APOKALYPTISCHEN REITER, DIE: Interview mit Fuchs, Volk-Man

19.09.2006 | 19:48

Seit zehn Jahren reiten sie schon durch durch die Metal-Welt und hinterlassen, wo sie auch hinkommen, Heersscharen von verausgabten und glücklichen Fans. DIE APOKALYPTISCHEN REITER sind trotz der musikalischen Experimente und der stets mit Überraschungen gespickten Bühnenshows eine verlässliche Bank, die immer mehr Anhänger um sich sammelt.

Am ersten Tag der "Riders On The Storm"-Tour finde ich mich in den Backstage-Räumlichkeiten des Berliner Kesselhauses ein. Während Keyboarder Dr. Pest mit den Tücken des winzigen Druckers kämpft ("Übermorgen sind wir in Erfurt, da kaufen wir einen neuen!"), um ihm die Setlist für den Auftritt zu entlocken, stopft sich Sänger/Gitarrist Fuchs zwischen zwei Interviews hastig ein warmes Mahl zwischen die Kiemen und widmet sich dann - anfangs unterstützt von Bassist Volk-Man - meinen Fragen.

Elke:
Zehn Jahre DIE APOKALYPTISCHEN REITER - auch wenn es viele Bands gibt, die schon sehr viel länger im Geschäft sind, nimmt man sich da Zeit für einen kleinen Rückblick?

Fuchs:
Nein, eigentlich gar nicht. Es ist für mich unglaublich, dass schon zehn Jahr rum sind und man sich trotzdem immer noch wie am Anfang fühlt. Da ist immer noch dieser Hunger, und obwohl man schon viel erlebt hat, ist es immer noch schön. Ein Kollege hat mal gesagt, dass ihm das mit der Musik nichts bringen würde, er mache nur noch Festivals und wolle nicht mehr auf Tour gehen, denn er habe jetzt sechs Jahre von der Musik gelebt und es kotze ihn alles an. Das ist bei uns überhaupt nicht der Fall. Ich denke, man muss einfach darauf achten, sich ab und zu eine Auszeit zu gönnen und zum Ausgleich etwas anderes zu machen, um sich nicht zu 100 Prozent mit der Musik identifizieren zu müssen.

Elke:
Habt ihr anfangs damit gerechnet, dass ihr zehn Jahre durchhaltet?

Fuchs:
Ich glaube, die Frage stellt man sich einfach nicht, man macht es einfach.

Volk-Man:
Du könntest uns jetzt genauso fragen, ob wir uns vorstellen könnten, noch in zehn Jahren Musik zu machen. In dem Moment, wo man so etwas fragt, ist es immer spekulativ, und im Nachhinein gesehen sagt man vielleicht "Klar, wir haben immer schon gewusst, dass wir das so lange durchziehen".

Elke:
Gab es den einen oder anderen Höhepunkt oder Tiefschlag in dieser Zeit, den ihr besonders hervorheben könnt?

Fuchs:
Das Jahr der großen Krankheiten, in dem es SirG und mich böse erwischt hatte, war auf jeden Fall ein großer Tiefpunkt, und kleinere Tiefpunkte gibt es immer mal wieder. Man ist anfangs natürlich grün hintern den Ohren und zahlt dabei sehr viel Lehrgeld, weil man überhaupt nicht weiß, wie das Musikgeschäft läuft. Du bist einfach nur euphorisch und willst auf die Bühne. Letzteres ist sicherlich immer noch so. Was den Rest betrifft - "abgeklärt" ist vielleicht das falsche Wort.

Volk-Man:
Das eine gehört zum anderen, sonst wäre es vermutlich langweilig. Man lebt zwar davon, dass es ab und zu richtig hoch geht, aber im Laufe der Zeit weiß man einfach, dass es danach wahrscheinlich wieder ein bisschen absacken wird.

Elke:
Und was war ein besonderer Höhepunkt für euch?

Volk-Man:
Wacken war dieses Jahr unglaublich emotional und ergreifend. Wir wussten zwar, dass uns ein großes Publikum erwartet, aber der tatsächliche Andrang hat uns dann wirklich überrollt. Auch im Nachhinein auf DVD ist es noch beindruckend.

