DARK TRANQUILLITY: Interview mit Niklas Sundin
01.01.1970 | 01:00Nach ihrem sagenhaften Auftritt auf dem diesjährigen Rock Hard Festival nahmen wir einmal Kontakt mit den Schweden von DARK TRANQUILLITY auf und redeten mit Niklas Sundin über Zukunftsperspektiven und das aktuelle Raritäten-Album "Exposures – In Retrospect And Denial", welches nach 15 Jahren so etwas wie den Abschluss der ersten Bandära bedeutet. Dabei stießen wir auf einen gut gelaunten und redefreudigen Herrn Sundin, der lediglich beim Wörtchen Göteborg ein wenig ungehalten wurde...
Björn:
Hallo, wie geht es?
Niklas:
Hi! Es geht gerade sehr gut, es passieren momentan viele Sachen innerhalb der Band. Wir sind ohne Ende beschäftigt, doch genau so mögen wir das!
Björn:
Ihr habt vor wenigen Tagen auf dem "Rock Hard Festival" gespielt. Wie hat es euch dort gefallen?
Niklas:
Es war exzellent! Ich war wirklich sehr zufrieden mit den Reaktionen des Publikums und das gesamte Festival war sehr gut organisiert und hatte eine nette Atmosphäre. Das Spannende an solchen Festivals ist, dass jedes Mal eine ganze Reihe von Leuten da ist, die uns noch nie zuvor gesehen haben oder die Band sogar überhaupt nicht kennen und deshalb müssen wir entsprechend hart arbeiten, um sie für unsere Seite zu gewinnen. In vielen Fällen ist das eine weitaus größere Herausforderung als eine normale Show während einer Tour, wo das Publikum fast ausschließlich aus Fans der Band besteht.
Björn:
Welche Erfahrungen habt ihr auf dem Festival machen können?
Niklas:
Wie ich bereits sagte, es war sehr entspannt und das ganze Festival war richtig toll. Wir haben den größten Teil der Nacht damit verbracht, uns irgendwelche Drinks zu genehmigen, die von unserer Plattenfirma spendiert wurden. Außerdem war es cool, solche Bands wie RAGE und METAL CHURCH zu sehen, die zu der Zeit, als wir selber anfingen zu spielen, zu unseren Favoriten zählten.
Björn:
Erzähl doch ein wenig von der tollen Atmosphäre, die das "Rock Hard Festival" auch in diesem Jahr zu etwas ganz Besonderem gemacht hat!
Niklas:
Nun, es fühlte sich sehr gut an und die Atmosphäre war sicherlich großartig. Wir haben eine Menge Interviews erledigt, Foto-Sessions abgehalten und Autogramme geschrieben, genau so, wie wir dann nachher auch auf chaotische Weise betrunken abgestürzt sind. Wir sind also nicht viel herumgekommen und haben auch nicht diesen speziellen Vibe einatmen können. Ich denke, es ist eine wirklich coole Sache, ein Festival mit nur einer Bühne zu haben, so dass jeder Anwesende alle Bands sehen kann. Zudem besteht kein Konflikt darin, dass zwei gute Bands gleichzeitig auf unterschiedlichen Bühnen spielen.
Björn:
War dieser Auftritt ein einmaliges Ereignis oder werdet ihr in diesem Sommer noch mehrere Festivals spielen?
Niklas:
Es stehen tatsächlich eine ganze Menge Festivals an. Wenn der Sommer vorbei ist, werden wir in Deutschland, Schweden, Finnland, Griechenland und Korea gespielt haben und es stehen noch verschiedene andere Festivals zur Disposition.
Björn:
Ihr habt in Gelsenkirchen neben dem obligatorischen Best-of-Set auch schon einen neuen Song vorgestellt. Wann können wir denn mit einem komplett neuen Studioalbum rechnen?
Niklas:
So bald wie möglich, aber bis jetzt steht noch kein Veröffentlichungsdatum fest. Das Album ist schon aufgenommen und abgemischt, doch momentan stehen wir noch in Verhandlungen mit dem Label, weshalb es einfach noch zu früh ist über einen Termin zu sprechen. Es wird diesbezüglich schon sehr bald mehr Informationen geben und ich bin ziemlich sicher, dass die Platte irgendwann im Herbst erscheinen wird. Wir haben gerade erst "Exposures..." herausgebracht, wir stehen also nicht unter großem Druck einen weiteren Release schnellstmöglich nachzuschieben, obwohl es natürlich frustrierend für uns ist, dass es schon im Kasten, aber eben noch nicht auf dem Markt ist.
Björn:
Du erwähntest den aktuellen Release "Exposures – In Retrospect And Denial". Warum habt ihr von dieser Platte eigentlich keinen Song in Gelsenkirchen gespielt?
Niklas:
Es ist nie genügend Zeit, um ein vollständiges Set auf einem Festival zu spielen. Du hast deine 45 Minuten Spielzeit und es ist einfach unmöglich, jeden Song, den du spielen möchtest, zu integrieren. In diesem Fall entschieden wir uns dafür, besser einen neuen Song zu bringen statt eine Nummer von "Exposures...". Es fühlt sich einfach viel exklusiver und aufregender an.
