DARK TRANQUILLITY: Interview mit Niklas Sundin

09.12.2009 | 14:54

DARK TRANQUILLITY haben mehr zu feiern als einen zwanzigsten Geburtstag. Zwar wäre das Jubiläum Anlass genug für ein Interview, aber die Schweden veröffentlichten zudem vor wenigen Wochen ihre DVD "Where Death Is Most Alive", die in ihrem Heimatland sofort auf Platz 1 stürmte und auch die deutschen Fans begeistert. Hinzu kommt die Veröffentlichung der frühen Demos in Form von "Yesterworld" und ein neues, reguläres Album steht ebenfalls in der Endphase der Produktion. Stoff für Fragen ist also reichlich vorhanden. Gitarrist und Gründungsmitglied Niklas Sundin antwortet erfrischend ehrlich und dürfte für einige Überraschungen sorgen.

Pia-Kim Schaper:
Hallo Niklas! Zunächst möchte ich dir zum 20. Bandgeburtstag gratulieren und zur wirklich großartigen DVD "Where Death Is Most Alive", die vor einigen Wochen veröffentlicht wurde. Seid ihr zufriegen mit der DVD und der Reaktion von Fans und Presse?

Niklas Sundin:

Vielen Dank! Wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Die DVD war ein massives Projekt, das viel mehr Zeit in Anspruch genommen hat als ein normales Album, da fühlt es sich natürlich sehr gut an, es endlich veröffentlicht zu haben. Die Reaktionen waren bisher sehr gut, was bei der exzellenten Qualität nicht verwunderlich ist. Egal ob du DARK TRANQUILLITY magst oder nicht, du kannst nicht bestreiten, dass die DVD das Maximum von dem ist, was man im Metal an Sound- und Bildqualität herausholen kann. Sie ist direkt auf Platz 1 der schwedischen Musik-DVD-Charts eingestiegen und hat MICHAEL JACKSON, ABBA und MADONNA auf die Plätze verwiesen. Das ist eine großartige Reaktion.

Pia:
Ich finde den Titel der DVD klasse - es ist der beste Titel, den man für die Live-DVD einer Death-Metal-Band finden kann. Warum habt ihr diesen Titel gewählt?

Niklas:
Wir haben ihn aus dem Song 'Terminus (Where Death Is Most Alive)' genommen, weil es sich wie ein offensichtlicher Titel für eine DVD anhört. Er ist etwas interessanter als "Live In Milan" oder so was in der Art.

Pia:
Warum habt ihr für die Aufnahme Mailand ausgewählt und nicht zum Beispiel Göteborg?

Niklas:
Es ist kein Geheimnis, dass Italien immer das DARK TRANQUILLITY-Land Nummer 1 gewesen ist, wenn man nach den Fans geht, und für eine DVD ist es hilfreich, ein leidenschaftliches, warmherziges Publikum zu haben. Das geht nicht gegen die Fans in Schweden, aber wenn es den Zuschauern an Leidenschaft mangelt, sind wir nicht so energiegeladen und enthusiastisch bei Konzerten. Es gibt einige Orte, wo du diesen Mitsingfaktor hast und das Publikum mit der Musik interagiert, und Italien ist einer davon. Dadurch war es eine einfache Entscheidung, die Aufnahmen in Mailand zu machen.

Pia:
Was hast du gefühlt, als du auf die Bühne gekommen bist und die Fans die Gitarrenmelodie mitgesungen haben?

Niklas:
Das passiert in Italien immer, es war also keine große Überraschung. Natürlich ist es ein tolles Gefühl, aber ich glaube, anfangs waren wir sehr nervös, weil die Show aufgezeichnet wurde, deshalb haben wir die Publikumsreaktionen erst später realisiert, haha.

Pia:
Mikael Stanne springt ein paar Mal ins Publikum. Macht er das bei jeder Show oder war es eine Affekthandlung?

