BIFFY CLYRO: Interview mit Simon, Ben und James

04.10.2016 | 07:12

BIFFY CLYRO hat mit "Ellipsis" einen bärenstarken Nachfolger für das gigantische letzte Werk "Opposites" eingespielt und überdies den endgültigen Durchbruch in Deutschland geschafft, wie #1 in den Charts und eine Tour durch Hallen mit 10.000er-Kapazität durch unsere Breitengrade beweisen. Rund um den Auftritt bei "Halli Galli" schaute das Trio in Berlin vorbei, um einen exklusiven Akustik-Gig zu spielen und Fragen der Fans zu beantworten. Vorher nahmen sich die sympathischen Schotten auch noch eine halbe Stunde Zeit für POWERMETAL.de

Bereits in unserem Interview zur Veröffentlichung von "Opposites" hatte das Trio kundgetan, dass man auf dem nächsten Album neue Wege einschlagen werde und sich wahrscheinlich wieder mehr auf das Grundgerüst mit Gitarre, Bass und Drums konzentrieren wollten. Genau so ist es auch gekommen. "Puh, Glück gehabt", lacht Sänger Simon. "Aber ja, wir hatten einfach das Gefühl, dass wir sonst immer und immer wieder nur das gleiche Terrain beackern würden und uns so nicht mehr entwickeln können, zumal wir bei "Opposites" dachten, dass wir wirklich alles aus diesem Sound herausgeholt haben, was wir konnten. Von daher war der Plan recht schnell gefasst, dass wir dieses Mal etwas ändern würden und wir waren uns schnell einig, dass es basicher werden sollte. Wir mögen es auch einfach, uns selbst ein paar Regeln aufzuerlegen, denn es gab ein paar Situationen im Studio, wo es viel einfacher gewesen wäre, wieder in alte Verhaltensmuster zu verfallen und dicke Streicherarrangements einzubauen. Und da mussten wir schon sehr diszipliniert sein, damit wir das nicht tun. Im Studio war das manchmal ein echter Kampf, weil unser Produzent Rich Costey an manchen Stellen etwas anderes im Sinn hatte und wir ihm sagen mussten, dass wir das auf "Ellipsis" eben nicht machen wollen."

Die sich selbst vorgegebene Richtung zu verlassen, weil die Vorgänger so extrem erfolgreich waren, kam für den Dreier nicht in Frage. "Deshalb haben wir das schon vor der Veröffentlichung von "Opposites" erzählt, so gab es kein Zurück mehr.", lacht Schlagwerker Ben Johnston und Simon ergänzt: "Wir mögen es auch einfach nicht, etwas zu sagen und dann das Gegenteil zu tun. Dann würden wir als Lügner dastehen. Davon abgesehen, haben wir einfach gerne einen Plan und machen uns schon immer sehr früh Gedanken, was wir in der Zukunft machen wollen. Das hilft uns auch, uns selbst immer wieder herauszufordern und nicht in die Gefahr kommen, immer wieder das gleiche zu machen." Und Ben ergänzt: "Wir wollen einfach nicht die Band werden, die sich auf ihren Lorbeeren ausruht und auf Nummer sicher geht. Es gibt immer Raum für Risiko und das mag auch mal schief gehen, aber alles andere kommt für uns nicht in Frage."

Entsprechend war das Songwriting dieses Mal auch komplizierter, wie Simon ausführt: "Auf den letzten Alben konnten wir auch noch mit etwas unfertigen Songs ins Studio gehen und haben diese dort noch ausgeschmückt, jetzt aber brauchten wir wirkliche fertige Nummern, mit denen wir dann arbeiten konnten. Von daher hat es länger gedauert, damit die Songs wirklich so waren, wie wir uns das vorgestellt haben."


Bereits das Artwork mit den drei nackten Bandmitgliedern in Embryohaltung deutet die neue Ausrichtung an. "Ja, ganz genau.", bestätigt Bassist James. "Im Grunde spiegelt das Cover unsere "Wiedergeburt" wider und soll die Fans bereits darauf vorbereiten, dass "Ellipsis" anders klingt als die Alben zuvor." Simon ergänzt: "Wir sehen auch jedes Album einfach als Erweiterung unserer Diskographie an, wir wollen einfach nicht das selbe Album wieder und wieder aufnehmen. So bleibt es eine Herausforderung für uns, aber auch eine Herausforderung für die Fans, die eben nicht sicher sein können, was sie erwartet."

