Diskografie-Check: SCORPIONS - Teil 1 | Platz 19 - 10

10.03.2022 | 21:55

Eine der erfolgreichsten Rockbands Deutschlands mit über 110 Millionen verkauften Alben, der 50. Geburtstag des Debüts "Lonesome Crow", vier Dekaden seit dem Release des Erfolgsalbums "Blackout" und eine neue Langrille namens "Rock Believer", die gerade vor wenigen Tagen erschienen ist - angesichts dieser Umstände war es praktisch schon Pflicht für uns, den Katalog der Hannoveraner Rock-Urgesteine SCORPIONS einmal näher unter die Lupe zu nehmen und im Rahmen unserer "Diskografie-Check"-Reihe in eine gewichtete Reihenfolge zu bringen. Natürlich haben wir dabei auch die brandneue Scheibe berücksichtig. Wo "Rock Believer" im Kontext des Bandwerks gelandet ist, erfahrt ihr in den folgenden Zeilen:

19. "Eye II Eye"

Den letzten Rang belegt das neue Werk jedenfalls schon einmal nicht, dort platziert sich stattdessen ganz klar "Eye II Eye" aus dem Jahr 1999, das wohl unumstritten das schwächste Material beinhaltet, das Klaus Meine, Rudolf Schenker und ihre über die Jahre wechselnden Mitstreiter jemals auf Tonband gebannt haben. Begründet liegt die ungewohnte Schwäche wohl klar im damaligen Zeitgeist, der fälschlicherweise einhellig der klassischen Rockmusik das baldige Aussterben prophezeite. Die Hannoveraner konnten das damals natürlich nicht wissen, hinterfragten entsprechend angesichts sinkender Verkaufszahlen ihre musikalische Zukunft und ließen sich schlussendlich dazu hinreißen, ihre eigene Version davon aufzunehmen, wie "Rockmusik" für das neue Jahrtausend klingen müsste. Irgendwo zwischen belangloser Popmusik, Drumloops und komplett zahnlosem Songmaterial verlor der Fünfer, der für die Aufnahmen erstmalig von James Kottak am Schlagzeug verstärkt wurde, komplett den roten Faden und lieferte ein Album ab, das selbst den Musikern inzwischen absolut peinlich zu sein scheint. Immerhin wird der Silberling bisher konsequent von modernen Streaming-Plattformen ferngehalten und ist auch sonst nur schwerlich zu bekommen. Kaufen solltet ihr euch die Platte aber bitte nicht, sondern lieber YouTube konsultieren, wenn ihr euch einmal zu einem Klassiker wie 'Du bist so schmutzig (und doch so schön)' so richtig fremdschämen möchtet. Kein Wunder also, dass unsere Redaktion die Scheibe auch fast geschlossen auf den letzen Platz verbannt. Nur Kollege Chris scheint hier ungeahnte Qualitäten zu finden und vergibt immerhin Platz 17. Mehr Worte möchte ich dann hierzu auch nicht verlieren, denn schon jetzt ist über "Eye II Eye" eigentlich viel zu viel gesagt worden.

18. "Pure Instinct"