Niklas:
Er macht das häufig, dadurch war es auch keine Überraschung. Er ist ein mutiger Mann - obwohl er sich manchmal verletzt (er hat sich sogar mal eine Rippe gebrochen), macht er es weiterhin. Es ist definitiv nicht mein Ding. Ich habe mein Pensum an Stagediving bei Shows erfüllt, als ich jünger war, aber ich tue es nicht mehr. Leute sind von einer gewissen Distanz am besten, haha.

Pia:

Woher kennt ihr Nell Sigland von THEATRE OF TRAGEDY? Wie war es, mit ihr auf der Bühne zu stehen? Habt ihr schon früher mit ihr zusammengearbeitet oder sind Projekte in Planung?

Niklas:
Nun, sie hat den weiblichen Gesang auf "Fiction" beigetragen, dadurch war es ebenfalls logisch, sie auch zur DVD-Show einzuladen. Wir kennen sie aus der Zeit, als Martin Brändström bei TIAMAT gespielt hat und sie zusammen getourt sind. Sie ist eine großartige Sängerin und eine nette Person. Es wäre definitiv interessant, weiterhin mit ihr zusammenzuarbeiten. Wir brauchten jedoch keine weibliche Stimme auf dem neuen Album.

Pia:
Verglichen mit anderen Konzerten: Was war bei diesem Gig in Mailand anders?

Niklas:
Die Songauswahl war mehr oder weniger dieselbe wie beim Rest der Tour. Wir haben ein paar Extras eingebaut (wie Nells Gesang bei 'Insanity's Crescendo') und haben etwas länger gespielt. Ansonsten waren die Bühnenshow und alles andere auf der gesamten Tour gleich.

Pia:
Habt ihr zusammen mit Vasara Films an der DVD gearbeitet oder habt ihr erst das Endprodukt zu Gesicht bekommen?

Niklas:
Die Kommunikation während des Projekts war gut und wir haben Feedback gegeben, wenn sie danach gefragt haben. Wir geben den Leuten gern freie Hand und lassen die Experten ihren Job machen. Wir hatten nicht das Bedürfnis, bei jedem kleinen Detail mitzureden.

Pia:
Wer ist für das Cover-Artwork verantwortlich? Hat es eine tiefere Bedeutung?

Niklas:

Ich habe das Artwork entworfen. Es gibt kein großes Konzept dahinter, aber da es ein Release zum zwanzigsten Geburtstag ist, wollte ich dem Bild einen "alten" Look geben und gleichzeitig den Fokus auf die menschliche, nackte Qualität der Musik lenken. Wir haben kein bestimmtes Image und wir haben nie versucht, uns selbst als etwas darzustellen, was wir nicht sind, dadurch machte es Sinn, eine Figur ohne Haut mit DARK TRANQUILLITY-Symbolen zu kombinieren.

Pia:
Wer hatte die Idee zu einer Band-Dokumentation? Seid ihr zufrieden mit dem Ergebnis oder fehlen eurer Meinung nach wichtige Teile?

Niklas:
Heutzutage haben die meisten DVDs eine Art Doku- oder Behind-The-Scenes-Feature, deshalb fanden wir, es wäre eine gute Idee, auch so etwas zu machen. Je mehr Material wir anbieten können, desto besser, und dadurch, dass nur wenige unserer Fans in den ersten Tagen dabei waren, ist es für sie interessant, ein paar alte Videoclips zu sehen und Leute über die alte Szene reden zu hören. Es ist unmöglich, alles in einer 45-minütigen Doku abzudecken, deshalb bin ich sicher, dass Einiges fehlt, aber das Wichtigste wird angesprochen, denke ich.

Pia:
In der Dokumentation werden auch ehemalige Bandmitglieder interviewt. Wie ist dein Verhältnis zu ihnen?

