DIMMU BORGIR: Interview mit Shagrath

01.01.1970 | 01:00

"Der kann grade nicht reden - sein Mund ist voller Pizza!" Da haben wir's: Auch normalerweise böse stierende und vor Nieten strotzende Schwarzmetaller müssen mal was zu sich nehmen. Selbst, wenn sie Shagrath heißen und DIE Black Metal-Band schlechthin des angehenden 21. Jahrhunderts befehligen. Das Klischee von ausschließlich rohem Fleisch und Schweineblut auf der rußigen Speisekarte war durch genanntes Anfangsstatement auch gleich buchstäblich vom Teller - genauso wie der ursprünglich angepeilte Interviewtermin. Aber man ist ja flexibel, und allen durch kulinarische Genüsse entstandenen Verzögerungen zum Trotz stand ein satter DIMMU BORGIR-Fronter gut eine Viertelstunde später bereit, um primär Fragen rund ums brandneue Düsterwerk "Death Cult Armageddon" zu beantworten. Here we go!


Kathy:
Steigen wir gleich voll ein: Wie würdest du - in deinen eigenen Worten - die Hauptunterschiede zwischen "Puritanical Euphoric Misanthropia" und "Death Cult Armageddon" umschreiben?

Shagrath:
Grundsätzlich würde ich sagen, dass wir für das neue Album wesentlich härter gearbeitet haben, sowohl an den Songs als auch den Arrangements. Somit waren wir dieses Mal sehr gut vorbereitet, als wir mit den fertigen Ideen ins Studio gingen und mit den Aufnahmen begannen. Nun, jede Band sagt ja eigentlich von ihrem neuen Album, dass es besser ist als das Vorige, normalerweise gebe ich nicht viel auf solche Aussagen, aber für "Death Cult Armageddon" passt dieses Statement wirklich. Ich denke, die Platte ist ein Schritt in die richtige Richtung, eine Weiterentwicklung. Bombastischer und kraftvoller Metal, genau wie er sein sollte.

Kathy:
Auffällig ist, dass die neuen Songs eingängiger und auch kürzer ausgefallen sind, als man es bisher von euch gewohnt war. Lag es in eurer Absicht, ein Album zu kreieren, das "leichter anzuhören" ist?

Shagrath:
Nein, denn normalerweise setzen wir uns nicht hin und machen uns Notizen, wie wir einen Song aufbauen möchten, wie lang er sein soll usw. Es läuft also nicht nach irgendwelchen Plänen und Schemata ab, die Songideen entstehen direkt im Kopf und werden auch entsprechend umgesetzt. Dieses Kraftvolle und Eingängige, das hat sich während der Produktion von "Death Cult Armageddon" eingestellt, es kam praktisch von selbst. Natürlich hat auch das Orchester (das Prager Philharmonieorchester - d. Verf.) seinen Teil dazu beigetragen, dass das neue Album wesentlich bombastischer und an den richtigen Stellen sehr melodisch ausgefallen ist. Ein weiterer Faktor, der die Stücke beeinflusst haben könnte, ist, dass wir dieses mal mehr Zeit für die Produktion hatten als sonst, so konnten wir mehr an der Power der Songs herumfeilen. Und mit dem Endergebnis sind wir 100%ig zufrieden.

Kathy:
Wird der Einsatz eines Orchesters eine Konstante in den weiteren Veröffentlichungen von DIMMU BORGIR bleiben?

Shagrath:
Ich kann leider nicht in die Zukunft sehen, also weiß ich es nicht (lacht). Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass wir auch auf dem nächsten Album wieder mit neuen Elementen herumexperimentieren werden. Zwar haben wir noch keine Pläne, was das nächste Album betrifft, aber das Hervorwagen in neue Territorien ist eine spannende Angelegenheit. Vielleicht werden wir also wieder ein Orchester verwenden, vielleicht auch nicht, wer weiß... .

Kathy:
Ein Journalist aus Berlin hat "Death Cult Armageddon" - er bezog sich primär auf den Song 'Progenies Of The Great Apocalypse' - kürzlich aufgrund der symphonischen Passagen mit dem Star Wars-Soundtrack verglichen. Was meinst du dazu?

