ANNIHILATOR: Interview mit Jeff Waters

01.01.1970 | 01:00

Neuer Sänger, neuer Schlagzeuger, neues Album – bei ANNIHILATOR hat sich einiges getan, auch musikalisch. Ich hatte an einem gemütlichen Donnerstagabend die Ehre mit Bandleader Jeff Waters über die neuen Platte "All For You" und die Geschehnisse der letzten Monate zu reden. Dabei traf ich nicht nur auf einen äußerst redseligen sondern vor allem auf einen überaus freundlichen Gesprächspartner, der trotz der angesprochenen Kritikpunkte seinen Humor nie abgelegt hat. Doch lest selbst, was der sympathische Gitarrist zu sagen hat:

Björn:
Hallo Jeff, kannst du mich verstehen.

Jeff:
Yeah, sehr gut!

Björn:
Okay, dann können wir ja direkt mal loslegen!

Jeff:
Okay, let`s rock!

Björn:
Bist du also noch nicht müde von den ganzen Interviews?

Jeff:
Nein, nein! Wenn man von einer CD so angetan und aufgeregt ist, wie ich es dieses Mal bin, kann man darüber den ganzen Tag reden!

Björn:
Dann lass uns direkt über euer neues Album "All For One" reden. Was kannst du mir über diese Platte erzählen?

Jeff:
Weiß du, eigentlich ist es eines dieser Alben... Du hast einige gute Alben in deiner Karriere gemacht und arbeitest sehr konstant während deiner gesamten Karriere, aber du hast es nicht mehr geschafft, die Energie der früheren Releases einzufangen. Ich meine jetzt nicht den Stil der Musik, denn das war immer Thrash oder Melodycore, sondern vielmehr die Energie von früher. Wir hatten immer einige gute Songs, einige Alben waren ein bisschen besser, andere wiederum ein bisschen schlechter mit weniger guten Songs, aber das liegt nun einmal in der Natur des Songwritings. Man kann eben nicht nur Klassiker schreiben. Man kann nicht zehnmal "Back In Black", "Reign In Blood", "Master Of Puppets" oder "The Number Of The Beast" schreiben, das ist schlicht und einfach unmöglich. Bei ANNIHILATOR waren die ersten beiden Album richtige Klassiker und auch die darauf folgenden waren richtig groß, "Set The World On Fire" und "King Of The Kill", aber die Magie wurde nie mehr richtig eingefangen. Es ging später nur noch ums Überleben, den bestmöglichen Job zu machen, aber es fehlten halt immer die richtigen Sachen, wie das richtige Management, der richtige Aufnahmeort, die richtige Plattenfirma, der richtiger Sänger, die richtige Produktion, der richtigen Mix usw. Doch dieses Mal habe ich das Gefühl, als wäre die Platte das richtige dritte Album geworden, genau das, was wir nach "Alice In Hell" und "Never Neverland" hätten aufnehmen sollen. "All For You" ist der würdige Nachfolger zu diesen Klassikern. Es gibt haufenweise Tempowechsel, viele melodische Elemente und dazu haben wir auch einige Balladen draufgepackt. Dazu gibt es aber auch puren, wütenden, aggressiven Thrash Metal und dann gibt es noch diese dunklen psychologischen Themen, wie sie auch auf "Never Neverland" enthalten waren. Es gibt all diese vielseitigen Elemente auf dem Album, aber ich habe nicht geplant, das so zu gestalten, es ist einfach passiert. Ich hatte persönlich einige sehr negative Jahre. Es ist ein sehr, sehr persönliches Album mit großartigen Songs und tollen Musikern geworden.

Björn:
Du hast es bereits angesprochen, es ist möglicherweise das emotionalste Album, das du je geschrieben hast, was besonders bei diesen beiden Balladen `Holding On´ und `The One´ deutlich wird. Was hat dich bei dieser emotionalen Herangehensweise genau beeinflusst?

