AMORPHIS: Interview mit Tomi Joutsen
07.10.2006 | 18:13Dass AMORPHIS einen neuen Sänger haben, dürfte mittlerweile doch hinreichend bekannt sein. Dieser heißt Tomi Joutsen, überzeugt durch Stimme und Dreadlocks und bekam bereits von Kollegin Elke am Anfang seiner AMORPHIS-Karriere auf den Zahl gefühlt. Seitdem ist über ein halbes Jahr vergangen und AMORPHIS sind in der Weltgeschichte herumgetourt. Grund also, nochmal zu checken, wie es Tomi denn nun so geht, wie er bei den Fans ankam, und was die Zukunft für die Kaleva-Rocker bereithält. Vor dem Abschlusskonzert in Helsinki traf sich Tomi mit mir zu Kaffee und Kuchen (okay, nur Kaffee), plauderte aus dem Nähkästchen und bewies, dass er nicht nur eine starke Bühnenpräsenz hat, sondern auch ein durchweg sympathischer und relaxter Typ ist.
Ricarda:
Vielleicht könntest du zuerst ein wenig über deine persönliche musikalische Karriere erzählen. Wann hast du angefangen zu singen?
Tomi:
Als ich ein Teenager war, habe ich angefangen, Schlagzeug zu spielen. Ich habe viele Jahre Schlagzeug in verschiedenen Metal-Bands gespielt, und als ich 20 oder so war, habe ich dann angefangen zu singen. Ich war zu der Zeit in einer Band, die Melodic Death Metal spielte, etwa wie AMORPHIS (lacht). Dann vor sechs oder sieben Jahre war ich zuerst Sänger einer anderen Band und dann später in SINESTHRA.
Ricarda:
Und in der Band spielst du auch noch nebenbei, oder?
Tomi:
Ja, genau. Wir üben im Moment aber nur und spielen keine Shows.
Ricarda:
Hattest du jemals Gesangsunterricht?
Tomi:
Nein, ich habe mich selbst trainiert. Ich sollte welchen nehmen (lacht).
Ricarda:
Ja, ich kann mir vorstellen, dass das Touren sehr stressig für die Stimme ist.
Tomi:
Auf alle Fälle. Es ist okay, wenn du zwei Shows pro Woche hast, aber wenn du quasi jeden Tag singen musst, dann kann es ziemlich hart werden. Nach einer Weile gewöhnt man sich aber ein wenig daran und es wird einfacher.
Ricarda:
Du hast schon gesagt, dass du Schlagzeug spielt. Auch noch ein anderes Instrument?
Tomi:
Ja, ich kann ein wenig Gitarre spielen. Und vielleicht auch ein wenig Bass, wenn ich müsste. Mir macht es viel Spaß, die verschiedenen Instrumente auszuprobieren.
Ricarda:
Wie gut kanntest du AMORPHIS, bevor du zur Band kamst? Kanntest du die Songs?
Tomi:
Ja, ich glaube, du könntest sagen, ich war ein Fan (lacht). Bin ich noch immer. Also die Situation ist ein bisschen komisch.
Ricarda:
Ja, kann ich mir vorstellen. Den einen Tag bist du ein Fan und plötzlich stehst du mit den Jungs auf der Bühne...
Tomi:
Ja, genau. "Tales From The Thousand Lakes" war ein sehr wichtiges Album für mich, als ich jünger war. Ich denke, das ist mein Lieblingsalbum von AMORPHIS. Ja, ich kannte die Songs, daher war es recht einfach für mich. Ich kannte die Jungs zuvor nicht, weil ich nicht hier in Helsinki wohne, sondern in einer kleinen Stadt mit dem Namen Lohja, nicht weit entfernt.
Ricarda:
Lohja? Oh, da war ich sogar schon mal!
Tomi:
Echt? Warum das denn?
Ricarda:
Vor ein paar Jahren hab ich da mal ein Festival besucht.
Tomi:
Ist ja cool (lacht). Die Welt ist wirklich manchmal sehr klein.
Ricarda:
Ja, das stimmt wohl. Warst du jemals bei einem AMORPHIS-Konzert, bevor du Sänger wurdest?
Tomi:
Ja, natürlich. Viele Male. So es ist wirklich komisch, mit den anderen Jungs auf der Bühne zu stehen. Aber langsam gewöhn ich mich daran (lacht).
Ricarda:
Wie ist es eigentlich passiert, dass du in die Band kamst? Hast du ein Demo geschickt oder bist du eingeladen worden?
Tomi:
Nein nein, also ich wusste, dass sie einen neuen Sänger suchen. Und Markku, der Gitarrist in SINISTHRA, ist ein guter Freund von Tomi Koivusari von AMORPHIS. Die zwei haben sich also über die Situation bei AMORPHIS unterhalten, dass sie einen neuen Sänger suchen und so. Und Markku hat gefragt "Warum versucht ihr es nicht mal mit unserem Sänger?" Also hat Tomi mich angerufen, und ich bin zu ein paar Proben gegangen, wo wir einige Lieder gespielt haben. Es hat sich echt gut angefühlt.
