AIWAZ: Interview mit Arkadius
22.10.2024 | 21:02Keine Musik für die Massen, dafür Doom mit Klasse.
Das Doom-Album des Jahres überstrahlt nicht nur für mich so ziemlich alles, was in diesem Genre in den letzten Monaten und vielleicht sogar Jahren veröffentlicht wurde. Der Name AIWAZ wird den meisten aber noch kein Begriff sein. Wir haben AIWAZ-Sänger Arkadius, der auch bei WHEEL (GER) singt, mit Fragen gelöchert. Wenn das Interview euch den Mund wässrig gemacht hat, lest am besten gleich noch die Rezi von Kollege Stephan, der ebenfalls ein großer Fan dieser Underground-Sternstunde ist.
Arkadius, vielen Dank für das Beantworten meiner Fragen. Welchen Umständen haben wir die Gründung von AIWAZ und somit die Veröffentlichung dieses fantastischen Albums zu verdanken?
Danke erst einmal für die netten Worte. Timo und ich kennen uns schon sehr lange, und haben eine Zeit lang bei WHEEL zusammengespielt. Timo hatte schon immer grandiose Ideen und nachdem ich mir vor sieben Jahren eine kleine Pause von WHEEL gegönnt habe, beschlossen wir beide ein Projekt aufzuziehen, das unsere musikalischen Vorlieben repräsentiert. Es hat so lange gedauert, weil wir uns vorgenommen haben ein stimmiges Album aufzunehmen und wir viele Fehler bei den Aufnahmen gemacht haben, aus denen wir erst lernen mussten. Wir hatten allerdings einen konkreten Plan, den wir konsequent durchgezogen haben. Das hat viel Zeit in Anspruch genommen. Wir haben uns außerdem kein Zeitlimit gesetzt und wollten erst dann etwas veröffentlichen, wenn wir von dem Material zu hundert Prozent überzeugt sind.
"Darrkh... It Is!" hat mich mit seiner emotionalen Tiefe eiskalt erwischt. Waren das Schreiben der Songs und die Aufnahmen so herausfordernd, wie ich es mir vorstelle?
Ja… das war es in der Tat. Wenn ich die Songs bekomme, sind die zu neunzig Prozent fertig komponiert. Bis auf 'The Ghost That Once Was I' hat Timo alles komponiert, wobei er sehr akribisch darauf achtet, dass die Songs einen roten Faden haben und die Riffs ineinander fließen, um eine gewisse Grundstimmung zu erzeugen. Da ich meistens über sehr persönliche Sachen schreibe, versuche ich diese Emotionen in die Gesangslinien und Texte einzuarbeiten. Um die richtige Stimmung einzufangen, braucht es manchmal zig Versuche und zum Teil sind es nur Nuancen, die ein Stück wie gewünscht wirken lassen.
Obwohl die Songtexte alles andere als positiv klingen und mich die wunderbaren Gitarren-Leads und Gesangsmelodien auch nach etlichen Durchläufen nahe an die Tränen bringen, muss ich dieses Album ständig hören. Ist euch bewusst, was für ein Ausnahmealbum ihr hier aufgenommen habt?
Vielen Dank. Wie bereits erwähnt, ist es ein sehr persönliches Album und es war durchaus gewünscht, dass es bei den Zuhörern gewisse Emotionen auslöst. Wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden und freuen uns natürlich über die positiven Resonanzen. Vor allem, weil es unser erstes gemeinsames Output ist.
Gibt es ein Motiv oder einen Song, der dir persönlich besonders viel bedeutet?
Ich finde, dass jeder Song seine individuelle Berechtigung auf dem Album hat. Ich mag jeden einzelnen von ihnen, weil sie unterschiedliche Situationen ansprechen, die mich persönlich berühren oder berührt haben, wobei ich 'Ghost' insofern herausheben möchte, als dass dieser Song sehr direkt eine Lebensphase beschreibt, die ich noch einmal nicht unbedingt erleben möchte. Ich habe damals angefangen den Song zu schreiben, hatte allerdings nicht den richtigen Refrain, um den Track zu finalisieren. Wir haben uns dann in Timos Homestudio zusammengesetzt und innerhalb kürzester Zeit das Stück so gestaltet, wie ich es mir gewünscht habe. Das spiegelt auch ganz gut, wie unsere Arbeit funktioniert. Wir experimentieren gerne und nehmen die Ideen des anderen gerne auf, was dazu führt, dass wir unseren eigenen Horizont stets erweitern und voneinander profitieren.
In meiner Wahrnehmung fühlt sich der letzte Song 'When Judas Spins The Wheel' ganz "anders" an als der Rest des Albums, obwohl ich ihn ebenfalls sehr mag. Liegt das nur an mir?
Es ist tatsächlich so, dass die chronologische Entstehungsgeschichte auf der Platte total umgedreht ist. So ist 'Judas' der Song, den wir als erstes fertig gestellt haben, und 'Darrkh' quasi der letzte. Aus dem Grund kann es sein, dass 'Judas' ein bisschen aus dem Rahmen fällt, wobei ich denke, dass alle Stücke stilistisch gut zusammenpassen.
Inwiefern unterscheidet sich die Arbeit an AIWAZ von der mit WHEEL, aus der man dich sonst kennt?