Jeff:
Ich bin ein Songwriter und ich mag wirklich alles von Pop bis hin zu SLAYER, alles was dazwischen liegt. Der erste Song, den ich für unser erstes Album geschrieben hatte, war ein aggressiver Thrash-Song, der zweite, `Alison Hell´, war ein ganzes Stück melodischer, was für die damalige Zeit recht ungewöhnlich war. Die Leute wissen, dass ich AC/DC, SLAYER und METALLICA mag, die sich ja auch voneinander unterscheiden, aber im Prinzip Heavy Metal bleiben. Für mich ist es aber etwas Normales, eine Ballade zu schreiben, ebenso normal ist es, einen Thrash-Song zu schreiben.
Viele Bands konzentrieren sich nur auf einen Stil. Wenn man mal AC/DC oder SLAYER betrachtet, dann scheinen diese nur Songs in einem einzigen Stil zu schreiben, was auch großartig ist, da diese beiden meine absoluten Lieblingsbands sind. Aber bei ANNIHILATOR kommen gerade dann gute Songs heraus, wenn wir verschiedene Stile miteinander koppeln und nicht immer ein und dasselbe neu aufkochen. Und in dieser Hinsicht ist "All For One" ein großartiges Album geworden. Wenn ich die Scheibe als Fan hören würde, dann würde ich auch nur denken "Verdammt, da sind viele verrückte, coole Sachen auf dieser Platte".

Björn:
Ihr habt die Platte "All For You" genannt. Hat dieser Titel eine bestimmte Bedeutung und wer ist dieses "You" im Titel?

Jeff:
`All For You´ war der Name eines Songs auf dieser Platte und wir dachten, dass es ein cooler Titel für das Album sei. Aber die Bedeutung hinter diesem Titel soll nicht als Geschenk für irgendwen, z.B. für die Fans, gedacht sein, sondern hat vielmehr einen sarkastischen Hintergrund. Es geht um jemanden bzw. etwas, was dich herunterzieht, sei es dein persönliches Leben, dein Geld, deine finanzielle Situation oder deine Band, deine Liebe, deine Familie, und jemand versucht dich in Probleme zu verwickeln. Aber du überlebst es und kannst dem Ganzen entfliehen, ja es ist so eine Art Überlebenskampf-Geschichte, aber es heißt auch "Fuck You", "All For You" heißt in meiner Übersetzung auch "Fuck You", weil man die eigene Energie nicht stoppen kann.

Björn:
Ich muss sagen, dass es eine Weile gedauert hat, bis ich mich mit dem Album anfreunden konnte, da es um einiges schwerer war, Zugang zu den einzelnen Songs zu finden, als dies beim letzten Mal der Fall war.

Jeff:
Hast du denn nur die EP oder auch schon das ganze Album gehört?

Björn:
Ich habe das ganze Album hier.

Jeff:
Dann musst du wohl aus Deutschland kommen, oder?

Björn:
Ja, genau.

Jeff:
Die Sache ist, dass ich jetzt für dieses Album schon eine Menge Phoner-Interviews gemacht habe, so zwanzig Stück am Tag und in verschiedenen Ländern. Und ich habe festgestellt, dass besonders in Deutschland die Reaktionen arg zwiespältig ausgefallen sind, nachdem die Leute die EP mit den drei Nummern und dem Video bekommen haben. Das sind nämlich die drei extremsten und unterschiedlichsten Songs auf dem ganzen Album auf dieser EP und genau so war es auch geplant, als Vorboten für das Album die verschiedenartigsten Songs auf eine EP zu packen. Und darauf gibt es jetzt zwei Reaktionen aus Deutschland. Eine lautet: "Wow, das wird eine verdammt coole Scheibe werden, hör dir nur mal die ganzen Stile an und was der Sänger so alles drauf hat." Welcher Stil ist aber der richtige für ANNIHILATOR, denn es klingt, als würden hier drei verschiedene Bands spielen?
Die andere Reaktion war: "Mein Gott, was ist das denn, was macht Waters denn jetzt?". Und einige Leute mussten sich wirklich eine Weile mit dem Album auseinandersetzen, bevor sie es verstanden und gemocht haben.

Björn:
Genau das ist mir auch passiert.

Jeff:
Die gute Sache bei mir ist, dass ich schon sehr lange dabei bin und auch in der Presse viele Kontakte habe knüpfen können und auch viele Freunde gefunden habe. Da ist dann zum Beispiel dieser Pressetyp, der mich persönlich mag, aber mit dem Album so seine Schwierigkeiten hat. Gerade in der Deutschen Major-Presse war dies nun der Fall, wo die Leute schrieben "es ist ein nettes Album, der Sänger ist okay aber ich bin verwirrt von den ganzen Elementen, die auf dem Album enthalten sind" und eine Woche später bekam ich dann eine E-Mail wo drinsteht "Heilige Scheiße, man muss es sich fünf bis sechs Mal anhören, dann entwickelt es sich zu einem großartigen Album". Das sollten die Leute vielleicht beim nächsten Mal berücksichtigen, man muss dem Ganzen noch eine Chance geben, dann wird man es garantiert mögen.

