EARLY MAN: Interview mit Mike Conte

05.09.2010 | 09:27

Mike Conte, Sänger und Gitarrist der urigen Speedthrasher EARLY MAN, äußert sich zu Songwriting, kritisiert Musikkritiken, wirft Licht auf seine metallische Herkunft und beschreibt die ganz alltäglichen Schwierigkeiten im Musikerdasein.

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Hallo. Zuallererst gleichmal ein Danke für diese Gelegenheit und dafür, dass du dir die Zeit nimmst, meine Fragen zu beantworten. Nun, ich weiß nicht, ob du das Review zu "Death Potion" auf POWERMETAL.de gelesen hast, da es ja sicherlich eine ganze Menge Rezensionen alleine schon im Internet gibt, aber ich werde versuchen einige dort angesprochenen Punkte zu Fragen umzuformulieren.

Bevor wir loslegen muss ich natürlich noch anmerken, dass ich euren Sound wirklich sehr toll finde und nach den ersten Noten von "Closing In" sofort in den Bann der Band gezogen wurde. Kreative Bands mit einer ehrlichen und offensichtlichen Leidenschaft für ihre Musik wie EARLY MAN halten die Metalszene frisch und interessant.


Danke! Vollste Zustimmung unsererseits.

Das neue Album ist in der Tat eine weitere großartige Portion von solidem schnörkellosen thrashigen Speed Metal verbunden mit deinem sofort wiedererkennbaren Stimmeinsatz. Ich habe von vorne bist hinten Spaß damit gehabt. Wie sieht's da mit den Fans und Kritikern allgemein aus? Wie sind die Reaktionen insgesamt, sind die Horden zufrieden mit eurem neuesten Output?

Ich finde es toll, dass dir die Scheibe gefällt. Nichtdestotrotz, um ehrlich zu sein und deine anderen Fragen zu beantworten, musst du wissen, dass ich Pressestimmen nicht wirklich Aufmerksamkeit schenke. Für mich ist eine Albenrezension sinnlos, egal ob positiv oder negativ. Wenn man ein Review eines Albums (oder eigentlich jede andere Art von "Review") liest, lernt man viele Dinge über die Ansichten der Person, die es geschrieben hat, aber rein gar nichts in Bezug auf die Art wie man selbst auf die fragliche Sache reagieren würde, in diesem Fall eben die Musik. Man muss Musik selbst und persönlich erleben ohne vorgekaute Ideen, welche bestimmen, ob sie dir gefällt. Das ganze Konzept hinter einem Albenreview ist falsch. Es ist als ob du jemanden, den du nicht kennst einen Cheeseburger geben und dann sagen würdest: "Kannst du das hier probieren und dann einen total übermäßig analytischen Essay dazu verfassen wie es schmeckt, damit ich weiß, wie ich darüber denken soll?" Sowas würde nie jemand tun! Du würdest es kaufen, essen, es entweder mögen oder nicht und dann weitermachen. Der Zweck eines Albenreviews ist es, das Ego des Autors zu vergrößern. Das ist eine simple Tatsache. Das ist der Grund warum ich Reviews nie Aufmerksamkeit geschenkt habe. Die Leute schicken mir immer Dinge wie "Es kriegt gute Reviews!" als ob mich das glücklicher mit meiner Kreation machen würde. Dem ist nicht der Fall. Sobald ich damit fertig war, war das Album so ziemlich genau das, was ich ursprünglich haben wollte. Ich versuche ein Album zu machen, das mir persönlich gefällt und es dann mit anderen zu teilen. Wenn man eine Scheibe aufnimmt, dann arbeitet die Schaffung dieser Musik auf einer gewissen Wellenlänge und sendet eine spezielle Stimmung aus, sodass jeder, der sich ebenfalls auf dieser Wellenlänge bewegt sich sofort zur Musik hingezogen fühlt und eine Verbindung geschaffen wird. Ein Teil dieses Prozesses zu sein ist eigentlich eine sehr erstaunliche Sache. Wir haben ein überwältigendes Feedback von unseren Fans bekommen, die das Album toll finden and das ist super. Aber inwiefern es andere Menschen mögen oder nicht mögen, hat für mich keine Bedeutung. Mir gefällt das Album, dem Rest der Band gefällt das Album und das ist alles, was zählt.

