DISILLUSION: Interview mit Andy Schmidt zum Comeback

15.10.2016 | 20:58

Zehn Jahre sind schon eine verdammt lange Zeit, insbesondere im schnelllebigen Musik-Business. Doch genau so lange haben die Jungs von DISILLUSION ihre Fans warten lassen, bis sie vor wenigen Wochen endlich mit der Single 'Alea' ein neues Lebenszeichen von sich gegeben haben. Grund genug für uns, mit Fronter Andy Schmidt einen Blick auf die lange Pause, die neue Single und vor allem die Zukunft der Prog-Metaller zu werfen.

Hallo Andy und erst einmal vielen Dank, dass du dir die Zeit für das Interview mit uns genommen hast. Wie zufrieden seid ihr denn bisher mit der Reaktion von Presse und Fans auf eure Comback-Single 'Alea'?

Hallo! Und danke, dass ihr uns die Chance und den Rahmen hier gebt. Wir sind außerordentlich zufrieden, kann man gar nicht anders sagen. Nach zehn Jahren mit einer Band etwas zu veröffentlichen, die eigentlich schon bei einigen oder vielen abgemeldet war, und dann "nur eine Single" - es ist sehr speziell, dafür Wertschätzung zu bekommen und Aufmerksamkeit. Wir nehmen es als Geschenk und freuen uns sehr darüber. Inhaltlich haben wir natürlich versucht, auf dieser Single alles zu geben und bislang höre ich nur Gutes über 'Alea'. Es ist definitiv ein DISILLUSION-Song, der wieder eine Welt auftut.

Seit eurem letzten Album "Gloria" sind ja doch einige Jahre ins Land gezogen, in denen ihr auch einige personelle Veränderungen überstehen musstet. Kannst du für unsere Leser kurz zusammenfassen, was sich inzwischen besetzungstechnisch bei DISILLUSION getan hat?

Ja, es gab so ab Ende 2007 leider viel zu viel Unstetigkeit in der Besetzung, in der Idee der Band und so weiter. Berufliche Veränderungen gab es auch und vor allem Kinder. Es hat alles seine Zeit gebraucht, bis die Band wieder eine klare Linie hatte. Auf diesem Weg gab es leider auch häufige Wechsel, was natürlich niemanden gefreut hat. Es war aber leider nicht zu ändern. Dass wir dann vor etwa einem Jahr schon richtig gut aufgestellt waren, schließlich aber den Umzug von Djon zurück in seine Heimat Frankreich aus privaten Gründen verkraften mussten, das war herb. Jetzt ist aber mit Ben Haugg ein Bassist am Start, der eigentlich der beste Gitarrist von uns allen ist. Das öffnet uns ganz neue Möglichkeiten, die wir erst vorsichtig beginnen einzuarbeiten.

Für mich klingt 'Alea' zum Teil nach einer Rückbesinnung auf das erfolgreiche "Back To Times Of Splendor"-Album, während ihr gleichzeitig auch musikalisch neues Territorium betretet. In jedem Fall sind die elektronischen Experimente von "Gloria" wieder verschwunden. War das eine bewusste Entscheidung, nachdem der letzte Langspieler von den Fans ja doch eher gemischte Reaktionen erhalten hat?

