DEADSYSTEM: Interview mit Julez Holzmann

30.06.2013 | 07:58

Dass die Musik von DEADSYSTEM mehr Menschen gefallen müsste als jenen, die die Band bisher für sich entdeckt haben, ist eine Annahme, in der ich mit Julez Holzmann, dem Gitarristen dieser rheinland-pfälzischen Melodic-Death-Metal-Band übereinstimme. Mit "As I Fade" erscheint Ende Juli 2013 eine mitreißende Death-Metal-Scheibe, die mich immerhin so entflammt hat, dass ich mehr über die Helden erfahren möchte, die hinter dem Namen DEADSYSTEM stecken.

Die aktuelle Scheibe von DEADSYSTEM erscheint neun Jahre nach Gründung der Band. Im Jahre 2004 startete die Truppe allerdings noch unter anderem Namen und die Stilrichtung des Melodic Death Metal musste sich erst einmal finden. Julez erinnert sich: "Jawohl, gestartet haben wir als Coverband DUSTYSUCKERS. Das war für uns ein lustiger, spannender und einfach toller Einstieg in die Bandarbeit und Metal im Allgemeinen. Damals entwickelten wir unsere Vorlieben. Bei der riesigen Anzahl an guter Musik, mussten wir fleißig hören, beurteilen und nachforschen bis wir gefunden haben, was uns am ehesten zusagt. Ich persönlich liebe fast jeder Art von Musik. Aber im Bereich Metal hat es mir besonders der schwedische Melodic Death Metal angetan. Für uns ist das eine der ehrlichsten Stilrichtungen, da sie die nötige Härte, Rhythmik und vor allem die schönen Melodien beinhaltet, die in anderen Subgenres etwas dezenter gehalten werden oder gar nicht erst vorkommen."

Bevor diese Erkenntnis gewachsen ist, haben sich Julez und seine Bandkollegen aber das Metalgenre erst einmal neugierig erarbeitet. Fast eine Kindheitserinnerung kommt da wieder auf, wie mir scheint.
"Den Weg zum Metal fanden wir damals als Teenager im zarten Alter von 14 Jahren. Das war so in der Zeit als LIMP BIZKIT, LINKIN PARK und KORN MTV beherrschten. Auch wenn diese Bands nicht mehr viel mit Metal zu tun haben, so haben uns die Art ihres Auftretens, die groovigen Beats und verzerrten Gitarren das Tor zu einer neuen Welt eröffnet. Schnell danach kam man in die richtigen Kreise und holte sich von allen Seiten Input. Da kam mal 'ne Schallplatte von IRON MAIDEN oder SODOM. Über jemand anderen haben wir dann die übelsten Black-Metal-Underground-Schwarten entdeckt. Es war teilweise sehr kurios und so ging es dann auch immer etappenweise voran, bis man sich zu seinen Lieblingen herangearbeitet hatte."

Dass der Sound von DEADSYSTEM auf dem zweiten Longplayer ziemlich ausgefeilt und anspruchsvoll klingt, mag aus meiner Sicht auch daran liegen, dass die Bandmitglieder nicht ausschließlich Autodidakten sind, sondern auf eine solide musikalische Ausbildung und Kenntnisse aus anderen Musikrichtungen  zurückgreifen können.
"Auf der aktuellen Platte "As I Fade" habe ich tatsächlich versucht unterschiedliche Merkmale von anderen Musikrichtungen einzufügen. Bei 'Snow White' haben wir z.B. die Streicher, Trompeten und einen düsteren Chor, der das Stück ein wenig an Black Metal erinnern lassen könnte.
'Undone' beinhaltet ein kurzes Solo mit einer atmosphärischen Begleitung in einem verschobenen 5/4-Takt. Da findet man dann die Jazz-Elemente. In dieser Art sind in allen Songs ein paar Details versteckt, die natürlich auch zeigen sollen, dass wir uns nicht stur auf eine Art beschränken sondern auch die guten Seiten anderer Richtungen positiv in unser Schaffen integrieren wollen. Wir sind nicht ausschließlich Autodidakten, wobei man dem eine große Rolle zusprechen muss. Dennoch hatten wir alle auch mal Unterricht. Ralf (Bass) und Ritchie (Gitarre) waren für ca. ein  Jahr im Unterricht, gingen dann aber auch den Weg, sich die Spielarten selbst beizubringen. Andreas (Drums) war bestimmt 8 Jahre im Schlagzeug-Unterricht und ich habe auch so ziemlich alles durch. Cello, Klavier, Gitarre. Sogar Akkordeon, was ich dann später im Hauptfach Jazz studiert habe."

