ACCEPT: Interview mit Sänger Mark Tornillo

19.04.2024 | 11:51

Mark Tornillo plaudert entspannt und ohne Starallüren in einem sehr dynamischen Gespräch über alles rund um das neue Album, die Band, Metal und - Countrymusic.

Hallo Mark, wie geht es Dir?
Danke gut, ich hoffe, Dir auch?

Ja, vorab muss ich gestehen -  ich bin etwas nervös, denn das ist erst mein drittes Face-to-Face Interview, und mein erstes auf Englisch, sieh es mir bitte nach, wenn ich hier und da vielleicht mal nach dem richtigen Wort suche!
Alles gut, das kriegen wir schon hin! Bis hierhin klingt das aber schon mal sehr gut (schmunzelt)

Mit "Humanoid" habt ihr ein sehr gutes, neues Album am Start, das auf der einen Seite ein typisches ACCEPT-Album ist, auf der anderen Seite die musikalischen Grenzen der Band auch hier und da erweitert.
Ich weiß, was Du meinst, wir wollen das Rad nicht neu erfinden, uns aber auch nicht ständig nur wiederholen.

Bist Du vor einem Release noch aufgeregt, oder ist das mittlerweile Routine geworden?
Nein, ein neues Album ist für mich niemals Routine, ich bin immer gespannt, wie das Album bei der Presse ankommt und vor allem, was die Fans dazu sagen.

Ich glaube nicht, dass sie enttäuscht sein werden. Hast Du ein Lieblingsstück vom neuen Album? Ok, das ist wahrscheinlich so, als würde ich Dich fragen, welches von Deinen Kindern Du am liebsten hast.
Ja, stimmt... die Songs sind alle sehr stark... (überlegt) Im Moment würde ich sagen: 'The Reckoning'. Ja. Aber das kann morgen schon ganz anders aussehen.

Dein Spitzname ist "Analog Man" - es gibt ja auch den Song auf dem Album "The Rise Of Chaos".
(schmunzelt)

Analog Man



https://www.youtube.com/watch?v=1FB7kIqUkG8

Der Titelsong des aktuellen Albums beschäftigt sich mit der Thematik Mensch & Technik. Glaubst Du, dass die Technologie der Untergang der Menschheit sein wird, oder siehst Du im technologischen Fortschritt auch Chancen?
Der Untergang der Menschheit wird nicht die Technologie sein, sondern wie der Mensch sie nutzt und was er daraus macht. Technologischer Fortschritt ist gut, die Frage ist nur, was draus gemacht wird, wofür der Mensch die neuen Errungenschaften einsetzt. Es gibt so viele großartige Entwicklungen...

... wie z.B. Hightech-Prothesen, deren Entwicklung aber auch in Richtung von Rüstungen und Waffentechnik im bzw. am Menschen gehen kann!
Du hast den Punkt getroffen, alles hat immer zwei Seiten. Und es kommt halt auf den Menschen an, wohin eine Entwicklung führt. Oder nimm die künstliche Intelligenz -  macht diese uns als Künstler bald überflüssig? Abwarten!

Das glaube ich nicht, ich erinnere mich noch, wie es hieß, das Kino ist das Ende des Theaters, die Videocassette das Ende des Kinos und es ist trotzdem alles noch da. Die Musik wird sich durch Technik weiter verändern, aber verschwinden wird der echte Musiker sicher nicht.
Da ist was dran...  Wie gesagt, warten wir es ab.

Mark & WolfWie entsteht ein neues ACCEPT-Album? Schreibt Wolf die Musik und Du dann die Texte dazu? Wie arbeitet ACCEPT beim Komponieren?
Das ist tatsächlich völlig unterschiedlich. Mal bekomme ich von Wolf eine Musik, eventuell schon mit einem Titelvorschlag, mal schicke ich ihm fertige Texte, zu denen er die Musik schreibt. Mal gibt es nur ein Riff, aus dem dann ein Song entsteht, oder man hat eine Melodie, an der man dann zusammen arbeitet und so entsteht ein Song. Man kann das bei uns echt nicht in eine Formel packen, mal ist auch nur ein Refrain da um den man dann den Song herum baut.

Komponieren die anderen Mitglieder auch für ACCEPT?
Ja, wir haben Songs von Martin auf Humanoid und einen auf dem letzten Album und die anderen tragen auch hier und dort was bei.

