ARHYTHMY: Interview mit Doro und Sebastian
25.05.2013 | 08:56Ich sitze mitten im Fettnäpfchen. Die von mir beim Reviewing des ersten Longplayers von ARHYTHMY, "Disaster Manual" vorgenommene Bewertung des Gesangs ist eine Fehleinschätzung. Wie sich verblüffenderweise herausstellt, singen hier nicht Männlein und Weiblein, sondern sowohl Clean Vocals als auch Growls stammen ausschließlich von Sängerin Doro. Diese Überraschung ist Anlass genug für mich, einmal genauer hinzuschauen, wen ich bei ARHYTHMY eigentlich vor mir habe. Doro und Drummer Sebastian geben Auskunft.
Erika:
Natürlich zunächst noch einmal zum Gesang: Doro, von deinen cleanen Vokals war ich nicht in jeder Hinsicht ganz begeistert, weil ich finde, dass du in einigen Songs in der Tiefe nicht genug Volumen hast und die Stimme etwas eindimensional klingt. Wenn ich nun höre, dass die Growls auch von dir sind, muss ich meine Meinung insofern anpassen als ich denke, dass dort offenbar deine Stärke liegt. Wie geht das zusammen, zwei derart unterschiedliche Gesangsstile stimmlich zu vereinen?
Doro:
Ich würde es als wesentliches Merkmal unserer Musik betrachten, dass unsere Songs oft aus einem Auf und Ab unterschiedlicher emotionaler Facetten bestehen, was dann auch maßgeblich über den Gesang transportiert wird. Gerade 'Gates', das du in deinem Review als Beispiel angesprochen hast, zeigt das besonders. Die Stimme soll dabei an einigen Stellen auch besonders roh und ohne Schnörkel stehen bleiben. Man hört auch in den Growls meine Stimme ab und an brechen, aber das ist für mich ein gewolltes Stilmittel. Das ist natürlich auf jeden Fall Geschmackssache und ich kann verstehen, wenn darüber die Meinungen auseinander gehen.
Es ist schwieriger beides zu vereinen als beispielsweise nur zu growlen. Über die letzten Jahre mit der Band habe ich viel damit experimentiert, beide Stile so ineinander zu fügen, dass sie sowohl kontrastierend nebeneinander stehen als auch zu einem Ausdrucksmittel miteinander verschmelzen können. Dadurch verändert sich auch die Rolle des Cleangesangs.
Erika:
Du hast in unserem ersten Wortwechsel angedeutet, dass es schon öfter vorgekommen sei, dass man euch einen männlichen Sänger unterstellt habe, weil ihr nicht besonders deutlich kommuniziert, dass es den gar nicht gibt. Amüsiert es dich im Stillen, dass deine Stimme so fehleingeschätzt wird?
Doro:
Ich finde es interessant, dass wir schon immer überall geschrieben haben "Doro- vocals" und viele, die die Musik dazu gehört haben, das dennoch nicht zusammen bringen konnten und gefragt haben, wer der andere Sänger sei. Natürlich amüsiert uns das alle irgendwie, wenn das passiert, wir fordern dieses Missverständnis deshalb aber nicht absichtlich heraus.
Wir schreiben nur das hin, was andere Bands, die wir hören, auch in ihren Booklets schreiben. Da sind die Sänger eben meistens Männer und der Fall scheint klar. Vielleicht finden wir es deshalb auch eher wichtig als amüsant, dass dieses Missverständnis gelegentlich aufkommt.
Erika:
In eurem CD-Info weist ihr darauf hin, dass ihr euch stilistisch nicht so festlegen wollt. Dass ich euch am ehesten im Gothic veortet habe, hat euch nicht so gefallen. Wo seht ihr euch denn?
Doro:
Es hat uns einfach gewundert, weil wir bei all unseren Überlegungen, wohin man uns wohl stecken könnte, niemals auf Gothic gekommen sind. Aber wir wären sicher von vielen anderen Einordnungen ähnlich überrascht gewesen, weil wir uns in keinem bestimmten Subgenre sehen.
Erika:
Warum ist es euch wichtig, euch nicht festzulegen?
Doro:
Es ist uns eigentlich nicht betont wichtig, uns nicht festzulegen. Es ist nur so, dass wir einfach angefangen haben Musik zu machen, ohne uns über ein festes Genre Gedanken zu machen. Dass es irgendwie Metal sein könnte, war der Ausgangspunkt, aber eine genauere Einordnung ist uns und auch Außenstehenden immer schwer gefallen. Wir haben uns beim Songwriting nicht bewusst überlegt, dass wir in dieses oder jenes Subgenre gehören wollen– weder bei der Musik noch bei den Texten. Bezüge zu Bekanntem stellt man wohl dann her, wenn sie den Inhalt, den man vermitteln möchte, besonders gut unterstützen können. Das tun wir, aber einen kompletten Genre-Überbau für unsere Musik brauchen wir nicht.
Erika:
Führt es nicht zu einer gewissen Beliebigkeit, wenn man überall ein bisschen, aber nirgends richtig beheimatet ist?