Björn:
Ja, genau das habe ich ja gesagt, es hat seine Zeit gedauert, aber mittlerweile finde ich "All For You" auch wirklich sehr gut. Es gibt zwar ein oder zwei Songs, die mir nicht so gut gefallen, aber insgesamt habe ich mich mit der Platte angefreundet.

Jeff:
Aber das ist doch normal, da es nur wenige Alben gibt, auf denen alle Songs gleich stark sind. Auch ein Jeff Waters kann nicht elf perfekte Songs schreiben. Obwohl wir einige starke Thrash-Songs und ein paar erstklassige Balladen auf den jeweiligen Alben hatten, haben wir noch nie ein Album geschrieben, wo jeder einzelne Song herausragend ist. So ist es doch auf jedem Album, man hat zwei Klassiker, zwei oder drei gute Songs, aber auf der anderen Seite auch drei beschissene Songs, haha! Es ist unmöglich ein perfektes Album zu schreiben, aber Alben wie "Alice In Hell", "Never Neverland" und "Back In Black" tendieren zumindest in diese Richtung.

Björn:
Trotzdem sind es gerade die schnelleren Songs, die mir auf "All For One" am besten gefallen. Ganz besonders `Rage Absolute´ ist ein absolut geiles Stück, das bereits jetzt zu meinen persönlichen All-Time-ANNIHILATOR-Favoriten zählt. Warum habt ihr nicht mehr solche Songs auf die Platte gepackt?

Jeff:
Ich könnte eine ganze Platte nur mit Thrash Metal füllen oder ein ganzes Album mit Balladen oder aber eine Scheibe voll mit technischem Kram oder sogar eine Hardrock-Scheibe im Stile von ALICE COOPER. Ich könnte fünf Alben mit jeweils einem einzigen Stil füllen, doch bei diesem Album habe ich all das, was mir in den Sinn gekommen ist, verarbeitet, die ganzen Emotionen aufgefangen, ob ich nun verärgert oder traurig war. Natürlich hätte ich auch zehn solche Songs wie `Rage Absolute´ schreiben können, aber das ist doch nicht der Sinn der Sache. Es wäre kein Problem ein Album mit zwölf Thrash-Songs zu schreiben, wieso auch nicht, ich liebe Thrash Metal. Dasselbe gilt für die Balladen. Wenn jemand kommen würde und mir zehn Millionen Dollar für ein Album mit Lovesongs bieten würde, wäre das genau so einfach, da ich diese Musik ebenfalls mag. Aber wie ich es auch mache, ist es falsch. Schreibe ich nun ein Album voll mit Thrash Metal, sind die Anhänger der melodischen Klänge enttäuscht und anders herum ist es nicht anders, haha!
Ich bin sehr glücklich darüber in der Lage zu sein, einen gesunden Mittelweg gefunden zu haben.

Björn:
Dann lass uns mal über diese anderen Songs reden. Da ist zum Beispiel der Song 'Both Of Me', ein sehr langer und für dich auch spezieller Song. Welche Idee steckt hinter dieser Komposition?

Jeff:
Rein musikalisch ist der Song wirklich etwas Besonderes, da er sehr technisch und auch schwer zu spielen ist, viele Tempowechsel, großartige Schlagzeugarbeit. Da sind einige wirklich tolle Gitarrenparts und der Gesang ist ebenfalls fantastisch. ANNIHILATOR-Fans der ersten Stunde werden den Song lieben, obwohl er so lang ist, ich glaube er dauert ganze acht Minuten. Ich bin ein großer Fan von Mike Mangini und was er in diesem Song spielt, ist einfach nur grandios.
Klar, `Both Of Me´ ist etwas abgedreht und verrückt und handelt von einer Person, die zwei verschiedene Persönlichkeiten innehat, jedoch wird das Ganze von einer lustigen ironischen Seite betrachtet, obwohl das Thema eigentlich total seriös ist. Wir haben einige der verrücktesten Riffs überhaupt aneinander gereiht und es wird schwierig werden, den Song live zu spielen, aber wir werden es versuchen.
Da ist ein ähnlicher Song namens `Demon Dance´, der jedoch noch abgedrehter und psychologischer ist, aber mich vom Text her auch persönlich anspricht. `Demon Dance´ beschreibt, dass ich in meinem Leben Humor zeige, aber auch mit vielen Höhen und Tiefen zu kämpfen haben. Ich bin auf der Suche nach der Mitte, wo alles entspannt und relaxed ist. Es gibt viele großartige Momente in meinem Leben, aber auf der anderen Seite auch viele Situationen, in denen ich sehr depressiv und enttäuscht bin. Es geht um das Auf und Ab im Leben und das ist ja auch die Natur des Musikbusiness, ganz besonders im Heavy Metal. `Demon Dance´ ist daher auch so etwas wie ein alter psychologischer ANNIHILATOR-Song.