Und eine Herausforderung ist es durchaus für die Fans, denn obwohl "Ellipsis" auf den ersten Blick einfacher und geradliniger erscheint, wachsen die Songs doch ungemein und zeigen vieler ihrer Facetten erst nach intensiverer Auseinandersetzung. "Ich bin sehr froh, dass du das so einschätzt.", freut sich Simon. "Ich denke auch, dass es unser subtilstes Album ist, das wir bisher aufgenommen haben. Wir haben ja nun einige Monate mit diesen und noch mehr anderen Songs verbracht, aber das waren die, die immer wieder zu uns zurückgekommen sind. Eine Freundschaft startet ja auch nicht mit der allerersten Begegnung, sondern braucht Zeit, um sich zu entwickeln und wir haben das Glück, dass unsere Fans auch die Geduld haben und sich bislang auf jede Änderung eingelassen haben."

Nun, vielleicht nicht ganz auf jede Änderung. Ein Experiment wie der Country-Song 'Small Wishes' hat zumindest bei mir noch nicht gezündet. "Haha, ja, damit bist du nicht alleine, bei Konzerten ruft bislang zumindest noch niemand nach der Nummer.", lacht Simon. "Ich persönlich mag ja Country & Western sehr gerne und könnte mir auch ein ganzes Album in dem Stil vorstellen, aber im Grunde zeigt er unsere Punk-Wurzeln, denn er soll natürlich auch ganz bewusst den Fans ein wenig vor den Kopf stoßen und sie daran erinnern, dass wir nicht nur eine Rockband sind."

Eine Rockband, die sich ihren Erfolg gerade auch in Deutschland hart erarbeiten musste. "Ja, das stimmt. Wir haben schnell gemerkt, dass man sich in Deutschland das Publikum erarbeiten muss. Wir haben 2002 das erste Mal hier vor ein paar wenigen Leuten gespielt und als wir dann auf der "Only Revolutions"-Tour im Columbiaclub hier in Berlin vor 800 Leuten aufgetreten sind, haben wir schon gedacht, dass wir es geschafft haben und jetzt groß in Deutschland sind. Und wir haben dabei gemerkt, wie loyal die deutschen Fans sind und wie wichtig es ist, live immer alles zu geben und so dafür zu sorgen, dass sie wiederkommen und im besten Fall ihre Freunde mitbringen.", erzählt James. Eine sehr richtige Erkenntnis, die sich nun auszahlt.

Die Texte haben dieses Mal einige sehr ausgeprägte Tier-Referenzen, wie in 'Wolves Of Winter', 'Animals' oder 'Howl'. "Ja, das fiel mir erst wirklich auf, als wir die Songs ausgewählt haben und dann habe ich auch darüber nachgedacht, wo das herkommt.", erklärt Simon und fügt an: "Als wir angefangen haben, das Album zu schreiben, hatte ich wirklich Schwierigkeiten zu beginnen und hatte das Gefühl ein wenig meinen Instinkt verloren zu haben. Ich denke, die Texte drücken aus, genau diesen wiedergefunden zu haben und auch wieder die Kontrolle über die Band zu haben. Nicht, dass wir die Kontrolle über die Band verloren hatten. Aber nach so langer Zeit auf Tour, wird die Band irgendwie jedermanns Band und dann waren es plötzlich nur noch wir drei im Proberaum und damit hatte ich zum ersten Mal ein paar Probleme. Dabei ist immer alles am einfachsten, wenn nur wir drei zusammen sind, weil wir uns schon ewig kennen und alles gemeinsam erlebt haben. Daran musste ich mich dieses Mal aber erst wieder ein wenig gewöhnen."

'Friends And Enemies' hingegen spricht schon ein paar Menschen sehr direkt an. "Ja, so einige. Und wenn sie sich angesprochen fühlen, dann sicher auch mit Recht.", lacht Simon wieder. "Es gibt immer wieder Leute in deinem Leben, von denen du denkst, dass sie deine Freunde sind und es sich herausstellt, dass sie nur von dir nehmen wollen, aber nie etwas geben. Und um so größer die Band wird, um so offensichtlicher wird das und es ist wirklich schwierig Leute zu finden, die echte Freunde sind. So sind wir ganz klassisch von unserem Buchhalter abgezockt worden. Das ist so sehr Klischee, dass es fast schon komisch ist, aber es war halt eine Person, der wir sehr vertraut haben und die das ausgenutzt hat. Auch bei den Plattenfirmen hat nicht jeder immer das Wohl der Band im Auge, sondern das eigene Wohl. Es war schon ein Reminder für uns, dass wir für manche Leute eben nur eine Gelddruckmaschine sind. Das war auch eine wichtige Lektion für uns."

Eine französische Bulldogge stiehlt anschließend unser aller Aufmerksamkeit, so dass das Interview an dieser Stelle recht abrupt endet. Wenig später geben die drei Schotten dann noch neun (statt der angekündigten vier!) Stücke im akustischen Gewand vor knapp 100 geladenen Gästen zum Besten und stellen sich anschließend den Fragen der Fans, die sie so sympathisch und souverän beantworten wie im direkten Gespräch.

Redakteur:
Peter Kubaschk

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