CRADLE OF FILTH: Interview mit Paul Allender
28.09.2006 | 10:36Mit einer gewissen Nervosität und einem großen Fragenkatalog warte ich auf mein Telefoninterview mit Paul Allender. Anfangs bereute ich, dass ich nicht früh genug für ein Interview mit Dani zugeschlagen hatte, doch stelle ich während des Interviews fest, dass ein nicht ausgebuchter Gitarrist einfach mehr Zeit für deine Fragen hat:
Lars:
Hallo Paul, erstmal Glückwunsch zum neuen Album.
Paul:
Vielen Dank.
Lars:
Zu Anfang die Frage, die mich am meisten quält: Gab es bei euch schon mal seltsame Ereignisse bei einem Videodreh?
Paul:
Da müsste ich nachdenken. Hm, wir mussten mal 14 Stunden warten bis wir mit den Aufnahmen beginnen konnten. Wir erreichten den Drehort um 7 Uhr früh und konnten erst um 11 Uhr nachts damit beginnen.
Lars:
Nichts Mysteriöses?
Paul:
Nein.
Lars:
Hm, na gut. Plant einer eurer Bandmitglieder ein Nebenprojekt wie etwa CHROME DIVISION oder I?
Paul:
Nein, so ein Nebenprojekt braucht Zeit, und die Zeit haben wir einfach nicht. Wir machen nur CRADLE fucking FILTH und unser ganzes Leben gehört der Band.
Lars:
Also macht ihr kaum etwas in eurer Freizeit?
Paul:
Nur CRADLE OF FILTH.
Lars:
Wird es noch weitere Orchesterprojekte geben wie "Damnation And A Day"?
Paul:
Nein, wir haben es ausprobiert, getestet, es war gut damals und das war's. Wenn wir so was wieder machen, würde es genauso wieder klingen, und wir sind eine Band, die keine Sachen zweimal macht.
Lars:
Was war eure beste Tour?
Paul:
Ozzfest. Das war großartig, wir waren eine große Familie. Das waren geniale zehn Wochen auf Tour.
Lars:
Irgendwelche Gedanken zu den deutschen Fans?
Paul:
Deutsche? Die sind spitze. Das ist zwar überall so, wir werden in jedem Land gut aufgenommen, aber die Deutschen sind absolut verrückt
Lars:
Hm, unerwartet. Wie sieht es bei musikalischen Vorbildern bei euch aus? Oder habt ihr euch alles selbst beigebracht?
Paul:
Hahahaha. Nein, unsere technischen Einflüsse liegen bei IRON MAIDEN. Ich bin ein großer MAIDEN-Fan. Und ich mag Jazz und Filmmusik, ich hör überhaupt viele verschiedene Sachen. Gitarrenvorbilder hab ich keine, es gibt nur einen den ich mag, und zwar Al DiMeola (Danke an Hanom666 fürs Übersetzen Anm. d. Verf.)
Lars:
Wen?
Paul:
Al DiMeola, ein guter Jazzfusion-Gitarrist. Ich hab in meinem Leben schon so viele Gitarristen gehört, und die meisten langweilen mich zu Tode. Ich mag eher Gitarristen, die auch Songs schreiben können, all diejenigen, die nur Spitzengitarrensoli spielen können, schläfern mich nur ein. Mich interessieren Gitarristen, die verrückte Melodien kreieren können mehr als die, die technisch brillant sind.
Lars:
Schon daran gedacht, Jazz bei CRADLE einzubauen?
Paul:
Hahaha, oh nein, da würde es nicht funktionieren, glaub mir, ich hab's versucht. Es war scheiße.
Lars:
Wieso wurde eigentlich 'Temptation' von HEAVEN 17 gecovert?
Paul:
Wieso nicht?
Lars:
Naja, als Popsong hätte man eher DEPECHE MODE erwartet, so was war einfach überraschend.
Paul:
Genau deshalb haben wir das gemacht. Wenn wir zum Beispiel ein Metalcover gemacht hätten, hätte jeder gesagt: "Ein Metalcover, cool, aber das macht jeder." Jetzt bei 'Temptation' sagt jeder: "Was zum Teufel machen die da?" Genauso sollte es laufen, wir wollten ein obskures Cover. Eben weil wir das gemacht haben, redet jetzt jeder darüber. Genau wie wir es erwartet haben.
