BEARDFISH: Interview mit Magnus Östgren

25.11.2024 | 22:33

"Ich bin und bleibe einfach ein Album-Typ." Gut für alle BEARDFISH-Fans!

Neun Jahre lang war die schwedische Prog-Combo BEARDFISH tot. Erfreulicherweise haben die vier Musiker wieder da angeknüpft, wo sie 2015 aufgehört haben. Schlagzeuger Magnus Östgren bittet mit seiner ansehnlichen Plattensammlung im Hintergrund zum Gespräch, um uns das wiederaufgelebte Bandgefüge zu erklären.


Magnus, schön, dass wir uns über Zoom treffen. Lass mich mit der offensichtlichen Frage beginnen: Jeder dachte, dass es mit BEARDFISH vor neun Jahren zu Ende ging. Aber vor ein paar Monaten habt ihr ein Update aus dem Studio gepostet. Welche Entwicklungen führten zu der Entscheidung, die Band wieder zusammenzubringen?

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Nun, wir haben wahrscheinlich zwei Jahre lang darüber diskutiert, bevor wir uns das erste Mal in einem Proberaum trafen, glaube ich. Ich glaube, unser erstes Treffen war vor etwa drei Jahren. Wir hatten tatsächlich ein paar davon. Ich, Robert und Rikard hatten schließlich so einen komischen Hardrock-Gig mitten im Nirgendwo. Und dann haben wir erneut darüber gesprochen und dann haben wir gesagt, ja, lass es uns machen. Es war also keine große Sache. Ich weiß eigentlich gar nicht, warum es nicht vorher dazu kam. Die Zeit war richtig, denke ich. Danach haben wir einfach nur geprobt und versucht, Spaß zu haben, vielleicht ein Jahr lang oder so. Ja, einfach nur spielen. Wir haben auch einige alte Songs gespielt. Aber nach einem Jahr oder so hatten wir ein paar Songs, und wir beschlossen, eine neue Platte zu machen und zu schauen, wie es sich entwickelt.

Es hat also ziemlich lange gedauert, bis wir die Möglichkeit hatten, zwei Wochen im Studio zu sein, als wir frei von der Arbeit hatten und vor allem Rikard frei von BIG BIG TRAIN war. Aber im Studio fühlte sich alles so an, wie es immer war, es machte einfach Spaß, aufzunehmen und die Songs entwickelten sich. Dann wird man immer aufgeregter, Shows zu spielen und dann hat uns ein Typ aus Norwegen gefragt, ob wir auf dem "We Låve Rock"-Festival in Norwegen spielen wollen. Dann nahm alles Fahrt auf.

Klingt großartig! Ihr ward ja früher äußerst fleißig mit den Veröffentlichungen, da ist die Spanne von neun Jahren natürlich immens. Habt ihr alle in der Zwischenzeit in anderen Bands weitergemacht?

Wir haben alle weiter Musik gemacht oder Jobs gespielt. Ich habe in dieser Zeit zwei Kinder großgezogen, also hatte ich nicht viel Zeit zum Spielen, aber ich hatte hier und da ein paar Auftritte und spielte ein bisschen mit einer Band, nur so zum Spaß. Ich war wirklich froh, etwas zu machen, das mir mehr am Herzen liegt, denn ich war von Geburt an ein Prog-Typ. Also, ja, ich bin wirklich froh, wieder etwas progressive Musik zu spielen.

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Hattet ihr nach so einer langen Pause gereifte Ideen, wie BEARDFISH klingen sollte oder welche Ideen ihr alle einbringen wollt?

Ich weiß es gar nicht. Rikard hat immer all diesen Ideen. Er hat so viel Musik in seinem Kopf, was eine gute Sache ist. Ich schätze also, dass die Einflüsse, wenn man sagt, dass er Musik schreibt, größtenteils aus seinem Kopf kommen und was er gerade hört. Danach arrangieren wir immer alles zusammen. Ich schätze also, wir lassen alle etwas Input einfließen. Aber das war nicht bedeutend anders als früher. Eine Sache war auf der neuen Platte schon anders. Wir haben nicht so viele von diesen lustigen oder "verrückten" Augenblicken. Diese ZAPPA-esken Dinge. Manche Fans scheinen das zu vermissen, wenn man sich die Reviews ansieht. Ich selbst bin zwar kein großer ZAPPA-Fan, aber Rikard war es früher auf jeden Fall. Demzufolge war FRANK ZAPPA auch ein Teil von BEARDFISH.

Mir ist ehrlich gesagt wichtiger, dass das Album für die Band selbst authentisch ist. Ob man sich mit dem Album wiederholt oder nicht, wird in Prog-Kreisen für meinen Geschmack falsch diskutiert. Das neue Album nimmt dem alten Material ja nichts weg, sondern ergänzt nur etwas.

