BERGTHRON: Interview zu "Neu Asen Land"

16.01.2025 | 12:55

"Wir waren Gefangene einer selbst erschaffenen Welt. Abseits der Realität." Es gab viel zu verarbeiten im Hause BERGTHRON.

Zehn Jahre der selbstgewählten Pause liegen hinter BERGTHRON. Anlässlich des neuen Albums "Neu Asen Land" lässt uns Arve am Schaffensprozess und der Philosophie der Band teilhaben.

Ich hatte nicht mehr damit gerechnet, noch einmal ein neues BERGTHRON-Album zu hören. Was hat euch nach so langer Zeit wieder zusammengebracht?

Wir blieben konsequent und hielten weiter an unserer Idee fest, eine zehnjährige Pause einzulegen. Das hatte folgende Bewandtnis: Direkt nach der "Expedition Autarktis"-Aufnahme erschufen wir weitere Lieder im selben Stil. Das war uns aber einfach zu vorhersehbar. Geradezu ideenlos. Uns wurde bewusst, dass nur eine längere Abkehr von der Musik uns zurück zu den Ursprüngen, der Energie der Anfangstage führen würde. Es war natürlich ein gewagtes Unterfangen, dessen Ausgang ungewiss war. Aber wir wollten es riskieren. Und voilà, nun stehen wir hier und können nicht anders.

In einem älteren Interview (aus dem Jahr 2001) heißt es, ihr nutzt keine Computer und seht das Internet auch eher zwiespältig. Wie sehr zurückgezogen könnt ihr im Jahr 2025 noch leben? Eine Website und einen Instagram-Account habt ihr ja seit einiger Zeit.

Die ersten Alben entstanden noch analog auf Bandmaschinen. Später wurde auch bei uns alles digital. Wir sind aber nicht an den neuesten/aktuellsten Standards interessiert. Ich benutzte für die "Neu Asen Land"-Aufnahmen weiterhin 20 Jahren alte Technik, die ungefähr aus der "Leben und Lebenswille"-Ära stammt. Website sowie Instagram bereiten uns daher einige Mühe. Ich beispielsweise habe letzteres Portal noch nie zuvor benutzt und kann auch weiterhin keine Kommentare etc. einsehen. Hier müssen wir eindeutig aktiver werden, verschieben das aber gerne immer wieder in die Zukunft. Einfach weil sich keiner von uns dafür interessiert. Wir wissen auch, dass es in der Vergangenheit sehr schwer war, mit uns in Kontakt zu treten. Ich muss an dieser Stelle ein Dankeschön aussprechen an alle, die die langen Beantwortungszeiten unsererseits ausgehalten haben. Auch hier wollen wir uns gerne verbessern. Ich muss aber gestehen, dass ich lieber eine Bergtour unternehme anstatt die Tastatur zu bedienen. Ich bin daher selber gespannt, wie und ob wir diesen Spagat zukünftig meistern.

Welche Rolle spielt Technologie in der Musik, insbesondere bei den Aufnahmen zu "Neu Asen Land"?

Wie soeben beschrieben, benutzten wir annähernd die gleiche Technik wie für ältere Aufnahmen. Nur für die angesprochenen Instagram-Inhalte wie Videosequenzen verwendeten wir aktuelle Tools, um ohne große Vorkenntnisse sowie Bearbeitungszeiten zu schnellen Ergebnissen zu gelangen. Ich denke, man sieht auch, dass wir hier nicht genügend Zeit investieren. Es fällt auf, dass wir kein einheitliches, durchgehendes Corporate Design für unsere Online-"Präsenz" verwenden. Hier müssen wir uns eingestehen, dass das unsere zeitlichen Ressourcen sowie Erfahrung eindeutig überschreitet.

Seid ihr froh, dass ihr euch aus dem Treiben auf Social Media etc. fernhaltet (mal abgesehen von Musik-bezogenem Inhalt), wo sich in den letzten Jahren so manche Band unserer Szene selbst ins Aus geschossen hat?

Das kann ich schwer abschätzen, da ich Social Media nicht nutze, keine Inhalte anderer Bands, Labels oder Personen konsumiere. Ich kenne weder die aktuellen Trends, noch die angesprochenen Auswirkungen. Dieses Thema läuft an mir komplett vorbei.

Kommen wir zum Album: Kam bei "Neu Asen Land" der Text, das inhaltliche Konzept auch wieder zuerst? Musikalisch steht ihr nicht auf der Stelle. Was beeinflusst euch, welche Faktoren lassen BERGTHRON im Jahr 2025 anders klingen?