Beim ersten Hörgenuss von "As I Fade" musste ich aber eigentlich sogleich an den so genannten "Göteburg-Style" denken.  IN FLAMES, CHILDREN OF BODOM, SOILWORK, AS I LY DYING und ARCH ENEMY sind die Einflüsse, die auf dem Facebook-Profil von DEADSYSTEM genannt werden. Aus meiner Sicht fehlt DARK TRANQUILLITY in der Aufzählung. Julez stimmt zu: "Absolut richtig, DARK TRANQUILLITY darf in dieser Liste auf keinen Fall fehlen! Da fehlen sicher noch einige Bands, die wir lieben. AT THE GATES, HYPOCRISY etc. gehören auch zur ersten Wahl. Wie schon weiter oben beschrieben ist dieser Göteborg-Stil genau das, was wir machen wollen. Diese Bands haben diesen puren einzigartigen Sound kreiert und sprechen mir aus der Seele. Die Art wie die Musik komponiert wird und die Stimmung, die sie verbreitet, macht sie zu etwas einzigartigem, zu dem wir auch unseren Teil beitragen möchten."


Die Orientierung an einem bestimmten Musikstil ist aber nur die halbe Miete des Erfolges. Ein bisschen Talent und gute Zusammenarbeit in der Band gehören auch dazu. Ich möchte daher wissen, wie Julez und seine Mitstreiter beim Songwriting vorgehen und welche Rollenaufteilung es in der Band gibt. "Bei "As I Fade" habe ich viele Ideen in den letzten Jahren gesammelt. Mit Andreas haben ich mich dann ein halbes Jahr lang mindestens einmal in der Woche getroffen, damit wir zusammen diese Grundgerüste weiter ausbauen können. Nachdem wir dann eine große Anzahl von Songs schon mal in unserem eigenen Studio vorproduziert hatten, haben wir die komplette Band eingeladen zum Durchhören aller Stücke. Dort wurde nochmals aussortiert bzw. umstrukturiert bis man ein Ergebnis hatte, mit dem wir uns alle bestens anfreunden konnten. Den größten Teil der Songs sowie die Texte schreibe ich, Ritchie war dieses Mal für 'Affliction' und 'Tranquillity' verantwortlich. Geprobt wurden die Stücke dann erst, nachdem im Studio alles aufgenommen wurde."

Themen und Inhalte für die Songtexte zu finden, scheint Julez und den anderen dabei nicht besonders schwer zu fallen. Das Leben selbst gibt den Künstlern offenbar genug Stoff, der verarbeitet werden kann. Eine hochgestochene Botschaft zu vermitteln, ist hingegen nicht der Anspruch von DEADSYSTEM.
"Ich mache mir da keine großen Gedanken", räumt Julez ein, "meistens, nehm ich die Gitarre in die Hand und fange einfach an, bis ich was habe, das rockt. Die Texte zu den Songs sowie die meisten Gesangslinien kommen erst danach. Die Texte handeln dann fast alle ausschließlich von eigenen Problemen. Leid, das nur in Musik richtig zum Ausdruck gebracht werden kann. Für und mit meiner Band Musik zu machen, ist für mich eine Konfliktbewältigung."

