ACCEPT: Interview mit Wolf Hoffmann und Uwe Lulis
12.06.2022 | 22:41ACCEPT gibt sich auf dem diesjährigen Rock Hard Festival als Headliner die Ehre. Ein Gig voller Hits steht uns bevor. Und so nehmen wir die Einladung von Napalm Records, kurz vor besagtem Auftritt mit Wolf Hoffmann, dem Kopf der Solinger Stahlschmiede, über das Festival per se, den Wechsel zu Napalm und die noch aktuelle "Too Mean To Die"-Scheibe zu sprechen. Zu meiner großen Freude setzt sich mit Uwe Lulis auch ein bestens gelaunter, alter Bekannter dazu und ein sehr entspanntes Gespräch kann beginnen.
Ihr seid nicht zum ersten Mal als Headliner auf dem Rock Hard Festival am Start, ein generell sehr familiäres Festival. Was macht für dich als Künstler den Reiz dieses Festivals aus?
Wolf: Einerseits ist es nicht allzu riesig, sodass die Wege zur Bühne auch nicht allzu weit sind. Die Entfernung macht das Ganze also sehr angenehm, sodass es einen familiären Charakter bekommt. Ich komme auch aus dieser Gegend, bin in Wuppertal aufgewachsen, die Band selbst war früher in Solingen beheimatet. Selbstverständlich habe ich damals viele Konzerte besucht, die Dortmunder Westfalenhalle, die Grugahalle in Essen und die Düsseldorfer Philipshalle, alles gehörte zu einem Dunstkreis für Musiker aus dem Ruhrgebiet. Und je näher du, wie hier auf dem Rock Hard Festival, die Fans hast, desto mehr bekommst du auch von den Reaktionen mit, spürst ihre Energie wesentlich intensiver.
ACCEPT und das Rock Hard sind seit den 1980er Jahren eng miteinander verwurzelt. Hat sich in all den Jahren eine regelrechte Freundschaft zwischen euch entwickelt?
Wolf: Ja sicherlich. Wie du schon sagtest, gibt es diese jahrzehntelange Connection und das verbindet schon. Da ist schon ein gewisses Home-Coming-Gefühl dabei, wenn du die ganzen Leute regelmäßig siehst.
Jüngst ging ACCEPT einen weltweiten Deal mit Napalm Records ein.
Wolf: Richtig, hinter dem Label steckt ein Superteam, das daran interessiert ist, die Band aufzubauen und sehr viel Energie reinzustecken. Eine richtig gute Sache, wenn du Leute an deiner Seite hast, die Metal wirklich verstehen, dies auch zu vermarkten wissen und dies mit Power durchziehen. Bei Nuclear Blast hat sich schon einiges verändert, zumal die Leute von damals, unsere Ansprechpartner, auch nicht mehr mit dabei sind. Und Napalm Records machte uns ein Super-Angebot und wir haben das Gefühl, als sei dies die richtige Heimat für uns. Wir haben zwar noch kein Album mit Napalm im Rücken veröffentlicht, das kommt erst noch. Ich will die Erwartungen noch nicht hochschrauben, wir sind nämlich noch weit davon entfernt, das herauszubringen, aber es steht in Zukunft vor uns, ein neues Album zu schreiben und ich freue mich darauf, mit den Leuten von Napalm Records auch zusammenzuarbeiten. Du musst Leute haben, die die Straße verstehen, die wissen, was der Metal-Fan will und das ist für uns die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit.
Nun stehen erst einmal nach langer Zeit wieder Live-Auftritte an.
Wolf: Richtig, schließlich konnte kein Künstler großartig in den letzten zwei Jahren auftreten. Wir hatten zwar in den Staaten den einen oder anderen Gig, was aber recht kleine Sachen waren. Und das war für die Industrie katastrophal. Nicht nur für uns als Band, sondern für letztendlich alle Mitarbeiter. Mehr oder weniger ist dadurch die komplette Infrastruktur zusammengebrochen, die nun für viel mehr Geld irgendwie wieder zusammengewürfelt werden muss. Wir alle müssen da nun mit vereinten Kräften durch, bis sich die Sache wieder einigermaßen normalisiert hat. Das ist auch für uns nicht einfach. Wir bekommen beispielsweise die Gagen, die wir vor drei Jahren ausgemacht haben, weil sie für 2020 gepasst haben. Ob sie nun aber für 2022 passen? Wohl eher nicht. Das muss sich jetzt erst einmal wieder einspielen, wird noch einige Zeit dauern, bis es sich eingependelt hat, wenn keine neue Welle auf uns zukommt…
Wie habt ihr beide euch denn währenddessen die Zeit vertrieben?