Ich würde gern auf zwei Stücke vom neuen Album zu sprechen kommen. Zum einen 'Man Up', ein Lied, das für mich ein so typischer Song ist, für den ich Metal liebe, der dich aufputscht, ein gutes Gefühl gibt.
Yeah, genauso ist er auch gemeint, ein total positiver Song! Anstatt der "Man Down" zu sein, sei doch lieber der "Man Up" steh auf, mach weiter, lass dich nicht unterkriegen!

Und dann 'Nobody Gets Out Alive'. Oder: Jeder muss sterben! Das lyrische Gegenstück dazu?
(lacht) ja, ein wenig... schon... (kichert) ... aber ich hoffe, Du hast trotzdem Spaß mit dem Song?

Ganz bestimmt. Jeder muss sterben, irgendwann, aber nicht heute! Und bis dahin nutze die Zeit!
Genau! Und: Das sind übrigens zwei Songs, für die ich die Texte geschrieben habe, dann ist erst die Musik entstanden.

Ich habe mal das Gerücht gehört, dass im Studio die Saiteninstrumente komplett von Wolf eingespielt werden?
(lacht) Nein, nein! Klar, der Löwenanteil der Gitarren stammt von Wolf, aber nein, das ist ein Gerücht, dass er alles allein einspielt. Phillip (Shouce) und Uwe (Lulis) spielen ebenfalls auf dem Album und den Bass hat auch Martin ganz allein eingespielt. Jedes ACCEPT Mitglied spielt auf dem Album. Und auch auf denen davor, zumindest bei denen, wo ich beteiligt war.

Um nochmal etwas auf den "Analog Man" zurückzukommen –  nehmt ihr räumlich getrennt voneinander auf, und euer Produzent setzt das Ganze dann zusammen?
Nein, wir sind für die Aufnahmen alle zusammen im Studio, auch unser Producer Andy Sneap ist bei uns vor Ort und nicht nur digital zugeschaltet. Andy ist bei uns, es ist uns wichtig, dass wir gemeinsam aufnehmen und aufeinander reagieren können.

Old School!
Ja! Wir lieben den kreativen Prozess des Songwritings genauso sehr, wie die Live-Perfomance für unsere Fans! Wenn ACCEPT nur eine Greatest-Hits-Show ohne neues Material hätten spielen wollen, wäre ich damals auch nicht in die Band eingestiegen.

Ich gehe mal davon aus, dass Du ACCEPT bereits vorher kanntest.
Ja, sicher!

Was ist Dein ACCEPT-Lieblingsalbum, auf dem Du nicht gesungen hast?
"Breaker"! Oh, damals... in den 80ern... man! Wir haben mit T. T. QUICK schon Songs wie 'Son Of A Bitch' gecovert! Ja, definitiv "Breaker", das Album, mit dem ich ACCEPT kennengelernt habe!

Wenn du zurückschaust, du warst ja auch schon in deinen 50igern, als Du bei ACCEPT eingestiegen bist. Welche Erwartung hattest du damals, und würdest du dich heute wieder so entscheiden bei der Band einzusteigen? Hättest du gedacht, dass du das fast 15 Jahre später immer noch machst?
Dass es so lange anhält, hätte ich definitiv nicht erwartet. Ich dachte, wir machen ein Album und eine Tour, und vielleicht noch eins, aber mit dem, was dann passiert ist, habe ich absolut nicht gerechnet. Es ist ein Traum! Wir sind immer noch da! Wenn ich nochmal die an dem Punkt von damals wäre – natürlich würde ich sofort wieder bei ACCEPT einsteigen!

Würdest du sagen, das war die beste Entscheidung Deines Lebens?
Ganz sicher eine davon! Ja. Ganz bestimmt.

Und es gibt keine Gedanken ans Aufhören?
Nein, bis jetzt nicht. Solange wir wollen und vor allem können, machen wir weiter! Wir versuchen, fit zu bleiben, natürlich weiß man nie, wie lange der Körper mitmacht, aber wir tun unser Bestes!

Hört Mark Tornillo privat heutzutage noch Metal?
Ja klar, zwar tatsächlich nicht mehr so viele neue Bands, mehr die Klassiker, aber um deine Frage zu beantworten: Ja, ich liebe Metal noch immer! Das neue JUDAS PRIEST-Album ist fantastisch!