Ganz überraschend kam der zuvor besprochene Absturz aber nicht, denn schon der Vorgänger "Pure Instinct" war alles andere als eine Sternstunde. Nachdem das überraschend harte "Face The Heat" zuvor versäumte, die Erfolge von "Crazy World" zu wiederholen, schlugen Meine und seine Mitstreiter für den Nachfolger deutlich besinnlichere Töne an und konzentrierten sich primär auf Rockballaden wie 'But The Best For You', 'Where The River Flows' oder 'Soul Behind The Face'. Das Problem dabei ist nur, dass keine Ballade auch nur annähernd an die großen Balladen der Achtziger heranreichen kann und alles irgendwie nach recht belanglosem Pop-Einheitsbrei klingt. Gekrönt wird die Entwicklung zur Kuschelrock-Band mit dem fürchterlichen 'Are You The One?', das wirklich besser im Studio der Schere zum Opfer gefallen wäre. Im Vergleich zu "Eye II Eye" gibt es aber wenigstens einige wenige Lichtblicke zu vermelden, wobei der rockige Opener 'Wild Child' wohl noch am ehesten als Highlight durchgeht und sich im Kontext eines Albums wie "Crazy World" auch gut gemacht hätte. Trotz der musikalisch mageren Ausbeute verkaufte die Platte dennoch weltweit über 4 Millionen Exemplare, was vielleicht auch am Coverartwork liegt, das mit seiner Darstellung von unbekleideten Menschen in einem von Tieren umringten Käfig für einen kleinen Aufschrei sorgte und in den oftmals prüden Vereinigten Staaten sogar durch ein anderes Motiv ersetzt werden musste. Aus heutiger Sicht vielleicht nicht wirklich nachvollziehbar, sieht das Cover doch eher wie ein missglücktes Kunstprojekt mit pseudo-philosophischem Hintergrund aus. Trotz aller hier geäußerter Kritik hat "Pure Instinct" aber zumindestens ein paar "Fans" in unserer Redaktion, denn Jens und Jonathan lassen sich zu einer Nennung auf dem 15. Platz hinreißen und Chris platziert die Scheibe sogar auf Rang 13, während fast alle anderen Kollegen mit dem Endergebnis übereinstimmen und den vorletzten Rang vergeben.

17. "Unbreakable"

Irgendwie war die Zeit um die Jahrtausendwende herum nicht wirklich gütig zu den SCORPIONS, denn auch das dritte Album dieser Phase findet sich am unteren Ende unserer Auflistung wieder. Immerhin haben Rudolf Schenker und Matthias Jabs nach den beiden Vorgängern, dem Orchester-Projekt "Moment Of Glory" und der Unplugged-Scheibe "Acoustica" wieder einmal den Gain-Regler an ihren Gitarrenverstärkern gefunden und "Unbreakable" verdient zumindest über weite Strecken wieder das Prädikat "Hardrock". Das spiegelt sich auch direkt in der Bewertung wider, wo durchweg etwas bessere Platzierungen herausspringen, auch wenn Jens mit seinem elften Rang noch die größten Stücke auf den Langspieler aus dem Jahr 2004 hält. Verstehen kann ich ihn, denn hat man sich erst einmal an den modernen Sound der Platte gewöhnt, der mich immer wieder frappierend an das BON JOVI-Werk "Bounce" erinnert, dann gehen Songs wie 'Someday Is Now', 'Love 'Em Or Leave 'Em', 'This Time' oder 'Deep And Dark' durchaus als gefällige Rocker durch, die man auch Jahre später noch gerne auflegt. Die Hit-Dichte bleibt aber auch auf "Unbreakable" deutlich zu niedrig. So hätten das langatmige 'She Said' oder die belanglose Piano-Nummer 'Maybe I Maybe You' sicher gestrichen werden können, während auch Rocker wie 'My City My Town' oder 'Borderline' trotz guter Ansätze nicht so richtig zünden wollen. Darüber, dass 'New Generation' zwar ein guter Song ist, mit seinem Mid-Tempo-Stampfen und verhaltenen Strophen aber alles andere als ein beeindruckender Opener ist, haben wir da noch gar nicht gesprochen. Unzerbrechlich ist das Monument der Hannoveraner anno 2004 auf jeden Fall noch lange nicht, doch nach den Irrungen und Wirrungen der vergangenen Jahre ist der Fünfer zumindest wieder auf dem richtigen Weg, was auch einige zuvor verschreckte Fans wieder ins Boot holt und dem Album hierzulande Platz 4 in den Charts beschert.