Obwohl sich Konfliktbewältigung fast nach einem therapeutischen Prozess anhört, habe ich den Eindruck, als fiele Julez das Komponieren nicht besonders schwer. Ich möchte daher wissen, wie er die Entwicklung seiner Band nach dem Debütalbum "Misery Within" im Jahre 2010 heute bewertet und wie die Band sich aus seiner Sicht stilistisch weiterentwickelt hat.
"Wir haben einen riesigen Sprung gemacht von "Misery Within" zu "As I Fade", resümiert Julez. " Die Musik ist wesentlich reifer, bodenständiger und das Songwriting im Allgemeinen hat sich deutlich verbessert. Es lagen auch knapp drei Jahren zwischen beiden Alben. Verändert haben wir im Prinzip unsere Art zu experimentieren. Damals hätte man noch jede Idee für gut geheißen und hätte freudig irgendwas in die Songs transplantiert, ohne sich größere Gedanken um alles zu machen. Ich bin aber froh, dass es so gekommen ist. Ohne Fehler lernt man eben nicht dazu. So wird es dann sicher auch mit den dritten Album passieren. Was uns heute noch gefällt, wird uns in zwei bis drei Jahren bestimmt den Kopf zum Rauchen bringen.
Weiterentwickelt haben wir unsere eigene Art, quasi das personal flavour wie wir die Songs schreiben. Ich versuche ständig, nicht wie andere Bands zu klingen, ohne dabei negativ aufzufallen. Manchmal gelingt das sehr gut, manchmal eben nicht. Aber so ist es beim Songwriting. Trial & Error hilft mir beim Filtern."

Neben der eigenen Kreativität und der Weiterentwicklung des eigenen Stils ist eine junge Band aber auch mit dem Überleben im Musikbusiness konfrontiert.  Ohne das Geschäftliche geht es ja kaum voran. Ich frage, ob Julez in den vergangenen drei Jahren eher positive Erfahrungen im Musikgeschäft gemacht hat oder ob es auch Tiefschläge gab, die ihm und der Band die Lust an der Musik verdorben haben? Die Antwort ernüchtert mich etwas. Man benötigt offenbar einen langen Atem, um sich nicht die Laune an der Sache verderben zu lassen.
"Soeben denke ich wieder an die ganzen Pannen der vergangenen Jahre. In der heutigen Musikwelt braucht man extrem viel Ehrgeiz und ein noch dickeres Fell, um nicht langsam unter zu gehen. Es gab sogar sehr selten positive Impulse nach unserem Debut. Wir hatten Ärger mit einem Festival im Osten, das sehr gerne Bands als Werbeplattform (aus)nutzt. Pay to Play im großen Stil. Das war ein Event, das uns ziemlich viel Nerven und im Endeffekt auch 'ne Stange Geld gekostet hat. Dann kam es innerhalb der Band immer wieder mal zu Raufereien, permanenter schlechter Laune und all den Sachen, die der Kreativität und dem Bandgefüge nur geschadet haben. Das Gute daran: Negative Erlebnisse lassen sich perfekt im Songwriting verarbeiten und das haben wir ja dann auch getan."

Julez hat sich also nicht unterkriegen lassen. Im Gegenteil, er hat sich noch einen weiteren Schritt zugetraut und mit Julezz & Julezz Entertainment sogar ein eigenes Label gegründet, bei dem ja auch "As I Fade" erschienen ist. Ich frage mich, ob man nicht allerhand Rechtskenntnisse benötigt, um bei dieser Form der Geschäftsgründung nicht über den Tisch gezogen zu werden. Julez ist da weniger skeptisch. Er berichtet: "Eigentlich ist es gar nicht so schwer, ein eigenes Label zu gründen. Die Arbeit bzw. der Aufwand dahinter ist allerdings enorm. Klar gehört ein gewisses Maß an Kenntnis dazu, aber das kommt ja mit den Jahren. Als Mitglied im Verband Deutscher Musikschaffender werde ich dazu immer bestens von Herrn Quirini und Herrn Starkens beraten."

