DRAGONY: Interview mit Siegfried Samer
23.10.2024 | 16:43Wenn ein neues DRAGONY-Album ansteht, springt das melodische, symphonische Power-Metal-Herz vor Freude. Schon der Vorgänger brachte uns superbe Hymnen und Ohrwürmer en masse, doch das neue Album "Hic Svnt Dracones" kann dem noch eins draufsetzen. Was das neue Personal, die Serie "American Horror Story", XANDRIA oder auch Shakespeare mit der neuen Scheibe zu tun haben, erfahren wir im wie immer sehr sympathischen Austausch mit Sänger Siegfried.
Mein lieber Siegfried – wie geht es dir? Wie ist die Stimmung im DRAGONY-Lager?
Die Stimmung ist super, nachdem endlich die neue Platte erschienen ist! Das ist ja doch immer mit ziemlich viel Arbeit verbunden, von den ersten Songideen bis hin zum fertigen Produkt. Jetzt erfreuen wir uns erstmal am Release!
Seit der tollen "Viribus Unitis"-Scheibe sind mehr als dreieinhalb Jahre ins Land gezogen. Vor allem nach diesem vierten Album habt ihr meine volle Aufmerksamkeit. Aber gib mir doch ein kurzes Feedback, was in der Zwischenzeit bei DRAGONY passiert ist. Ihr habt mit Chris und Matt auch zwei neue Gesichter in den Reihen...
So ist es, es hat sich einiges getan. Matt hat uns ja bereits während und vor allem nach der Arbeit an "Viribus Unitis" sehr tatkräftig an der Gitarre unterstützt, als klarer wurde, dass unser bisheriger Gitarrist Andi auf Grund geänderter Lebensumstände (Wegzug aus Wien, Nachwuchs) nicht mehr die nötige Zeit für eine Band wie DRAGONY haben würde. Auch bei Frederic, unserem langjährigen Drummer, wurde es während und auch nach der Pandemie deutlich, dass es von der Verfügbarkeit her nicht mehr wirklich passt. So haben wir in den letzten Jahren auch sehr viele Shows mit Gast-Drummern wie Roland Navratil (ex-EDENBRIDGE, ex-SIRENIA) und eben Chris gespielt, und uns dann letztlich dazu entschieden, Chris gleich zum neuen permanenten Bandmitglied zu befördern, nachdem er mit uns schon vergangenen Oktober auf unserer Mexiko-Tour dabei war, und die Chemie sehr gut gepasst hat. Außerdem bringen Matt und Chris viel frischen Wind in die Band, da sie doch deutlich jünger sind als der Rest der Truppe, haha.
Genug der Vergangenheit, stürzen wir uns in die Gegenwart und mit eurem neuen Album zumindest konzeptionell wieder in die Vergangenheit, haha. "Hic Svnt Dracones" behandelt die Ereignisse rund um die "Lost Colony" von Roanoke und das Schicksal der dort verschwundenen britischen Kolonialisten. Wie kam es denn zu dieser Idee und was hat euch an dieser Geschichte am meisten gefesselt? Kannst du uns die Geschehnisse einmal kurz zusammenfassen? Und was hat es in diesem Zusammenhang mit dem Spruch bzw. Titel "Hic Svnt Dracones" auf sich?
Ich beantworte beide Fragen in einem, weil die sehr eng zusammenhängen. Also einerseits wollte ich ein Album mit dem Titel "Hic Svnt Dracones" machen, da wir – trotz unseres Bandnamens – bisher noch kein Album mit Drachen im Titel oder am Artwork hatten. Das wurde jetzt zum fünften Album einfach Zeit. Dadurch, dass der Spruch "Hic Svnt Dracones" eben als Spruch auf alten Seekarten zu finden ist und unerforschte Gebiete bezeichnet, war es klar, dass die Geschichte irgendwie mit Erkundertum und damit natürlich auch Seefahrt zu tun haben sollte. Die Story der "Lost Colony" von Roanoke kannte ich, wurde aber insbesondere durch die Serie "American Horror Story", die der Kolonie auch eine Staffel gewidmet hat, wieder daran erinnert und inspiriert – und so kam es dann dazu, dieses geschichtliche Ereignis als Basis für unsere DRAGONY-typische Konzeptstory heranzuziehen. Und ja, der lateinische Titel wurde auch gewählt, um die Verbindung zum Vorgängeralbum "Viribus Unitis" zu unterstreichen, weil wir auch diesmal wieder eine "alternative Geschichte" mit Fantasy-Elementen erzählen, wie schon auf dem Vorgänger.
Ich will offen und ehrlich sein – an dieses Artwork mussten sich meine Augen erst einmal gewöhnen, hehe. Doch von Mal zu Mal gefällt es mir immer besser – auch oder weil es sich farblich sehr stark von den bisherigen DRAGONY-Artworks abhebt. Was war die Idee hinter der Zeichnung?