Zuerst entstanden wie gehabt die Texte. Anhand dieser wird dann das Konzept aufgebaut. Das beinhaltet außer der Musik auch Faktoren wie Artwork/Schriftart und dergleichen. Nach einer Dekade Auszeit ist es klar, dass die Musik anders klingt. Wir Drei haben uns in verschiedene Richtungen weiterentwickelt. Sind vielleicht sogar etwas gereift. Das war also eine natürliche Veränderung. Der Songwriting-Prozess spiegelt wahrscheinlich unsere persönliche Entwicklung während dieser Dekade wider. Wir sind behutsamer, ja fast liebevoll mit den sich neu entwickelten Klanglandschaften umgegangen. Aus der alten Sturheit formten sich subtile (ja teilweise zarte) Strukturen. Die Musik wollte nun den Text unterstützen, sich nicht aufdrängeln. Die Erzählung "Neu Asen Land" unauffällig in das Unterbewusstsein gleiten lassen. Wir ließen uns  ausschließlich von Gefühl leiten. Weder Songstrukturen noch Spieldauer sollten uns beeinflussen. Und ich denke, genau das hört man diesem Album an.

Gibt es bei euch musikalische Ideen, die zu weit weg von BERGTHRON sind und demzufolge verworfen werden? Wie radikal ist euer Prozess beim Ausmisten während des Songwritings?

Ja, natürlich gibt es noch andere Ideen. Wir führen ja ein Leben stark abseits der Musik und werden so von verschiedenen Dingen beeinflusst und angeregt. Aber das würde hier vermutlich zu weit führen. Ich verwende daher als Beispiel ein verwandtes Thema. "Neu Asen Land" würde ich beispielsweise gerne als Ballettaufführung sehen. Am Boden liegende, sich windende Körper, die den Wellenschlag nachahmen. Ein Schiff; Artisten, die diese Wogen durchschneiden. Ja, das könnte ich mir sehr gut vorstellen.

Der letzte Song, 'Skaldenruhm erstarrt in Zeit' zeigt, wie gut die elektronischen Elemente zu BERGTHRON passen. Dennoch habt ihr euch laut Promozettel dagegen entschieden, diesen Ideen auf einem Nachfolgealbum direkt nach "Autarktis" Raum zu geben?

Das bezog sich auf die Aufnahmen, die direkt an "Expedition Autarktis" folgten. Wir fanden das zu diesem Zeitpunkt einfach unpassend. Vielleicht langweilten wir uns selber beim Hören. Das ist auch ein Effekt der Wahrnehmung. Als Künstler empfindet man riesige Unterschiede oder eben auch Parallelen selbst in winzigsten Details seiner eigenen Werke. Für Außenstehende klingt aber vieles gleich, wird nicht so extrem differenziert. Hier muss man als Künstler demütiger werden. Darf seine eigenen Werke nicht zu wichtig zu nehmen. Nur ein Wimpernschlag der Zeit und aller Glanz ist verloren. Wir alle müssen lernen, die Gegenwart zu leben. Wir sind gefangen in Gedanken an die Zukunft. Ich kenne nur wenige Menschen, die den Augenblick bewusst genießen und in sich bewahren können. Ich gehöre leider nicht dazu ... und wohl auch nicht zu den Menschen, die eine einfache Frage beantworten können, ohne abzuschweifen...

Ihr führt das Schema der doppelten Songnamen fort, welches es auch auf dem letzten Album gab. Ich nehme an, das liegt nicht daran, dass ihr euch einfach nicht auf einen Titel einigen konntet?

Die erste Titel bildet den groben Verlauf des Gesamtkonzeptes ab. Der nachfolgende Abschnitt steigt dann noch etwas tiefer in die Thematik ein und fasst den Inhalt des jeweiligen Textes genauer zusammen. Ein weiterer Aspekt besteht darin, das durch die reine Betrachtung der Titel schon optisch erkennbar wird, dass hier ein größerer Zusammenhang zwischen Musik, Text sowie Artwork besteht. Dass sich mit der Musik beschäftigt werden will. Die Musik sich nicht aus einer zufälligen Laune heraus entwickelt hat. Der Künstler sich in eine Gefühlswelt zurückgezogen hat, um etwas Spezifisches zu erschaffen, das auch nicht unbedingt gefallen soll. Aber die Idee dahinter ist hier außerordentlich wichtig.

Das Artwork von "Neu Asen Land" ist nicht gerade selbsterklärend. Magst du ein paar Worte dazu verlieren?