Ricarda:
Wow, toll. Es ist echt gut, Connections zu haben... (lacht)
Tomi:
Ja, auf alle Fälle (lacht)!
Ricarda:
Ich weiß gar nicht, wie AMORPHIS den neuen Sänger gesucht haben. Haben sie auch etwas auf die Webpage geschrieben?
Tomi:
Ja, haben sie. Und sie haben auch über 100 Demos aus der ganzen Welt bekommen. Aber sie wollten gerne einen Sänger aus Finnland, weil es halt einfacher mit den Proben und so ist. Sie haben schon ein paar gute Demos bekommen, aber ich glaube, ein Problem war, dass viele entweder nur brutal oder nur melodisch singen konnten. Es ist hart, diese Stile zu vermischen. Und natürlich bin ich total happy, dass sie mich ausgesucht haben (lacht).
Ricarda:
Ja, kann ich mir vorstellen. Gleich nachdem du in die Band kamst, seid ihr ins Studio und habt das Album "Eclipse" aufgenommen. Warst du auch ein wenig im Songwriting-Prozess involviert?
Tomi:
Ja, ich habe einige Melodien für den Gesang komponiert. Ich habe keine Songs geschrieben, aber wir haben die Lieder geübt, bevor wir ins Studio gingen, und ich hatte ein paar Ideen für jeden Song. Im Studio haben wir dann mit Marco Hietala von NIGHTWISH zusammengearbeitet, er hat die Vocals produziert. Ich finde, dass kann man auf "Eclipse" auch hören. Irgendwie war es ziemlich einfach, weil Marco einfach so ein Profi ist, er hatte tolle Ideen und ist sehr musikalisch. Er war eine echt große Hilfe für mich.
Ricarda:
Ja, Marco ist toll. Ich hab ihm beim Myötätuulirock interviewt, als ihr gerade gespielt habt. Und er meinte nur so: "Ach, meine Babies!" (lacht).
Tomi:
(lacht laut los) Ja, das waren wir wohl.
Ricarda:
Planst du auch eigene Lieder für AMORPHIS in der Zukunft zu schreiben?
Tomi:
Ich habe ein paar Riffs, aber es gibt so gute Songwriter in der Band...
Ricarda:
Hast du für SINISTHRA die Songs geschrieben?
Tomi:
Ich kann Musik schreiben, wenn ich wirklich will. Aber irgendwie bin ich sehr glücklich, dass ich einfach ein Sänger bin und nur das machen kann. In AMORPHIS haben wir Tomi und Esa und die anderen, die komponieren, und ich bin glücklich, dass ich nichts machen muss (lacht).
Ricarda:
Wo habt ihr denn das Album aufgenommen und wie lange hat es gedauert?
Tomi:
Wir haben es in Helsinki aufgenommen, in den Sonic Pop Studios. Und ich glaube, wir waren zwei Monate im Studio. Wir hatten eigentlich keinen Stress im Studio. Es ist ein gutes Studio, die Atmosphäre ist toll und man hat einen schönen Blick auf's Wasser.
Ricarda:
Wie inspirierend!
Tomi:
Ja, das ist es. Es kann echt hart werden, wenn du in einem kleinen Keller oder so singst. Du kannst nicht rausgucken, siehst kein Tageslicht und fängst irgendwann an, dich und die anderen Jungs zu hassen. Aber das Sonic Pop Studio war super. Außerdem hatten die Jungs auch bereits ein paar Lieder fertig, bevor ich in die Band kam. Sie hatten sogar einige Demos mit Pasi aufgenommen, aber die wollte ich nicht hören, weil ich einen neuen Anfang haben wollte. Es war eine große Herausforderung für mich, aber wir sind alle sehr zufrieden mit dem Album.
Ricarda:
Ja, es ist aber auch echt toll. War es hart für dich, die ganzen alten Songs zu singen?
Tomi:
Nein, eigentlich nicht. Wie du ja schon weißt, war ich ein Fan, also kannte ich die Texte schon (lacht). Es war einfach nur ein großartigen Gefühl, die ganzen Lieblingssongs zu singen. Und ich möchte definitiv Songs von allen Alben singen, weil ich ja ein Fan war (lacht).
Ricarda:
Genau. Du weißt, was sich die Fans wünschen (lacht)!
Tomi:
Stimmt genau (lacht).
Ricarda:
Jetzt warst du lange mit AMORPHIS auf Tour. Was hast du für Reaktionen von den Fans bekommen?
Tomi:
Überraschend positive Reaktionen. Kurz nachdem ich zur Band kam, hatten wir eine große Tour in den Staaten, und ich war total nervös. Aber es war echt gut. Ich glaube, die AMORPHIS-Fans sind ziemlich aufgeschlossen, was Musik angeht, und sie haben es mir leicht gemacht. Natürlich musst du bei jedem Konzert das Publikum erneut für dich gewinnen, aber das ist immer so, egal ob man neu ist oder nicht.
