CORROSION OF CONFORMITY: Interview mit Woody

11.05.2011 | 14:48

Zurück in alter Frische: Nach fünfzehn Jahren Pause beehrt uns die Rebellentruppe aus North Carolina zum ersten Mal wieder. Da muss Axtschwinger Woody zu vielen Fragen Rede und Antwort stehen. Und nicht vergessen: Fuck the mainstream!

Lang, lang ist's her, seit sich die Urgesteine CORROSION OF CONFORMITY in unseren Landen haben blicken lassen. "Zum ersten Mal seit unserer Tour 1996 mit METALLICA sind wir wieder auf dem Kontinent Europa unterwegs. Es ist eine lange Zeit, und das ist unsere Schuld, wir haben viel zu lange gewartet. Ob man es glaubt oder nicht, die Leute haben uns nicht vergessen, sie empfingen uns mit offenen Armen. Im Juni wiederholen wir die Tour, um unser Fehlen gewissermaßen wiedergutzumachen. Wir spielen viele alte Sachen und etwas von den neuen, schließlich haben wir ein neues Album mit zwölf brandneuen Songs aufgenommen. Ein Freund von uns hat ein schönes Studio und er hat uns eingeladen, dort die Songs kostenlos einzuspielen. Wir flogen nach L.A. und machten das Album, das dürfte etwa zwei Wochen vor der Tour gewesen sein."

Wie darf man sich den neuesten Output vorstellen, wie sind die Einflüsse aus den verschiedenen Phasen gewichtet? "COC gibt es schon seit 1982, nächstes Jahr feiern wir also unser dreißigjähriges Jubiläum. Angefangen haben wir als Kids, wir schrieben viele schnelle, Hardcore-lastige Sachen - eine Richtung, die wir immer noch lieben und bis heute spielen. Im Laufe der dreißig Jahre spielten wir viel unterschiedliches Zeug, weil wir immer versuchen, uns zu öffnen und spielen, wonach auch immer uns ist. In der neuen Scheibe steckt viel Altes drin, aber auch neue Elemente - eine Art Querschnitt durch das, was COC die dreißig Jahre gewesen ist. Viel Speed, aber auch viel Midtempo, inhaltlich zwar provokativ, aber nie eindeutig zu interpretieren ..."

Ein Vergleich zu dem Vorgänger wäre interessant - jedoch, macht ein solcher Vergleich bei einer derart dienstalten Kapelle überhaupt Sinn? "Nun, "In The Arms Of God" war ein eher ungewöhnlicher Album, ein Rückgriff zu unserem alten Material, back to the roots. Ich habe dieses Album sehr gemocht, wir hatten dazu sogar eine weltweite Tour geplant, leider hat uns da der Hurrican Kathrina einen Strich durch die Rechnung gemacht, sodass wir zuhause bleiben mussten. Die neue Scheibe würde ich aber nicht mit "In The Arms Of God" vergleichen, dazu ist sie viel zu anders. COC-Fans dürfte das aber nicht überraschen, weil wir immer versuchen, uns von Album zu Album zu verändern, uns gewissermaßen neu zu erfinden - müssen wir, denn ansonsten wären wir mit uns nicht zufrieden." Zufrieden kann die Band allerdings mit der eigenen Entwicklung sein. "Wir drei stehen hinter dem, was wir machen, und wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Beim Entwickeln eines Songs bedarf es keiner Erklärungen mehr, wie man etwas macht - einer von uns wirft einen Riff in die Runde und der Song entsteht praktisch von alleine. Es ist etwas Natürliches."