Shagrath:
Nun, man könnte die Musik schon irgendwie als Filmmusik kategorisieren, da sie viele emotionale Spannungen und Brückenschläge in sich birgt - wie eben ein Soundtrack. Also, ich finde den Vergleich ziemlich cool. Wenn wir mal den Soundtrack zu einem Film schreiben würden, ja, das wäre auch mal was... (lacht).

Kathy:
Inwieweit hat Galder (Gitarre) an der Entstehung der Songs mitgewirkt? Einige Riff-Passagen des Albums erinnern ziemlich an seine Arbeit bei OLD MAN'S CHILD.

Shagrath:
Eigentlich denke ich, dass das, was Galder bei OLD MAN'S CHILD macht, sich doch sehr von DIMMU BORGIR unterscheidet. Außerdem war das meiste Material für "Death Cult Armageddon" bereits geschrieben, bevor er sich der Band anschloss. Galder hat zwar seine ganz eigene Art, Riffs zu kreieren, aber die Grundidee hinter DIMMU BORGIR ist eine ganz andere als hinter OLD MAN'S CHILD - ich persönlich sehe keine große Verbindung zwischen diesen beiden Bands und dementsprechend auch nicht zwischen dem Riffing.

Kathy:
Wer von euch hat die meiste kompositorische Arbeit für "Death Cult Armageddon" geleistet?

Shagrath:
Silenoz, Mustis und ich haben einen Großteil der Musik geschrieben. Ansonsten hat sich jeder um seine Arrangements gekümmert. Was die Lyrics angeht, da hat Silenoz das meiste Material für das neue Album verfasst.

Kathy:
Auf den letzten beiden Alben "Puritanical Euphoric Misanthropia" und "Spiritual Black Dimensions" waren keine Songs auf Norwegisch mehr vertreten - "DCA" bietet mit 'Vredesbyrd' und 'Allehelgens Død I Helveds Rike' gleich zwei Stücke in eurer Landessprache. Eine Art Back-to-the-Roots-Besinnung?

Shagrath:
Ja, hauptsächlich haben wir wieder norwegische Songs dabei, da wir uns auf unsere Wurzeln besinnen wollen, auf die Old-School-Tradition in unserer Musik. Ich denke, es ist zwar wichtig, sich musikalisch weiterzuentwickeln, aber gleichzeitig sollte man auch seine Ursprünge nicht vergessen. Außerdem dient die norwegische Sprache der Atmosphäre des Albums sehr. Da ist es auch nicht so schlimm, wenn einige Leute die Lyrics nicht verstehen.

Kathy:
Die nächste Frage habt ihr bestimmt schon 1000mal gestellt bekommen, trotzdem würde ich gerne wissen, warum Albentitel von DIMMU BORGIR immer aus drei prägnanten Worten bestehen. Auch das neue Werk macht da ja keine Ausnahme... .

Shagrath:
(lacht) Irgendwie ist das zu einer Art Tradition bei uns geworden. Außerdem sind die drei Worte immer auf eine Art richtungsweisend für die Songs - obwohl wir ja noch nie ein richtiges Konzeptalbum gemacht haben. Und zudem repräsentieren sie wesentlich mehr, als das ein Einwort-Titel könnte, weißt du. Das hat auch mit einer Verbindung zu den Lyrics zu tun.

Kathy:
Und für was steht dann "Death Cult Armageddon" explizit?

Shagrath:
Einerseits steht der Titel für die Dramatik in der gebotenen Musik, andererseits bezieht er sich auch auf die heutigen Dinge, die in der Welt geschehen, Kriege, Katastrophen, da braucht man nicht weit zu blicken. Gut, das mag eine ziemliche pessimistische Weltanschauung meinerseits sein, aber so ist es nun mal. Man hat immer das Gefühl, dass alles eigentlich besser sein könnte.