 

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"Death Potion" scheint ein bisschen mehr in eine thrashigere, geradlinigere, gleichförmige Richtung zu gehen als "Closing In". Soll heißen, in Sachen Tempo geht alles auf Albumlevel schneller vonstatten. Diese Entwicklung konnte man bereits auf der EP "Beware The Circling Fin" beobachten. Gibt es da einen bestimmten Grund dafür oder ist das einfach als ein unausweichlicher Nebeneffekt während dem Songwriting passiert ohne jegliche bewusste Einflussnahme? Findest du, dass ihr als Liederschreiber gewachsen und gereift seid, d.h. eine konkrete "Stimme" von EARLY MAN gefunden habt wenn man beide Alben vergleicht?


Jedes von uns fabrizierte Album wird seine eigene Stimme haben, jeweils abhängig davon wann und wo es geschrieben worden ist. Zahlreiche Faktoren spielen hier eine Rolle. Das Album["Death Potion"] birgt ein Gefühl von Eile in bestimmten Songs, was, wie ich weiß, ganz einfach von meinem Geisteszustand während des Schaffensprozesses herrührt. Andere Dinge sind ebenfalls wichtig, wie zum Beispiel neue Bandmitglieder, zunehmendes Zusammenspiel als Band beim Touren, Einflüsse von was auch immer die Band zum Zeitpunkt des Songwritings hört, usw. diese Liste kann man endlos fortführen. Wie bei allem gilt: Je öfter man es machst, desto besser wird man.

Gibt es ein generelles Konzept hinter dem neuen Album? Irgendwelche erwähnenswerten Anmerkungen zu einigen Liedern im Speziellen? Was hat es eigentlich mit dem Bandnamen auf sich? Soll er Bilder von urzeitlichen, primitiven und unverfälschten Dingen in den Köpfen heraufbeschwören? Ziemlich passend in jedem Fall. Wie seid ihr darauf gekommen, was ist die Geschichte dahinter?

Ich glaube nicht wirklich, dass ich mit einem "generellen Konzept" an ein Album herangehe, da so etwas für mich sehr schnell sehr einschränkend wird. Mir ist aufgefallen, dass derzeit immer mehr Bands Konzeptalben aufnehmen. Insofern das für eine Band glatt geht, ist das natürlich großartig. Sicherlich eine interessante Herangehensweise eine Art von Geschichte durch das ganze Album zu ziehen. Meistens wenn ich Texte und Gesangsmelodien für ein Lied schreibe, dann will ich nur die Musik auf dem besagten Song hören, für eine kurze Zeit, damit ich ein Gefühl dafür bekomme, wovon er handeln sollte. Das hört sich vielleicht ein wenig verrückt an, aber es ist fast als ob die Riffs einem sagen, worum's bei dem Lied gehen muss. Es dauert nie lange bis ich anfange, nach ein paar Runden mit einem Song Wörter auf ein Stück Papier zu kritzeln. Es gibt also nicht wirklich ein Konzept als Ganzes hinter einem Album. Und dennoch fließt die Thematik irgendwie zusammen, in manchen Fällen muss man halt nur etwas tiefer graben um dahinterzukommen, manchmal dagegen ist es auch sehr offensichtlich und vereinfacht, so, dass es einem praktisch ins Gesicht springt. Einige meiner Texte, als Beispiel nehme ich hier das Lied 'Six Mothers Of The War God', müssen erst einmal ein wenig durchgekaut und verdaut werden bevor sich die Zahnräder im Kopf in Bewegung setzen können. Und gleichzeitig, sogar auf demselben Album, gibt es Songs wie 'Fight' bei denen die Texte nichts weiter als eine einfache Tirade darüber sind, wie ich mich fühle bevor ich mich in eine Barschlägerei verwickle. Es ist sehr wichtig für mich, mir meine Möglichkeiten offen zu halten, um in zwei derartig verschiedene Gegenstände einzutauchen. Von da weg liegt alles beim Hörer.

Der Bandname passt sehr gut zur Musik. Ich habe ihn vor vielen Jahren gewählt, weil er zu jener Richtung passte, in die ich mich damals musiktechnisch bewegte. Zurück zu den Wurzeln, das Urige. Zusammen mit der Tatsache, dass ich aussehe, mich fühle und verhalte wie ein Neanderthaler schien es die perfekte Wahl zu sein.