Björn:
Es hat sich in den letzten Monaten einiges bei ANNIHILATOR getan und es sind einige Line-up-Wechsel vollzogen worden. Fangen wir bei Joe Comeau an, der die Band vor zwei Jahren verlassen hat. Keiner weiß, was genau passiert ist, vielleicht könntest du mal etwas Licht ins Dunkel bringen?

Jeff:
Du willst die genauen Gründe wissen? Ich habe bisher noch nicht darüber gesprochen, warum er gehen musste, das hat private Gründe und ich will mich dazu jetzt auch nicht äußern. Es geschah aus verschiedenen Gründen. Ich habe schon drei Leute bei ANNIHILATOR feuern müssen und es hat schon eine ganze Menge Stress in der Band gegeben. Es ist wie bei einem normalen Job; du gehst, weil dir ein besserer Job angeboten wird oder weil du mehr Geld verdienen kannst oder du gründest deine eigene Band. Oder nimm nur mal unseren alten Bassisten Russell Bergquist, der mittlerweile mit einer holländischen Frau verheiratet ist, seine eigene Firma in Vancouver gestartet und sich dafür entschieden hat, ein Soloprojekt zu gründen, damit seine Firma nicht unter der Musik leidet.
Ich habe mit all diesen Leuten gesprochen, mit Randy Rampage, Coburn Pharr usw. Viele Leute, die die Band beobachten, sie aber nicht kennen, müssen denken, dass ich ein Diktator oder ein Arschloch bin. Aber so läuft das eben in einer Band, es ist zwar verrückt, aber auch nicht viel anders als bei jedem anderen normalen Job.

Björn:
Joe Comeau war jedoch etwas ganz Besonderes, da er der erste Sänger war, der auf zwei aufeinander folgenden Alben den Gesang übernommen hat. Was ist denn da eigentlich los? Warum wechseln ANNIHILATOR bis auf diese Aufnahme von Album zu Album ihren Sänger? Ist es nicht schwierig, jedes Mal wieder einen neuen Mann zu etablieren?

Jeff:
Es hat doch auch etwas Gutes, da es das Interesse an der Band aufrecht erhält. Wir sind eine der wenigen Bands aus Nordamerika, die harte Musik spielen. Wir hatten die Ehre, von den Achtzigern bis heute im Jahr 2004 zu spielen, ohne dass wir lange Pausen hatten, die wir durch eine Reunion gebrochen haben. Wir sind immer da gewesen und haben unsere Alben verkauft. Wir sind immer im Gerede gewesen wegen dieser Line-up-Wechsel, konnten aber verhindern, dass wir mit dem selben Sänger und dem selben Stil zu berechenbar oder gar langweilig werden. Das ist eine Sache, die nur bei AC/DC in Ordnung geht. Die spielen den selben Stil auf jeder Platte, aber sie sind verdammt gut dabei. Ich denke, ANNIHILATOR dürfen sich glücklich schätzen diese Wechsel zu haben. Es ist zwar nicht immer die beste Lösung, aber man hält es spannend, weil es einen Grund gibt, das Ganze aufrechtzuerhalten, solange man das Potenzial hat, gute Alben zu veröffentlichen. Außerdem gehen die Verkaufszahlen auf und ab und normalerweise gehen sie dann runter.

Björn:
Das heißt jetzt aber nicht, dass euer neuer Sänger Dave Padden nach diesem Album wieder gehen muss?