Ja, gerne. Das Artwork zeigt eine Skulptur aus Metall. Diese ist den Formen eines Wikingerschiffes nachempfunden. Dadurch wird das nordische Thema abstrakt sowie in einer neuen Denkweise anskizziert. Zusätzlich wurden reale Elemente der arktischen Landschaft hinzugefügt. Der Inhalt der Texte somit bildlich abstrahiert und dargestellt. So gelang es uns die polaren Entdeckungsfahrten der Neuzeit mit den Wikinger-Sagen, also Vergangenheit & Gegenwart mit Mythologie & Realität zu verknüpfen.

Euer letztes Album "Autarktis" erschien in Eigenregie, jetzt habt ihr mit Trollzorn wieder ein Label gefunden. Wieso macht ihr nicht autark weiter?

Das Album wird genau genommen über uns selber veröffentlicht. Wir haben wieder alles alleine realisiert von den ersten Ideen bis hin zur Aufnahme, Mix sowie Mastering. Trollzorn Records hat uns aber ab diesem Zeitpunkt an sehr gut unterstützt, da wir Wege für den Vertrieb der fertigen Tonträger suchten. Es gibt also keinen Vertrag, sondern ein sehr freundschaftliches Verhältnis. Das war im übrigen auch in der Vergangenheit mit anderen Labels der Fall.

"Autarktis" erschien seinerzeit in einer Metallbox, deren haptische Erfahrung zum Gesamtkonzept des Albums gehört. Sind solche Details für neue Zielgruppen noch relevant?

Das kann ich dir erst in einigen Monaten sagen. Wir sind selber gespannt, ob Interesse an physischen Tonträgern besteht. Wir sind hier abermals von uns ausgegangen und haben uns auf unser Gefühl verlassen. Wir bestanden einfach darauf. Derzeit wäre es mir unvorstellbar, dieses Kunstwerk nur online abzurufen. Ich favorisiere eindeutig, ja ich brauche geradezu diese haptische Erfahrung. Das gleiche gilt übrigens auch für Bücher. Ich möchte weiterhin ausgewählte Werke, die am besten auch optisch ansprechend aufbereitet wurden, an sichtbaren Stellen platzieren. Um zurück zu "Neu Asen Land" zu kommen: Ich freue mich sehr darauf die Metallbox in den Händen zu halten und im Booklet zu blättern. Ich hoffe daher sehr, dass dieses Medium noch lange bestehen bleibt. Und für diese Veröffentlichung wünsche ich mir auch eine Veröffentlichung als LP. Diese Expedition ist groß. Das möchte ich auch gerne optisch erfahren.

Ihr feiert mit diesem Album das 30-jährige Bestehen BERGTHRONs. In 30 Jahren verändert man sich als Mensch ziemlich. Hat sich das, was euch BERGTHRON bedeutet oder was BERGTHRON ausmacht, verändert?

30 Jahre! Jubelschauer und Fanfarensegen! Da muss ich dich enttäuschen. Wir konnten das noch gar nicht gebührend feiern. Dazu sehen wir uns auch viel zu selten. Wir versuchten uns jeweils im Sommer sowie Winter eines jeden der letzten vier Jahre zu treffen und hatten dann ausschließlich mit der Aufnahme von "Neu Asen Land" zu tun. Danach beschritt jeder wieder seine eigenen Wege. Eigentlich versuchen wir uns eher von der Musik und damit auch von  BERGTHRON loszulösen. Zu eng waren wir mit diesem Konzept verbunden. Und lebten im Nachhinein betrachtet auch in einer eigenen Gedankenwelt. Unser Proberaum befand sich im Schloss Voigtsberg. Wir waren Gefangene. Gefangene einer selbst erschaffenen Welt. Abseits der Realität. Es ist gut, den Horizont zu erweitern. Neues zu wagen. Sich nicht an die Vergangenheit zu klammern. Doch dieser starken Bindung ist schwer zu entkommen, das ist vielleicht das, was ich über mein Verhältnis zu BERGTHRON gelernt habe.

Hat sich eure Einstellung zu Live-Shows geändert?

Eigentlich nicht. Es sind keine Live-Shows geplant. Allenfalls in den Tiefen eines verdunkelten Orchestergrabens während einer Ballett-Aufführung von "Neu Asen Land" würde ich mich wohlfühlen. ;-)


Photo-Credit: Band


Aufbruch nach Neu Asen Land (Von Pol zu Pol)



https://www.youtube.com/watch?v=m3UYN-x_GgQ

Redakteur:
Nils Macher

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