Elke:
Es ist in der ganzen Zeit nur ein Gründungsmitglied auf der Strecke geblieben, nämlich Schlagzeuger Skeleton. Habt ihr noch Kontakt?

Fuchs:
Ja, wir haben sogar vor kurzem in Leipzig mit seiner Band DISASTER KFW zusammen gespielt. Aus denen sind die REITER ja hervorgegangen, und sie haben letztes Jahr bereits ihr zwanzigjähriges Bestehen gefeiert.

Elke:
Was mich überrascht, ist, dass es keine andere Formation gibt, die versucht, euch nachzuahmen. Ihr seid zwar nicht unbedingt Superstars, aber trotzdem gibt eigentlich kaum noch Bands, in deren Erfolgswelle niemand mitzuschwimmen versucht. Wie erklärt ihr euch das?

Fuchs:
Das stimmt, aber warum - keine Ahnung.

Volk-Man:
Es ist vermutlich sehr schwierig, die musikalischen Geschmäcker der einzelnen Bandmitglieder nochmals so zusammenzustellen. Die meisten anderen Bands sind eher homogen geprägt. Wir kriegen uns zwar nicht in die Wolle, aber es bringt doch jeder seine ganz eigene Kiste mit, und dadurch ist eben eine große stilistische Vielfalt da. Allein schon, wie wir theoretisch die Songs angehen, welche Vorschläge dort reinfließen - da bringt ein anderer Ideen für eine Bridge oder ähnliches an, da wäre ich im Leben nie drauf gekommen.

Elke:
Mir fällt auch spontan niemand ein, der aktuell deutsch und englisch so bunt durcheinander mischt wie ihr.

Volk-Man:
DIE ÄRZTE manchmal, aber eher klamaukmäßig.

Fuchs:
Schlagerbands, die mischen doch alles. Erst kommt so was wie "Ti amo, ti amo", was jeder mitsingen kann, und dann geht es auf Deutsch oder in allen möglichen Sprachen weiter.

Elke:
Habt ihr das REITER-Thema in den Texten eigentlich manchmal über?

Fuchs:
Wenn wir es über hätten, würden wir es ja nicht mehr machen. Für mich persönlich stellen solche Texte auch eine gesunde Band dar, denn wenn man in der Lage ist, sich selbst zu feiern, ist denke ich alles in Ordnung.

Elke:
Bei Dr. Pest ist es ja offensichtlich, aber gab es anfangs eine konkrete Rollenverteilung der vier biblischen apokalyptischen Reiter innerhalb der Band?

Fuchs:
Ja, die gab es. Ich war mal der Krieg, Volk-Man [der gerade sein Abendessen verspeist - Anmerkung Elke] wie man sieht die Hungersnot, und Skeleton war der Tod, weil er so dünn war.

Elke:
Sein Nachfolger SirG ist ja auch nicht gerade dick, also passt es wieder. Du trägst auf den Pressefotos gelegentlich einen Bogen, der ebenfalls mit dem Krieger assoziiert wird.

Fuchs:
Das hat aber nichts damit zu tun - ich schieße einfach gerne in meiner Freizeit mit dem Flitzebogen.

Elke:
Dann hat vermutlich auch der Titel 'In The Land Of The White Horses' nichts mit dem weißen Pferd des kriegerischen Reiters der Apokalypse zu tun?

Fuchs:
Nein, der Titel ist eher positiv gemeint. Das sind einfach Bilder, die man hat, wenn man das Lied hört, zumindest mir geht es so.

Elke:
Auf der Vorab-Single "Friede sei mit dir" gibt es eine Coverversion von 'Ghostriders In The Sky'. Ich habe im Internet eine Sammlung mit vermutlich hundert anderen Versionen dieses STAN JONES-Klassikers gefunden. Habt ihr euch zumindest einige davon zum Vergleich mal reingezogen?