Doro:
Nein, eigentlich nicht. Wir mögen alle recht unterschiedliche Musik und die Schnittmenge bestimmt ja irgendwie das, was wir tun. Wir haben unser Konzept fürs erste gefunden, aber die Experimente müssen ja weiter gehen, damit das Ganze in Bewegung bleibt. Die Grenzen der Sache sind aber so klar, dass nicht alle Ideen bei ARHYTHMY einfließen.
Erika:
Ich möchte etwas über euren Werdegang erfahren. Haben die einzelnen Bandmitglieder von ARHYTHMY musikalische Ausbildungen oder sind sie Autodidakten?
Doro:
Wir sind alle weitgehend Autodidakten. Man könnte sogar sagen, dass wir uns in der Band als Musiker ein ganzes Stück weit gemeinsam entwickelt haben – neben all den musikalischen Spielplätzen, die es außerdem so gegeben hat und noch immer gibt. Der ein oder andere hatte auch mal Unterricht, aber das würde ich eher nicht als musikalische Ausbildung betrachten.
Erika:
Was treibt ihr im bürgerlichen Leben, wenn ihr euch nicht mit Musik befasst?
Sebastian:
Drei von uns studieren und zwei sind derzeit in Ausbildung. Unsere größte gemeinsame Leidenschaft neben der Musik ist das Verzehren von Kuchen.
Erika:
Gibt es Verbindungen zu anderen Musikrichtungen wie Klassik oder Jazz?
Sebastian:
Die einzige starke Verbindung, die mir spontan einfallen würde, wäre Blues, weil Doro und ich in der Richtung von unserem Vater sehr geprägt sind, der auch Musiker ist. Lena und Laura hatten glaube ich auch mal was mit Klassik am Hut, aber soweit ich weiß, hat das keinen Einfluss auf die Band genommen.
Erika:
Mich hat die Gestaltung eures Albums beeindruckt. Für eine Eigenproduktion finde ich die Aufmachung sehr anspruchsvoll. Allein das auffällige Format und das Artwork stechen hervor. Was habt ihr euch dabei gedacht?
Doro:
Uns war wichtig, dass das Album letztlich ein Gesamtpaket ist und die äußere Form auch einen Teil des Inhalts transportieren kann. Das Motiv, das sich als passend herauskristallisiert hat, war letztlich in dem Format besonders überzeugend, in dem es jetzt auf der Hülle zu sehen ist. Das Bild in das übliche CD-Format zu bringen hätte den Ausdruck geschmälert – deshalb haben wir uns kurzerhand für ein DVD-Digipak entschieden. Das war es uns wert.
Erika:
Das Cover ist eine Art Zeichnung. Ich erkenne darin ein männliches Gesicht und eine ausgestreckte Hand, die ich aber nicht mit diesem Gesicht zusammen bringe. Was bedeutet es und wie steht dieses Bild in Verbindung zum Thema des Albums?
Doro:
Zuerst einmal hoffe ich, dass du, wie viele andere, die wir dabei beobachten konnten, die Hülle erst einmal auf den Kopf gestellt hast, um den Albumtitel zu lesen. Es ist nämlich ein Bild, das zwischen beiden Ansichten seinen Inhalt entwickelt. Das verkrampfte Festkrallen am Boden entpuppt sich als der hilflose Versuch des Festhaltens an einem sich in Auflösung befindlichen Gebilde, um nicht in die bodenlose Leere zu stürzen. Was zunächst als Erde und Gräser glaubhaft ist, verliert im nächsten Moment seine Materialität und jeglicher Halt war nur Illusion. Im Prinzip ist es das Grundgefühl, das in vielen unserer Songs auf diesem Album steckt.
Erika:
Wie sind insgesamt die ersten Reaktionen auf euer Werk?
Doro:
Wir sind mit den Reaktionen, die wir mitbekommen, sehr zufrieden. Ihr wart mit dem Review am schnellsten, von daher können wir noch nicht sagen, wie andere Magazine die Platte finden.
Erika:
Hat sich nach der Veröffentlichung für euch etwas spürbar verändert?
Doro:
Wir haben jetzt das in der Hand, was wir bisher als Band entwickelt haben, und das in der Qualität, die wir uns vorgestellt haben. So eine Bestandsaufnahme bedeutet für eine junge Band doch einiges.
Erika:
Wie soll es jetzt weitergehen? Ihr hattet bereits vor Veröffentlichung des Albums immer wieder Live-Auftritte besonders im hessischen Raum. Gibt es jetzt neuen Schwung für mehr?
Sebastian:
Wir werden auf jeden Fall weiterhin die Bühnen der Umgebung unsicher machen und nebenbei an neuen Songs arbeiten. Wenn es sich ergibt, würden wir allerdings auch sehr gerne mal hier herauskommen und hessen- oder sogar deutschlandweit Konzerte spielen.
Erika:
Vielen Dank für die Bereitschaft zum Interview.
Sebastian:
Und wir danken dir, dass du nochmal mit so viel Interesse auf uns zugekommen bist. Das ist sicher nicht selbstverständlich. Vielen Dank also dafür!
- Redakteur:
- Erika Becker