Ja, unsere Wurzeln liegen in der progressiven Musik mit einem schwedischen Touch, ich glaube, ein bisschen Folk ist immer dabei. Aber dann gibt es anderseits auch das "The Void"-Album, das eher eine Heavy-Platte ist, und auch "Mammoth". Das liegt daran, dass wir damals alle viel MASTODON und OPETH gehört haben. Jetzt stehe ich mehr auf Jazz.

Welche Künstler aus dem Jazz haben dich denn jüngst beeinflusst?

Ich habe erst vor kurzem, vielleicht vor ein oder zwei Jahren, DAVE BRUBECK entdeckt, das war neu für mich. Ich hatte zwar 'Take Five' und die berühmten Songs gehört, aber nicht so in der Tiefe. Das ist also ein ganz, ganz großes Ding für mich. Außerdem bin ich Fan von Monika Zetterlund, die mit BILL EVANS "Waltz For Debby" aufgenommen hat. Am Schlagzeug sind es aber immer noch Bill Bruford und Phil Collins. Aber ich bin nicht der Typ, der sich Schlagzeuger nur zum Spaß anhört. Ich stehe mehr auf Sänger, Songwriter und so. Ich höre mir Musik an. Ich glaube, wir in der Band sind alle gleich. David oder Rikard stehen nicht auf STEVE VAI oder so, weil er ein fantastischer Gitarrist ist. Ich glaube, wir alle stehen mehr auf Musik und vielleicht liegt das daran, dass wir alle mit Grunge aufgewachsen sind. Das waren ja nicht gerade die besten Musiker. Ich glaube also nicht, dass es unsere Priorität war, so etwas wie Vorzeigemusiker zu sein, keiner von uns. Ich habe mich schon immer mehr für die Musik interessiert, für die Bands, die Songs schreiben. Eher Popsongs, die ein bisschen abstrakt sind, wie GENESIS, wenn man so will. Die schreiben Popsongs mit einem feineren Touch, finde ich.

Bleiben wir gerne bei BEARDFISH. Du sagst, die meisten Ideen stammen von Rikard. Verhält es sich mit den Texten auch so?

Wir lassen ihn machen, was er will, vor allem auf diesem Album, weil es ein paar Songs gibt, die ein bisschen mit dem Tod seines Vaters zu tun haben. Also ernste Themen. Ansonsten bringen wir unsere Meinung ein, aber wenn es so emotional wird, möchte man nicht im Weg stehen. Die Musik kommt ohnehin immer zuerst. Wir fangen nie mit dem Text an, jedenfalls nicht, wenn ich mich recht erinnere. Vielleicht hat Rikard von Anfang an seinen geheimen Masterplan, das weiß ich nicht. Er zeigt uns seine Ideen, an denen wir dann gemeinsam weiterarbeiten. Es ändert sich immer recht viel, wenn wir zusammen spielen. Vor allem im Studio. Manchmal ändern sich dadurch auch noch Texte, wenn wir im Studio spontan sind. Besonders der erste Song, 'Echotone', war von Anfang an instrumental. Kurz bevor wir ihn dann aufgenommen haben, kam Rikard plötzlich mit einem Text an. Aber es ist wirklich gut geworden, denke ich.

Kannst du uns etwas über die musikalischen Ideen erzählen, die er in den Schreibraum mitbringt, was er ausdrücken will? Spürst du das beim ersten Hören?

Vielleicht manchmal, aber wenn er mit einem Song kommt, von dem ich weiß, was Rikard in den letzten Wochen gehört hat, dann ist das einfacher. Natürlich gibt es Songs, die von großen Ereignissen in seinem Leben handeln, wo man die Hintergründe kennt. Ich kann in der Musik hören, dass man den Leuten etwas über seine Kinder, seinen Vater oder die Liebe zu einer neuen Freundin erzählen möchte. Es könnte alles Mögliche sein. Ja, dann weiß ich, dass er ein emotionaler Mensch ist.

Wie wichtig ist dieses Gefühl für das Zusammenspiel?

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Ich will wissen, worum es geht. Ja, das ist wichtig für mich, auch wenn ich bei einem neuen Song nicht direkt auf den Text achte. Aber beim zweiten oder dritten Mal achte ich darauf. was er uns im Text sagt. Denn wir wollen ein Teil davon sein, auch wenn Richard die Songs schreibt, wir arrangieren alles zusammen. Er ist ohnehin nie wie ein Diktator und sagt: Ich will es so haben. Nein, so ist es bei uns noch nie gewesen.

Wie detailliert ist sein Input denn, den er mit euch teilt, bevor ihr daraus einen Song macht?

Oftmals Gitarre oder Keyboard, ein Riff hier und da. Ein paar Mal hat er auch richtige Backtracks gemacht und sie uns geschickt, das war eher zum Spaß. Wir hören uns seine Sachen an und spielen dazu. Und vielleicht proben wir in der nächsten Woche noch einmal, und es gibt eine andere Idee. Wir probieren verschiedene Dinge aus.

