CRESCENT SHIELD: Interview mit Dan DeLucie und Michael Grant
17.06.2009 | 16:20Wer mein ziemlich euphorisches Geschreibsel zum aktuellen Rundling des kalifornischen Quartetts CRESCENT SHIELD gelesen hat, wird es schon erwartet haben: ein Interview.
Rede und Antwort stehen erneut Gitarrist Dan DeLucie und Sänger Michael Grant. Auf los, geht's los.
Holger:
Wie sind die Reaktionen zum neuen Album bis jetzt?
Dan:
Die meisten Reviews sind wirklich sehr gut. Einige schreiben sogar vom "Album des Jahres". Und das in solch renommierten Heften, wie dem Rock Hard oder www.metalreview.com. Es gibt aber auch Schreiber, die die Scheibe wirklich hassen. Man kann es nicht allen recht machen.
Michael:
Die schlechten Kritiken kommen von Leuten, die grundsätzlich nicht auf unseren Stil stehen und die daher unser Album auch nicht fair bewerten.
Dan:
Es wird immer Leute geben, die unsere Band nicht mögen werden. Das passiert doch allen Bands.
Holger:
Was haltet ihr von der Tatsache, dass euer Label Cruz Del Sur das komplette Album als Stream online zur Verfügung stellt. Hilft das merklich den Verkäufen?
Dan:
Oh, das finde ich wirklich toll. Ich wollte das schon mit dem Debüt so handhaben, aber das Label war damals dagegen. Es ist einfach für jeden unser Album online zu finden und es kostenlos zu downloaden. In diesen Tagen muss man als Band ein Album abliefern, dass es so gut ist, dass alle auch dafür bezahlen möchten. Dann wollen die Fans auch eine Band unterstützen. Wenn jemand ein Album besonders toll findet, habe ich keine Zweifel daran, dass er es im Endeffekt auch kaufen wird.
Michael:
Es ist doch ein tolles Gefühl, eine CD in Händen zu halten, das Booklet zu begutachten und die Texte zu lesen. Wahre Fans mögen so etwas und daher denke ich auch, dass das Streaming uns nur helfen kann.
Holger:
Eure Worte in Gottes Gehörgang. Aber weiter im Text. Es gibt nicht wenig Stimmen, die sagen, dass euer Material relativ sperrig klingt. Seid ihr euch dieser Tatsache bewusst oder könnt ihr diese Meinung zumindest nachvollziehen?
Dan:
Sicherlich. Ich bin mir dieser Tatsache sehr wohl bewusst und ich kann dem auch zustimmen. Man muss schon etwas Zeit in unsere Musik investieren und es bedarf sicherlich ein paar Durchläufe, um alle Feinheiten zu erfassen - ein Umstand, den die Kritiken auch bestätigen. Ich selbst mag solche Platten sehr gern. Ich mag es, mit jedem neuen Anhören, erneut etwas Neues zu entdecken.
Michael:
Warum denn einfache Songs schreiben, die nach vier Umdrehungen langweilig werden, wenn man in der Lage ist, Musik zu komponieren, die auch nach Ewigkeiten noch neue Details preisgibt? Das ist immer wieder aufs Neue die Herausforderung. Und deshalb macht es auch so viel Spaß.
Holger:
Ich habe ja eh den Eindruck, dass es genau das ist, was ihr erreichen wollt. Ihr wollt, dass die Leute sich intensiv mit eurer Musik beschäftigen...
Dan:
Es gibt sicherlich Leute da draußen, die so ein Album zu schätzen wissen. Schau dir doch nur OPETH an: Die Band hat ein riesiges Following und ihre Musik ist sehr tiefgründig, viel mehr als unsere es ist. Unsere Musik basiert trotz alledem sehr stark auf Melodien und starkem Songwriting. Es geht bei uns nicht nur um Fingerfertigkeit. Außerdem finde ich auch unsere Produktion sehr heavy, alles klingt sehr natürlich und nicht so mechanisch, wie bei anderen Bands dieses Genres. Wir versuchen ja nicht kompliziert zu klingen. Es ist eher so, dass auch unsere schrägen Passagen immer zum Song an sich passen.
Michael:
Wir beabsichtigten in der Tat, dass diese Scheibe ein "Grower" wird. Also hoffen wir auch, dass sich die Leute die nötige Zeit nehmen. Warum immer diese Eile? Ein Album ist für die Ewigkeit ... hoffen wir!
Holger:
Je mehr Zeit man in ein Album investieren muss, desto länger wird es einem auch gefallen...
Dan:
Natürlich müssen die Songs an sich auch toll sein, sonst ist es reine Zeitverschwendung. Qualität ist unsere höchste Priorität und nachdem ich selbst unser Album so oft angehört habe, kann ich guten Gewissens sagen, dass es uns gelungen ist, eine hohe Qualität abzuliefern.
Michael:
Wir sagen uns ja nicht "Lass mal ein möglichst schwieriges Album machen", hahaha... Es soll eine kleine Herausforderung an den Hörer sein, aber es soll ja auch Spaß machen und unterhalten.