Und dann kommt ja noch die Aufgabe hinzu, sich um andere als die eigene Band zu kümmern. Julezz & Julezz Entertainment hat noch drei weitere Bands unter Vertrag, die Zeit und Energie in Anspruch nehmen. Ich unterstelle, dass es ein Rollenkonflikt sein kann, selbst Musiker und Verleger zu sein. Da stimmt Julez mir ein bisschen zu.
"Es gibt insofern Konflikte, als ich als Label auch erkannt habe, warum eben nicht jede Band einen Plattenvertrag bekommt. Die Arbeit, eine Band über Jahre permanent aufzubauen ist so zeit-und kostenintensiv, dass man sich wirklich nur die vielversprechenden Bands ins Boot holen kann, die von sich aus schon eine Menge erledigen. Als Full-Time-Job kann ich das trotzdem noch nicht bezeichnen. Die Verkäufe bei so wenig Releases sind zu gering, um mich da über Wasser halten zu können.  Hauptberuflich bin ich privater Musiklehrer und bereite quasi "the next generation of metalheads" auf ihre Zukunft vor. Man kann ja nie wissen, plötzlich hat man seinen eigenen Schüler in zehn Jahren auf der Black Stage von Wacken."

Da drücken wir mal die Daumen! Aber vorher möchte ich noch wissen, wie Julez DEADSYSTEM eigentlich in der Flut von Veröffentlichungen wahrgenommen sieht, die jeden Tag den Musikkontinent überschwemmt. Etwas zugespitzt formuliert sage ich, jeder Hobbymusiker bringt eine Eigenproduktion auf den Markt, die nicht unbedingt taugt. Wie fühlt man sich im Getümmel dieser Fluten?
"Dem stimme ich zu. Egal wohin man schaut, es kommen jeden Tag neue Bands und neue CDs auf den Markt, dass man schon gar nicht mehr weiß, was davon nun wirklich interessant sein könnte. Früher habe ich mich in Foren über Neuerscheinungen informiert oder habe mir Tipps von Freunden zu neuen Bands geben lassen. Heutzutage lese ich dank Facebook jeden Tag von zehn neuen Bands, die mehr oder weniger alle gleich klingen. Mittlerweile bin ich schon gar nicht mehr so oft auf der Suche nach neuer Musik, denn oft werd ich nur noch enttäuscht. Womit wir wieder zu DEADSYSTEM kommen würden. Ich glaube, es gibt einige, die da genauso wie ich denken. Wenn jemand nun durch YouTube oder Facebook stöbert und zufällig unseren Namen liest, wird einfach darüber hinweggesehen. Ich bin zumindest der Überzeugung, dass unsere Musik mehr Leuten gefallen könnte, als es momentan den Anschein macht. Gäbe es keine Überflutung, hätten einzelne Bands eine größere Chance, entdeckt zu werden. Auf der anderen Seite bleiben gute Dinge immer im Gedächtnis. Aber da lass ich mich mal überraschen, wie es mit "As I Fade" aussehen wird."

Genau. Die guten Dinge bleiben im Gedächtnis. Damit DEADSYSTEM auch tatsächlich im Gedächtnis bleibt – und ich räume den hartnäckigen Pfälzern hier eine gute Chance ein – sollte die Truppe sich auch live bald sehen lassen. Julez hat tatsächlich schon einen Termin parat: "Wir spielen am 26.07.13 unsere Release Show zu "As I Fade". Die Fete steigt im 7er Club in Mannheim. Mit dabei haben wir OUT OF DAMAGE, THE PROPHECY 23 und SYMBOLIC.. Wer vorbeikommen möchte, darf sich auf dieser Seite über weitere Infos schlau machen: http://asifade.deadsystem.de/ "

Ich hoffe, das wird ein gut besuchtes Konzert, das der Band mit ihrer neuen Scheibe ein paar Türen zum Erfolg öffnet.

Redakteur:
Erika Becker

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