Ich vermute mal, dass die Richtung der Songs sich oft ändert, wenn du als Schlagzeuger mit dem Bassisten den Groove umgestalten willst.

Das geschieht wirklich oft. Robert und ich, wir sind oft einer Meinung. Wir sind seit Ewigkeiten beste Freunde, kennen uns seit wir fünf Jahre alt waren. Wir sind mit derselben Musik in der gleichen Kleinstadt aufgewachsen. In der Musik sind wir uns immer einig, nur im echten Leben natürlich nicht. Wir sind dann diejenigen, die zu Rikard sagen: Nein, so machen wir das nicht. David ist da eher introvertiert, würde ich sagen. Wenn uns hingegen eine Sache nicht gefällt, sagen wir Rikard, dass sie scheiße ist. Lasst uns etwas anderes machen.

Was die neue Platte angeht, hast du einen Lieblingssong, einen Song, der eine besondere Bedeutung hat, oder etwas, auf das du sehr stolz bist, irgendetwas, das für dich heraussticht?

Ich denke, das ist der Grund, warum ich das neue Album mag, weil es ein Album ist, das vom Anfang bis zum Ende alles miteinander verbindet, alle Songs sind miteinander verbunden. 'Torrential Downpour' ist trotzdem eine besondere Nummer, weil wir dieses völlig billige Video dafür gemacht haben. Den kann ich guten Gewissens als meinen Lieblingssong benennen. Aber ich liebe auch den langen Song 'Out In The Open', vor allem, wenn man ihn von Anfang bis Ende anhört.

Ich finde auch, dass es sehr wichtig ist, wie man den Fluss des Albums richtig hinbekommt, und euer Album ist perfekt im Fluss. Was ist aber mit dem Bonustrack, der zweiten 'Echotone'-Version? Ich meine, der kommt ja nach dem regulären Album. Was ist die Idee dahinter?

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Die Idee stammt von mir. Ich rief Rikard abends an und fragte, ob er nicht Lust hätte, eine Synthesizer-Version von 'Echotone' zu machen. In meinem Kopf wollte ich, dass es so klingt wie aus dem Film "Midnight Express" aus den Siebzigern. Rikard blieb die ganze Nacht auf, buchstäblich die ganze Nacht. Am nächsten Morgen schickte er uns dann den fertigen Song, der zugegebenermaßen mehr nach den 80ern als den 70ern klingt, aber es ist ein cooler Song. Wir haben übrigens drei Songs nicht auf das Album gepackt, weil wir kein Doppel-Vinyl daraus machen wollten. Die sind fertig aufgenommen, gemischt und gemastert. Mal sehen, ob wir die in Form einer EP rausbringen oder mit dem nächsten Album. Leider hat es ja auch die zweite 'Echotone'-Fassung nur auf die CD als Bonus-Track geschafft. Aber für mich ist sie trotzdem ein Teil des Albums.

Ich habe noch nicht so viele Kritiken gesehen und gelesen, ich weiß nicht, was die Leute darüber denken. Wir werden es sehen, wenn wir draußen spielen, denke ich. Aber das ist vielleicht der lustige Teil an diesem Album. Wir mögen es, weil es irgendwie albern ist, wie die Melodie. Es klingt ein bisschen albern. Also denke ich, es ist ein bisschen Humor drin. Es ist ein cooles 80er-Jahre-Ding.

Ja, da bin ich absolut bei dir! Ich habe gerade die allererste Antwort nochmal durchdacht, die du über den Humor in BEARDFISH gegeben hast. Jetzt fällt es mir auch wieder ein: Ich finde beim zweiten Teil des Longtracks, 'Oblivion', geht es sehr in die GENESIS-Richtung. Und da du gerade erwähnt hast, dass Phil Collins dein Lieblingsschlagzeuger ist, würde ich sagen, dass ich nicht allzu weit von der Wahrheit entfernt bin.

Da kann etwas dran sein. Ich habe nicht darüber nachgedacht. Also ja, vielleicht ist es so.

Unter dem Strich zählt sowieso nur das Hörvergnügen und das habt ihr mit "Songs For Beating Hearts" absolut geliefert. Ich finde, man merkt, dass ihr Spaß bei der Sache hattet.

Ja, wir hatten eine wirklich gute Zeit beim Spielen. Und ich liebe es, im Studio zu sein. Ich denke, es ist das Beste, im Studio zu sein und einfach zu spielen. Ich liebe die Entwicklung, wenn sich die Stücke verändern. Ich bin und bleibe einfach ein Album-Typ.

Da sind wir uns zum Schluss einig. Vielen Dank für das nette Gespräch!

Wir sehen uns on the road!


Photo-Credit: Alexander Lindstrom


Torrential Downpour



https://www.youtube.com/watch?v=ptqdsiPJduM

 

Redakteur:
Nils Macher

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