1996)
Als Element, welches in fast allen seinen Werken enthalten ist, steht ein sympatischer "Held des Alltags" im Mittelpunkt, der durch unglückliche Ereignisse aus seinem alltäglich Trott gerät und mit seiner neuen Situation fertig werden muss. "Asia Film Network" bereichert mit "Unlucky Monkey" und "Dagan Runner - Wie eine Kugel im Lauf" und ebenso "Postman Blues" das heimische Kino. Ein Meisterwerk dieses ungewöhnlichen Regisseurs, das in keiner gut sortierten Sammlung fehlen sollte.
Die Handlung:
Der Postbote Sawaki (Shin'ichi Tsutsumi) hat die Nase von seiner Arbeit und auch von seinem erfolglosen Leben seit langem voll. Als er eines Tages einen Brief an einen ehemaligen Schulkollegen Noguchi (Keisuke Horibe) ausliefert, bittet dieser, Sawaki kurz in seine Wohnung zu kommen, um miteinander zu plaudern. Das Unheil nimmt von nun an seinen Lauf. Von Beruf ist der ehemalige Schulkollege Noguchi "Yakuzamitglied" und hat sich als Treuebeweis für seinen Gangsterboß einen Finger abgeschnitten. Dieser liegt noch auf dem Küchentisch und rollt nun unbemerkt in die Posttasche Sawakis.
Weil Noguchi aufgrund seiner Yakuza-Zugehörigkeit ständig unter Polizeiobservation steht, versteckt er schnell noch ein Päckchen mit Drogen bei Sawaki, um es mit seiner Hilfe unbeobachtet aus seiner Wohnung zu schmuggeln. Ab diesem Zeitpunkt steht auch Sawaki im Fadenkreuz der Ermittlungen, in deren Verlauf sogar noch ein Profiler zum Einsatz kommt. Doch dazu später...
Zu Hause angekommen, öffnet Sawaki in einem Wutanfall und Frust über sein verkorkstes Leben die restlichen Briefe aus seiner Posttasche und findet darin den Abschiedsbrief einer krebskranken Frau an ihre Tante. Da er bei einem Zustellversuch am nächsten Tag kein Glück hat, geht er in das Krankenhaus, um den Brief zurück zur Absenderin zu bringen. Es kommt zum ersten Blickkontakt zwischen den beiden. Er verliebt sich sofort in das Mädchen.
Im Krankenhaus lernt er so ganz nebenbei auch den ebenfalls krebskranken Auftragskiller Joe kennen, der gerade an einem Auftragskiller-Wettbewerb "King Of Killers" teilgenommen hat und ihm nun seine ganze Geschichte erzählt. Das geschieht natürlich während Sawaki von der Polizei genau beobachtet wird. Die Polizei hält Sawaki nach der Durchsuchung seiner Wohnung aufgrund der vorliegenden Fakten inzwischen für einen gefährlichen Drogenkurier mit Kontakten zu Auftragskillern, während sein Yakuza-Freund, der echte Kriminelle Noguchi, seinen Finger von ihm zurück haben will, um seinem Mafiaboss die Treue zu beweisen.
Dies ist die komplizierte Ausgangssituation, aus der sich der arme Postbote nun zu befreien versucht...
Klingt etwas wirr? Ist es aber eigentlich gar nicht, sondern ein Vergnügen von besonderer Qualität!
Kritik:
Wie man an der Beschreibung der komplizierten Handlung schon sehen kann, hat SABU bei der Erstellung des Drehbuchs ganze Arbeit geleistet. Die hohe Qualität der Umsetzung des sicher schwierig umzusetzenden Drehbuchs erkennt man daran, dass der Zuschauer trotz der Komplexität der Geschichte mit traumwandlerischer Sicherheit durch die Handlung geführt wird, ohne die Orientierung zu verlieren.
Die verschiedenen Handlungsbestandteile (Yakuza Freund, Profikiller Joe, krebskranke Freundin), werden durch den ahnungs- und harmlosen Sawaki zusammengehalten und verbinden sich so zu einer Einheit. Der geniale Humor ist wie in SABUs anderen Filmen typisch: skurril, bizarr und sehr ungewöhnlich, storybedingt aber teilweise auch sehr traurig.
Wer sich mit Filmen sehr gut auskennt und somit als echter Cineast bezeichnet werden kann, wird sehr viele, brüllend komische Anspielungen auf andere Werke der Filmkunst erkennen (Der Profi, Chungking Express, 2046 ...). Ich hatte die meiste Zeit des Films ein breites Grinsen im Gesicht, oder aber auch mal eine Träne im Augenwinkel. Den Film auf ein bestimmtes Genre festzulegen, ist aber sehr schwierig - kommen doch eine Liebesgeschichte, wahnsinnige (Fahrrad-)Actionsequenzen mit schnellen Schnitten und einige traurige Elemente vor. Ich würde aber sagen, dass die lustigen Parts überwiegen.
Das Timing der Handlung aber auch die Dialoge sind messerscharf auf den Punkt gebracht. Die Darsteller, insbesondere Shin'ichi Tsutsumi in der Hauptrolle des naiven Sawaki, sind großartig besetzt. Die Kameraarbeit von Shuji Kuriyama, der ja von schnellen Actionszenen zu ruhigen Liebesszenen wechseln muss, ist hervorragend umgesetzt und wirkt sich auch nicht störend auf den Handlungsverlauf aus, ganz im Gegenteil.
Zuletzt noch zum Score: dieser kommt sehr unauffällig daher, um nicht von der Story abzulenken.
Alles in allem also sehr kurzweilige und lustige Unterhaltung, wie ich das von einem meiner Lieblingsregisseuren Japans erwartet habe - ich bin begeistert!
Die DVD:
Die DVD wurde von der relativ unbekannten Firma "Asian Film Network" veröffentlicht, die sich für solche besonderen Filme aus Asien einsetzt und damit diese Marktnische sehr gut ausnutzt. Die DVD bietet ein hervorragendes Bild, fast ohne Bildfehler, mit guter Kantenschärfe und hoher Bitrate. Auch die Farben wirken natürlich und kräftig. Das ist bei Asia-Produktionen ja leider nicht immer der Fall.
Auch beim Ton kann ich nichts kritisieren, japanischer O-Ton 2.0 und deutscher Ton 5.1 sind perfekt gelungen (auch die Synchro).
Allerdings sind auf der DVD keinerlei Extras zu finden. Schade, denn ich würde mich doch zumindest für den Regisseur und sein weiteres Werk, sein Leben oder seine Beweggründe interessieren. Da muss dann eben das Internet herhalten.
Fazit:
Eine so fein ausgearbeitete Story mit so viel Liebe zum Detail findet man nicht oft. Der Humor und der ganze Film erinnert mich ein wenig an frühe Tarantino-Filme wie "Four Rooms" oder "Pulp Fiction". Komödie, Liebesfilm, Actionfilm, Drama und Thriller in einem Film, perfekt ausgewogen präsentiert - was will man mehr? Da merkt man, dass es SABU einfach Spaß macht, Filme zu machen.
Japanisches Popkornkino auf hohem Niveau und doch auch westliche Zuschauer geeignet. Danke SABU für den schönen Abend!
- Redakteur:
- Detlev Ross