ACCEPT: Interview mit Wolf Hoffmann

21.08.2010 | 10:05

Die Rückkehr von ACCEPT könnte triumphaler kaum sein. Umjubelte Live-Konzerte, Twitter lahmgelegt, "Album des Monats" (unter anderem) bei POWERMETAL.de. Besser hätte es wohl nicht laufen können. Wir klingelten bei Wolf Hoffmann an, um ihm über den bislang überwältigenden Verlauf des Comebacks auszufragen.


Die Nachricht, dass "Blood Of The Nations" bei POWERMETAL.de zum "Album des Monats" gekürt wird, sorgt natürlich gleich für einen nachhaltig positiven Gesprächseinstieg. "Wow, das ist natürlich eine super Sache. Das Feedback auf die Scheibe ist sowieso absolut unglaublich. Ich habe jetzt schon viele Reviews gelesen und Interviews geführt und es gab noch nicht eine negative Meinung zu dem Album." freut sich Wolf. Dabei war die Skepsis groß. Udo nicht dabei, die 2005er Show wirkte wie eine Zweckgemeinschaft, Andy Sneap produziert. Das konnte in den Augen vieler nichts werden. "Gut, die Skepsis an der 2005er-Reunion festzumachen, ist sogar verständlich. Man muss ja auch ehrlich sagen, dass wir uns da aufgrund der Angebote noch mal arrangiert haben, um ein paar Festivals zu spielen, ein bisschen Geld zu verdienen und ein bisschen Spaß zu haben, aber so richtige Pläne hatten wir ja dann auch nicht mehr. Und als Udo dann einen echten Neuanfang endgültig abgelehnt hatten, war eigentlich klar, dass wir es jetzt sein lassen.", gibt Wolf offen zu. Dass man jetzt noch mal so Feuer gefangen hat, liegt auch ein bisschen am neuen Sänger Marc Tornillo. "Ja, wir haben Marc ganz zufällig kennengelernt und als wir ihn gehört hatten, dachten wir gleich, dass wir mit ihm noch mal ACCEPT machen können. Und dann haben wir der Welt verkündet, dass wir mit ACCEPT noch mal Gas geben, ohne auch nur eine Note geschrieben zu haben.", erzählt Wolf. "Erst dann haben sich Peter und ich hingesetzt und haben in drei oder vier Monaten 30 oder 40 Songs geschrieben." Das nennt man wohl Kreativitätsschub.

Dabei wurde auch penibel darauf geachtet, dass die Songs auch wieder nach ACCEPT pur klingt. "Ja, das war natürlich absolute Voraussetzung für die ganze Aktion. Wir hätten jetzt nicht noch mal mit einem neuen Sänger auftauchen können, um mit ihm wild zu experimentieren. Das hätte uns ja keiner abgekauft. Von daher ist es schon kalkuliert, dass die Platte sehr typisch nach ACCEPT klingt. Peter und ich können natürlich auch andere Musik schreiben, aber das hat ja mit ACCEPT nichts zu tun. Nein, wir haben uns bewusst in dem Rahmen bewegt, den ACCEPT uns vorgeben, was auch gar nicht so einfach ist.", gibt Wolf zu. Und genau so klingt dann auch das Ergebnis: ein typisches ACCEPT-Album, ohne Kompromisse, ohne Experimente, aber abwechslungsreich und etwas moderner produziert. "Toll, dass du das so siehst, denn das war exakt, was wir mit dem Album erreichen wollten. Man kann sich ja auch nicht einfach stumpf kopieren und Songs wie 'Balls To The Wall' neu einspielen und einen anderen Titel geben. Man muss schon immer Veränderung drin haben, aber gleichzeitig seine Trademarks beibehalten. Das war auch ganz sicher der schwierigste Teil an dem Album, diesen Spagat zu schaffen. Wir wollten kein Duplikat abliefern, sondern ein Album, dass man als ACCEPT erkennt, ohne das Gefühl zu haben, das alles schon zu kennen." Eine Mission, die eindrucksvoll erfüllt wurde.

Dass die anfängliche Skepsis in eine so unglaubliche Euphoriewelle gekippt ist, erstaunt auch den Gitarristen immer noch. "Ja, das ist wirklich der Wahnsinn, was da alles passiert ist. Am Anfang haben wir den Fehler gemacht unsere allerersten Proben mit Mark bei YouTube hochzuladen und da schlug uns schon eine Welle des Hasses entgegen. Du kannst dir nicht vorstellen, was es da an Reaktionen gab. Da haben wir wirklich unsere Lektion gelernt. Von da an wussten wir, dass wir vorher nichts mehr rauslassen durften, bis wir wirklich was auf die Beine gestellt hatten. Wir haben also dann das Album zu Ende geschrieben und schon mal roh aufgenommen, um dann nach einem Label zu suchen. Nuclear Blast haben uns dann genommen und mit der Veröffentlichung des 'Teutonic Terror'-Videos ist die Stimmung dann komplett umgeschlagen. Es gab zwar immer noch ein paar Nörgler, aber die Resonanzen waren riesig. Dann gab es noch diese Twitter-Geschichte (die vielen Follower haben dafür gesorgt, dass Twitter lahmgelegt war - PK) und die wirklich guten Shows. Das ist schon unglaublich, was da alles passiert ist."