16. "Return To Forever"

Für den nächsten Platz in unserem Ranking springen wir 10 Jahre in die Zukunft: Die SCORPIONS haben eigentlich bereits ihr Karriereende verkündet, nur um die Entscheidung wieder zurück zu nehmen und mit dem passend betitelten Langeisen "Return To Forever" nun doch weiterzumachen. Ob die Entscheidung richtig war, darf angesichts der Trackliste bezweifelt werden, denn in großen Teilen handelt es sich hier um eine Resteverwertung von Überbleibseln aus den Achtzigern und Neunzigern. Dabei finden sich etwa mit 'Rock'n'Roll Band' oder 'Hard Rockin' The Place' durchaus ein paar Perlen, andere Nummern wie das belanglose 'Rock My Car' oder die langweiligen Neunziger-Überbleibsel 'House Of Cards' und 'Gypsy Life' wären besser in der Schublade geblieben, in die sie vor Jahren schon verbannt wurden. Immerhin gibt es mit 'Eye Of The Storm' zumindest eine ordentliche Ballade aus den Archiven zu hören, die sich auf den Livekonzerten zum Langeisen schnell einen Stammplatz im Set erspielen konnte und die sich auch auf "Crazy World" gut gemacht hätte. So sind es eher die frischen Kompositionen, die für "Return To Forever" die Kohlen aus dem Feuer holen müssen. 'Going Out With A Bang' ist zwar etwas sperrig, ansonsten aber eine richtig coole und im Blues verwurzelte Rocknummer, während das kompakte 'All For One' auch auf einem SCORPIONS-Dreher der Achtziger eine gute Figur gemacht hätte. Sternstunde der Platte bleibt aber die Single 'We Built This House', die zwar recht stark auf die Pathos-Tube drückt, dank großartigem Refrain aber sofort im Ohr bleibt und bei den Konzerten des Quintetts ein absolutes Highlight darstellt. Dass mit Walter und Jonathan hier zumindest zwei Kollegen den elften Platz vergeben und Chris sogar Rang 9 springen lässt, ist daher durchaus verständlich, während Jens, Timo und Holger das achtzehnte Studioalbum der Skorpione mit dem drittletzten oder vorletzten Rang deutlich harscher bewerten und so ihren Teil zum insgesamt schwachen Abschneiden beitragen.

15. "Lonesome Crow"

Gebt es zu, mit der Nennung von "Lonesome Crow" so früh in unserem Ranking hättet ihr nicht gerechnet. Eigentlich werden Debütalben in unserer Redaktion ja auch immer recht hoch gehandelt, doch der Erstling der SCORPIONS landet praktisch durchweg außerhalb der Top 10, auch wenn zumindest Jens dem ungeschliffenen Erstling eine Nennung auf Rang 5 spendiert. Und auch ich bin etwas überrascht über meine Einschätzung der Scheibe, müsste der einzige Silberling mit Michael Schenker als vollwertigem Bandmitglied doch allein ob der Tatsache, dass einer meiner großen Gitarren-Heroen hier mit an Bord ist, ein paar Bonuspunkte kassieren. Doch "Lonesome Crow" hat insgesamt einfach noch wenig mit dem Sound zu tun, welcher der Band später zu weltweitem Ruhm verhelfen sollte. Stattdessen wird hier noch mit Krautrock und Psychedelic Rock experimentiert, was wohl nirgendwo deutlicher wird als im überlangen Titeltrack zum Ende der Scheibe. Dazu sucht man Gesang oder gar Refrains weitestgehend vergebens. Stattdessen wirkt Klaus Meine oftmals fast noch etwas gehemmt und überlässt großteils den Instrumenten komplett das Feld. Vielleicht liegt diese ungewohnte Zurückhaltung auch an der Tatsache, dass sich Meine mit den englischen Texten, die sich die Band selbst verordnet hat, um ihr Ziel des weltweiten Ruhms zu erreichen, noch nicht so recht wohl fühlt. Glanzpunkte liefert somit eigentlich nur die famose Gitarrenarbeit von Michael Schenker, der für einen Teenager einfach eine unfassbare Leistung abliefert, entsprechend auch prompt nach der folgenden Tour von den Briten U.F.O. eingekauft und den Hard-Rockern zu ihren größten Erfolgen verhelfen wird. Für jemanden, der die SCORPIONS mit den Großtaten der Achtziger kennengelernt hat, dürfte "Lonesome Crow" daher wahrscheinlich erst einmal ein großer Kulturschock sein, weswegen ich ein Antesten auch dringend empfehlen würde, bevor ihr die Platte zur Komplettierung eurer Sammlung ordert.