Ja das Artwork unterscheidet sich definitiv allein schon dadurch, dass diesmal Stan W. Decker das Design angefertigt hat und nicht Dusan Markovic, wie auf unseren vorangegangenen Alben. Dusan war diesmal zeitlich nicht verfügbar, aber Stan hat unsere Vorgaben finde ich hervorragend umgesetzt, da er die ganzen Elemente der Konzeptstory – von den britischen Freibeutern und Kolonisten des späten sechzehnten Jahrhunderts bis hin zu den Elementen der Wikinger-Thematik und der nordischen Mythologie super eingefangen hat. Sein Stil ist aber sicher farbenfroher als jener von Dusan, und von daher hat das neue Album sicher ein etwas anderes Flair – aber eines, das sehr gut zum Album passt, wie ich meine!
Auf mich wirken die Songs etwas runder, noch fantasievoller. Ist das dem Konzept geschuldet oder worin unterscheiden sich deiner Meinung nach die neuen Songs von denen des Vorgängers "Viribus Unitis"?
Ich würde das so unterschreiben. Die Geschichte von "Viribus Unitis" liegt ja zeitlich doch näher an unserer heutigen Zeit und da passte die etwas realitätsnähere grafische Gestaltung genauso wie das Steampunk-Konzept meines Erachtens besser als auf "Hic Svnt Dracones", wo noch mehr Fantasy- und Mythologie-Elemente zum Einsatz kommen. Von den Songs her bin ich aber voll bei dir. Ich finde, dass wir eine sehr gute Balance zwischen old-schooligem Power Metal der frühen 2000er einerseits und eher moderneren Anleihen bei Bands wie POWERWOLF, BEAST IN BLACK oder SABATON andererseits gefunden haben, um so ein sehr abwechslungsreiches Album zu schaffen. Ich finde das meist fast ein bisschen öd, wenn sich Bands immer wieder selbst wiederholen und quasi nur eine Art von Song veröffentlichen. Darum haben wir uns hier bewusst um Abwechslung bemüht, was denke ich aufgegangen ist. So wird vielleicht das Album einen einzelnen Hörer nicht von vorne bis hinten abholen können, weil es doch eine gewisse stilistische Bandbreite hat. Umgekehrt dürfte es dafür für jeden Power Metal-Fan etwas parat halten, egal ob er oder sie nun auf "alte Schule" oder modernere Gangart steht.
Du lieferst dir zu Beginn ein fantastisches Duell mit Ambre Vourvahis von XANDRIA. Wie kam denn diese Kollaboration zustande und hören wir dich im Gegenzug auf dem kommenden XANDRIA-Album?
Tatsächlich kenne ich Ambre schon sehr lange, sogar noch vor ihrer Zeit bei XANDRIA. Insofern war es dann eine sehr coole Überraschung, dass sie auch die neue Stimme bei XANDRIA wurde! Sie macht diesen nicht leichten Job aber sehr gut, und wir wollten auch bei einer gemeinsamen Show in der Vergangenheit schon mal ein Duett probieren, das dann aber aus logistischen Gründen nicht geklappt hat – und tja, so haben wir's eben jetzt auf unserem Album nachgeholt! Aber vielleicht ergibt sich's ja doch nochmal, dass ich auch mit XANDRIA mal performen kann – das wäre schon ein cooles Erlebnis!
Auch der symphonische Anteil hat etwas zugelegt, wenn ich mir 'I'll Met By Moonlight' oder den dramatischen Titeltrack anhöre. War das eine bewusste Entscheidung oder eher zufälliger Natur?
Tatsächlich heißt der Titel "Ill" met (also "ill") und ist ein Zitat aus Shakespeares "Midsummernight's Dream". Aber ja, der Track und auch der Titeltrack sind bewusst sehr symphonisch ausgefallen, genauso wie etwa 'Silver & Blood' und der Opener 'Dreamchasers'. Das sind Ausprägungen unserer Mission, das Album möglichst abwechslungsreich zu gestalten, durch die Gegenüberstellung von solchen opulenten und komplexeren Songs einerseits mit den etwas eingängigeren, geradlinigeren Songs des Albums andererseits, wie etwa den vorab veröffentlichten Singles 'Beyond The Rainbow Bridge' und 'Twilight Of The Gods'.
Mich hat der Bonustrack auch hellhörig gemacht – welche Verbindung habt ihr denn zum Online-Game Albion? Oder befinde ich mich komplett auf dem Holzweg?
