DIAMOND HEAD: Brian Tatler im Interview

06.05.2016 | 17:15

Langsamer Abgang von der großen Bühne, oder doch eine Wiederauferstehung mit dem siebten Album nach mehr als 40 Jahren Bandgeschichte?

Diese Frage stellten sich wohl nicht wenige Fans der britischen NWoBHM-Legende DIAMOND HEAD angesichts der Ereignisse der letzten Jahre, in denen es doch recht still um die Truppe wurde. 2014 entließen die Briten zu allem Überfluss auch noch ihren Frontmann Nick Tart, was weitere Zweifel an der Zukunft der Band nährte. Nun melden sich Bandkopf Brian Tatler und seine Mitstreiter allerdings mit einem Paukenschlag zurück, denn der neue Longplayer "Diamond Head" ist wohl das stärkste Album der Band seit den glorreichen Achtzigern. Was der neue Frontmann Rasmus Bom Andersen mit dem wiedergefundenen Elan der Jungs zu tun hat und wie es sonst so um die Legenden der Szene steht, das erläutert uns Brian im folgenden ausführlichen Interview.

Hallo Brian und erst einmal vielen Dank, dass du dir die Zeit für das Interview nimmst. Bevor wir uns den Songs des neuen Albums "Diamond Head" widmen, würde ich gerne erst einmal wissen, wie zufrieden du mit der neuen Scheibe und vor allem mit den bisherigen Reaktionen zum Album bist?

Bisher waren die Reaktionen auf die Platte grandios. Mir war zwar von Anfang an bewusst, dass wir ein gutes Album aufgenommen haben, trotzdem sind die Reviews bisher deutlich besser als erwartet. Teilweise sind das die besten Pressereaktionen, die wir seit den Anfangstagen der Band bekommen haben. Es fühlt sich fast ein wenig nach einer Wiedergeburt an. Ich selber muss aber zugeben, dass ich die Scheibe seit der Produktion nicht mehr gehört habe. Nachdem ich gut ein Jahr jede Aufnahme aus dem Proberaum, jedes Arrangement, jeden Mitschnitt aus dem Studio und die verschiedene Mixes und Masterings angehört habe, brauchte ich einfach mal eine Pause.

"Diamond Head" ist auch euer erster Langspieler mit Rasmus Bom Andersen hinter dem Mikrofon, der aus meiner Sicht einen fantastischen Job gemacht hat. Warum habt ihr euch denn vor zwei Jahren von Nick Tart getrennt? War es einfach zu problematisch mit jemandem zu arbeiten, der in Australien lebt?

Nick ist im Jahr 2009 nach Brisbane ausgewandert und seither war es nahezu unmöglich, die gesamte Band an einen Ort zu bekommen, um an neuem Material zu arbeiten. Wir sind dann zwar weiter auf Tour gegangen, allerdings ist Nick wirklich nur für die Konzerte nach Europa gekommen. Anschließend stieg er ins nächste Flugzeug, weil er in Australien natürlich auch seine Familie und vor allem einen regulären Job hat. So wurde das Ganze dann immer komplizierter und vor allem auch verdammt teuer. Am 4. Oktober 2013 spielte Nick dann den letzten Gig mit DIAMOND HEAD, was eigentlich eher zufällig passierte. Sein Vater lag zu dieser Zeit mit Krebs im Krankenhaus, weshalb Nick uns nicht auf der anstehenden Tour durch Amerika begleiten konnte, und wir spielten stattdessen mit Chas West am Gesang die verbliebenen Konzerte des Jahres. Im März 2014 haben wir dann endgültig beschlossen, einen Sänger zu suchen, der zumindestens in Großbritannien lebt. Nachdem wir dann Ras zur Band dazugeholt hatten, konnten wir endlich auch mit den Arbeiten an neuem Material loslegen. Zwar ist Ras gebürtiger Däne, er lebt aber in London, sodass er bis zu unserem Proberaum ganz einfach per Zug anreisen kann.