14. "Face The Heat"

Ein wenig traurig bin ich ja schon, dass wir jetzt schon über "Face The Heat" aus dem Jahre 1993 sprechen müssen, denn für mich gehört der Silberling ganz locker in die Top 10 der SCORPIONS-Diskografie. Leider sehen das neben mir aber nur Mahoni und Chris ebenfalls so, während Frank und Jonathan die von Bruce Fairbairn (unter anderem ebenfalls für BON JOVI und AC/DC hinter den Reglern aktiv) produzierte Langrille sogar auf die letzten drei Ränge verbannen. Dabei ist alleine der Opener 'Alien Nation' mit seinen schweren Riffs und der düsteren Stimmung zum Niederknien schön und rechtfertigt die Existenz dieses Silberlings. Generell schlagen Meine, Schenker und Co. auf "Face The Heat" ungeahnt harte und düstere Töne an, was nach dem deutlich poppigeren und extrem erfolgreichen Vorgänger "Crazy World" durchaus überraschend ist. Einem guten Teil der Songs steht dieser Anstrich aber wunderbar zu Gesicht und so gibt es neben der Eröffnungsnummer mit 'Someone To Touch', 'No Pain No Gain', 'Ship Of Fools' oder der Halbballade 'Under The Same Sun' noch einige weitere Highlights zu vermelden, die auch knappe 30 Jahre nach dem ursprünglichen Release noch nichts von ihrer Faszination verloren haben. Ja, hinten raus geht den Hannoveranern ein bisschen der kreative Esprit aus und gerade die zweite Hälfte der Scheibe hat auch einiges an Füllmaterial zu bieten, das durchaus schon ein wenig die Belanglosigkeit vorwegnimmt, der die folgenden Scheiben anheimfallen sollen. Dennoch unter dem Strich ist "Face The Heat" lange nicht so schlecht, wie sein Ruf und verdient es durchaus angetestet zu werden, auch wenn die Scheibe wohl im Hinterkopf von Klaus Meine und seinen Mitstreitern immer als Fehlschlag verbucht werden wird, weil die kommerzielle Ausbeute gerade im Vergleich zum vorangegangenen Megaseller mehr als mager ausfiel.

13. "Humanity - Hour I"

Wo wir gerade von ungewöhnlichen SCORPIONS-Alben sprechen: War "Face The Heat" in Sachen Härte ein Querschläger im Katalog der Rock-Urgesteine, so ist "Humanity - Hour I" als Konzeptalbum auf Basis des gleichnamigen Romans von Liam Carl und mit seiner modernen Hard-Rock-Schlagseite ebenfalls ein klarer Ausreißer. Maßgeblich beteiligt an der musikalischen Neuausrichtung sind damals vor allem Desmond Child (BON JOVI, KISS) und James Michael (ALANIS MORISSETTE), die als Produzenten hinter den Reglern Platz nehmen und den SCORPIONS-Sound konsequent in eine extrem moderne Richtung lenken, die nicht selten sogar an Acts wie MARILYN MANSON und ROB ZOMBIE gerade im Bereich der Gitarren denken lässt. Zwischen den massiven Gitarrenwänden geht aber auch die SCORPIONS-DNA nie gänzlich verloren, was zum Beispiel insbesondere Balladen wie 'Game Of Life', 'Love Will Keep Us Alive' oder 'Your Last Song' beweisen. Doch auch härtere Nummern wie 'The Cross' mit Gesangsbeitrag von Billy Corgan oder der Opener 'Hour I' samt Gastauftritt von John 5 sind echte Volltreffer, die gut ins Ohr gehen. Viel mehr Anspieltipps möchte ich aber auch nicht herausgreifen, denn auch wenn wir es hier nicht mit einem Meilenstein wie DREAM THEATERs "Metropolis Pt. 2: Scenes From A Memory" oder PINK FLOYDs "The Wall" zu tun haben, funktioniert "Humanity - Hour I" als Konzeptalbum in sich wirklich gut und kann als Ganzes genossen durchaus für Begeisterung sorgen. Entsprechend gibt es mit Jonathan, Mahoni und meiner Wenigkeit auch drei Freunde der Scheibe in unserer Redaktion, während Chris sogar Platz 4 vergibt. "Humanity - Hour I" verdient also durchaus nochmal ein Ohr, selbst wenn ihr die Scheibe vielleicht beim Erscheinen eher befremdlich fandet und daher geht Rang 13 in unserer Endabrechnung auch mehr als in Ordnung!