"Gloria" war auf seine Art ein Experiment. Es ist sicher nicht in allen Ebenen vollständig aufgegangen, aber die Band hatte sich für dieses Album mit klarer Absicht um zwei Mitstreiter von film-m verstärkt. Die elektronischen Einflüsse sind dabei auf Heiko Tippelt zurückzuführen. So war auch die Idee, denn die Soundlandschaft auf "Gloria" ist zu einem Großteil Heikos Welt. Wir wollten ganz konkret eine dynamische Gruppe sein auf "Gloria". Sicher hat es einige vor den Kopf gestoßen oder irritiert, das kann ich verstehen. Aber egal wie man es dreht und wendet, direkt nach "BTTOS" (Anm. d. Red..: gemeint ist "Back To The Times Of Splendor") und der Tour zu dieser Platte waren wir einfach noch nicht bereit für einen zweiten Teil, oder - anders gesagt - einfach dort anzuknüpfen. Dafür ist die Dimension dieser Platte ein wenig zu groß, das hatten wir geahnt, aber selbst gar nicht recht verstanden. Es gab die klare Befürchtung, eine Kopie zu machen, die dem Original nicht gerecht wird. Deswegen war "Gloria" ganz anders, ein ganz anderer Ansatz und ich bin nach wie vor froh, dass wir es so gemacht haben. Ein schlechteres "BTTOS" wäre wahrscheinlich das endgültige Aus gewesen.



Viele Journalisten tun sich gerade mit der stilistischen Einordnung eurer Musik schwer. Mal ist die Rede von Prog Metal, mal kommen auch die Melodic-Death-Metal-Wurzeln durch. Seht ihr euch selbst eigentlich als Metalband oder ist dir dieses Schubladendenken zu engstirnig?

Um ehrlich zu sein, sehen wir uns als Band. Ich sage immer zu anderen, die DISILLUSION nicht kennen, wir machen Musik und am Ende stehen wir im Metal-Regal. Wahrscheinlich weil so viele Gitarren dabei sind. (lacht) Naja, das ist zur Hälfte ein Scherz. Wenn ich im Studio mit anderen Bands arbeite oder überhaupt an andere Bands denke, habe ich dieses Schubladendenken auch nicht. Es geht mir immer um die Musik und diese ist am Ende ein Spiegel der Seele, auch wenn das kitschig klingt. Wenn ich in der Musik von einer Band keine Seele höre, dann ist es meistens etwas Konstruiertes, etwas Ausgedachtes, und das gefällt mir eigentlich fast immer nicht. Dann kann man es auch gern in eine Schublade stecken.

Seit der Ankündigung der Single brennt mir die Frage unter den Nägeln, warum ihr euch dazu entschlossen habt, euer Comeback mit einer Single zu begehen. Gab es einfach noch nicht genug Ideen für einen kompletten Langspieler oder wolltet ihr mit der Single erst einmal einen Testballon steigen
lassen?


Beides nicht. Wir wollten nach zehn Jahren vor allem mit einer überschaubaren Aufgabe zurückkommen, die Band in ihrer neuen Besetzung auch intern erst einmal wieder richtig aufstellen und an den Start bringen. Zum Zweiten werden wir ein neues Album allein finanziell nicht stemmen können. Es wird daher im November ein Crowdfunding geben. Um gleichzeitig klarzumachen, dass wir nach eben diesen zehn Jahren nicht irgendwie Spaß machen, sondern es ernst meinen, haben wir uns entschlossen, erst einmal ein konkretes Lebenszeichen an Stelle von Facebook-Bildern oder ähnlichem zu veröffentlichen. So gesehen ist 'Alea' kein Teaser, sondern eher eine Fotografie, wie die Dinge gerade sind.

DISILLUSION ist ja inzwischen so etwas wie eine Underground-Legende im deutschen Prog-Sektor geworden. Die große Frage für mich wäre, ob euch dieser "Ruhm" auch bei Verhandlungen mit Labels Vorteile bringt oder ob ihr davon im Band-Alltag eigentlich gar nichts mitbekommt.

Wir verhandeln ja gar nicht. Unser jahrelanger Gitarrist und Mitstreiter Rajk Barthel, der seit einiger Zeit nicht mehr dabei ist, ist nun unser Manager und hat mit seinem Musikverlag Kick The Flame eine richtig starke Sache aufgebaut. Mit ihm gehen wir in die gesamte Neuzeit der Band und es fühlt sich sehr gut an. Wir sitzen alle in einem Haus in Leipzig, die Wege sind also sehr kurz. Für uns ist Rajk der perfekte Mann für die Veröffentlichungen der Band, das liegt auf der Hand.