Beim ersten Durchlauf des neuen Albums war ich sehr überrascht, was für ein breites stilistisches Spektrum die Songs abdecken. Natürlich seid ihr dem klassischen Sound der New Wave of British Heavy Metal treu geblieben, allerdings habt ihr dem Material einen sehr modernen Anstrich verpasst. War es von Anfang an das Ziel, den DIAMOND HEAD-Sound etwas zu überarbeiten?

Ras war beim Songwriting sehr erpicht darauf, dass wir die Songs alle gemeinsam schreiben, so wie wir es bereits zu Beginn unserer Karriere gemacht haben. Ich selbst war ursprünglich ga rnicht so zufrieden mit dem Material, das ich bis dahin gesammelt hatte, aber Ras sah darin Potential. Generell hat er uns allen einen wirklichen Tritt in den Hintern gegeben, nachdem wir doch etwas lethargisch geworden waren. Der moderne Sound kommt dabei am ehesten durch die modernen Verstärker und durch die modernen Aufnahmetechniken zustande. Natürlich muss alles noch sauber eingespielt werden, aber durch die digitale Bearbeitung kann man Dinge erreichen, die vor 20 Jahren noch undenkbar gewesen wären. Bevor wir dann wirklich ins Studio gegangen sind, haben wir alle Songs als Demo aufgenommen und mehrfach im Proberaum überarbeitet, denn wir wollten das Geld der Band nicht damit verbrennen, dass wir erst im Studio noch einmal an den Arrangements feilen.

Noch überraschter war ich vom Song 'Silence', der mich extrem an 'Kashmir' von LED ZEPPELIN erinnert. Wie wurde der Track geschrieben und ist LED ZEPPELIN auch für dich persönlich ein großer Einfluss?

'Silence' begann eigentlich als Jam im Proberaum im letzten Jahr. Damals hatte ich nur das Gitarren-Riff, das nach dem Chorus einsetzt, und wir haben dann einfach drauf los improvisiert. Die Streicher und Orchestrationen hat dann Ras übernommen, der bisher nicht wirklich viel LED ZEPPELIN gehört hat und sogar den Song 'Kashmir' gar nicht kannte. Dementsprechend ist eine Parallele zu 'Kashmir' eventuell nicht abzustreiten, allerdings beteuert Ras, dass er die Streicher so arrangiert hat, weil sie in dieser Form das Gitarren-Riff in der Bridge besser unterstützen. Eigentlich war der Track insgesamt eher als Verneigung an die östlichen Einflüsse des "Canterbury"-Albums gedacht, dessen Songs 'Ishmael' und 'To The Devil His Due' in die gleiche Richtung gingen. Trotzdem ist 'Kashmir' immer noch mein Lieblingssong meiner Lieblingsband von meinem wohl meistgehörten Album. (lacht)

Spürst du eigentlich einen gewissen Druck, wenn du mit DIAMOND HEAD an einer neuen Platte arbeitest? Ich kann mir vorstellen, dass sich viele Fans eine exakte Kopie des großartigen "Lightning To The Nations" wünschen würden, während andere sich über eine einfaches Plagiat des Erfolgsalbums sicher aufregen würden. Hast du die Ansprüche der Fans im Hinterkopf bei den Arbeiten an neuer Musik?