Ricarda:
Ja, das ist wohl wahr. Ich stelle mir es nur so furchteinflößend vor, neu zu sein und dann gleich in die USA zu gehen.
Tomi:
Ja, war es auch (lacht). Und es war das erste Mal, dass ich in den USA war. Wir haben dort glaube ich fünf Wochen getourt, und wir waren auch noch Headliner. Aber es ist toll gelaufen.
Ricarda:
Und in Europa auch, nehme ich mal an?
Tomi:
Ja, da auch. Aber um nochmal auf die USA zurückzukommen: Es war ziemlich lustig, weil die Fans dort wussten gar nicht, dass es einen neuen Sänger gibt (lacht)! Einige müssen so gedacht haben: "Wer ist denn der Typ?" (lacht mehr)
Ricarda:
"Seine Haare sind aber schnell gewachsen!" (lacht)
Tomi:
Ja, genau (lacht weiter).
Ricarda:
Okay, was ist dein Lieblings-Song von AMORPHIS?
Tomi:
Song? Hm, es wechselt ständig, aber im Moment ist es glaube ich 'The Smoke'.
Ricarda:
Ah, also etwas vom aktuellem Album. Ist das nicht auch eure Single im Moment.
Tomi:
Ja, genau. Das stimmt. Es ist ein toller Song, und ich liebe die Atmosphäre darin.
Ricarda:
Habt ihr dazu auch ein Video gedreht?
Tomi:
Nein, wir haben nur ein Video zu 'House Of Sleep' gedreht, sonst zu keiner Single. Es wär cool gewesen, ein Video zu machen, aber wir hatten keine Zeit. Wir planen aber eine DVD in diesem Jahr.
Ricarda:
Oh, cool. Habt ihr ein paar Konzerte mitgeschnitten?
Tomi:
Ja, wir haben sechs oder sieben Shows aufgenommen und haben also recht gutes Material. Es ist Material von Open Air Shows und auch von Clubs. Und ich weiß, dass die Jungs bei sich daheim richtig altes Zeug haben, aus den 90ern und so. Ich weiß nicht, ob das auch auf die DVD kommt, aber vielleicht ja. Oder vielleicht in Zukunft seperat, keine Ahnung. Aber ich denke, die DVD wird nächstes Jahr dann herauskommen.
Ricarda:
Habt ihr auch schon Pläne für ein neues Album?
Tomi:
Ja, da gibt es ein paar Pläne. Ich denke, es wird sogar schon nächstes Jahr herauskommen, weil schon soviel Material da ist. Bestimmt schon über zehn Lieder. Und was ich gehört habe, klingt wirklich sehr vielversprechend, es wird ein tolles Album werden.
Ricarda:
Super. Aber ich denke, jetzt werdet ihr erstmal ein wenig relaxen und Zeit mit der Familie verbringen.
Tomi:
Ja, auf alle Fälle.
Ricarda:
Gibt es auch einen AMORPHIS-Song, den du nicht so gerne magst?
Tomi:
Ja, ein paar, aber vielleicht sollte ich das nicht erwähnen (lacht).
Ricarda:
Ich sag's keinem!
Tomi:
Na, wenn das so ist (lacht). 'Cares' ist zum Bespiel ein Lied, das ich nicht so gerne mag. Bisher haben wir es auch nicht live gespielt. Aber vielleicht werden wir es in der Zukunft spielen, weil ich weiß, dass viele Fans das Lied lieben. Aber ich mag es einfach nicht (lacht).
Ricarda:
Was ist deine Lieblings-Kalevala-Geschichte? Hast du die Kalevala gelesen?
Tomi:
Ja, aber ich muss zugeben, dass ich nicht alles gelesen habe (lacht). Aber ich mag eine Geschichte sehr, da geht es um einen Schwan...
Ricarda:
Wie dein Nachname also. (Joutsen heißt Schwan auf finnisch - Anm. d. Verf.)
Tomi:
Genau (lacht). Ich kann dir nicht so genau erklären, worum es geht, aber die Geschichte gefällt mir einfach am besten.
Ricarda:
Okay, dann noch meine alberne Lieblingsfrage zum Schluss: Wen wolltest du als Kind heiraten?
Tomi:
Ich glaube, das war das Nachbarsmädchen. Sie war ein wenig jünger als ich, und ich war sehr verliebt in sie. Aber ich hab sie nicht geheiratet (lacht). Aber damals war es ein Traum.
Ricarda:
Das ist total süß, find ich. Normalerweise wollen alle immer jemanden Berühmtes heiraten.
Tomi:
Ja, wie Madonna oder so. Das wollte ich eigentlich nicht, ich wollte das Mädchen von nebenan.
Ricarda:
Gut, das war's dann auch. Vielen Dank für das Interview, es war sehr lustig.
Tomi:
Ich muss mich bedanken, es hat Spaß gemacht.
- Redakteur:
- Ricarda Schwoebel