Holger:
Ist euch ja unbedingt gelungen. Wenden wir uns mal den Texten zu, die dieses Mal sehr persönlich ausgefallen sind. Wer hat zum Beispiel "your anger" zu fürchten?
Michael:
Um das gleich zu Beginn klar zu stellen, ich bin keine hasserfüllte Person. In diesem Song geht es nicht um Vorurteile, Hass oder Missbrauch oder um irgend so einen Scheiß, den diese Nazi-Skinheads rumbrüllen. Es geht um einen guten Menschen, der andauernd missverstanden wird. Der Song beinhaltet ein paar meiner ältesten Textideen. Einige der Sätze habe ich im Alter von 12 Jahren geschrieben. Ich wurde ständig gehänselt wegen meiner KISS- und MAIDEN-T-Shirts. Das klassische Spielchen um den Außenseiter halt. Aber nicht alle Songs sind so persönlich. Da gibt es paar tolle Geschichten über spannende Abenteuer, Entdeckungen und Reisen ins Unbekannte.
Holger:
Das ist mir durchaus auch aufgefallen. Und einer der besonders herausragt ist 'The Endurance'. Vielleicht erzählt ihr mal ein bisschen etwas über diese wahre Begebenheit? Woher kommt das Interesse an der Antarktis? Ach, und kann es sein, dass ich da den "Ancient Mariner" durch die Passage mit dem Albatross segeln höre?
Dan:
Vielen Dank für das Kompliment. Ich bin sehr stolz auf diesen Song. Ich denke, man kann kaum einen epischen Song über das Meer bringen, ohne dabei an 'The Rime Of The Ancient Mariner' zu erinnern, oder? Und MAIDEN ist ein großer Einfluss, gar keine Frage, da wir alle Vier die Band sehr schätzen. In unserem Song geht es um die Expedition von Ernest Shackleton, die 1914 in der Antarktis verunglückte. Die komplette Crew versuchte über ein Jahr lang im Eis zu überleben, nachdem das Schiff gegen einen Eisberg geprallt und gesunken war.
Holger:
'10000 Midnights Ago' hätte man auch '30 Years Back' nennen können, oder? Man bekommt den Eindruck, ihr wollt, dass der Hörer seinen Grips anstrengt.
Michael:
Das wäre zumindest sehr schön und ein Kompliment an uns. Ich liebe Texte, bei denen man etwas Zeit investieren muss. Ich habe eine sehr lebhafte Erinnerung an meine Kindheit und dieser Text beschreibt, welche Träume ich damals hatte und was aus ihnen geworden ist.
Holger:
War es Absicht, dass ihr 'Temple...' und 'My Anger' hintereinander platziert habt, da die beiden Songs textlich gut zusammen passen?
Michael:
Im tiefsten Inneren vielleicht. Sie ergänzen sich gut, obwohl sie sich musikalisch recht deutlich unterscheiden. 'My Anger' kann man als das Ende einer Phase beschreiben, in der man passiv aggressiv war. Man kann sich in sich selbst verkriechen oder den Fluch mit rohen Emotionen durchbrechen.
Holger:
Betrachten wir nun einmal das tolle Coverartwork. Wer von euch ist denn der Comic-Fan?
Dan:
Von Kind an bin ich absoluter Comicfreak. Ich hatte schon etwas Ähnliches für unser erstes Album geplant. Ich finde es total klasse und ich denke, dass wir uns mit diesem Artwork sehr deutlich von der Masse der Heavy-Metal-Cover abheben.
Holger:
Sehe ich auch so. Kommen wir mal auf die musikalischen Einflüsse. Neben HELSTAR, glaube ich an manchen Stellen gar VOIVOD heraus zu hören. Eine Band, die nicht so recht zu eurem US-Metal-Sound passen will...
Dan:
VOIVOD ist eine meiner absoluten Lieblingsbands, aber ich weiß nicht, wo du diese Einflüsse in unseren Songs wieder finden willst. Piggy war für mich einer der originellsten Gitarristen und ich glaube nicht, dass ich auch nur annähernd an seine Klasse heran reiche.
Michael:
Da gibt es eine kurze Passage in 'The Grand Horizon', die diesen VOIVOD-Touch hat. Mir ist das allerdings auch erst aufgefallen, nachdem Dan mich darauf hingewiesen hat.
Dan:
Habe ich??? Daran erinnere ich mich gar nicht, hahaha. Gut, es ist ein Science-Fiction-Song und da die Kanadier gerne über solche Themen schreiben, kann man da schon eine Parallele ziehen.
Holger:
Soso, habe ich mich doch nicht verhört, hahaha. Aber zurück zum visuellen Eindruck. Eure tollen Texte schreien ja förmlich nach Videoclips. War das schon Thema bei euch? Was wäre denn euer Favorit für solch ein Unterfangen?