Niklas:
Es ist alles gut. Menschen sind oft sehr mit ihrem eigenen Leben beschäftigt, dadurch sehen wir uns nicht oft. Tatsächlich habe ich im Rahmen der Aufnahmen Fredrik Johansson zum ersten Mal seit sieben oder acht Jahren wiedergesehen, aber es gibt keine schlechten Gefühle zwischen uns. Er ist zur Releaseparty gekommen und hat sich mit uns betrunken.

Pia:

Die Dokumentation beschäftigt sich mit den Wurzeln von DARK TRANQUILLITY und ihrer Entwicklung. Aber sie lässt einige Fragen offen: Warum habt ihr euch von Anders Fridén (IN FLAMES) getrennt und wie ist euer Verhältnis heute? Wart ihr mal mit IN FLAMES auf Tour oder gibt es Pläne? Und warum habt ihr euren Namen von SEPTIC BROILER in DARK TRANQUILLITY geändert?

Niklas:
Das Verhältnis zu Anders ist gut. Er wollte Teil der Dokumentation sein, aber das war zeitlich leider nicht möglich. Wir haben schon viele Touren und Konzerte mit IN FLAMES gespielt und ich habe größten Respekt vor dem, was sie erreicht haben. Der Grund für die Trennung waren die üblichen "musikalischen Differenzen" und wir haben uns ein bisschen auseinander gelebt, nichts Unübliches. Zum Namenswechsel: Es ist sehr offensichtlich, dass man nicht so einen schrecklichen Namen haben kann, wenn man als Band ernst genommen werden will, haha!

Pia:
Nur drei Bandmitglieder führen uns durch die Dokumentation. Wo sind die anderen und warum nehmen sie nicht am Rundgang teil?

Niklas:
Alle sechs Mitglieder werden interviewt. Es war nicht nötig alle Mitglieder die ganze Zeit und bei jeder Location dabei zu haben. Mikael redet ohnehin die meiste Zeit und der Rest von uns würde ihm gern alles überlassen, aber im Interesse der Dokumentation sind Martin Henriksson und ich zu unserem ersten Proberaum mitgekommen.

Pia:
Mikael sagt, die Band sei wie eine Familie. Stimmst du ihm zu?

Niklas:
Absolut. Die meisten von uns wuchsen in derselben Straße auf und wir kennen uns, seit wir drei oder vier Jahre alt sind, es ist also mehr als eine Gruppe Typen, die in derselben Band spielen. Darüber hinaus sind Vier der Fünf Gründungsmitglieder und schon seit 20 Jahren dabei, das kommt auch selten vor.

Pia:

Produzent Fredrik Nordström sagt, dass während der Albumaufnahmen Gitarrist Martin Henriksson die Band dominiert. Trügt sein Eindruck? Und wenn nicht: Wie einigt ihr euch so, dass alle Bandmitglieder mit dem Resultat zufrieden sind?

Niklas:

Nun, ich rede in einem öffentlichen Interview nicht über sowas. Das hat Fredrik gesagt. Es ist nicht so, dass Martin ein Diktator oder so was wäre. Jede Band braucht einen Anführer und jemanden, der die Entscheidungen in Musikfragen trifft und bei uns ist das Martin. Wir haben verschiedene Musikgeschmäcker und Meinungen in der Band und manche Leute, mit denen wir arbeiten, finden es seltsam, dass wir nicht in allem übereinstimmen. Aber das gibt unserer Musik eine gewisse Persönlichkeit und Charakter. Bands, in denen jeder Musiker das gleiche denkt und spielt, sind normalerweise langweilig. DARK TRANQUILLITY ist ein Schmelztiegel mit verschiedenen Ideen und Geschmäckern und dadurch entsteht unvermeidlich ein gewisser Konflikt. Aber das ist kein Problem, solange du immer noch zusammenarbeiten und Kompromisse finden kannst. Es ist nicht möglich, dass jedes Mitglied die Musik zu 100 Prozent gut findet.

Pia:
In der Dokumentation wird auch über den Göteborg-Stil gesprochen, welcher von IN FLAMES, AT THE GATES und eben DARK TRANQUILLITY geprägt wurde. Was denkst du darüber? Gibt es einen Musikstil, der von einer bestimmten Stadt anhängig ist?

