CHAOS INVOCATION: Interview mit A.
05.11.2024 | 22:27"Riffs sind nur ein kleiner, eher unbedeutender Teil dessen, was diese Musik ausmacht. Black Metal lebt von Hingabe."
Ziemlich unvorbereitet trifft mich die Veröffentlichung des neuen CHAOS INVOCATION-Albums mitten ins Mark. Das intensive, eigenständige und dunkle Werk der deutschen Black Metaller wirft Fragen auf, die uns Gitarrist und Gründungsmitglied A. beantwortet.
Jedes eurer Alben hat einen unverwechselbaren Klang, keine zwei Platten klingen gleich. Ist das der natürliche Lauf der Dinge oder ist euch die Identität eines jeden Albums so wichtig, dass ihr einen bestimmten Kurs verfolgt?
Jedes Album hat seine ganz eigenen Merkmale, fühlt sich anders an und spiegelt das aktuelle Stadium der Band wider. Ich finde es daher absolut natürlich, dass die Alben auch unterschiedlich klingen. Es gibt Bands, die immer den gleichen Sound fahren und bei denen es funktioniert oder von denen man eben genau das auch erwartet, aber für CHAOS INVOCATIONB wäre mir das etwas zu vorhersehbar, zu einfach und aus den genannten Gründen nicht ehrlich genug. Außerdem finde ich es gut, wenn man eben nicht genau weiß, was da auf einen zukommt.
Euer Line-up hat sich in den letzten Jahren auf zwei Positionen geändert. Wie viel bringen LS und R.K. beim Songwriting ein?
Tatsächlich war "Wherever We Roam..." zum Zeitpunkt der Line-Up Wechsel nahezu fertig geschrieben. Natürlich konnten sich die beiden aber im Zuge der Aufnahmen entsprechend einbringen. Wir werden sehen, wohin sich die Band mit Ihrem Input entwickelt.
"Wherever We Roam..." ist das zweite Album, welches ihr mit V. Santura aufgenommen habt. Welchen Einfluss hat ein Produzent auf das Endergebnis?
Ein Produzent kann schon einen sehr großen Einfluss auf das Endergebnis haben. Jeder der sich das Making-of zum "Black Album" angesehen hat, weiß das. Natürlich ist das nicht mit den Albumaufnahmen zu "Devil, Stone & Man" und "Wherever We Roam..." zu vergleichen. Ich glaube wir sind grundsätzlich schwierig zu beeinflussen und es ist bislang auch noch nicht vorgekommen, dass wir einen Song im Studio drastisch verändert haben. Wir sind von dem Material, das wir aufnehmen, absolut überzeugt. Trotzdem hatte Victor Einfluss auf uns. Er hilft uns dabei, in einem eher sterilen Umfeld das Beste aus uns herauszuholen und bringt auch Ideen vor, die schlussendlich dazu beitragen die Songs noch zu verbessern.
In der Vergangenheit hattet ihr auch schon deutsche Texte, auf dem letzten und diesem Album nicht mehr. War seitdem kein Song mehr geeignet dafür?
Es hat sich irgendwie nicht ergeben. Aber auch das wird sich wieder ändern.
Musikalisch habt ihr für meine Begriffe euren bisherigen Höhepunkt erreicht und abwechslungsreiche Ideen eingebracht, ohne die Schublade Black Metal zu verlassen. Gibt es im kreativen Prozess auch mal Unstimmigkeiten, was "noch Black Metal" ist?
Die gab es bislang nie. Selbst wenn die Musik mal nicht auf Anhieb nach Black Metal klingt, aber die Intuition, die Lyrics und die Intensität stimmen, ist es Black Metal. Riffs sind nur ein kleiner, eher unbedeutender Teil dessen, was diese Musik ausmacht. Black Metal lebt von Hingabe.
Wenn ich mir die Artworks eurer Alben ansehe, bietet ihr auch visuell starke Kontraste von Album zu Album. Was könnt ihr mir über das aktuelle Cover verraten? Welcher biblische Charakter steht kurz davor, von der Dunkelheit übermannt zu werden?
Das Cover wurde von Khaos Diktator gemalt. Er hat das Bild, welches wir für dieses Album vor Augen hatten, perfekt umgesetzt und unsere Erwartungen gar noch übertroffen. Wir sind ihm sehr dankbar. Der Wanderer, der diesen Hügel hinaufkommt, könnte jeder sein. Entscheidend ist die bevorstehende Konfrontation. Ob diese positiv oder negativ verläuft, ist völlig offen. Fakt ist nur, dass sich für den Wanderer etwas Grundlegendes ändern wird.
CHAOS INVOCATION wird von euch als satanische Band begriffen. Wie wichtig ist eure persönliche Philosophie bei der Auswahl von Labels, mit euch tourenden Bands etc.?
Zu Beginn war uns das wichtig. Natürlich haben wir schnell festgestellt, dass das vollkommen unrealistisch ist. Wir waren damals und sind auch heute noch eine unbekannte Band, die keine Tour initiiert, sondern als Support angefragt wird. Vermutlich hätte wir bis zum jetzigen Zeitpunkt lediglich einige wenige Konzerte gespielt, hätten wir an unseren ursprünglichen Absichten festgehalten und nur mit Bands die Bühne geteilt, die wir als passend erachten. Mittlerweile finde ich es aber auch ganz interessant, mit Bands zu spielen, die in eine komplett andere Kerbe schlagen.
