DARK SUNS: Interview mit gesamte Band

25.02.2005 | 16:18

Ob Mikael Åkerfeld auch heute noch von DARK SUNS so beeindruckt wäre - weiland mailte der Songwriter von OPETH zu dem Song 'The Neverending' vom "Swanlinke"-Debüt der Leipziger: "We did listen to it on the bus and I remember everyone was kinda impressed. We hear so much shit these days and to be honest we expected it to be bad, but it wasn't! I think it sounded very professional, tight, dark…the production was great I thought even though now I hear it was a low budget recording. You guys truly deserve a deal I think."
Doch was hat sich seit dieser und den anderen begeisterten Reaktionen auf die 2002 erschienene "Swanlike"-Scheibe bei den progressiven Dark-Metal-Heads DARK SUNS getan?

Ihren Probenraum hat die Band in einem alten Fabrikgebäude an der Stadtgrenze von Leipzig. In dem großen Haus feilen mehr als ein Dutzend Gruppen an ihrer Musik. Ein Stockwerk über den DARK SUNS ist zum Beispiel das Domizil der Leipziger Shooting-Stars DISILLUSION. Den Musikern um Mastermind Vurtox fühlen sich die "dunkeln Sonnen" verbunden. Sänger und Schlagzeuger Niko Knappe nennt den in jüngster Zeit wohl wichtigsten Sympathie-Beweis: "Seit dem 20.01.04 haben wir im hauseigenen Salvation-Recordings Studio unter der aufnahmetechnischen Leitung von Vurtox mit den Schlagzeugaufnahmen zum kommenden Album "Existence" begonnen. Damit sind wir inzwischen fertig. Insgesamt ist von der Scheibe inzwischen etwas mehr als die Hälfte im Kasten"
Ob Maik deswegen auch die Akkustik-Gitarre bei der Release-Show für DISILLUSION übernahm?! Egal... denn die Band wird zur Zeit von Sorgen geplagt und von Freuden erdrückt. Wo die Begeisterung über das Wachstum der eigenen "Existence"-Platte bei allen fünf Musikern stetig spürbar ist, herrscht gleichzeitig Unsicherheit. Den DARK SUNS ist nämlich ihr Label Voice Of Life weg gebrochen. Niko: "Wir sind im Prinzip zufrieden gewesen. Doch dann gab es Unstimmigkeiten. Das Vertrauen für eine weitere Zusammenarbeit ist dadurch nicht mehr gegeben." Auch die restlichen Bemühungen um einen Deal blieben erfolglos. Selbst eine Reise im Auto zu Century Media nach Dortmund war umsonst - obwohl die Labeljungs die Aktion sehr cool fanden, brachte sie DARK SUNS nicht den erhofften Vertrag.
Gitarrist Maik Knappe, der Bruder des trommelnden DARK SUNS, sagt: "Wir bekommen Briefe von Fans, die auf das neue Album warten. Das freut uns, klar. Doch gleichzeitig ist da so eine Art Torschlusspanik, weil immer noch kein Vertrag da ist. Derzeit bewerben wir uns mit einigen "Existence"-Voraufnahmen und unserem Debüt bei den unterschiedlichsten Labels um so bald wie möglich einen interessanten Deal zu erlangen und die geplante Veröffentlichung der neuen Scheibe im August nicht zu gefährden."

Die Anhänger der komplexen Klangwelten DARK SUNSscher Komponierkunst dürfen sich trotzdem freuen. "Existence" wird kein zweites "Swanlike", besitzt dafür aber mehr Eigenständigkeit und kommt weniger als OPETH-light-Scheibe daher. Vielmehr treten Anleihen bei Bands wie PORCUPINE TREE oder ANATHEMA in den Vordergrund. Freudenausbrüche und geballten Frohsinn wird es auf "Existence" freilich trotzdem nicht geben.
In den Texten geht es um das Schicksal eines Erdenkinds, wie Sänger Niko erzählt: "Wir möchten das Leben eines Menschen beschreiben, der nicht mit der Welt fertig wird. Wir hoffen, sein emotionales Auf und Ab vertonen zu können. So werden am Anfang der Platte noch kurze Szenen aus seiner Kindheit stehen. Gerade da wird die Platte fast schon beschwingt klingen, mit all seiner Hoffnung, seiner Wissbegierde und dem Optimismus. Doch je älter unsere Person wird, desto mehr verzweifelt sie an der Erde und ihrer eigenen Umwelt. Sie geht am Ende schließlich innerlich zu Grunde. Dies soll auch auf der Platte so klingen. Wir möchten in dem Sound eine möglichst breite Gefühlspalette unterbringen, von Gedanken der Selbstverletzung bis hin zu spontanen Ausbrüchen. Die Texte sind dabei nicht auf einzelne Situationen direkt bezogen, sondern eher metaphorisch verpackt."
Die Platte ist dabei in drei Abschnitte geteilt, zwölf Stücke führen rund 70 Minuten durch dunkle Klänge. "Im Durchschnitt dauern die Songs an die sechseinhalb Minuten", ginst Maik und verweist außerdem auf drei rund zehnminütige Stücke. Im August soll nach dem Mischen bei "tam recordings" alles fertig sein, doch schon jetzt haben DARK SUNS ein paar "rough mixes" fertig. Ein erster Coverentwurf zeigt ein recht abstrakt wirkendes Gesicht vor braunem, vor Details strotzendem Hintergrund - Idee und Auführung: Made by Niko. "Das Bild soll ebenso dunkel wie die Songs wirken." Die ersten Töne klingen vielversprechend.