Niklas:
Ich mochte die Idee des Göteborg-Sounds noch nie. Meiner Meinung nach sehen die meisten Leute die Sache nicht richtig. Was diese Bands gemeinsam hatten, war der Wunsch, etwas Originelles und Einzigartiges zu schaffen - abgesehen von melodiösen Tendenzen hatten wir alle eine andere Auffassung von Musik, Texten und so weiter. Heutzutage glaubt jeder an die Idee eines speziellen Sounds, der aus einer bestimmten Stadt kommt und eine Art beabsichtigte Bewegung oder der Wunsch, eine eigene "Szene" zu kreieren, was einfach nicht richtig ist. Es nervt, dass die Musik auf eine Art "Death Metal mit IRON MAIDEN-Harmonien" reduziert wird. In den Anfangstagen waren uns die Texte und die Musik wichtig und dass wir etwas anderes machen, als all die anderen Bands.

Pia:
Ich mag die Art, wie in der Dokumentation gefilmt wird, speziell das nahe Heranzoomen an Körperteile und Objekte in der Umgebung. Habt ihr mit dem Filmteam abgesprochen, wie der Film werden soll, oder habt ihr ihm einfach vertraut?

Niklas:

Wir haben uns nur ein bisschen über den ganzen Anfertigungs- und Aufnahmeprozess unterhalten, ansonsten hatten sie freie Hand.

Pia:
Die Sektion mit den alten Live-Videos ist großartig! Wo habt ihr die ganzen alten Bänder her?

Niklas:
Danke! Wir haben die Videos alle selbst aufgenommen (beziehungsweise Freunde). Früher hat man sich eine Videokamera für Konzerte ausgeliehen und die Kassetten anschließend kopiert und an Freunde verschickt, die Tape-Trading betrieben. Die meisten Clips aus der Live-Sektion wurden noch nie gezeigt; wir hatten Glück, dass wir die alten Bänder gefunden haben. Wir hatten schon vergessen, dass wir sie in unseren alten Häusern aufbewahrt haben. Es ist ein richtiger Trip in die Vergangenheit.

Pia:
Es ist sicher lustig, sich nach so vielen Jahren diese Videos anzusehen. Was hast du gedacht, als du sie das erste Mal wieder angeschaut hast?

Niklas:

Haha. Es ist auf jeden Fall merkwürdig. Besonders auf dem ältesten Filmmaterial - Proben von 1990 und Auftritte von 1991 - sehen wir so winzig aus. Wir waren wirklich noch Kinder.

Pia:
Warum habt ihr für 'Misery's Crown' noch einen Videoclip gedreht? Der Song wurde doch schon 2007 veröffentlicht.

Niklas:
Das ist etwas kompliziert. Wir haben schon Anfang 2007 ein Video für dieses Lied aufgenommen, aber aus verschiedenen Gründen konnte es nie verwendet werden und wurde so auch nie richtig fertiggestellt. Im vergangenen Frühling bekamen wir das Angebot, alles neu aufzunehmen und einen simplen, aber stilvollen Clip für 'Misery's Crown' zu erstellen. Wir haben angenommen, auch wenn der Zeitpunkt wirklich etwas seltsam ist. Wir kamen zu dem Schluss, dass ein spät erscheinendes Video besser ist als gar nichts und es ist ein weiterer Bonus für die DVD.

Pia:
Auf der DVD gibt es Verbindungen zu deutschen Bands, zum Beispiel ein Poster von KREATOR. Wie stark war der Einfluss dieser Bands auf eure Musik und was denkst du über deutschen Metal?