12. "Sting In The Tail"

Der Nachfolger von "Humanity - Hour I" schneidet sogar noch etwas besser ab in unserer Redaktion und wird von Chris sogar auf Platz 2 genannt! Ebenso sind Jonathan, Timo und Walter offenkundig Freunde des Silberlings aus dem Jahr 2010, während Rüdiger und Jens mit einer Einsortierung auf dem drittletzten Rang ein noch besseres Abschneiden verhindern. So dürften es auch die überwältigenden positiven Reaktionen auf die zwölf Tracks von Presse und Fans gewesen sein, die den Hannoveranern schließlich den frühzeitigen Ruhestand ausredeten. Ursprünglich sollte "Sting In The Tail" nämlich das letzte SCORPIONS-Langeisen werden und die zugehörige "Get Your Sting And Blackout"-Tour den endgültigen Abschied markieren. Glücklicherweise kam doch noch der Sinneswandel, denn das Songmaterial der Scheibe klingt überhaupt nicht nach Altherren-Rock oder Ideenlosigkeit. Ja, auch hier ist lange nicht alles Gold was glänzt und vor allem der etwas stupide Rocker 'Rock Zone' und die arg kitschige Ballade 'Lorelei' hätten durchaus in der Mottenkiste verschwinden können, dafür ist das eröffnende Song-Quintett von 'Raised On Rock' bis 'No Limit' wahrscheinlich das beste, was die Herren bis dahin seit den Achtzigern komponiert haben. Der heimliche Höhepunkt der Scheibe versteckt sich mit dem ultramelodischen 'Turn You On' aber noch etwas weiter hinten in der Trackliste und ich werde nie begreifen, warum die Nummer nicht ein fixer Bestandteil der Konzerte des Fünfers geworden ist. Obendrauf wird mit 'The Best Is Yet To Come' noch eine typische SCORPIONS-Ballade zum Abschluss der Platte serviert, zu der man vor dem geistigen Auge schon beim Hören die gezückten Feuerzeuge beim Konzert vor Augen hat. Der Tank der Altrocker war 2010 also noch lange nicht leer und so dürfen wir uns wohl alle freuen, dass das neu entfachte Feuer auf "Sting In The Tail" die Band noch länger vor dem Altenteil bewahrt hat, auch wenn "Return To Forever" im Anschluss das hohe Niveau nicht halten konnte.

11. "Savage Amusement"