Jeff:
Nein, natürlich nicht. Falls er entscheidet, dass er gehen möchte, weil er ein Baby haben und heiraten möchte oder nicht auf Tour gehen will. Oder aber wenn er ein Rockstar werden möchte und überall herumerzählt, dass er das ganz große Geld machen möchte, dann wird er auch nicht länger bei ANNIHILATOR spielen. Es gibt so viele verschiedene Gründe, eine Band zu verlassen. Selbst wenn deine Band eine Menge Geld verdient und millionenschwer ist, ist es schwer, die Kontrolle zu bewahren. Nimm nur mal Jason Newsted: Er hat eine Menge Geld bei METALLICA verdient und er war für lange Zeit glücklich.

Björn:
Aber ich denke, er hat letztendlich den richtigen Schritt getan.

Jeff:
Ja, er war lange Zeit glücklich, weil er eine Menge Geld verdienen konnte und deswegen hat er sich auch nicht beschwert. Aber gerade wenn es um so große Summen geht, ist es nicht einfach, eine Band zusammenzuhalten, besonders wenn ein Kerl die ganze Arbeit und das ganze Songwriting übernimmt. Man redet nicht mehr so wie damals, als man sagte "Ich und Lars" oder "ich und Hetfield", sondern es hat sich immer mehr zu einem Soloprojekt entwickelt.

Björn:
Denkst du?

Jeff:
Ja, auf jeden Fall:

Björn:
Eine andere Person, welche die Band verlassen musste, ist Randy Black, was mich persönlich noch mehr überrascht hat, da ich dachte, dass die Chemie in der Band nach Joe's Ausstieg wieder stimmte. Warum musste Randy also gehen?

Jeff:
Wir hatten schon eine Menge Drummer. Nimm zum Beispiel Ray Hartmann, unseren ersten Schlagzeuger, der einer der besten war, die wir je hatten. Dann kam Mike Mangini und machte einen erstklassigen Job auf "Set The World On Fire", und auch Randy war ein ausgezeichneter Drummer. Wir hatten also eigentlich nie Sorgen um die Position hinterm Schlagzeug. Aber wie das nun einmal so ist, wenn eine andere Band dir mehr Geld anbietet, ist auch er gegangen.

Björn:
Du spielst auf PRIMAL FEAR an?

Jeff:
Ja, genau. Er hat außerdem die andere Band von Uwe Lulis, REBELLION, verlassen müssen. Randy wird ihm wohl nicht gesagt haben, dass er in eine andere Band einsteigt, so dass er ihn feuern musste. Die Art und Weise, wie das geschehen ist, war sicherlich nicht sehr glücklich, er war sehr enttäuscht von Uwe. Ich persönlich finde seinen Ausstieg bei ANNIHILATOR nicht so tragisch, er ist ein gemieteter Schlagzeuger, er muss also sehen, wo er das meiste Geld verdienen kann. Das würde ich wahrscheinlich genauso machen. Wenn ich jetzt sehe, dass wir für Randy Black Mike Mangini und für Joe Black Dave Padden geholt haben, denke ich, dass die ganze Sache gar nicht so negativ ist, wie sie nach außen hin scheint.

Björn:
Das wird sich zeigen. Jetzt wo eure Platte auf dem Markt ist, wollen euch die Leute wieder live sehen. Ihr seid eine Band, die von den Kritikern und Fans geliebt wird, und trotzdem waren die Hallen auf der letzten Tour teilweise erschreckend leer.

Jeff:
Welche Tour meinst du jetzt?

Björn:
Die Tour mit SEVEN WITCHES als Support.

Jeff:
Immer wenn eine Band mitten in der Festivalsaison eine Clubtour aufzieht, ist das wie ein Selbstmordversuch. In einem Monat wie dem Juli kann das einfach nicht klappen. Niemand wird sich eine Band wie ANNIHILATOR oder OVERKILL in einem Club ansehen, wenn er für ein bisschen mehr Geld eine ganze Menge mehr großartiger Bands auf einem Festival sehen kann. Wir haben dies in erster Linie durchgezogen, um einige Live-Aufnahmen zu machen und die haben wir dann auch an den Orten aufgezeichnet, wo die Hallen gut gefüllt waren. Wir wollten auch nicht diese Festivaltour spielen, sondern uns einfach nur auf die Aufnahmen für das Live-Album konzentrieren.