Niklas:
Deutscher Metal hatte anfangs auf jeden Fall starken Einfluss auf uns. Wir haben viele CDs und Merchandise von Hellion Records bestellt, weil damals viele deutsche Veröffentlichungen nicht in Schweden erhältlich waren. KREATORs "Flag Of Hate" war womöglich die erste extreme Scheibe, der wir alle verfallen waren, und 'After The Attack' auf einem alten Noise Records Sampler zu hören, war wirklich atemberaubend. Neben KREATOR waren wir noch große Fans von Bands wie SCANNER, SDI, MANIA, NOT FRAGILE, DEATHROW, ASSASSIN, TANKARD, POISON, HELLOWEEN, RUNNING WILD, RAGE und vielen mehr.

Pia:
Welches sind deine Lieblingsbands? Hörst du auch Bands, die keinen Metal spielen?

Niklas:
Mein Musikinteresse dreht sich immer wieder im Kreis. Seit vier bis fünf Monaten arbeiten wir Vollzeit am neuen Album - jeden Tag proben und dann rund um die Uhr im Studio sein - dadurch habe ich überhaupt keine Ahnung, was auf dem Musikmarkt los ist. Da draußen gibt es mit Sicherheit viele Talente, aber ich bin im Moment sehr selektiv und meistens endet es damit, dass ich mir alte Klassiker anhöre, anstatt immer wieder nach neuen Bands zu suchen. Aber um etwas Aktuelles zu nennen: Ich denke, das neue BEHEMOTH-Album ist wirklich gut.

Pia:
Kannst du ein paar junge, schwedische Bands nennen, die in Zukunft erfolgreich sein könnten?

Niklas:
Ich denke über sowas eigentlich nicht nach. Es gibt ein paar Bands, die auf Großes aus sind, aber das hat mehr mit Marketing zu tun. Es kommt darauf an, die richtigen wirtschaftlichen Entscheidungen zu treffen, viel zu touren und eine Plattenfirma zu haben, die dir hilft, eine Marke aufzubauen und das richtige Publikum anzuvisieren - und sowas interessiert mich nicht. Das ist nichts gegen diese Bands - einige von ihnen machen ihre Sache gut und schreiben gute Lieder - aber die meisten der Bands, die ich wirklich mag, sind weit weg davon, erfolgreich oder beim durchschnittlichen Metal-Hörer bekannt zu sein.

Pia:
DARK TRANQUILLITY gibt es jetzt seit zwanzig Jahren. Gibt es Dinge, die du jetzt anders machen würdest? Bist du zufrieden mit deiner Karriere und dem, was du mit deiner Band erreicht hast? Und wo siehst du die Band in zwanzig Jahren?

Niklas:
Wir haben nicht so viele schlechte Entscheidungen getroffen oder etwas, das wir wirklich bereuen würden, aber natürlich hat Jeder mal Pech. Es gab Zeiten, in denen wir sehr unmotiviert waren, aber ich kann mich nicht an irgendwelche großen Probleme erinnern. Im Vergleich zu anderen Bands hatten wir es ziemlich leicht.
Es ist schwierig, sich die Band im Jahr 2029 vorzustellen, aber wir werden sehen. Wir denken von Jahr zu Jahr und wenn das dazu führt, dass es uns nach 40 Jahren noch gibt, wäre das eine coole Sache.

Pia:
Welcher war der beste Moment in deiner Karriere mit DARK TRANQUILLITY und welcher der schlechteste?

Niklas:
Der beste Moment war wahrscheinlich im Jahr 1993, als ich unser Debüt-Album in den Händen hielt - das war wirklich der Durchbruch. Und der schlechteste: Wir wurden einige Male ziemlich übel zerrissen, uns wurde Equipment gestohlen und sowas, aber kein totales Desaster. Ich denke, jede Band, die es länger gibt, macht ähnliche Erfahrungen, also können wir uns nicht beklagen.

Pia:
Wo spielst du am liebsten Konzerte und warum?