Im Laufe ihrer Karriere waren COC für ihr politisches Engagement bekannt - oder berüchtigt. "Politik liegt uns immer noch am Herzen, dieses Thema verlässt uns nicht. Unsere älteren Sachen waren vielleicht offensichtlicher, mehr in-your-face, "so und so sehen wir die Welt". Auf jeden Fall repräsentieren unsere Lyrics immer die Haltung von COC, weil wir uns nie auf die Bühne stellen würden und bloß darüber singen, wie wir uns letzte Nacht haben volllaufen lassen. Wir sind nach wie vor eine politische Band. Es gibt immer eine Botschaft, wir haben immer etwas zu sagen - das wird auch auf der neuen Scheibe zu merken sein." Als politische Band hat man es nicht leicht - bei einer derart klaren Haltung sind Ärger und Missverständnisse vorprogrammiert. "Ja, wir haben für Aufruhr gesorgt, man nehme nur den Song 'Vote With A Bullet'. Wann immer man sich für etwas engagiert, wird man von jemandem in Frage gestellt - aber das soll auch so sein und ist einer der Gründe, Songs zu schreiben. Emotionen aufwecken und Menschen zum Nachdenken bringen, sie sollen hinhören und fragen: Was geht da vor, warum seht ihr das so? Es gibt immer unterschiedliche Arten, zu interpretieren. Aber schlussendlich sind wir bloß eine Band. Wir können die Welt an sich nicht verändern, wir sind nur Musiker, keine Politiker. Für mich ist die Musik, die Hörerschaft auch eine Plattform, und wenn man etwas zu sagen hat, sollte man sie nutzen." Mit Musik die Welt verbessern? "Zumindest hat die Musik meine persönliche Einstellung zu vielen Dingen beeinflusst, bis hin zur Art, wie ich handle. Bei etwas, das die Leute hören und in sich aufnehmen, kann eine positive Botschaft viel ausmachen."


Apropos Einfluss - welche Bands haben Woody auf einer musikalischen Ebene geprägt? "Als Kind vor allem frühe ZZ TOP - hier komme ich musikalisch her. Von der Einstellung her BLACK FLAG, vielleicht noch die DEAD KENNEDYS, generell Hardcore und Punkrock machten mich zu dem, was ich heute bin. Die Szene, die Zeit, und all diese Bands haben etwas ausgemacht."

So lange im Geschäft, haben COC Fans unterschiedlichsten Alters kommen und gehen sehen. Besteht gerade bei der jüngeren Generation eine Tendenz hin zum Unpolitischen? "Ich weiß es wirklich nicht. Im Allgemeinen sind die Leute, denke ich, etwas losgelöster. Die Gesellschaft neigt zur Sofortigkeit, man bekommt alles unmittelbar und kann sehr schnell voranschreiten zu neuen Dingen. Das Internet hat vieles verändert. Beispielsweise habe ich früher mit meinen Freunden Mixtapes ausgetauscht, und so erfuhr man von neuer Musik - man machte ein Tape, warf es in den Briefkasten und wartete, es dauerte Wochen, während man jetzt Songs binnen von Sekunden bekommt. Alles ist schneller geworden. Aber mit Gewissheit kann ich es nicht sagen, dazu blicke ich zu sehr als Außenseiter auf die jüngere Generation." Eines hat sich jedoch nicht verändert - nach wie vor sehen sich COC als Underground-Band. Wie aber hat sich die Underground-Szene über die Jahre verändert, die Definition von Underground an sich? "Ich denke, die Musik ist in zu viele unterschiedliche Kategorien unterteilt worden, die ich nicht nachvollziehen kann, gerade die neuen. Als wir auf den Plan traten, waren wir eine Punkrock-Band, aber wir liebten Metal, also spielten wir sowohl Metalshows als auch Punkrockshows. Aber die Leute kamen miteinander nicht zurecht, schließlich sind es unterschiedliche Szenen. Dennoch gab es damals nicht so viele Sparten. Es gab Hardcore, Punkrock und Metal, und das hat völlig gereicht! Es gab keine fünfzig unterschiedlichen Arten von Metal oder Punkrock. Wenn es nach mir ginge, würde ich die Etiketten abschaffen, doch stattdessen gibt es immer mehr davon. Auch wir werden immer in Schubladen gepresst, obwohl wir ganz verschiedene Stilrichtungen spielen. Man bezeichnet uns als Hardcore oder Sludge Metal oder Southern Rock. Es gibt so viele Bezeichnungen, aber ich bin mit ihnen nicht einverstanden."