WHEEL ist eine Band mit vier Individuen, von denen jeder eine gewisse Vorstellung hat, wie WHEEL klingen soll, wie sich WHEEL visuell präsentieren soll etc. Diese Tatsache führt manchmal zu kreativen Diskussionen, die jedoch den Arbeitsprozess verlangsamen. Bei AIWAZ habe ich im Bereich künstlerische Umsetzung und textlichen Output absolut freie Hand. Musikalisch haben Timo und ich sehr ähnliche Vorstellungen, sodass wir uns meistens nur darüber austauschen, wie lang die jeweiligen Parts sein sollen und welche Instrumentalisierung gewisse Passagen unterstreicht. Dabei tauschen wir Ideen aus und, wie bereits erwähnt, experimentieren gerne, um den Songs einen individuellen Anstrichzu verpassen.
Ist es richtig, dass du auch für das Artwork verantwortlich zeichnest? Geht meine Deutung, dass wir es mit Hingabe oder Liebe über physische Vergänglichkeit hinaus zu tun haben, in die richtige Richtung?
Ja, ich habe das Cover gemalt und die Zeichnungen für das Booklet angefertigt. Eigentlich sollte jedes Stück eine eigene Illustration bekommen. Das hat bei dieser Platte noch nicht gänzlich geklappt. Das wird auf den nachfolgenden Veröffentlichungen ein bisschen anders aussehen. Die Platte beschäftigt sich hauptsächlich mit der Vergänglichkeit. Es geht um den Tod, um Liebe, um Freundschaften, die vergehen und eine tiefe Leere hinterlassen. Es geht um Gefühle, die damit verbunden sind. Es sind Themen, von denen jeder schon mal tangiert wurde. Die beiden anderen geplanten Outputs werden sich thematisch in ähnlichen Gefilden bewegen. Primär geht es dabei um den Tod und die Hoffnungslosigkeit.
Der Promotext nennt für eine Doom-Band ungewöhnliche Referenzen (QUEENSRŸCHE, MARILLION und GHOST beispielsweise). Sind das Bands, die dich oder euch persönlich inspiriert haben?
Ja, durchaus. Ich bin mit QUEENSRŸCHE und MARILLION aufgewachsen, und es sind Bands, die mich persönlich sehr beeinflusst haben. Vor allem Geoff Tate als Sänger und Fish als Lyriker. Als ich das erste Mal "Misplaced Childhood" gehört habe, hat mich dies aufs Tiefste berührt und durch viele schwierige Phasen meines Lebens begleitet. Ich habe mir immer gewünscht eine Platte aufzunehmen, die auf den Zuhörer eine ähnliche Wirkung hat. Ich glaube, dass "Darrkh…It Is" bereits ein guter Anfang ist, das Ziel zu erreichen.
Die Band besteht aus dir und Timo, der sämtliche Instrumente eingespielt hat. Besteht dennoch die Hoffnung, AIWAZ eines Tages auf die Bühne zu bringen? (Es wäre natürlich schade, wenn man dabei auf den zweistimmigen Gesang im Titeltrack verzichten müsste.) Mit deiner anderen Band WHEEL und den Nachbarn von IS LOVE ALIVE? aus Bergkamen könnte man doch hier in der Gegend sicherlich ein paar Leute ziehen, meinst du nicht?
Dazu wird es höchstwahrscheinlich nie kommen, dass AIWAZ und WHEEL zusammen auftreten werden. Nicht, weil es da irgendwelche Animositäten gäbe, sondern aus rein logistischen Gründen. Wenn wir mit AIWAZ auftreten sollten, dann nur mit einem zu der Musik ausgearbeiteten visuellen Konzept. Zusätzliche Schwierigkeiten ergeben sich daraus, dass wir für AIWAZ eine Band rekrutieren und die Stücke einproben müssten. Da sowohl Timo als auch ich Nachwuchs bekommen haben, ist es in der Tat schwierig genügend Zeit zu generieren, um adäquat zu proben. Darüber hinaus glaube ich kaum, dass ich es stimmlich schaffen würde über mehr als zwei Stunden eine gute gesangliche Performance abzuliefern. Trotzdem spielen wir mit dem Gedanken 2026 einige Livekonzerte zu spielen. Dann auch gerne mit befreundeten Bands aus der Nachbarschaft.
Wenn ich richtig informiert bin, habt ihr AIWAZ bereits 2017 gegründet. Gibt euch das gegenwärtige Feedback genug Rückenwind, um mit der Band auch weiterzumachen? Wie sind eure Pläne?
Wir wussten zwar, dass wir eine gute Platte aufgenommen haben, aber hätten uns nie träumen lassen, dass die Resonanzen so gut ausfallen würden. Es ist tatsächlich so, dass wir eine Trilogie geplant haben und bereits am Nachfolger arbeiten. Die Arbeitstitel sind "In This Silence" und "The Absence Of Light".
Viele Grüße aus der Nachbarstadt Bergkamen und danke für die Musik, neben der neuen BLOOD INCANTATION habt ihr das zweite 10-Punkte-Album des Jahres und ein absolutes Highlight für meine Begriffe veröffentlicht!
Vielen lieben Dank für das Interview!! ;)
Photo-Credits: Band
The Ghost That Once Was I
- Redakteur:
- Nils Macher