Björn:
Werdet ihr denn überhaupt Songs von dieser Veröffentlichung live spielen?
Niklas:
Wir haben darüber noch nicht ausführlich gesprochen, aber ich bin mir sicher, dass wir Songs wie `Static´ oder `The Poison Well´ während der nächsten Tourneen spielen werden. Es ist halt einfach so, dass sie nicht die offensichtlichen Nummern für eine Festival-Show sind, wo man nur über eine limitierte Zeitvorgabe verfügt.
Björn:
Welche Idee steckte eigentlich hinter dem Release dieses Doppelalbums? Haben die Fans nach euren alten Songs gefragt oder war es eure Entscheidung, euch noch einmal mit dem alten Material zu beschäftigen?
Niklas:
Ich denke, dass wohl beides zutrifft. Wir sind schon immer von vielen Leuten über einen Re-Release unseres alten Demos und der 7" befragt worden. Die Originalversionen sind heute sehr schwer zu bekommen und manchmal müssen die Leute echt unverschämt hohe Preise für diese Aufnahmen bezahlen. Wir haben bereits 1996 mp3-Dateien dieser Songs auf unsere Homepage gestellt, einfach nur als ein Geschenk für unsere treuen Fans, aber anscheinend ist es einfach "echter", sie auch auf einer richtigen CD zu haben. Wir haben dann die originalen Mastertapes gefunden und haben eine Menge Zeit damit verbracht, den Sound zu verbessern, da weder die EP noch das Demo damals gemastert wurden. Zudem feiern wir dieses Jahr schon unser 15-jähriges Jubiläum und wir wollten aus diesem Anlass etwas Besonderes für unsere Fans bereitstellen, quasi als Dankeschön an die Leute, die unsere Musik hören.
Björn:
Wie steht ihr denn heute zu den Aufnahmen von damals? Seid ihr noch immer damit zufrieden?
Niklas:
Auf jeden Fall! Ich mag sie sehr gerne für das, was sie sind. Es ist offensichtlich, dass wir als Musiker nicht sehr erfahren waren, als diese Sachen 1991 und 1992 aufgenommen wurden. Außerdem wussten die Studios damals noch nicht so gut, wie man mit Metal-Musik arbeitet, aber ich denke, dass man noch immer heraushören kann, dass wir unseren ganz eigenen Weg einschlagen wollten. Heutzutage schreiben und spielen wir unsere Musik ein wenig anders, doch noch immer sind Kompositionen wie `Trail...´ und `Moonclad´ wichtige Schritte, die uns geholfen haben, unseren Sound zu etablieren.
Björn:
Ihr habt damals großen Anteil an der Erfindung eines gänzlichen neuen Sounds gehabt, der heutzutage als der typische Göteborg-Sound bekannt ist. Wie denkst du heute über die Kategorisierung "Göteborg-Metal"? Ist diese Musik noch immer lebendig?
Niklas:
Ich weiß nicht. Die Sache ist, dass diese ganze Göteborg-Geschichte nicht von den Bands selber erfunden wurde, sondern vielmehr von außenstehenden Schreibern und Magazinen und ich muss ehrlich sagen, dass ich diese Kategorisierung nie sonderlich mochte. Es fühlt sich eigentlich sogar ziemlich dumm an, da es suggeriert, dass alle Bands aus dieser Region gleich klingen und ich denke, das war niemals der Fall. Wir klangen einen ganzen Tick anders als AT THE GATES; die wiederum anders klangen als CEREMONIAL und so weiter und so fort. Ich kümmere mich also nicht besonders über dieses Göteborg-Trademark. Wenn es tot ist, bin ich sicherlich um einiges glücklicher.
Björn:
Trotzdem ist es nicht zu verleugnen, dass damals eine gewisse Bewegung losgetreten wurde, die einige führende Bands mit sich brachte. Welche Bands standen denn damals an der Spitze dieser neuen schwedischen Bewegung?
Niklas:
Wiederum muss ich sagen, dass mor das ziemlich egal ist, da ich nicht in solchen Zügen denke. Sollen die Zuhörer oder Journalisten doch entscheiden, wer damals eine führende Rolle übernommen hat oder wie die verschiedenen Bands zueinander standen. Mich interessiert das nicht sonderlich und ich bin vielleicht auch ein bisschen genervt von der ganzen Geschichte. Sorry!
Björn:
Okay, wir würdest du eure Musik denn generell charakterisieren?
Niklas:
Ich würde mich freuen, wenn jeder in uns nur eine Metal-Band sehen würde, nicht mehr und auch nicht weniger.
Björn:
Gut, kommen wir noch einmal kurz zurück zu "Exposures..."., das Bonusmaterial auf eurer aktuellen CD. Aber warum haben es Songs wie zum Beispiel `In Sight´ oder `Static´ nie auf reguläre Alben von DARK TRANQUILLITY geschafft? Meiner Meinung nach würden sie auf Alben wie "Damage Done" oder "Haven" qualitativ keinesfalls abfallen.