Björn:
Aber die Motivation, in kleineren Hallen zu spielen, ist weiterhin da, auch wenn die Hallen letztes Mal nicht so voll waren, oder nicht?

Jeff:
Oh, natürlich, wir haben ja auch ein starkes Live-Album zusammengestellt, außerdem waren viele Die-Hard-Fans im Publikum. Doch wenn wir jetzt im September und Oktober wieder zu euch nach Europa kommen, sieht die Sache wieder anders aus, da bin ich mir sicher, dass wieder mehr Leute kommen werden.

Björn:
Wird das eine Headliner-Tour sein?

Jeff:
Man wird sehen, es wird auf jeden Fall ein Package geben und es hängt halt von der jeweiligen Konstellation ab, wer der Headliner sein wird.

Björn:
Aber es wäre auch eine Option als Support-Act zu spielen?

Jeff:
Im Moment passieren einige große Sachen. Wir haben einen Anruf von JUDAS PRIEST bekommen, die uns auf ihre Hallentournee im Juni eingeladen haben. Wir werden bei den ersten Shows bis zum 15. Juni dabei sein. So etwas ist uns schon seit Jahren nicht mehr passiert. Beim letzten Mal, als JUDAS PRIEST mit Rob Halford gespielt haben, war auf der "Painkiller"-Tour und als Support spielten damals PANTERA und ANNIHILATOR. Es ist uns eine sehr große Ehre, zusammen mit ihnen zu spielen und gerade weil einer von beiden, Tipton oder Downing, sich für uns entschieden hat. Es scheint so, als wären für dieses Album alle Puzzlestücke genau richtig zusammengesetzt worden. Wir haben niemals so etwas erwartet, klar, ich tue mein Bestes, arbeite hart, habe Spaß und versuche positiv zu denken. Ich denke, wenn du lange genug dabei bist, dann hast du auch einmal Glück und die richtigen Sachen geschehen zur richtigen Zeit. Und solange du kein Arschloch bist, und ich denke, ich bin noch nie böse zu irgendjemandem gewesen und habe es deswegen vielleicht auch verdient. Ich genieße es, in verschiedene Länder zu reisen, das Essen und die Leute dort kennen zu lernen und die tollen Fans zu begrüßen, mehr will ich eigentlich gar nicht. Aber wie gesagt, wenn du hart arbeitest und dein Ding durchziehst, wird sich irgendwann alles zum Positiven wenden und genau das ist jetzt passiert.

Björn:
Vor einigen Jahren hast du auch einige Shows mit SAVATAGE gespielt, woraufhin einige Gerüchte laut wurden, dass du bei der Band einsteigen würdest. Was ist an der Sache dran?

Jeff:
Oh, nein. Ich habe mal mit Chris Caffery über ein gemeinsames Soloprojekt gesprochen. Ich höre viele Gerüchte über SAVATAGE, weiß aber nicht einmal, ob sie gerade an einem neuen Album arbeiten, ich weiß eigentlich gar nicht, was sie gerade machen. Wir hatten aber auf jeden Fall eine großartige lustige Zeit auf Tour.

Björn:
Während einer Show mit SAVATAGE bist du damals direkt nach der Show zusammengebrochen. Was ist da passiert?

Jeff:
Ich habe nachts mit SAVATAGE gespielt und direkt am nächsten Morgen musste ich mit ANNIHILATOR auf die Bühne. Es waren 105 Grad [Hier dürften wohl Fahrenheit gemeint sein, also etwa 40 Grad Celsius. Anm. d. Lektors] auf der Bühne und ich hatte vorher kein Wasser getrunken, sondern stattdessen viel zu viel Kaffee. Wir waren mit der SAVATAGE-Show erst um drei Uhr nachts fertig und haben dann noch anständig gefeiert. Ich hatte nur drei Stunden Schlaf, dann wachte ich auf und musste zurück zum Festivalgelände, wo die ANNIHILATOR-Show anstand. Das Ganze war eigentlich hoch gefährlich, da ich vollkommen ausgepowert war von dem ganzen Reisestress. Dazu dann der Mangel an Wasser und die brennende Hitze. Ich bin direkt nach der Show ins Krankenhaus, wo sie mich mit drei Beuteln voller Salz und Flüssigkeit versorgt haben, a ich innerlich total ausgetrocknet war. Dort sagten sie mir, wenn ich das noch einen weiteren Tag durchgezogen hätte, dann wäre ich höchstwahrscheinlich deswegen ums Leben gekommen. Das war eine meiner größten Lehren in meinem ganzen Leben und seitdem sie meinen Körper wieder mit Salz und Wasser versorgt haben, trinke ich regelmäßig und ausreichend Wasser.