Niklas:
Das ist immer unterschiedlich. Manchmal machst du fantastische Erfahrungen, wenn du vor 150 Leuten spielst, und manchmal spielst du auf einem Festival vor 30.000 Leuten und es fühlt sich nicht gut an. Es hängt von anderen Faktoren als dem Ort selbst und der Menge der Leute ab - es ist unvorhersehbar. In manchen Städten ist das Publikum immer großartig, aber das bedeutet nicht automatisch, dass das Konzert wirklich außergewöhnlich wird, jedenfalls für mich nicht.

Pia:
Erinnerst du dich an dein allererstes Konzert mit DARK TRANQUILLITY? Und an dein erstes Konzert als Fan?

Niklas:
Ja, ich erinnere mich noch genau an den ersten DARK TRANQUILLITY-Auftritt Ende 1990. Es war einzigartig und eine merkwürdige Erfahrung: Wir haben vorher nie außerhalb des Proberaums gespielt und der Klang auf der Bühne ist sehr anders, so dass wir während des Soundchecks große Probleme hatten, zusammenzuspielen, weil wir nicht daran gewöhnt waren, dass Schlagzeug und Bass aus den Bühnenmonitoren kommen. Aber nach einiger Zeit war es in Ordnung. Mein erstes richtiges Konzert als Fan war wohl IRON MAIDEN oder HELLOWEEN in '87 oder '88. Ein guter Einstieg!

Pia:
Einige eurer Alben wurden re-released. Was hältst du davon, CDs neu zu mastern, vielleicht ein oder zwei Bonustracks anzuhängen und diese dann zu veröffentlichen? Klingen eure eigenen Re-Releases jetzt anders?

Niklas:
Die aktuellen Neuveröffentlichungen von "Haven", "Damage Done" und "Projector" klingen besser als die Originale, bei manchen anderen macht es aber keinen Unterschied. Einerseits ist es für uns toll, dass wir ein Album erneut veröffentlichen können und rare Bonustracks hinzufügen können, um so das damalige Bild zu vervollständigen. Manchmal möchtest du auch einfach Dinge verbessern, die dir auf der Erstauflage nicht gefallen. Auf der anderen Seite kann ich es auch verstehen, warum einige Leute es übertrieben finden, wenn eine Band ihre alten Alben ständig neu veröffentlicht. Wir versuchen, eine Balance zu finden und es nicht zu übertreiben. Ich kann es gut nachvollziehen, wenn ein Fan sich die Re-Releases nicht kauft, weil er das Original ohnehin schon hat.

Pia:
Ihr habt dieses Jahr die CD "Yesterworld - The Early Demos" rausgebracht. Was war die Idee dahinter und wie kommt das Album bei den Fans an?

Niklas:
Viele Leute haben uns gefragt, ob wir zum Zwanzigjährigen eine spezielle Veröffentlichung machen. Wir dachten lange Zeit, dass eine Veröffentlichung sinnlos wäre, wenn wir darauf nichts Neues anbieten können, aber dann fanden wir die Aufnahmen zu einem Demo aus dem Jahr 1994, die noch kaum jemand gehört hat, und dadurch wurde das Projekt interessant. Es ist die erste Aufnahme, auf der Mikael singt und sie enthält die Originalversionen von 'Punish My Heaven', 'Away, Delight, Away' und 'My Gallery'. Die Reaktionen waren bisher sehr gut.

Pia:
Das Wort "Yester" erinnert mich an das "Jester"-Thema von IN FLAMES mit dem Jesterhead als Logo und den Liedern 'Jesterrace' und 'Jester's Dance'. Stehen die beiden Wörter in irgendeiner Verbindung?

Niklas:
Nein, überhaupt nicht. Die Wörter mögen gleich klingen, bedeuten aber etwas völlig Unterschiedliches, wenn man sie nachschlägt. Ich habe zu den Texten zum "The Jester Race"-Album beigetragen und habe das gesamte Konzept zusammen mit Anders Fridén entwickelt. Das Ganze unterscheidet sich stark von dem, was DARK TRANQUILLITY machen. Es würde auch keinen Sinn machen, Texte für eine andere Band zu schreiben, ohne das von dem abzuheben, was du mit deiner eigenen Band machst. Unser Lied 'Yesterworld' wurde geschrieben, lange bevor es IN FLAMES gab.