Ich gebe mir große Mühe nicht darüber nachzudenken. Ich schreibe einfach Musik, die mir persönlich gefällt. Zum Teil sind es dann einfach die Art, wie ich Musik schreibe, sowie die Akkorde und Riffs, die mir in den Sinn kommen, die dafür sorgen, dass es am Ende nach DIAMOND HEAD klingt. Wobei wir uns dieses Mal schon vorgenommen hatten, dem klassischen Sound der frühen Alben Tribut zu zollen. Am Ende habe ich Ras im Dezember 2014 zwei Demo-CDs mit insgesamt über 45 Songs gegeben, die ich seit 2007 geschrieben hatte. Er hat sich dann das Material herausgepickt, das ihm gefallen und gleichzeitig am meisten nach DIAMOND HEAD geklungen hat. Dadurch, dass Ras gerade frisch zur Band dazugekommen war und sich auch mit dem gesamten Backkatalog beschäftigt hat, hatte er einfach eine ganz neue Perspektive auf das Schaffen der Band, die uns vielleicht manchmal fehlt. Er hat damit fast wie ein Produzent am neuen Album gearbeitet und uns in die richtige Richtung geführt.

Lass uns auch noch einmal über die anderen NWoBHM-Bands sprechen, die es aktuell noch gibt. HOLOCAUST hat im letzten Jahr ein sehr solides Album veröffentlicht, IRON MAIDEN ist noch immer  gut dabei und SATAN hat eine absolut herausragende Scheibe herausgebracht. Hattest du während der Arbeiten an "Lightning To The Nations" im Jahr 1980 eine grobe Idee davon, wie groß diese Musikrichtung einmal werden würde und hättest du geglaubt, dass so viele der damaligen Bands auch 35 Jahre später noch so relevant sein würden?

Damals hätte ich nie damit gerechnet, dass wir mit DIAMOND HEAD heute noch im Geschäft sein würden und inzwischen sogar sieben Alben veröffentlicht hätten. Inzwischen ist die NWoBHM aber zu einem wirklich relevanten Genre innerhalb der Rockmusik geworden, das einige wirklich einflussreiche und vor allem wichtige Bands hervorgebracht hat. Damals waren wir ja eigentlich nur ein verstreuter Haufen von Bands, die allesamt einfach nur versucht haben ihren eigenen Helden wie LED ZEPPELIN, BLACK SABBATH, THIN LIZZY, JUDAS PRIEST, UFO oder DEEP PURPLE nachzueifern. Nur brachten wir eben noch diese Punk-Attitüde mit, die der Musik ihren ganz eigenen Charakter verliehen hat. Am Ende war es dann das Sounds Magazin, dass all diese Bands zusammenbrachte und daraus eine echte Bewegung gemacht hat. Eigentlich ist es traurig, dass nicht noch mehr Bands aus dieser Zeit heute noch aktiv sind.

Du bist ja nun schon sehr lange im Musik-Business dabei, was denkst du über die Veränderungen der letzten Jahre? Ist es noch immer möglich vom Musikmachen zu leben, oder haben das Internet und die damit verbundenen illegalen Download-Portale diese Möglichkeit zunichte gemacht?

Ich habe das Glück, dass ich die Lizenzgebühren für die vier Songs bekomme, die METALLICA gecovert hat. Ohne diese Einnahmen wäre es ein Kampf. Es ist aber noch möglich mit Musik seinen Lebensunterhalt zu verdienen, wenn man in einer Band spielt, die regelmäßig auf der Bühne steht. Ich habe für vier Jahre in der Coverband QUILL mitgespielt und konnte mir damit gutes Geld verdienen, wobei wir aber auch fünf Abende die Woche auf der Bühne gestanden haben. Im Moment genieße ich es aber, mich nur um DIAMOND HEAD zu kümmern. Nebenher gebe ich von Zuhause aus Gitarrenunterricht und spiele alle zwei Wochen bei einer Coverband. Klar haben die Downloads die CD-Verkäufe zum Einsturz gebracht, was Bands in allen Größenordnungen beeinflusst, aber wenigstens sind die Leute noch immer bereit dafür zu bezahlen, eine Band auf der Bühne zu sehen. Außerdem laufen auch die Merchandise-Verkäufe noch immer sehr gut, nur muss man heute eben jeden Aspekt des Business im Auge haben, denn nur mit Musik kommt man eben nicht mehr über die Runden.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass du oft zum Thema METALLICA befragt wirst, trotzdem kann ich mir die nächste Frage nicht verkneifen: Hast du dich jemals durch den Erfolg von METALLICA betrogen gefühlt? Immerhin ist ihr Debütalbum mehr oder weniger eine Mixtur aus DIAMOND HEAD und der agressiven Attitüde des Punk Rock.