Fuchs:
Ja klar - Wenn man diesen Song covern will, schaut man natürlich, wer sich noch daran versucht hat. Die Version von IMPALED NAZARENE ist sehr interessant, vor allem vom Text her. Das Original ist glaube ich von 1948, war eigentlich ein Traditional, und der Text wurde später dazu geschrieben.

Elke:
Auf dem neuen Album gibt es auch sehr viele Stücke, die von Sehnsucht und Fernweh handeln oder davon, seine Träume zu leben. Du hattest mir auf der Listening Session bereits erzählt, dass du vor "Riders On The Storm" nicht so viel auf Reisen warst, wie vor "Samurai". Hast du es vermisst?

Fuchs:
Ich denke schon. Es fehlt einfach was. Aber wir werden uns nach der Tour eineinhalb Monate verstreuen und jeder wird in das Land seiner Wahl fliegen. Dann ist diese Sehnsucht vielleicht etwas befriedigt.

Elke:
Du bist nicht nur Musiker, sondern auch Künstler und hast unter anderem das Cover der CD selbst gestaltet. Kannst du dir vorstellen, noch mal einen normalen Beruf zu ergreifen?

Fuchs:
Ich habe zwar einen normalen Beruf erlernt, aber kann mir mittlerweile nicht mehr vorstellen, in einem Angestellten-Verhältnis zu leben. Das würde vermutlich im Chaos enden.

Elke:
Die Seite mit deinen Kunstwerken ist auch auf der Band-Homepage verlinkt. Gibt es jetzt verstärkt REITER-Fans, die sich einen Original-Fuchs an die Wand hängen, oder übersteigen die Preise dafür dann doch deren finanzielle Mittel?

Fuchs:
Ich habe jetzt noch genau vier Bilder von insgesamt ca. 30 Stück, und der Rest ist weg. Das läuft aber nicht nur über die REITER-Homepage. Ich habe eine Zeit lang jede Menge Ausstellungen gemacht, aber mittlerweile komme ich nicht mehr dazu. Vielleicht mache ich im Herbst noch eine. Es läuft gut an, aber frisst einfach Zeit. Ich würde auch gerne mehr machen, aber die Priorität liegt bei der Band.

Elke:
Unterstützen sich deine beiden Betätigungsfelder dann gegenseitig, dass beispielsweise auch Leute über deine Bilder auf die Band aufmerksam werden?

Fuchs:
Das auch. Wobei der Kunstmarkt natürlich anders funktioniert. Und von älteren Kollegen oder bekannten Malern ein Kompliment zu bekommen ist eine schöne Sache - wenn der alte Bärtige ankommt, dir die Hand auf die Schulter legt und sagt "Junge, finde ich klasse, was du machst."

Elke:
Zwei Stücke der neuen CD behandeln außerdem das Thema Liebe bzw. Leidenschaft. Das sind recht sanfte Töne für eine eher harte Band wie ihr es seid.

Fuchs:
Der Text von 'Liebe' ist schon relativ sanft, aber der von 'Schenk mir heut Nacht' überhaupt nicht - da geht es um eher körperliche Bedürfnisse.

Elke:
Die aber sehr lyrisch in Worte gefasst werden.

Fuchs:
Es gibt genug Leute, die den Text überhaupt nicht verstanden haben und sich fragen, was das soll (grinst). Mit dem Text von 'Liebe' kann aber vermutlich jeder etwas anfangen. Die Suche nach der reinen Liebe, nach dem emotionalen Ideal kennt glaube ich jeder.

Elke:
Um noch kurz auf den musikalischen Aspekt der Scheibe zu sprechen zu kommen: Habt ihr künftig live einen Trompeter, einen Geiger, einen Didgeridoo-Spieler und ein Kind für den Gesang in 'Himmelskind' im Tourgepäck, oder kommt das vom Band?

Fuchs:
Das 'Himmelskind' spielen wir nicht live, Didgeridoo und Trommeln sind aber am Start. Der Rest wird schwieriger umzusetzen sein. Aber wir haben einen Keyboarder, und der hat Gott sei Dank die Möglichkeit, jedes Instrument der Welt spielen zu können, ob er es nun beherrscht oder nicht. Im Studio waren die Geigen und die Trompete schon original, aber live kann man das denke ich ganz gut simulieren.