Pia:
Welches eurer Alben ist dein Lieblingsalbum?

Niklas:
Ich habe nicht wirklich eines. Jedes Album repräsentiert unsere Ziele und Ambitionen zur Zeit der Aufnahme. Es ist auch sehr schwer, "Skydancer" mit unserem aktuellen Album zu vergleichen, weil siebzehn Jahre dazwischen liegen. Unsere Geisteshaltung und Meinung zu Musik und was wir erreichen wollten, war damals ganz anders als heute. Es klingt für Nicht-Musiker vielleicht komisch, aber nachdem du ein Album aufgenommen hast und jedes einzelne Riff Millionen Male analysiert, gespielt und gehört hast - zu Hause, im Proberaum oder im Studio - verlierst du den Bezug dazu und es fällt dir schwer, dir deine eigene Band anzuhören und daraus etwas zu gewinnen. Die interessantesten DARK TRANQUILLITY-Songs sind immer die, an denen wir gerade arbeiten, bis sie vollständig und veröffentlicht sind.

Pia:
Das nächste DARK TRANQUILLITY-Album "We Are Void" soll im Februar kommenden Jahres erscheinen. Kannst du mir etwas über das neue Material erzählen? Wie lief der Aufnahmeprozess ab? In welche Richtung geht das Album und gibt es Überraschungen? Haben sich DARK TRANQUILLITY weiterentwickelt und ist schon eine Tour für das Album geplant?

Niklas:
Ich bin sicher, dass einige Leute sagen werden, dass das die alten DARK TRANQUILLITY sind, andere wiederum werden überrascht sein, haha. Das ist alles so subjektiv, deshalb sollte sich jeder selbst das Album anhören und sich seine eigene Meinung bilden. Es gibt einige Überraschungen und natürlich auch ein neues musikalisches Konzept, gleichzeitig verwenden wir auch Riffs, die 1998 geschrieben wurden. Zur Studioarbeit: Den Bass und das Schlagzeug haben wir in Daniel Antonssons GRS Studios aufgenommen, den Rest in Martin Brändströms Rogue Music Studio - wir behalten also alles in der Familie. Alles wurde von Tue Madsen in Antfarm gemixt. Er hat wie immer einen guten Job gemacht. Natürlich werden wir ausgedehnte Touren fahren, aber für einen Plan ist es noch etwas zu früh.

Pia:
Ihr macht bei der Darkness-Over-X-Mas-Tour mit. Freut ihr euch darauf, wieder in Deutschland aufzutreten? Was hältst du von den anderen Bands, die dort auftreten (HEAVEN SHALL BURN, DEADLOCK, SWASHBUCKLE)?

Niklas:
Ich habe mich noch nicht so sehr mit den anderen Bands befasst, als dass ich in einem Interview etwas über sie sagen könnte. Sie scheinen professionelle und hart arbeitende Künstler zu sein, deshalb bin ich sicher, dass die Tour einschlagen wird. Wir freuen uns auf jeden Fall darauf, wieder in Deutschland zu spielen.

Pia:
HEAVEN SHALL BURN und DEADLOCK spielen eine Art Hardcore oder Metalcore. In Deutschland wächst diese Szenen momentan stark. Was denkst du über diese Musik? Gibt es in Schweden auch eine Hardcore-Szene?

Niklas:
Ich bin dieser Tage ziemlich weit weg von der Szene, habe also keine Ahnung, was da gerade passiert. Ich gehe davon aus, dass die Metalcore-Szene in Deutschland weitaus größer ist als die schwedische, aber ich kann mich da auch komplett irren.

Pia:
Die Musik von SWASHBUCKLE wird häufig als Piratenmetal bezeichnet. Was denkst du über den Piratenhype und über Klassifizierung von Musik?