Michael:
Ich würde 'Grand Horizon' gerne umsetzten. Allerdings müsste es dann schon mit entsprechend dickem Budget ablaufen. So Hollywood-mäßig halt mit tollen Spezial-Effekten und allem Brimbamborium. Selbstverständlich treten alle Bandmitglieder in verschiedenen Alien-Kostümen auf, reisen durch verschiedene Welten und benutzen tolle, riesengroße Raumschiffe. Ein toller Traum, der nicht wahr werden wird, aber es macht Spaß ihn zu träumen.
Holger:
In der Tat. Wir bleiben bei der Leinwand: Gibt es bei euch noch TV-Programme, die so ein Video senden würden?
Dan:
Nicht, dass ich es wüsste. Vielleicht irgendwelche Underground-Kabel-Shows oder so.
Holger:
Würdet ihr mir zustimmen, dass zweistimmigen Gesänge eines eurer Markenzeichen sind?
Dan:
Ja, das ist ein Steckenpferd von Michael Grant.
Michael:
Ich liebe es, mit mehreren Stimmlagen übereinander zu arbeiten. Es gibt den Songs einen wärmeren Klang und obendrein klingt es spannender. Der Trick ist, es nicht zu überstrapazieren.
Holger:
Ein weiteres Markenzeichen sind die doppelläufigen Gitarrenmelodien. Wer sind denn da die Vorbilder?
Dan:
Wir sind eine Ein-Gitarren-Band, aber ich schreibe als hätten wir zwei Klampfen. Ich mag den Klang von zwei getrennten Gitarrenstimmen auf einem Album. Offensichtlich sind die Herren Murray und Smith Vorbilder dafür. Aber auch Matheos/Aresti/Arduini; Downing/Tipton und Gorham/Robertson/Moore sind erstklassig. Meine favorisierten Leadgitarristen sind: Michael Schenker, Marty Friedman und Randy Rhoads.
Holger:
Bei all diesen zwei- und mehrstimmigen Trademarks stellt sich doch die Frage nach einem zweiten Gitarristen, der vielleicht auch ganz gut singen kann?
Dan:
Ja, das wäre nett. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob das finanziell hinhauen würde. Es ist eh schon schwierig für uns ausreichend Geld für Übersee-Auftritte zusammen zu bekommen. Mit einem weiteren Mitglied würde dies eher schwieriger werden.
Holger:
Wenn man euch live auf dem KIT gesehen hat, weiß man, dass es auch als Quartett sehr gut funktioniert. Allerdings hatte ich mehrfach den Eindruck, dass Dan gerne etwas mehr Bewegungsfreiraum gehabt hätte. Er war die ganze Zeit am Headbangen, musste aber immer wieder zurück zum Mikro...
Dan:
Ha!!! Das wäre so schön, aber Mike muss ja immer so viele Gesangslinien schreiben...
Michael:
Ja, ja, ist ja schon gut. Ich schreibe halt immer für ein Album, denn das ist es, was Bestand haben wird und soll. Wir wissen, dass dieses Material in einer Livesituation anders klingen wird. Aber das macht ja auch den Reiz einer Show aus. Ich mag Bands nicht, die auf der Bühne exakt so klingen, wie auf Scheibe. Wo ist da der Sinn?
Holger:
Eine andere Sache über die man sich gern amüsiert, ist der Fuchsschwanz an Melanies Bass.
Michael:
Hahaha, so ist sie halt. Sie mag solche Dinge und das ist auch der Grund, weshalb wir sie mögen, haha.
Holger:
Gibt es Pläne für eine Deutschland-Tour? Mit wem würdet ihr gerne spielen?
Michael:
Wir hatten mächtig viel Spaß am KIT mit PHARAOH und würden sehr gerne mit denen auf Tour gehen. Aber auch jede andere Band, die ein gutes Package abgeben würde, wäre toll. Ich würde ungern mit einer Band wie DEICIDE, BIOHAZARD oder CANNIBAL CORPSE verheizt werden. Solche seltsamen Kombinationen gibt es andauernd hier in den Staaten.
Holger:
Mit PHARAOH wäre natürlich das Traumduo unterwegs. Wo du es gerade schon ansprichst: Wo seht ihr denn die Hauptunterschiede zwischen den USA und Europa, wenn es um Heavy Metal geht?
Dan:
In den USA ist man nicht so sehr interessiert an melodischem und klassischem Heavy Metal. Europa, und hier ganz besonders Deutschland, hingegen schon.
Michael:
Europe rules! Das ist wie Tag und Nacht, wenn man die USA mit Europa vergleicht.
Holger:
Was sind denn eure Zukunftspläne?
Dan:
Am nächsten Album arbeiten.
Michael:
Auf coolen Festivals spielen, wenn sie uns denn haben wollen.
Holger:
Wollt ihr noch irgendwas ergänzen?
Dan:
Hört euch unsere Musik an ... umsonst! Auf www.crescentshield.com.
Michael:
Und gebt dem Album ein paar Umdrehungen, bevor ihr ein endgültiges Urteil darüber fällt. Wir sind sicher, es wird euch gefallen!
Dan:
Danke Holger für den Support und deinen Enthusiasmus.
Michael:
And beware of the Creeping Slime!!! ... METAL!
- Redakteur:
- Holger Andrae