Wolf: Nun, Uwe und ich haben uns jeden Morgen zum Waldlauf verabredet…
Uwe: Insbesondere mit meinem kaputten Bein…
Wolf: Und danach haben wir stundenlang intensiv geübt, haha. Nein, das macht natürlich jeder so, wie er kann. Natürlich haben wir vor den Auftritten geprobt, sind gut eingespielt, aber es gab Monate, in denen keiner großartig etwas anderes machen konnte als sich im Keller einzusperren und an ein paar Songs zu arbeiten. Ich persönlich habe mich nicht allzu sehr inspiriert gefühlt, hätte zwar die Zeit gehabt, ein neues Album zu schreiben. Doch mit "Too Mean To Die" hatten wir erst eine neue Scheibe am Start, waren damit allerdings noch nicht auf Tour.
Und wenn ihr beispielsweise im Dezember ein neues Album herausbringt, im Januar aber erst zur "Too Mean To Die"-Tour aufbrecht, bringt es den ganzen Plan auch durcheinander.
Wolf: Richtig, das passt auch nicht.
Glaubt ihr denn, dass die Dankbarkeit der Fans im Hinblick auf Live-Auftritte durch die Zwangspause zugenommen hat?
Wolf: Einige Shows in Griechenland haben wir schon gespielt und die Resonanz war fantastisch. Die Leute sind hungrig, ich denke aber, dass im Hinblick auf gleich [den Headliner-Auftritt – Anm. d. Red.] aber noch etwas geht.
Normalerweise nimmt man die Resonanz auf ein Album bei Live-Auftritten wahr. Wie kam "Too Mean To Die" denn außerhalb von Gigs bei den Fans an?
Wolf: Hammer. In Form von Zuschriften und all den Online-Magazinen bekamen wir schon etwas von den Reaktionen mit. Und die waren besser denn je. Es ist eine verrückte Zeit, in der man gar nicht mehr weiß, wann ein Album überhaupt erfolgreich ist. Kommt es auf die Klicks und Likes an? Oder sind Verkaufszahlen oder Downloads relevanter? Früher konnte man die Alben anhand der verkauften Einheiten viel einfacher miteinander vergleichen, doch heutzutage ist alles furchtbar kompliziert geworden. Mittlerweile gehen die Downloads auch wieder zurück und der Fokus legt sich auf Streaming-Portale, aber zumindest weiß ich, dass das Album bei unseren Fans sehr gut angekommen ist.
Uwe, du hast mit REBELLION, GRAVE DIGGER und nun mit ACCEPT, und du Wolf mit ACCEPT sehr viele Alben an den Mann gebracht. Aber wann ist ein Album wie beispielsweise "Too Mean To Die" etwas herausragendes für euch?
Uwe: Wenn du Gänsehaut bekommst, sobald du es hörst.
Wolf: Ja, das würde ich auch sagen. Nach so vielen Alben habe ich ein recht gutes Bauchgefühl, ob ich mit einem Song 100%ig zufrieden bin oder nicht. Und dann sind die Reaktionen von außen auch sekundär. Wenn ich das Gefühl habe, dass es besser nicht mehr geht, dann bin ich glücklich. Die Erfahrung hat mir gezeigt, dass es sich als Fehler entpuppt, ein Album oder einen Song herauszubringen, von dem man nicht gänzlich überzeugt ist, aber meint, dass die Leute ihn trotzdem gut finden würden. Beispiele möchte ich nicht nennen, aber es gibt durchaus Songs, bei denen ich damals schon gespürt habe, dass es besser gehen würde. Da war ich nicht komplett ehrlich zu mir selbst. Das spürst du einfach.
Ist die Band ACCEPT durch die Hinzunahme von dir, Uwe, sowie von Mark im Vorfeld zum "Blood Of The Nations"-Comeback in eine Art Jungbrunnen gefallen?
Wolf: Aber hallo! Aber das lag nicht nur an Mark, sondern hatte mehrere Gründe. Zum einen gab es die lange Pause zuvor, in der wir alle von der Musik weit entfernt waren. Peter [Baltes – Anm. d. Red.] und ich waren vollkommen raus. Und plötzlich treffen wir diesen Mark und haben von Beginn an diese Energie und den Tatendrang gespürt, nun endlich wieder alles machen zu können. Udo [Dirkschneider – Anm. d. Red.] wollte nicht, stand auch nicht zur Verfügung, dafür aber Mark vor uns und lieferte genau das ab, was wir wollten. Mit ihm konnten wir unsere alten Songs spielen, uns aber zeitgleich auch nach vorne bewegen, wodurch wir einen unglaublichen Schub bekommen haben. Zum richtigen Zeitpunkt kam auch unser Produzent Andy Sneap ins Bild, so kam eins zum anderen.