1. 'Euphoric Sense' ist ein Song aus der Kinderzeit der Hauptfigur auf "Existence". Der Song entpuppt sich als verspielt-vertrackter Opener im mittleren Tempo, ein sehr starkes und massives Riff steht am Anfang. Im weiteren Verlauf gleitet der Song hin zu tollen Akustik-Passagen, sanfte Keyboardteppiche schmeicheln der Ohrmuschel. Die klare Stimme von Sänger Niko passt wunderschön dazu. Ein wenig erinnert das Stück an ANATHEMA zu "Alternative 4"-Zeiten. Und Gegrunze? Fehlanzeige! "Wir haben zur Zeit nur noch etwa fünf Prozent Grunzanteil", sagt der DARK SUNS-Barde, schränkt aber ein: "Das kann sich aber im weiteren Verlauf unserer Arbeit wieder ändern."

2. "Das ist unser Stoner." sagen DARK SUNS übereinstimmend zu 'Her And The Element'. Viele ruhige Passagen mischen sich mit wuchtig nach vorn spielenden Parts voller Lebenslust, orchestral begleitet von Keyboarder Thomas Bremer. Das Organ von Niko klingt zum Teil elektronisch verzerrt. "Wir wollen manche Parts vielleicht noch einen Tick spaciger klingen lassen", sagt Niko dazu. Technisch klingt 'Her And The Element' erwachsen, Breaks und Tempi-Wechsel machen den Song interessant ohne ihn zu zerstören.

3. 'Daydream' als Zwischenstück und 'Anemone' als direkt anschließender Song sind ebenfalls schon recht weit gediehen, jeweils "zum Runterkommen", wie Maik schmunzelnd bemerkt. Besonders 'Anemone' beginnt sehr nachdenklich, fast schon tastend. Dann erreicht der Song einen Punkt, von dem aus fette Gitarrenbreitseiten durch die Boxen zischen. Solche Stücke geben einer Scheibe wie "Existence" hoffentlich noch ein Zusatz-Quentchen Atmosphäre und Feeling.

4. Außerdem haben die Jungs von DARK SUNS den letzten Song der Scheibe schon ziemlich weit gestrickt. Er trägt den Arbeitstitel "Final" und hält die letzten Qualen des "Existence"-Helden in seiner Musik fest. Ein tragisches Klavier eröffnet das Stück, Niko's Stimme klingt klagend und voller Wehmut. Doomige Gitarren krachen im Hintergrund, mal chaotisch und mal voll wunderschöner Melodie. Anno 2004 klingen DARK SUNS mit diesem Song verspielter denn je, bekommen aber trotzdem die Kurve hin zu einem echten Ohrwurm.

"Die Platte soll unsere Hörer auch fordern", wünscht sich Niko: "Die Melodieführung wird zum Beispiel im Verlauf des Albums immer chaotischer. Gleichzeitig möchten wir die 70 Minuten zu einer Art Fluß machen, dieser Spannungsbogen wird wohl der schwierigste Teil."
Deshalb steht nun noch viel Arbeit an. Von Mittwoch Abend bis Sonntag sitzen DARK SUNS nun jede Woche in ihrem Probenraum, arbeiten mit Klängen und arrangieren, arrangieren, arrangieren... Vielleicht soll noch eine Geige an jene Stelle, vielleicht dorthin doch noch ein Grunzpart. Sie selbst merken schon die Änderungen zur "Swanlike"-Scheibe. "Wir kommen jetzt eher auf den Punkt. Es gibt weniger Längen, früher haben wir uns manchmal vielleicht zu viel Zeit gelassen", meint Maik. Niko nickt und ergänzt: "Insgesamt haben wir jetzt schon über ein Jahr an den Songs gearbeitet", sagt Niko. Von ihm und seinem Bruder Maik kommen die Hauptideen, das Arrangieren der musikalischen Erlebniswelt DARK SUNS übernimmt dann die ganze Band zusammen.
Neu im Geschwader ist Gitarrist Torsten Wenzel, der von den inzwischen aufgelösten IMMACONCEPT kam. Er sitzt für Gründungsmitglied Tobias Gommlich im Boot: Musikalische Differenzen brachten die Trennung. "Wir sind aber noch Freunde", stellt Niko klar. "Die Jungs haben mich voll integriert", freut sich auch Neu-Klampfer Torsten. Entscheidungen laufen gemeinsam ab, auch wenn es manchmal Stress gibt. Niko: "Klar, wir stehen auch alle unter Druck. Es ist ein blödes Gefühl, plötzlich wieder ohne Label zu sein. Das schlägt manchmal auf die Band durch." Trotzdem: Lachen können DARK SUNS oft und viel. Niko: "Wahrscheinlich spielen wir das Gegenteil von dem, wie wir wirklich sind."

Redakteur:
Henri Kramer

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