ALL THAT REMAINS: Interview mit Oli Herbert
19.07.2013 | 13:01
Auf kurzer Reise direkt aufgegriffen.
Während sie in Amerika große Hallen füllen, müssen sie in Europa noch kleine Brötchen backen: ALL THAT REMAINS. Die Band ist auf kurzer Stippvisite in Deutschland. Diese Chance nutzten wir im Vorfeld des Konzerts im Kölner Underground und sprachen mit Gitarrist Oli Herbert über diverse transatlantische Unterschiede.
ALL THAT REMAINS wieder in Europa auf Tour: Wie läuft es bisher?
Es läuft ziemlich gut!
Wo liegen deiner Meinung nach Unterschiede bezüglich Touren in der USA und in Europa?
Es gibt natürlich eine Sprachbarriere, die hier und da einiges schwieriger macht. Aber es gibt schon eine große Fanbase für unsere Art von Musik.
Ihr seid in den USA jedoch erheblich größer. Wie kommt das?
Ja, auf jeden Fall! Ich denke, dass hat damit zu tun, dass wir in den Vereinigten Staaten Airplay im Radio bekommen und wie wir dort vermarktet werden. Vielleicht passt unsere Ästhetik auch einfach besser zu "unserem" Land. Aber die Antwort habe ich nicht wirklich parat, auch wenn ich sie gerne hätte. Ich würde mit der Band gerne überall riesig werden!
Was bevorzugt ihr: kleine Clubshows wie heute Abend, große Hallen oder gar Festivalauftritte?
In der Regel finde ich "Je größer, desto besser!", weil ich gerne vor der größtmöglichen Anzahl von Leuten spiele, allerdings ist das heute nach drei Festivalshows in Folge eine nette Abwechslung. Es ist eine kleine Show und dein Equipment klingt im Club einfach besser. Das ist immerhin ein Vorteil von kleinen Clubs.
Phil hat einst gesagt, dass es nicht schlimm wäre, nicht mehr durch Europa zu touren, weil dies ohne Label so verdammt teuer ist. Warum habt ihr eure Meinung geändert?
Uns wurden einige Festivals angeboten und es ist auch immer eine Stimmungssache. Ich kann nur für mich sprechen, aber ich würde es toll finden, wenn wir häufiger hier wären und richtig groß werden würden. Aber wir werden in Europa nicht wirklich durch ein Label repräsentiert.
Dann lass uns nun mal auf das letzte Album zu sprechen kommen, das mittlerweile ein Jahr draußen ist. Seid ihr nach wie vor zufrieden?
Liebe ich jeden Song auf dem Album? Nicht unbedingt. Jedoch würde ich nicht zurückgehen und irgendeinen Song ändern wollen. Es gibt einige Songs, die ich mehr mag als andere, aber das Album steht für das, was wir waren, als wir es geschrieben haben, und das ist das entscheidende.
Einmal mehr hat Adam D. (KILLSWITCH ENGAGE-Gitarrist und Produzent - OP) das Album produziert. Never change a winning team?
Nein, auf keinen Fall. Er ist unser Mann!
Wie reagierten die Fans auf die Platte? Ich kann mir vorstelen, dass auch einiges an Kritik kam, weil ihr melodischer werdet und nicht mehr so wie auf euren frühen Alben klingt.
Wir machen einfach unser Ding. Es gibt Leute, die es mögen, und alle anderen sollten sich mal die gesamte Platte anhören. Dann werden sie feststellen, dass da einiges an heftigem Material drauf ist. Du musst es dir eben komplett anhören und nicht bloß die Single.
Würdest du denn der Aussage zustimmen, dass ihr immer melodischer werdet?
Ja, es gibt nun mehr Gesang, aber ich wüsste nicht, warum Melodien schlecht sein sollen.
Die Leute schreien halt schnell "Ausverkauf!", sobald Melodien in die Musik integriert werden.
Ich weiß, aber es ist Blödsinn, das zu tun. Du musst herausfinden, was du hören willst, und wir sind eine Band, die Melodien in ihrer Musik haben möchte, weil wir es einfach mögen, und deshalb packen wir eben mehr hinein. Wenn wir nur noch die ganze Zeit herumschreien würden, dass wäre für mich der Ausverkauf, da wir dann nicht mehr erfinderisch wären.
Wie würdest du euren Stil derzeit benennen? Ist es immer noch Metalcore?
Metal! Einfach Metal. Ich habe den Begriff Metalcore nie gemocht. Für mich war das immer so eine Trendsache.
Viele Bands der Metalcore-Welle sind nicht übrig geblieben.