Niklas:
Hahaha. Nun, ich habe überhaupt keine Ahnung. Ich habe nichts von irgendeinem Piratenhype mitbekommen, aber wie gesagt, ich befasse mich momentan nicht sehr mit der Szene. Wenn sie in die Fußstapfen von Rock'n'Rolf und seinen lustigen Mannen von RUNNING WILD treten, finde ich das sehr gut. Zur Klassifizierung von Musik: Es hat seine Vorteile, auch wenn ich manchmal die Zeiten vermisse, in denen Metal einfach Metal war.

Pia:
DARK TRANQUILLITY hat Accounts in sozialen Netzwerken wie Facebook und MySpace. Was denkst du über diese so genannten Social Communities?

Niklas:

Da habe ich gemischte Gefühle. Es ist ein effizienter Weg, Informationen und Neuigkeiten auszutauschen, aber es ist auch ermüdend und frustrierend, sich mit etwas Anderem als Musik zu befassen. Außerdem wird man der faulen Leute müde, die immer wieder die gleichen Fragen stellen, anstatt fünf Minuten lang selbst zu recherchieren. Die meisten Leute wollen dort ohnehin nur ihren eigenen Terminkalender veröffentlichen und für ihre Seite werben. Schau dir die MySpace-Seiten von größeren Bands an. 90 Prozent der Kommentare sind nur "Wassap? Check my band out!" oder andere Eigenwerbung. Natürlich haben die Social Communities aber auch viele gute Seiten. Ich glaube, wir sind einfach die falsche Generation, um das wirklich zu würdigen, haha.

Pia:
Auf eurer MySpace-Seite gibt es ein Brick-Video, das euch als Lego-Figuren zeigt. Wer hat dieses Video gemacht?

Niklas:
Ein deutscher Fan hat dieses Video gemacht. Es ist mal etwas Anderes und Unerwartetes. Es ist interessant, hier und da mit den Erwartungen der Leute zu spielen.

Pia:
Du ein Gründungsmitglied, aber als Sänger liegt der Hauptfokus auf Mikael Stanne. Genießt du es, eher im Hintergrund zu sein, oder wünschst du dir manchmal mehr Aufmerksamkeit von den Medien?

Niklas:
Nein, es geht mir nicht um Aufmerksamkeit. Mikael macht einen tollen Job als Frontmann und der Rest von uns genießt es, im Hintergrund zu sein und sich auf die Musik zu konzentrieren. Ich kann das gut: Auf unserer DVD-Release-Party haben mich manche Fans gar nicht erkannt, obwohl sie gerade noch die komplette DVD gesehen haben, was ich sehr genieße.

Pia:
Daniel Ekeroth erwähnt euch in seinem Buch "Swedish Death Metal". In diesem Buch erwähnt zu werden, bedeutet auch, dass ihr ein wichtiger Teil schwedischer Metalgeschichte und der Geschichte des Metals allgemein seid. Fühlt ihr euch dadurch geehrt?

Niklas:
Er hat einen guten Job mit dem Buch gemacht. Geehrt? Ich weiß nicht, ich denke nicht auf diese Weise. Wir waren Teil einer Szene, die sehr groß geworden ist und wir haben Musik gemacht, die zu der Zeit originell war und die viele andere Bands auf der ganzen Welt beeinflusst hat. Das ist nur ein Fakt. Es ist aber kein Geheimnis, dass Ekeroth den sogenannten Göteborg-Sound nicht mag, weil er ihn zu melodisch und schwach findet. Als ich das Buch gekauft habe, hat er mir gesagt, ich solle nicht erwarten, etwas Positives über DARK TRANQUILLITY darin zu finden, was natürlich völlig in Ordnung ist. Ein Grund, warum ich das Buch mag, ist, dass es sehr subjektiv und ehrlich geschrieben ist, was es viel interessanter macht als ein Buch, in dem einfach nur Fakten erklärt werden.

Pia:
Danke für das Interview!

Niklas:
Danke!

Redakteur:
Pia-Kim Schaper

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