Daran konnte auch die Produktion von Andy Sneap nichts mehr ändern, dessen Künste in einigen Lagern extrem kritisch gesehen werden. "Echt?! Das war mir gar nicht bewusst", ist Wolf überrascht. "Ich dachte immer, Andy Sneap sei ein mehr als geachteter Produzent, aber das auch das kritisch gesehen wurde, habe ich gar nicht mitbekommen. Ich kann nur sagen, dass Andy genau wusste, wie wir klingen wollen und auch exakt das Ergebnis geliefert, das wir uns vorgestellt haben." Und das auch die Kritiker verstummen lassen dürfte. Der warme, rohe Sound passt wie die Faust aufs berühmte Auge.

Dass "Blood Of The Nations" dafür sorgt, dass viele Rocker und Metaller ihre Jugend wiederentdecken, fällt auch dem Gitarristen auf. "Das ist tatsächlich Feedback, dass wir extrem häufig bekommen, dass die Männer zwischen 35 und 50 ihre Jugend oder gar - wie du - ihre Kindheit wieder entdecken, die sie eben mit ACCEPT verbinden. Aber der totale Hammer ist ja, dass auch ein Haufen junger Leute jetzt ACCEPT für sich entdecken. Das haben wir auch bei den Konzerten gesehen, dass da auch ganz viele Kids waren, teilweise mit ihren Eltern, die da richtig auf unseren Sound abgefahren sind. Damit hätten wir wirkich nicht gerechnet. Dass die ganzen alten Fans uns vielleicht wieder gut finden würden, war vielleicht zu erwarten, aber dass die Kids auch so drauf sind, ist eine echte Überraschung." freut sich Wolf über die altersunabhängige Begeisterung.

Eine Begeisterung, die auf Authentizität beruht und nicht mehr auf eine große Show. "Ja, das ist etwas, was mir aufgefallen ist, als ich jetzt nach 15 Jahren wieder ins Business zurückgekommen bin. Heute ist alles lockerer. Früher musste man immer ein Image aufbauen und so ein Fake sein. Man musste topfit aussehen, heiße Weiber im Video sehen, große Marshall-Boxen auf der Bühne stehen haben. Da gab es sogar so etwas wie "Homestories", wo Leute in ihren angeblichen Häusern besucht werden, um zu zeigen wie toll sie sind. Das ist halt heute alles nicht mehr nötig. Die Fans wissen längst, dass Musiker auch nur Menschen sind, die nebenbei noch einen normalen Job haben. Und diese Authenzität wird heute viel mehr geschätzt. Das ist schon ein sehr angenehmes Gefühl."

Kein ganz so angenehmes Gefühl haben manche Hörer bei einem plakativen Albumtitel wie "Blood Of The Nations", dem Cover und dem Text zum dazugehörigen Song. "Wir haben lange überlegt, was wir als Albumtitel nehmen und haben eigentlich jeden Songtitel mal ausprobiert", lacht Wolf, "aber letztendlich ist der Song dann übrig geblieben. Der Text dreht sich natürlich schon um Krieg und so, sollte aber jetzt auch nicht allzu ernst genommen werden. Wir haben ein Heavy-Metal-Album aufgenommen, kein Konzeptwerk mit einer Story oder so etwas. 'Teutonic Terror' vergleicht beispielsweise die Ritter von früher mit Heavy-Metal-Bands von heute. Wir wollen halt Spaß haben."

Den soll es dann auch bald livehaftig geben. "Ja, die Tour startet in Kürze hier in den USA und wird uns dann wohl zu Beginn des nächsten Jahres nach Europa und speziell natürlich nach Deutschland führen. Ich freue mich auch schon sehr andere Songs als 'The Abyss' und 'Teutonic Terror' vom neuen Album live zu spielen. Gerade auf 'No Shelter' habe ich richtig Bock. Das wird sicher cool." Davon ist auszugehen, wie die bisherigen Festivalauftritte belegen. Überhaupt wollen es ACCEPT jetzt noch einmal richtig wissen. "Ja, wir ziehen das jetzt richtig durch. Das ist schon auf ein paar Jahre und ein paar Alben ausgelegt und keine einmalige Sache. Sonst hätten wir es ja auch gar nicht anfangen müssen. Aber ACCEPT sind auch irgendwie einfach das, wofür ich auf dieser Welt bin. Klar, ich kann auch viele andere Sachen und habe auch als Fotograf gut gelebt, aber ACCEPT sind einfach das, wozu ich wirklich auf dieser Welt bin. Also wird das jetzt auch so lange wie möglich genossen." Wir genießen mit.

Redakteur:
Peter Kubaschk

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