Kathy:
DIMMU BORGIR gehören mittlerweile zu der absoluten Elite im düsteren Metal-Bereich. Glaubst du selber denn, dass es immer noch Black Metal ist, den ihr spielt? Viele Kritiker bezeichnen eure Musik als neumodischen Metal, der mit den schwarzen Wurzeln nicht mehr viel zu tun hat und werfen euch Kommerzialisierung und Verrat der Szene vor.

Shagrath:
Ja, wir spielen definitiv Black Metal. Alles, wofür wir stehen, ist Black Metal. Auch die Gefühle, die wir mit unserer Musik rüberbringen, sind Black Metal. Der Unterschied zwischen uns und anderen Bands der Szene ist nur, dass wir die Musik als Full-Time-Job betreiben. Wir arbeiten 100 % mit Musik und streben immer danach, als Band größer zu werden. Ich respektiere Underground-Bands total und auch ihre Entscheidung, im Underground zu bleiben und ihr eigenes Ding zu machen. Die Leute sind frei zu tun, was sie wollen - aber für uns als DIMMU BORGIR ist es wichtig, sich weiterzuentwickeln und als Band zu wachsen. Trotzdem kann ich es nicht genug betonen: Alles, was wir tun und wofür wir stehen, ist Black Metal. Nur verkaufen wir eben mehr Platten... .

Kathy:
Was hälst du denn persönlich von der Black Metal-Szene und ihrem Bestreben, komplett an alten Werten festzuhalten und sich dementsprechend nicht wie ihr weiterzuentwickeln?

Shagrath:
Ich respektiere die Szene und ihren Underground sehr - ich meine, daher sind wir auch einst gekommen. Es gibt viele sehr gute norwegische Black Metal-Bands. Aber das Problem ist eben, dass zu viele Leute in der Szene einfach Bullshit reden. Sie jammern und beschweren sich über andere Bands, da die angeblich kommerziell sind - anstatt zu meckern sollten sie sich lieber auf ihre eigenen Bands konzentrieren. Die Szene wächst und wächst, aber gleichzeitig auch die Anzahl an dummen Menschen - eine traurige Sache.

Kathy:
Auf vergangenen Alben habt ihr ACCEPT und TWISTED SISTER gecovert - (inwiefern) haben die 80er Jahre Einfluss auf euch ausgeübt?

Shagrath:
Musikalisch nicht sooo viel, aber persönlich sehr. Wir lieben es nach wie vor, "alten" Metal zu hören, Sachen wie KISS, TWISTED SISTER usw. Und da war es natürlich eine coole Sache, Songs solcher Bands zu covern, die wir auch privat sehr mögen. 80er-Metal, sowohl Heavy als auch Black, steht hoch bei uns im Kurs. Und solche Musik in einem anderen Stil - unserem Stil - zu spielen, das hat etwas sehr reizvolles, wenn du verstehst, was ich meine. Wir wollen da unseren eigenen Weg finden, Songs anderer Bands zu interpretieren.
Für "DCA" (für Digi-Pack, DVD-Audio und Doppel-LP - d. Verf.) haben wir übrigens BATHORYs 'Satan My Master' neu aufgenommen, das wir auch privat sehr schätzen. Hm, mal schauen, was wir zukünftig so alles covern werden..., aber bestimmt nicht ABBA (lacht).

Kathy:
Im Herbst geht's zusammen mit HYPOCRISY auf Europatournee (Start: 29. September in Hamburg - d. Verf.) - wie kam das Package zustande? Gute Verbindungen zu Peter Tägtgren?

Shagrath:
Ja, wir sind sehr gut mit HYPOCRISY befreundet und die Tour wurde von unserem Management arrangiert. Das wird bestimmt cool werden, wieder mit Peter auf Tour zu gehen, er und die anderen sind großartige Leute und machen dazu noch verdammt gute Musik. Und nach Europa geht's erst mal auf nach Amerika.

Kathy:
Wie groß sind DIMMU BORGIR denn mittlerweile in den USA?

Shagrath:
Ja, es wird mit jedem Mal, das wir die Staaten besuchen, besser. Black Metal ist zwar noch nicht das große Ding da drüben - für die Amerikaner ist es teils auch recht schwer, an entsprechende Platten zu kommen -, aber wir werden trotzdem immer populärer.