Ebenso zweifelhaft sind die Schubladen "Mainstream" und "Underground." "Es gibt viele gute Künstler, die als Mainstream gelten, nur weil sie mit ihrer Musik Erfolg haben. Es heißt zwar, "the masses are asses", aber manchmal schafft es gute Musik, populär zu werden. Ich persönlich finde: Pop music fucking sucks." Aber wie definiert man schon Popmusik? "Ja, genau." (lange Pause, dann lacht Woody) "Ja, das ist eine gute Frage!" Wenn man frühere Größen wie QUEEN, LED ZEPPELIN, PINK FLOYD und dergleichen mit LADY GAGA und sonstigem vergleicht, was heute durchs Radio dudelt, entsteht der Eindruck: Früher hatte es gute Musik leichter, auch populär zu werden, wohingegen heutzutage die Devise zu gelten scheint: simpler, stumpfsinniger, billiger. "Da ist etwas dran. Es gab so viele großartige Bands, die innovativ und visionär in ihrem Schaffen waren. Sie waren nicht zwingend Pop, aber sie schrieben Musik, die vielen Leuten gefiel, und kamen groß damit heraus. Von den Achtzigern an hat sich die Definition von Popmusik gewandelt. Jetzt ist es eher industrielle Fertigung. "Wir machen Musik, die den Leuten gefällt" - das ist der Unterschied, da war das bewusste Bemühen, gute Musik zu schaffen auf der einen Seite und auf der anderen der Gedankengang, Musik an Leute zu vermarkten. Einfache Musik, die leicht zu machen ist und die Leute sehr schnell konsumieren können, ohne viel darüber nachzudenken, Musik, die..." Woody klatscht rhythmisch in die Hände, um den stumpfsinnigen Aufbau zu illustrieren. "Das Lustige ist, die Leute fallen immer wieder darauf herein. Sie lieben es, sie kaufen es! Es gibt eine Formel dafür." Gibt es trotz allem Pop-Künstler, die Woody gerne im Radio hört? "Lass mich nachdenken ... Nein." (lacht) "Mir fallen keine ein. Ich höre nicht so viel neue Musik. Vielleicht gibt es etwas, das mir gefallen könnte, aber ich kenne es einfach nicht."

Und noch eine kleine Zeitreise - welche Dekade war musikalisch die beste? Wann war Musik noch in Ordnung? "Als ich aufwuchs, mochte ich nicht nur Rock, sondern auch andere Musik. Ich hörte viel amerikanische Folk-Musik wie BLUE GRASS, mit den Banjos und Fiedeln. Was Rockmusik betrifft: Aus den Siebzigern kommen all die großen Bands, DEEP PURPLE, BLACK SABBATH, ALICE COOPER ... Das ist meine Lieblingszeit."

Als tourender Künstler kommt man wohl selten dazu, Konzerte selbst als Zuschauer zu besuchen - welches war das letzte Erlebnis dieser Art? "CLUTCH, daheim in North Carolina. Die sind ziemlich gut, auch gute Freunde von uns - wir haben oft zusammen getourt."

Dem Gig im Feierwerk München gingen auf der Tour vier Gigs voraus. Wie war die bisherige Reaktion der Fans auf das neue Material? "Sehr gut! Wenn wir weitermachen, wird es hinhauen."

Was wären Gigs ohne peinliche Erlebnisse ... "Von der Bühne zu fallen, ist nie glorreich. Ein paar Bier, die Haare verdecken die Sicht, auf einmal kommt einem die Gitarre entgegen, und plumps ... Aber ich habe mir nie was gebrochen. Man steht einfach auf, macht weiter, und alle haben einen guten Lacher."

Und noch eine Botschaft an die Münchner Fans? "Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass wir so verdammt lange gebraucht haben, und ich hoffe, der Gig entschädigt dafür!"





Redakteur:
Regina Löwenstein

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