Dass wir danach mit "Savage Amusement" schon über ein Album der glorreichen Achtziger sprechen, ist vielleicht für manche erneut überraschend. Auch meine Wenigkeit, Mahoni und Tommy sehen den Silberling deutlich weiter vorne und vergeben Ränge in den Top 6, während Walter und Peter deutlich kritischer an die Sache herangehen und das Album auf den untersten fünf Plätzen sehen. Im Kontext der Diskografie kann ich die Meinung der Kollegen aber durchaus nachvollziehen, denn nachdem die SCORPIONS mit "Love At First Sting" und "Blackout" ihren musikalischen Zenit erreicht hatten, bot der Nachfolger im Großen und Ganzen das gleiche Rezept an, ohne die ganz großen Hit-Singles abzuwerfen. Was aus der Scheibe hätte werden können, sorgt dabei schon lange für Spekulationen, denn eigentlich hatte Rudolf Schenker erstmals seit "Lovedrive" wieder gemeinsam mit seinem Bruder Michael an Songs gearbeitet. Das Material wurde allerdings nie verwendet, da Produzent Dieter Dierks, mit dem die Band damals einen laufenden Vertrag hatte, durch Michaels Beteiligung zusätzliche Kosten entstanden wären. Doch nicht nur in monetären Fragen stellte sich Dierks quer, auch sonst verschleppte er die Arbeiten immer weiter, sodass schlussendlich vier Jahre ins Land zogen, bis "Savage Amusement" endlich erscheinen konnte. Dass trotz der Streitigkeiten mit dem Produzenten so starke Nummern wie 'Don't Stop At The Top', 'Passion Rules The Game', 'We Let It Rock ... You Let It Roll' oder das getragene 'Every Minute Every Day' ihren Weg auf die Scheibe fanden, muss man daher eigentlich noch als Erfolg werten. Mit den direkten Vorgängern kann die wilde Unterhaltung aber dennoch nicht wirklich mithalten, weshalb es am Ende auch nur für eine Platzierung knapp außerhalb der Top 10 reicht.

10. "Rock Believer"

Damit sind wir auch schon in der goldenen Mitte der Diskografie angekommen und genau hier platziert sich das neuste Album der SCORPIONS. Zu bedenken geben muss man dabei natürlich, dass wir alle zum Zeitpunkt dieses Diskografie-Checks nur wenige Tage Zeit hatten, um die Platte zu hören und daher noch wenig über die Langzeitwirkung von "Rock Believer" sagen können. Doch die Tatsache, dass unsere Redaktion praktisch geschlossen Plätze rund um Rang 10 vergibt, dürfte darauf hindeuten, dass wir es hier tatsächlich mit einem wirklich starken Spätwerk der Hannoveraner zu tun haben. Erstmals mit MOTÖRHEADs Mikkey Dee hinter dem Drumkit, der während der letzten Tour James Kottak ersetzte, besinnen sich Meine, Schenker und Jabs auf die Glanzzeiten in den Siebzigern und Achtzigern und bewegen sich bewusst außerhalb ihrer zuvor liebgewonnenen Komfortzone. Selbst Klaus Meine gibt in Interviews zu Protokoll, dass auch ihm der SCORPIONS-Sound mit großen Chören und Orchester zu glattgebügelt geworden war. Mit 'Seventh Sun' oder 'Shining Of Your Soul' gibt es dann entsprechend auch wirklich sperriges und trotzdem eingängiges Material zu hören, das sogar in Teilen die Jahre mit Uli Jon Roth an der Gitarre wiederaufleben lässt. Ebenso müssen Fans der großen Klassiker "Blackout" oder "Love At First Sting" aber nicht auf typische Rock-Hymnen verzichten, denn auch diese hat der Fünfer mit 'Knock 'Em Dead' oder 'Gas In The Tank' im Gepäck. Den Versuch "back to the roots" zu gehen, haben ja schon viele Bands unternommen, aber selten ist das so perfekt gelungen wie auf dem neusten Langdreher der Skorpione und sollte "Rock Believer" daher vielleicht das letzte Album sein, dann könnte man mit Fug und Recht behaupten, dass sich die Rock-Dinos mit einem richtigen Knall verabschiedet haben. In dieser Form dürfen aber auch gerne noch ein oder zwei Langdreher folgen!

Und damit sind wir auch schon am Ende des ersten Teils unserer Reise durch über 50 Jahre SCORPIONS angekommen. Zwar wissen wir jetzt schon, wo "Rock Believer" gelandet ist, doch auch für den zweiten Teil bleibt es spannend. Setzt sich einer der Klassiker aus den Achtzigern durch, oder wird es einen Überraschungserfolg für eine Scheibe mit Uli Jon Roth an der Gitarre geben? Das alles lest ihr im kommenden Teil.

Redakteur:
Tobias Dahs

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