Lars:
Also als nächstes ein ROBBIE WILLIAMS-Cover?
Paul:
Nein, das wäre zu viel. Auf der anderen Seite, wieso nicht?
Lars:
Nun, das wäre verdammt unerwartet. Ihr habt euer Plattenlabel von Sony zu Roadrunner Records gewechselt. Was genau ist denn da nun besser?
Paul:
Sony hatte keine gottverdammte Ahnung, wie man das Album vermarkten sollte. Wir verloren Magazinkritiken, Interviews und so weiter. Sony wusste einfach nicht, was sie mit der Band machen sollten.
Lars:
Und das hätten die nie hingekriegt?
Paul:
Nein, nie. Die hatten uns gebeten einen zweiten Versuch zu machen, und das haben wir abgelehnt. Wenn man eine Plattenfirma von der Größe ist und nicht weiß wie man mit uns umgehen soll, dann würde auch ein zweiter Versuch nichts bringen.
Lars:
Was plant ihr für neue Showeffekte?
Paul:
Im Moment ist noch gar nichts geplant, da unser Licht- und Effektmanager noch in Amerika ist. Wenn er zurückkommt, werde ich mich erstmal mit ihm unterhalten, was wir planen und ob wir das überhaupt umsetzten können. Aber es wird auf jeden Fall eine coole Show geben.
Lars:
Was sind deine Gedanken über den Tod von Jon Nödtveidt?
Paul:
Ich hab das erst gestern erfahren, als Dani mir das erzählt hat, letzten Endes weiß ich nicht, was ich darüber denken soll. Ich meine, er war schließlich ein verurteilter Mörder, also denke ich da eher an so was wie "Auge um Auge".
Lars:
Naja, die Fans sind ja der Meinung, er hat seine Strafe abgesessen.
Paul:
Stimmt, aber es gibt keine Entschuldigung dafür, jemanden umzubringen. Jeder hat das Recht zu leben. Mich macht so was einfach wütend, wenn jemand meint über das Leben eines anderen zu entscheiden.
Lars:
Es gab ja letztens diese Bombenanschläge von Al Kaida in England, wie fühlt ihr euch jetzt angesichts der Terrorgefahr?
Paul:
Das ist ein Thema, das mich in letzter Zeit am meisten belastet. Es gab ja mal den Plan, 22 Flugzeuge in die Luft zu sprengen, so wie beim Lockerbieanschlag (siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Pan_American_Flug_103 - Anm. d. Verf.). Und die Terroristen hatten auf 22 Flüge gebucht, also hätte es 22 Lockerbies gegeben. Für mich ist das einfach nur krank. So was bringt mich wirklich zum Nachdenken.
Lars:
Plant ihr irgendwelche Songs gegen Terrorismus?
Paul:
Nein, wieso sollten wir solchen Abschaum Aufmerksamkeit schenken?
Lars:
Auch wieder richtig. Was war deine erste Vinyl?
Paul:
Das war IRON MAIDENs "The Trooper"-Single.
Lars:
Gute Entscheidung. Mal was Persönliches: Du hattest die Band 1996 verlassen und bist 2000 zurückgekommen. Wieso?
Paul:
Ich wollte die Band verlassen um mal etwas anderes auszuprobieren. Es gab aber auch Tumulte in der Band selbst. Es gab nur noch Egos, und ich hasse so was.
Lars:
Hat Dani nicht ein eher großes Ego?
Paul:
Nein, im Moment nicht. Ich hab in einer Menge Bands mit Egoisten gespielt, aber irgendwann war dann Schluss. Ich hab dann eine Menge gemacht, Grafikdesign, Animationen und so was, dann rief Dani mich an und fragte, ob ich nicht wieder Lust hätte bei CRADLE OF FILTH zu spielen. Ich hab mich dann mit ihm unterhalten und es dauerte letztendlich vier oder fünf Monate, bis ich mich letztendlich dafür entschieden hatte, wieder mitzuspielen. Und seit dem ist es eigentlich recht cool.
- Redakteur:
- Lars Strutz