Da bist du sehr richtig – der Song ist tatsächlich der offizielle Song zum Spiel "Albion Online", denn die Macher hinter dem Spiel haben uns Ende letzten Jahres kontaktiert und angefragt, ob wir nicht Lust auf so eine Kooperation hätten! Unser Ansprechpartner bei Sandbox Interactive, Christoph, ist nämlich ein großer Power-Metal-Fan und auch Fan von DRAGONY, und so waren wir unter den glücklichen Auserkorenen, die dazu kontaktiert wurden – und als großer Videospiel-Fan habe ich da natürlich sofort zugesagt!
Wir haben dann gemeinsam an dem Song gearbeitet und auch ein feines Video dazu released. Das passierte alles bereits im April 2024, und war sozusagen als Appetitmacher für "Hic Svnt Dracones" gedacht, für das dann die eigentliche Promotion im Juli startete. Und den Albion Online-Song haben wir dann eben als Bonus Track noch mit drauf gepackt, weil er ja inhaltlich nicht zum Album-Konzept gehört, aber schon ein toller Song geworden ist, der es auch verdient, gehört zu werden!
Meinen Lieblingstrack möchte ich dir nicht vorenthalten: 'Silver & Blood' – ein Song, der mir unheimlich gute Laune beschert und mir stets ein breites Lächeln schenkt. Worum geht es in dem Song genau?
Tatsächlich geht's in dem Song um ein ziemlich dramatisches Ereignis. So kam es nämlich im Zuge der Besiedelung der ersten Kolonie von Roanoke (welche jedoch nicht die verschollene "Lost Colony" ist, das war tatsächlich die zweite Kolonie dort) dazu, dass die dort lebenden Ureinwohner einen silbernen Becher von den Kolonisten gestohlen haben sollen, und in der Folge haben die Kolonisten das ganze Dorf der Ureinwohner niedergebrannt – und daher trägt der Song den Titel 'Silver & Blood'.
Genre-Gigant Jacon Hansen hat die Platte gemischt und gemastert – das Ergebnis ist fantastisch. Wie verlaufen die Arbeiten mit ihm? Sorgt er für die Kirsche auf dem DRAGONY-Eisbecher der Melodien, Hymnen und epischen Abenteuer?
Absolut! Es war eigentlich eine last minute-Entscheidung mit Jacob zu arbeiten, da wir ursprünglich geplant hatten, Mix und Master wieder mit Seeb Levermann von ORDEN OGAN zu machen, der ja schon bei "Viribus Unitis" eine fantastische Arbeit geleistet hat. Allerdings war Seeb selbst sehr ausgelastet mit der Arbeit am neuen ORDEN-OGAN-Album, und so mussten wir relativ kurzfristig nach Ersatz suchen. Glücklicherweise war Jacob Hansen dann verfügbar, und hat unser Album dann "veredelt" – und ich denke, das Ergebnis kann sich hören lassen!
Hand aufs Herz, Siegfried. Der Vorgänger hat euch sehr viel Publicity gebracht, Chart-Erfolge in Österreich und der Schweiz sowie die Nominierung für den Amadeus Austrian Music Award. Geht man nach solch einem bedeutungsschweren Vorgänger vielleicht etwas erwartungsvoller oder nervöser an die Arbeiten zu einem neuen Album?
Ja das definitiv. Es steigen dann sicher die Ansprüche an einen selbst, wenn von vielen Seiten die Aussagen kommen, dass das unser bislang stärkstes Album sei und schwer zu toppen sein würde. Ich nehme mir jetzt aber die Freiheit heraus zu sagen, dass uns das mit "Hic Svnt Dracones" eigentlich auf allen Ebenen, vom Songwriting über die Individualperformances bis hin zu Produktion, aber doch nochmal gelungen ist. Ob sich das auch wieder in so guter Resonanz widerspiegeln wird, bleibt abzuwarten. Wir sind jedenfalls sehr zufrieden mit dem Ergebnis und hoffen, dass das neue Album genauso gut oder sogar besser ankommt bei den Fans als "Viribus Unitis"!
Mein Lieber, vielen Dank, dass du mir Rede und Antwort standest. Ich wünsche dir mit dem neuen Hymnenarsenal alles erdenklich Gute! Ich hoffe wir sehen uns bald auf Tour! Was möchtest du den Lesern von POWERMETAL.de und euren Fans noch mit auf den Weg geben?
Vielen Dank für das nette Interview, wir freuen uns schon sehr, die neuen Songs live auf Tour präsentieren zu können, und wünschen allen Freunden des gediegenen Power Metal ganz viel Spaß mit "Hic Svnt Dracones"! Bleibt glorreich!
Fotocredits: Tamás Künsztler und Nikolai Hasenhütl
Dragony - Twilight Of The Gods
https://www.youtube.com/watch?v=wliTb8Rrl2I
- Redakteur:
- Marcel Rapp