Elke:
Es gibt Reiter-Fans der ersten Stunde, die seit "All You Need Is Love" nicht mehr durchweg zufrieden mit den nachfolgenden Alben waren. Habt ihr seitdem insgesamt mehr alte Fans verschreckt oder mehr neue hinzugewonnen?

Fuchs:
Es sind auf jeden Fall mehr Fans geworden. Die neue Platte ist auf Platz 31 in die Charts eingestiegen, mehr braucht man dazu glaube ich nicht zu sagen. Die ewigen Nörgler gibt es immer, aber ich glaube, das geht jeder Band so. Und das Album, wo jemand zur Band stößt, ist einfach seine Initialzündung, an der dann alles gemessen wird. Ich halte aber nichts davon, mich selbst zu kopieren, und "All You Need Is Love" war auch einfach eine andere Zeit. In den Seelenzustand, in dem ich mich damals befunden habe, will ich auch nicht wieder hin. Es ist schon ein sehr tristes Album.

Elke:
Ihr seid fast schon legendär dafür, dass ihr auf euren Konzerten irgendwelche merkwürdigen Bühnenaccessoires mit euch führt. Ich erinnere mich beispielsweise an einen Müllsack voll Herbstlaub in Berlin oder Sonnenblumen und natürlich auch die große Hüpfburg auf dem Summer Breeze. Wenn Geld keine Rolle spielen würde, was würdet ihr gerne mal in die Shows integrieren?

Fuchs:
Da würde mir bestimmt so einiges einfallen. Bisher war es eher so, dass es nichts kosten durfte, aber möglichst wahnsinnig toll wirken sollte. Eine durchgeplante Pyroshow wäre sicher interessant. Das hat immer eine sehr krasse Wirkung, aber die Frage ist, ob das zu uns passt - zu einigen Songs vielleicht. Ich würde zum Beispiel auch gerne mal irgendwelche Sachen umstürzen lassen. Oder Theater auf der Bühne spielen, aber dazu habe ich die Jungs noch nicht überreden können. Am liebsten würde ich eine Horde voll Tänzer oder Artisten mit auf Tour nehmen.

Elke:
In einigen Interviews habt ihr von der Idee eines REITER-Films gesprochen, die wegen fehlender finanzieller Mittel bisher aber nicht umgesetzt wurde.

Fuchs:
Genau so ist es. Als die Idee geboren wurde, kannten wir uns mit dem Medium überhaupt nicht aus. Jeder hatte irgendwelche Drehbuch-Vorschläge, aber wir sind sehr schnell überein gekommen, dass das nicht realisierbar ist, weil wir gemerkt haben, was für ein zeitlicher und finanzieller Aufwand dahinter steckt. Ich arbeite ja nebenbei beim Fernsehen und mache dort eine kleine Metal-Show, und durch die Video-Drehs haben wir gemerkt, wie immens teuer das ist. Schön wär's natürlich. Wir haben heute erst wieder darüber gesprochen. Unser nächstes Projekt ist erst mal eine DVD. Und zum Film will ich nicht ja oder nein sagen, vielleicht lässt sich das ja irgendwann realisieren - mit extrem motivierten Film-Studenten, die kein Geld dafür wollen (lacht).

Elke:
Heute ist erste Tag einer längeren Tour zum neuen Album. Ich habe von vielen Leuten, auch erklärten REITER-Fans, gesagt bekommen, dass sie sich hauptsächlich auf TÝR freuen. Was genau machen die eigentlich?

Fuchs:
Das ist so ein Viking-Metal-Zeug, meistens sehr getragen, aber gut. Ich habe sie noch nie live gesehen, denn es ist das erste Mal, dass sie auf Tour sind, aber ich weiß, dass sie eine ziemlich krasse Optik haben, mit Kettenhemden und Trallala, und wenn Leute wegen TÝR kommen, würde ich das sehr begrüßen.

Redakteur:
Elke Huber

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