Mittlerweile seit ihr ja auch bereits gute 22 Jahre im Geschäft und habt schon einiges im Musik-Business erlebt. Was hältst du denn von den aktuellen Entwicklungen in Bezug auf Social Media, Downloading und ähnlichem? Ist es heutzutage für eine junge Band einfacher geworden, ihre Musik unter die Leute zu bringen?

Keinesfalls einfacher. Mein Gefühl ist da eher so: Am Anfang hat man ein gutes Gefühl, wie als würde man ans Meer fahren, das Wasser sehen, die Wellen und so. Dann ist man in der Social-Media-Welt angekommen und plötzlich wird aus dem beschaulichen Meer ein tiefer undurchdringliche Ozean, der beängstigend ist und dich wieder auf dich selber zurück wirft. Nein, nichts ist einfacher und früher war's auch nicht einfach, es ist eben wie es ist und weiterhin muss man gute Musik machen. Dass man als Band heutzutage unglaublich viele Sachen gleichzeitig machen muss, die alle nichts mit Musik zu tun haben, das ist schon mehr als anstrengend. Im Studio erlebe ich das natürlich auch ständig. Nicht zuletzt wegen diesem Riesenaufwand haben wir lang überlegt, wieder mit voller Energie an DISILLUSION zu gehen. Das Bild, das ein paar Freunde anfangen Musik zu machen und dann klappt es plötzlich, das mag für einige stimmen, ist aber im Grunde eine Illusion. Im Hintergrund läuft da so viel Arbeit...

So eine lange Zeit dabei zu sein, bringt natürlich auch einige Vorteile. Zum Beispiel kann man ein wenig in der eigenen Vergangenheit schwelgen, so wie ihr es mit den "Back To The Times Of Splendor"-Shows vor einiger Zeit extrem erfolgreich gemacht habt. Sind für die Zukunft ähnliche Aktionen geplant, vielleicht auch für den Nachfolger "Gloria" oder sogar für eines eurer Demos?

Naja, geplant ist da nichts. Wie schon gesagt, werden wir uns bald auf das Album konzentrieren und alle Energie da hinein stecken. Diese speziellen "BTTOS"-Konzerte waren natürlich großartig für uns. Wir sind früher nie auf die Idee gekommen, die ganze Platte am Stück zu spielen, obwohl es so auf der Hand liegt. Da überlegt man sich tagelang sinnvolle Setlisten und die offensichtlichste macht man nicht. Im November sind wir auf jeden Fall auf Tour und spielen da ein ausgiebiges Set mit vielen Songs aller Platten.

Bevor wir zum Ende kommen, muss ich dich natürlich auch nach den Zukunftsplänen befragen. Arbeitet ihr weiterhin an einem neuen Langspieler oder geht es jetzt erst einmal wieder auf die Bühne, um die Single ordentlich zu promoten?

Klar, 'Alea' ist das Comeback, aber eben auch nur eine Etappe. Ab sofort sind wir im Fokus auf das Crowdfunding und die neue Platte. Wir wünschen uns, dass wir uns 2017 mit voller Energie und Konzentration auf das Album stürzen können. Der Fahrplan ist klar, die Ideen auch. Songs gibt es aber noch nicht. Ein DISILLUSION-Song schreibt sich eben auch nicht zum Feierabend, da muss man schon paar Tage am Stück am Ball sein können. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass alles so aufgeht, wie wir uns das vorstellen.

Andy, vielen Dank noch einmal für deine Zeit und die letzten Worte des Interviews gehören natürlich wie immer dir.

Ich danke euch für eure Unterstützung! Im Ernst, wir sind froh, wieder zurück zu sein und hoffen natürlich 'Alea' wird den Fans gefallen! Bis bald!

Redakteur:
Tobias Dahs

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