Zahnräder, die sich gemeinsam gedreht haben. Die Sterne standen für ACCEPT also einmal mehr goldrichtig.
Wolf: Genau. Damals gab es auch einen kleinen Shitstorm von Leuten, die meinten, ACCEPT könne man mit neuem Sänger ohnehin vergessen. Und das hat uns enorm angespornt, genau denen wollten wir es beweisen.
Und dann kam 'Teutonic Terror' heraus und mir ist die Kinnlade heruntergefallen. Ein auch nach Jahren noch immer bockstarkes Stück Stahl. Lasst uns doch ein kleines Assoziationsspiel starten: Was fällt euch als erstes ein, wenn ihr die Titel der Alben mit Mark als Sänger hört. Und wir fangen natürlich an mit "Blood Of The Nations".
Wolf: Das ultimative Comeback-Album.
2012 folgte "Stalingrad".
Wolf: Richtig. Hierbei hatten wir große Schwierigkeiten mit dem Cover. Da standen die Sterne nicht so optimal, obwohl es trotzdem ein Super-Album mit tollen Songs geworden ist. Mit der Bedeutung von Stalingrad war das allerdings im Hinblick auf das Artwork ein heißes Eisen. Generell finde ich aber, dass alle Alben mit Mark auf einer Stufe stehen – außer "Blood Of The Nations", weil dieser Spirit vom Comeback einmalig war. Danach tritt eine gewisse Routine ein, aber alle Alben sind durch die Bank weg gleich stark geworden und sind fünf solide Blöcke, die für mich in einer Reihe stehen. In den 1980er Jahren gab es viel mehr Unterschiede zwischen den einzelnen Alben. "Metal Heart" ist beispielsweise komplett anders als "Balls To The Wall" oder "Russian Roulette". Andere Songs, andere Produzenten, gefühlt hat sich da zu jedem Album etwas verändert.
Wo "Stalingrad" aufgehört hat, fing für mich gefühlt "Blind Rage" an.
Wolf: Richtig, ein sehr abwechslungsreiches und auch starkes Album.
Dann kommen wir zu deinem Einstand, Uwe. 2017 erschien "The Rise Of Chaos". Allein die Rhythmik von 'No Regrets' macht schon süchtig.
Uwe: Als altes Ruhrgebiet-Monstrum war es ein Gefühl des Nach-Hause-kommens. Allein bei den ersten Proben schlich sich schon das Gefühl ein, das ich damals auch bei GRAVE DIGGER hatte. Das gleiche Atmen des Metal findet wieder statt. Wir sind auch mit der gleichen Musik aufgewachsen, haben ähnliche Geschmäcker und haben aus der Jugend so viele Stories aufgepackt, bei denen es enorme Synchronitäten gibt und sowas schweißt eben zusammen.
Da sind eben Musiker zugange, die den Metal auch fühlen. Das merkt man auch auf dem noch aktuellen "Too Mean To Die"-Album, zu dem es Anfang 2023 auch eine Tour gibt. Wie überschneiden sich denn die Live-Pläne mit den Ideen zu einem neuen ACCEPT-Album?
Wolf: Gar nicht. Du wirst feststellen, dass die Tourvorbereitungen sehr kurz sind. Generell glaubt man, dass man sich monatelang darauf vorbereiten muss, aber wir brauchen das eigentlich nicht. Jeder bereitet sich ein, zwei Wochen intensiv darauf vor und dann sitzen die Songs. Wir leben auch nicht alle gemeinsam auf dem gleichen Fleck, was früher selbstverständlich anders war und regelmäßige Proben ohne Probleme vonstatten liefen. Doch wenn man wie heute in den unterschiedlichsten Regionen lebt, dann klappt das auch nicht mehr. Ich lebe mittlerweile auch in Nashville…
Und kommst ins Ruhrgebiet und es regnet, haha.
Wolf: Ja, genau und du bist Schuld, haha.
Die Schuld nehme ich gerne auf mich. Lieber Wolf, lieber Uwe, vielen Dank für eure Zeit so kurz vor eurem Auftritt. Es hat mich sehr gefreut, mit euch einige Worte gewechselt zu haben und ich wünsche euch sowohl für den heutigen Headliner-Gig als auch die anstehende "Too Mean To Die"-Tour alles erdenklich Gute!
Wolf: Liebend gerne und dir auch vielen Dank!
- Redakteur:
- Marcel Rapp