Auf jeden Fall! Wenn ich bedenke, dass all diese Bands, PRIEST, MAIDEN, BLACK SABBATH und auch ACCEPT - all diese Bands hatten schon ihre Geschichte, waren schon "alt", als ich angefangen habe, vor gut 35 Jahren Musik zu hören. Und es gibt sie immer noch und sie sind immer noch erfolgreich. Woher denkst du, kommt diese langjährige Verbindung zwischen Fans und Bands im Metal, diese Langlebigkeit?
Das liegt daran, dass Metal nicht nur ein Musikstil ist, sondern eine Lebenseinstellung. Dafür wirst du niemals zu alt. Es ist einfach so. Metal-Fans erkennst du, den Fan einer Popband eher nicht. Wenn wir zu einem Festival fahren, weißt du, je näher wir kommen, du erkennst die Fans einfach. Das gibt es sonst so nicht in einer Szene, außer vielleicht bei der Countrymusic, wegen der Hüte, du kennst das?

Ich habe mich tatsächlich mal ein wenig mit Country beschäftigt, da gibt es auch gute Sachen.
Ja, oft gut komponierte Songs, clevere Lyrics, gute Sänger. Gar keine Frage. Es stört mich auch nicht, wenn mal Country läuft. Im Gegensatz zu so manch anderem Musikstil.

Und so manche 80er Hardrock-Ballade würde, wenn man sie etwas anders arrangiert, einen Country-Song abgeben, wobei Country viele Elemente des AOR und Hardrock übernommen hat.
Yeah, just add a little twang! You are right, man! (lacht)

Aber bei ACCEPT wird es keine Country-Nummer geben?
Wohl eher nicht (schmunzelt). Wir haben leider noch nicht mal wirklich viel Platz für etwas Blues.

Nur 100% Teutonic Metal!
Yes! (lacht)

Was steht bei euch in diesem Jahr an?
Wir treffen uns demnächst in Nashville, um das neue Set zu proben, für die Festivals in Europa, dann folgt eine Reihe von Konzerten in den Staaten, dann eine Headliner-Tour in Europa im Herbst. Du siehst, es steht einiges an bei uns! We keep it goin'!

Wisst ihr schon, welche Songs vom neuen Album ihr live spielen werdet?
Sicher 'Humanoid', den haben wir schon auf der Cruise gespielt, da ist das Lied grade erst rausgekommen und schon sehr gut angenommen worden, gerne würde ich 'The Reckoning' ins Programm nehmen, 'Frankenstein' ist auch ein Kandidat - mal abwarten - und die Ballade 'Ravages Of Time'! Die werden wir aber nicht bei den Festivalshows, sondern erst auf der Tour im Herbst spielen. Aber genaueres wissen wir dann erst nach den Proben. Und ob ein Song live funktioniert, sehen wir eh erst, wenn wir ihn ein paarmal gespielt haben. Es gibt Lieder, die sind auf dem Album richtig gut, es läuft super bei den Proben und du denkst, alles ist perfekt und dann passiert live bei dem Song - nichts, es klappt einfach nicht.

MarkHast Du ein Beispiel von einem Song von einem der vorhergehenden Alben, bei dem das passiert ist?
Oh ja, ein gutes Beispiel ist der Titelsong von "Blood Of The Nations". Wir haben es mehrmals versucht, aber live passiert mit dem Stück nichts, keine Ahnung, warum. Manchmal ist das einfach so, dass bei einem Lied die Verbindung mit dem Publikum nicht zustande kommt und bei anderen, wo Du gar nicht so sehr damit rechnest, läuft es. Wir haben ja ein paar Stücke, die MÜSSEN wir spielen, wir können wohl nie ohne z.B. 'Balls To The Wall' von der Bühne gehen.

Wobei einige der Stücke von den neueren Platten mit dir als Sänger auch schon Klassiker-Status haben und aus der Setliste schwer wegzudenken sind.
Yeah, so wie 'Teutonic Terror' oder 'Pandemic'. Und das bedeutet mir sehr viel.

Mark, unsere Zeit läuft langsam ab. Hast Du noch ein paar Worte für die Fans?
Wir können es nicht erwarten für euch zu spielen. Wir sehen uns auf Tour! Kommt vorbei, es wird großartig!

Mir bleibt nur noch, Mark für seine Zeit und Geduld zu danken und ihm alles Gute und vor allem Gesundheit zu wünschen, bevor es für ihn zum nächsten Interview-Termin geht.

Photocredit: Andre Schnittker

Redakteur:
Maik Englich

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