W.T.C. hat eure ersten vier Alben veröffentlicht und wurde als wichtiger Faktor eures Werdegangs bezeichnet ("...supported us in every thinkable way on the religious and the musical hand"). Was bedeutet euch der Wechsel zu AOP?
W.T.C. hat uns in jeglicher Hinsicht unterstützt, wofür wir dankbar sind. Trotzdem war es nach all den Jahren an der Zeit, etwas zu verändern, gewohnte Arbeitsweisen abzulegen und bekannte Territorien zu verlassen. Mir war bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich darauf angesprochen wurde, gar nicht so richtig bewusst, dass wir mit CHAOS INVOCATION nun schon 20 Jahre unterwegs sind. Unfassbar, wie schnell diese Jahre vergangen sind. Man verliert etwas das Gespür für die Zeit, wenn man sich Dingen widmet, die einem wichtig sind. Vielleicht hat auch dieses neuerliche Bewusstsein seinen Teil dazu beigetragen, jedenfalls verspürten wir den Drang, etwas Neues auszuprobieren und uns auf etwas Unbekanntes einzulassen. Es haben überraschend viele, gute Gespräche stattgefunden, schlussendlich haben uns AOP aber am meisten überzeugt. Wir wissen, dass wir ein Label gefunden haben, das wie wir für diese Musik brennt und mit dem wir vertrauensvoll zusammenarbeiten können.
Bei Fragen zu eurem Glauben verweist ihr auf die Songtexte. Spielt es für euch eine Rolle, ob Außenstehende euch auf spiritueller Ebene "begreifen"?
Das ist uns persönlich nicht besonders wichtig, wir verstehen uns ja nicht als Propheten. Es gibt genügend Leute, die zwar gerne Black Metal hören, sich aber mit den Dingen, die für uns dazu gehören, überhaupt nicht identifizieren können. Der Fokus sollte dann natürlich auf dem liegen, was man zu begreifen bereit ist. Sprich dem, was man hört und fühlt. Wenn man unabhängig von Riffs noch mehr entdecken möchte, dann bieten wir sicherlich Möglichkeiten dafür. Wir werden aber auch weiterhin auf unsere Texte verweisen, da diese, wie wir finden, ein klares Bild von dem zeichnen, was CHAOS INVOCATION ist. Vielleicht sind diese nicht mehr so offensichtlich oder plump wie früher, trotzdem lässt sich doch erkennen, dass wir eine Liberalisierung anstreben, die sich über das Menschsein hinaus auswirkt. Man wird schweigsamer mit der Zeit und legt nicht mehr alles offen. Der Weg, den wir gehen, ist nicht vorgezeichnet und bestimmt nicht immer klar erkennbar, auch für uns nicht, er führt durch wildes Land und manchmal müssen auch wir innehalten, deshalb wäre es absolut illusorisch zu erwarten, dass jeder Mensch uns versteht. CHAOS INVOCATION entwickelt sich ständig weiter, es gibt noch viel zu entdecken und zu begreifen.
Politik im Black Metal ist ein heiß diskutiertes Thema. Könnt ihr nachvollziehen, dass ein Interview mit "Der Pestbote" auch auf negative Resonanz stößt? Ist CHAOS INVOCATION nur eine Band für Leute, denen solche Dinge komplett egal sind? Um der Antwort zuvor zukommen, dass ich CHAOS INVOCATION nicht verstehe, voreilige Schlüsse ziehe oder euch belehren will: Ihr könnt mich jetzt gerne als einen "narrow minded pile of flesh" bezeichnen (ein Zitat aus einem älteren Interview), aber ich persönlich setze mich gerne mit Musik und Philosophien auseinander, auch wenn ich nicht derselben Meinung bin. Insofern: Her mit einer ehrlichen und direkten Antwort.
Ich weiß nicht aus welchem Interview du dieses "narrow minded pile of flesh" hast, aber es klingt nach einer angepissten Version von uns. In Sachen "Pestboten" kann ich sagen, dass das Interview in keinster Art und Weise politisch angehaucht war. Wäre es in eine solche Richtung abgedriftet, hätten wir uns nicht gescheut, unsere Meinung entsprechend zu vertreten, denn wir scheuen die Auseinandersetzung nicht. Wenn ich mir anschaue, welche Bands dort bislang interviewt wurden, verstehe ich, dass man Vermutungen anstellen kann. Mir ist auch klar, dass ich mich vermutlich nicht ausreichend mit solchen Dingen beschäftige und ich verstehe auch, dass das bei einigen Leuten nicht gut ankommt. CHAOS INVOCATION hat sich regelmäßig von rechten Philosophien distanziert. Politik und Black Metal passen nicht zusammen. Wir stehen für das Überwinden von Barrieren, nicht für deren Errichtung und es ist uns wichtig, dass man uns nicht aus den falschen Gründen verachtet, ignoriert, hasst oder was auch immer. CHAOS INVOCATION ist eine Black Metal Band, eine mystische Erfahrung, denn wir haben etwas in unserem Leben, das den meisten Menschen fehlt. Profane Label können uns nicht beschreiben.
Photo-Credit: Void Revelations
This World Wants Us Dead
https://www.youtube.com/watch?v=47Rwxo9rONo
- Redakteur:
- Nils Macher