Kathy:
Gibt es aus deiner Sicht große Unterschiede, wenn man zum Einen vor europäischem, zum Anderen vor amerikanischem Publikum spielt?

Shagrath:
Grundsätzlich ist es eigentlich das Gleiche. Die Amis sind zwar cool, aber ich ziehe es vor, vor europäischem Publikum zu spielen, da wir hier bereits eine eingeschworene Fangemeinde haben und dadurch die Stimmung auf Konzerten einfach besser ist.

Kathy:
Werdet ihr auf Tour eine spezielle Live-Show mit diversen Effekten etc. im Gepäck haben?

Shagrath:
Noch haben wir in Verbindung mit dem Release eine ganze Menge zu tun, deshalb konnten wir uns da noch nicht so großartig die Gedanken drum machen, aber wir arbeiten bereits an einem Programm. Natürlich werden auch Pyro-Effekte und dergleichen zum Zuge kommen - lasst euch überraschen.

Kathy:
Und nach dem Touren geht's gleich wieder ans Komponieren neuer Songs?

Shagrath:
Ja, denke ich mal (lacht). Weißt du, wir werden fast ein ganzes Jahr weltweit auf Tour sein, erst mal das kommen lassen und dann weitersehen.

Kathy:
Euer Drummer Nick Barker ist neben seinen Verpflichtungen bei DIMMU BORGIR noch bei LOCK UP und BRUJERIA als Schlagzeuger tätig. Überschneidet sich das denn nicht öfters mit euren Terminplänen?

Shagrath:
Nun, DIMMU BORGIR hat die höchste Priorität - in seiner Freizeit kann Nick tun, wozu immer er Lust hat, aber ansonsten hat DB Vorrang. Momentan haben wir eh so viel zu tun, dass Nick sowieso erst mal keine Zeit für seine andern Bands bleibt.

Kathy:
Was ist mit euch anderen, habt ihr auch Nebenprojekte am Start?

Shagrath:
Primär konzentrieren wir uns auf DIMMU BORGIR. Galder hat natürlich noch OLD MAN'S CHILD, aber die machen eher Music at home und gehen nicht auf Tour. Und wir anderen - speziell Silenoz und ich - uns bleibt gar nicht die Zeit, irgendwas anderes zu tun, denn die Band nimmt einen zu sehr in Anspruch.

Kathy:
Kürzlich habt ihr im Nuclear Blast Shop in Donzdorf eine Autogrammstunde gegeben, zu der auch fast 200 Fans gekommen sind. Könnt ihr solche Events noch genießen oder gehört das mittlerweile für euch zum Job-Alltag?

Shagrath:
Nein, ich finde, das ist eine coole Sache, um die Fans zu treffen, um ihnen Nahe zu sein. Die Fans sind das Wichtigste, das du hast, deshalb solltest du sie mit Respekt behandeln. Manchmal ist es zwar anstrengend, wenn die Leute auf der Straße bzw. in der Öffentlichkeit auf dich zukommen..., aber solche organisierte Autogrammstunden wie kürzlich, das ist echt eine feine Sache. Wir hatten jedenfalls unseren Spaß.

Kathy:
Wie sieht deine momentane Top 5 bzgl. CDs aus?

Shagrath:
Im Moment...uhh... (grübelt)...hm, vielleicht AUTOPSYs "Mental Funeral" und BATHORYs "Blood Fire Death"…ach, ich höre so vieles, vergesse dann aber oft, wie die Band heißt. Mich hat in letzter Zeit auch nicht wirklich was schwer beeindruckt, muss ich sagen. Naja, wenn ich mal wieder die Zeit habe, dann höre ich mir auch wieder gewissenhafter neue Sachen an.

Kathy:
So, wir sind durch, hast du noch ein paar letzte Worte für die Leser parat?

Shagrath:
Checkt das neue Album an, es ist wirklich einzigartig! Tja, und ansonsten: See you on tour!

Redakteur:
Kathy Schütte

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