Ein solcher Gedanke ist mir bisher noch nie gekommen, denn schlussendlich lassen wir uns doch alle von unseren Idolen inspirieren. Bei mir waren das zum Beispiel BLACK SABBATH oder LED ZEPPELIN. Aber der Einfluss der Vorbilder verschwindet mit den Jahren immer mehr und eine wirklich gute Band findet dann ihren eigenen Sound. Ich selber war auch ein großer Punk-Fan und habe regelmäßig die John Peel Show geschaut, die jede Menge Punk im Programm hatte. Insbesondere haben mir die Energie und der Do-It-Yourself-Ansatz dieser Bands gefallen. METALLICAs "Kill 'Em All" habe ich übrigens im Jahr 1988 zum ersten Mal gehört, nachdem mir 'Creeping Death' im Radio aufgefallen war. Ich mochte den Song, allerdings kam mir damals nie in den Sinn, dass er nach DIAMOND HEAD klingen würde. Klar gibt es dann auch Songs wie 'The Four Horsemen' oder 'Seek And Destroy', bei denen die Parallelen deutlich zu hören sind, was ich aber eher als eine Ehre empfinde.

Bevor wir zum Ende kommen, lass uns noch kurz über eure Pläne für die Zukunft sprechen. Ihr werdet im Sommer bei einigen Festivals in Deutschland zu sehen sein, wird es darüber hinaus auch eine Tour durch kleinere Clubs geben?

Mit der Zeit werden wir mehr und mehr Konzerte hinzufügen, also schaut am besten immer mal wieder auf unserer Homepage vorbei. Eine Tour durch Deutschland ist allerdings eher unwahrscheinlich, denn wir sind in diesem Bezug auf einen Promoter angewiesen, der uns für ein solches Unterfangen buchen möchte. Bisher haben wir in Deutschland auch nur auf Festivals gespielt. Wir waren 2003 in Wacken, 2005 haben wir gemeinsam mit MEGADETH in Köln und München gespielt, 2007 kam dann das Keep-It-True, das Metal Forces im Jahr 2010, das Bang Your Head und das Turock Open Air im Jahr 2012, sowie schlussendlich im Jahr 2014 das Headbangers Open Air. Dieses Jahr werden wir beim Der Detze Rockt und dem Storm Crusher Festival dabei sein.

Brian, abschließend möchte ich mich noch einmal für das Interview bedanken. Die letzten Worte gehören natürlich dir.

Ich hoffe, dass euch unsere neue Scheibe gefällt und dass ich vorbeischaut, wenn wir in den kommenden Monaten in eurer Nähe spielen.


Hier noch einmal die aktuellen Tourdaten der Briten:

May 07: Razzet L-Ahmer, Malta
May 12: Ibiza Hard Rock Hell Road Trip, Spain
Jun 05:  Alvesta Muskelrock Pa Tyrolen, Sweden
Jun 08:  Solvesbord Sweden Rock, Sweden
Jun 18:  Daun Der Detze Rockt, Germany
Jul 30:   London Barnet Rugby Club, UK
Aug 12: Bloodstock Open Air, Derby UK
Aug 18: Bilston The Robin 2, UK
Aug 27: Andalusia Skulls Of Metal Fest, Spain
Sep 17: Storm Crusher Festival, Germany
Sep 22: Dublin Fibber Magees, Ireland
Sep 23: Belfast Voodoo, UK
Sep 24: Limerick Dolans Warehouse, Ireland
Sep 29: Norwich The Waterfront, UK

Redakteur:
Tobias Dahs

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