Björn:
War es auch gleichzeitig für dich ein Grund, das Tempo ein wenig zu drosseln?

Jeff:
Nein, nein. Das nicht, es war einfach nur ein Aha-Effekt, der mich dazu brachte, nicht länger dumm zu sein. Wenn du zum Beispiel am Strand liegst und dort ohne Sonnencreme und Wasser den ganzen Tag verbringst, wirst du irgendwann anfangen zu verbrennen und krank zu werden. Und genau das habe ich auch getan. Wenn du die ganze Zeit unterwegs bist und auf der Bühne stehst, dir aber selbst nur wenig Schlaf und schlechte Ernährung gönnst, wirst du ganz schnell sterben, haha!

Björn:
Gut, also sorgst du dich zumindest etwas mehr um deine Gesundheit?

Jeff:
Das ist richtig. Mit dem Trinken habe ich ja schon vor einigen Jahren aufgehört, aber ich bin trotzdem kein gesundheitsbewusster Mensch, mache kaum Sport, habe nicht gerade einen ausgewogenen Ernährungsplan. Also, einige Dinge laufen halt nach wie vor nicht, wie sie laufen sollten, haha! Aber, was ich immer tun werde, ist ausreichend Wasser trinken, die Lektion habe ich gelernt.

Björn:
Okay; ich habe jetzt noch eine letzte Frage, die mich persönlich auch sehr bewegt: Wann werdet ihr wieder `City Of Ice´ spielen? Ich habe euch jetzt in den letzten Jahren fünf oder sechs Mal gesehen, sei es jetzt auf Festivals oder in Clubs, aber ihr habt diesen Song nicht mehr gespielt, obwohl die Leute ihn hören wollten. Können wir diesen Song bei den nächsten Shows wieder erwarten dürfen?

Jeff:
Oh, ich weiß es nicht, wir haben jetzt über 120 Songs von all unseren Alben, und für unsere Support-Show mit JUDAS PRIEST ist das eh schon sehr knifflig, da wir zwischen fünf und acht Songs spielen dürfen. Und die Liste ist sehr schnell voll: `Alison Hell´, `Never Neverland´, `Set The World On Fire´, `King Of The Kill´, `All For You´, dann vielleicht noch `Rage Absolute´ und schon ist das Programm beisammen, das ist eben so. Und selbst bei einer Headliner-Show, wo wir über anderthalb Stunden spielen werden, kann man nicht die Lieblingssongs jedes Einzelnen bringen. Einige mögen vielleicht `City Of Ice´ lieben, andere wollen `Stonewall´ hören und daher ist es sehr schwierig die Sets zusammenzustellen, aber vielleicht werden wir uns eine ANNIHILATOR-Coverband als Opener holen, die dann die anderen Songs spielen kann, haha!

Björn:
Okay; dann bekommst du als Letztes noch die Chance, die Leser davon zu überzeugen, warum sie euer neues Album kaufen sollten:

Jeff:
Falls ihr Fans der ersten drei ANNIHILATOR-Alben seid, dann werdet ihr ein vielseitiges Heavy-Metal-Album bekommen, das von Thrash über klassischen Stoff bis hin zu Lovesongs alles zu bieten hat, was ihr von ANNIHILATOR erwarten dürft. Der Gesang und das Drumming sind das Beste, was wir seit langer Zeit zu bieten haben und die Gitarrenparts sind extrem schwierig und anspruchsvoll, also falls ihr ein verdammt gutes Album sucht, dann holt euch "All For You".

Björn:
Okay; dann sage ich vielen Dank für das Interview und freue mich auf die Tournee mit PRIEST und eure eigenen Headliner-Shows im September.

Jeff:
Ja, sieh zu, dass du da sein wirst. Wir drehen gerade ein Video für den Song `All For You´, du wirst uns also auch sonst noch sehen können.

Björn:
Ja, sicher, im deutschen Fernsehen laufen ja ab und an wieder Metal-Clips...

Jeff:
...Ja, ich habe davon gehört, sehr cool. Alles klar, pass auf dich auf und mach's gut!



Redakteur:
Björn Backes

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