Ja, weil sie sich nicht verändert haben und nicht gewachsen sind. Man hat immer wieder das gleiche Album gehört. Wir variieren und verändern uns jedes Album. Damit versuchen wir uns treu zu bleiben und das ist uns wichtig.
Das Album lautet "A War You Cannot Win". Welchen Krieg meint ihr?
Es ist mehr ein Sinnbild. Ich werde nicht für Phil (Philip Labonte, ALL THAT REMAINS-Sänger - OP) sprechen, wenn ich es jedoch für mich selbst interpretiere, sehe ich es so, dass die Regierung versucht, uns immer mehr individuelle Rechte zu nehmen, zumindest in Amerika. Das ist etwas, wogegen wir uns zu wehren versuchen. "Big Brother" ist überall.
Kannst du es nachvollziehen, wenn Leute in Europa den Kopf schütteln, wenn ein typischer amerikanischer Bürger seine Sicht auf Waffen preisgibt?
Du musst das so sehen: In Amerika hast du eine große Heterogenität von Leuten und Zielen. Du hast eine Menge arme und ganz wenige reiche Leute. Und da möchtest du einfach nicht in der Situation sein, dass du in einer dunklen Ecke einer Stadt ausgeraubt oder vergewaltigt wirst. Ich selbst habe zum Glück beides noch nicht erlebt, aber ich verstehe die Waffenkultur, um auf sich selbst aufzupassen.
Aber wäre es nicht schön, in einem Land wie bspw. Deutschland zu leben, wo man nicht das Bedürfnis hat, eine Waffen zu brauchen?
Es ist ein anderes, kleineres Land. Eure Bevölkerung ist großteils Deutsch und... Was für Imigranten habt ihr?
Leute aus der Türkei oder Russland beispielsweise.
Okay. Ich weiß auch nicht, wie hoch eure Kriminilatitätsrate ist, aber vermutlich nicht so hoch wie die in den USA. Bei uns leben viele arme und benachteiligte Menschen, die Personen wie uns beide nachts sehen und sich dann denken: "Von dem hole ich mir so viel wie geht!" Aber wie schon gesagt, ist mir das zum Glück noch nicht passiert. Ich verstehe aber die Mentalität.
In Amerika habt ihr bloß zwei große Parteien, in Deutschland haben wir fünf an der Zahl. Ist das eines eurer großen Probleme?
Ja, ich denke, dass dies ein riesiges Problem ist. Bei uns gibt es eine starke schwarz/weiß-Mentalität. Es gibt da zwar noch dritte Parteien, die es aber nicht richtig schaffen, weil das Geld einfach nicht den richtigen Weg entlang fließt. Es ist wirklich deprimierend, das anzusehen und was mich schon seit einiger Zeit herunterzieht.
Zum Ende hin möchte ich nun noch etwas völlig anderes ansprechen: Was denkst du über den Fall Tim Lambesis von AS I LAY DYING?
In unserem Land ist er unschuldig, bis ihm die Schuld nachgewiesen wurde. Ich weiß nicht, was da gerade läuft, aber das ist schon eine verrückte Angelegenheit. Ich meine... jemanden anzuheuern, der seine Frau tötet... Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Es ist furchtbar, wenn es stimmt.
Stell dir vor, Phil würde irgendetwas derartiges tun. Was würdet ihr als Band
machen?
(lacht) Ich hoffe, dass das nie passieren wird! Aber ich würde dann vermutlich eine Solo-Karriere anvisieren. Ich will nicht zu niedergeschlagen klingen, aber ich wüsste nicht, wie eine Band weiterleben soll, wenn ihr Sänger ins Gefängnis gegangen ist.
Für Sängerwechsel gibt es schon genug Beispiele.
Ja, das ist allerdings die härteste Position, die man ersetzen muss. Tim war die ganze Zeit in der Band und ist auch irgendwie deren Gesicht. Und so ist es auch mit Phil, er hat die Band gegründet.
Also würdest du sagen, dass es ALL THAT REMAINS ohne Phil nicht geben würde?
Ich denke nicht.
Zuletzt natürlich die Frage: Was können wir von euch in nächster Zeit erwarten?
Wir werden bis zum Ende des Jahres touren und dabei Südamerika, Mexico und auch die USA bereisen, vielleicht auch Kanada. Nächstes Jahr geht es dann wahrscheinlich für ein neues Album wieder ins Studio.
Okay, dann vielen Dank für deine Zeit und alles Gute!
Gerne. Ich hoffe es war auch alles zu deiner Zufriedenheit!
- Redakteur:
- Oliver Paßgang