Niklas:
Da stimme ich dir zu. Einige der Songs von "Exposures..." gehören zu meinen persönlichen Favoriten, aber es ist jedes Mal schwer, die einzelnen Songs für die jeweiligen Releases auszuwählen. Die Bandmitglieder sind da oft vollkommen verschiedener Ansicht und wir kommen meist nur über Abstimmungen zu einer endgültigen Entscheidung. Die Songs von "Exposures..." sind überhaupt ein bisschen ausgefallener und unkonventioneller als unser gewöhnliches Material, weshalb es auch nicht sonderlich einfach gewesen wäre, sie in den allgemeinen Fluss unserer regulären Platten zu integrieren.
Björn:
Ihr habt ebenso eine komplette Liveshow als Bonus mit draufgepackt, jedoch handelt es sich hier um keinen gänzlich neuen Stoff, sondern lediglich um den Audiostream eurer aktuellen DVD. Warum habt ihr kein separates Livematerial verwendet, um das Ganze noch einmal zusätzlich interessant zu machen?
Niklas:
Wir hatten einfach keine weiteren Live-Aufnahmen, die soundtechnisch auch nur annähernd so stark gewesen wären wie die Aufnahmen der DVD, und es würde ja auch wenig Sinn machen, eine Menge Geld und Zeit darin zu investieren, ein neues Album mit komplett bekannten Songs zu machen. Es ist nun einmal so, dass der wichtigste Teil von "Exposures..." die erste CD mit dem raren und bisher unveröffentlichtem Stoff ist – die Hauptattraktion sozusagen. Die Live-CD hingegen ist einfach nur als eine Gratis-Beilage zu betrachten.
Björn:
Bei diesen Aufnahmen und ebenso bei eurem Auftritt beim "Rock Hard Festival" habt ihr euch ja weitestgehend auf das Material eurer letzten beiden Alben konzentriert. Die älteren Kompositionen scheinen ja zum größten Teil herausgefallen zu sein. Werden in Zukunft nicht wieder mehr Songs von "The Mind's I" oder "The Gallery" ihren Weg ins Set finden?
Niklas:
Es ist verrückt. Wir spielen seit einigen Jahren wieder mehr und mehr ältere Songs bei unseren Gigs, aber es ist einfach unmöglich jeden Einzelnen zufrieden zu stellen. Wir haben aber sowieso immer eine unterschiedliche Mienung darüber, welche Songs nun gespielt werden sollen. Aber schlussendlich müssen wir uns jedes mal auf das Album, was wir zum jeweiligen Zeitpunkt promoten, konzentrieren. Demzufolge wird es auch immer einen diesbezüglichen Schwerpunkt bei den jeweiligen Tourneen geben, was bei der Live-CD ja auch in Form der vielen "Damage Done"-Songs der Fall ist. So läuft das Business nun mal und ich denke, wenn das anders wäre, wollten uns die Fans auch nicht jedes Jahr aufs Neue sehen.
Björn:
Das stimmt wohl. Gut, drehen wir uns noch einmal im Kreis und kommen erneut zu eurem zukünftig erscheinenden Album. Was können wir von dieser Scheibe rein musikalisch erwarten?
Niklas:
Ich möchte noch nicht zu viele Details preisgeben, da es ja noch eine Weile dauern wird, bis die Scheibe dann herauskommt. Aber insgesamt ist es härter und technischer als "Damage Done". Wir versuchen auf jedem Album etwas anderes zu machen und dieses Mal hat sich wirklich einiges verändert, weshalb es wirklich sehr interessant zu sehen sein wird, wie die Leute auf die CD reagieren.
Björn:
Was ist denn sonst noch für die nähere Zukunft geplant?
Niklas:
Die höchste Priorität besteht natürlich darin, die Umstände für den Album-Release zu sichern und abseits davon stehen natürlich die besagten Festival-Termine auf dem Zeitplan.
Björn:
Meine letzte Frage: DARK TRANQUILLITY haben seit Jahren ein sehr stabiles Line-up. Was würde passieren, wenn plötzlich jemand gehen müsste? Könnte er ersetzt werden oder würde die Magie dann nicht mehr bestehen?
Niklas:
Es ist eine wirklich gute Sache für die gesamte Band, dass wir in unserer 15-jährigen Karriere erst zweimal Änderungen in der Besetzung vornehmen mussten. Es hat uns dabei geholfen, unserer Musik einen eigenen individuellen Charakter zu verleihen, weshalb ich auch hoffe, dass sich auch in Zukunft in dieser Hinsicht nichts ändern wird. Ich denke, dass in gewisser Hinsicht jeder ersetzt werden könnte, so dass es bestimmt nicht das Ende der Band bedeuten würde, falls jemand DARK TRANQUILLITY verließe, aber es würde sich anfangs sicher komisch anfühlen und auch eine ganze Weile dauern, bis ein passender Ersatz gefunden würde.
Björn:
Okay, das waren meine Fragen. Gibt es noch irgendetwas zu sagen?
Niklas:
Nun, vielen Dank für das Interview. Pass auf dich auf!
- Redakteur:
- Björn Backes