 

http://powermetal.de/pics/2010/08/31/127904-Pic-1283277893.jpgEine offensichtliche Frage, die nicht unerwähnt bleiben sollte: Wie sieht's mit euren Einflüssen aus? Irgendwelche bestimmten Bands, auf die du verweisen kannst, die dich deiner Meinung nach dazu bewegt haben, ein Instrument in die Hand zu nehmen und Musik zu schreiben wie diese Gruppen/beeinflusst von ihnen/einfach am Altar des Riffs zu huldigen? Man merkt eine eindeutige Liebe für traditionelle und "Proto"-Bands. Wie lang hört ihr schon Rock und/oder Metal? Und sowieso, wie fand die Band eigentlich zusammen?

Ich wuchs bis zu meiner späten Jugend in einer sehr strikt religiösen Umgebung auf. Darum entdeckte ich Musik erst viel später als die meisten Kinder. Meine Kindheit und Jugend verbrachte ich in einem sehr kleinen Dorf in Ohio, das mich von einer breiteren Palette an Musik im Allgemeinen abgeschirmt hat. Das hört sich vielleicht schräg an, aber genau genommen ist meine Großmutter dafür verantwortlich, mich in ihrem späteren Leben für Heavy Metal zu begeistern. Das ist mein voller Ernst. Circa mit 50 began sie Gitarre zu spielen, JUDAS PRIEST und MEGADETH zu hören und IRON MAIDEN-Shirts zu tragen. Vielleicht war das eine Midlife-crisis, aber was auch immer es war, es war großartig und brachte mich zu jenen Bands, von denen ich davor in meiner Jugend noch nie etwas gehört hatte. Metal ist etwas sehr Mächtiges. Wenn man zum ersten Mal mit 17 METALLICA oder PANTERA hört und einem noch nie wirklich etwas Vergleichbares zu Ohren gekommen ist, dann ist das eine lebensverändernde Erfahrung. Zumindest war sie das für mich. Ganz besonders wenn man aus derartig religiösen Kreisen stammt. Ich dachte mir sofort: "Davon will ich ein Teil sein!". Soviel zu meinem Hintergrund. Ich weiß, dass Adam [Bennati], unser Schlagzeuger, schon immer ein Skater gewesen ist und bereits mit jungen Jahren gutes Zeug gehört hat. Und Pete Macy, unser Leadgitarrist, ist wahrscheinlich einer der reinsten Metalheads, den ich jemals in meinem Leben getroffen habe. Ich glaube, er kam schon mit einem OZZY OSBOURNE-Shirt auf die Welt.

EARLY MAN begann vor vielen Jahren mit einem 8-Spur-Aufnahmegerät und einer Drum Machine. Darüber nachzudenken ist auf eine gewisse Weise komisch für mich, aber der Song 'Fight' auf "Death Potion" wurde vor 10 Jahren mit einer Alesis SR-16 Drum Machine und einem Tascam 8-Spur-Portastudio geschrieben. Ich habe damals versucht, ein paar verschiedene Line-Ups mit der Band in New York auszuprobieren, fast vor einem Jahrzehnt, allerdings wurde daraus nie etwas Handfestes bis ich mit Adam, den ich noch von meiner Heimat in Ohio kannte, zu spielen begann. Ein paar Jahre später kam noch Pete Macy als Leadgitarrist dazu und dieses Line-Up floss zusammen und formte den harten Kern der Band. Wir probierten so circa 150 Bassisten durch bis wir schließlich auf den derzeitigen Bassspieler Tim [Ramage] stießen, der nun seit einigen Jahren dabei ist.

 

Der Sound von EARLY MAN ist eine gewisse kreative Herangehensweise an Speed Metal alter Schule. Obwohl dieser Speedmetal-Hauptstil kristallklar für jeden mit Ohren hörbar sein sollte, scheint ihr auch von leichten doomigen Stoner-Vibes beeinflusst zu sein, eine Mixtur, die ausgesprochen gut einhergeht. Ist das das Resultat einer Liebe zu 70er Doom und Heavy Rock-Bands generell verbunden mit dem Verlangen, zurück-zu-den-Wurzeln, hart einschlagenden Metal zu fabrizieren oder steckt dahinter kein bewusster Versucht (vielleicht entsteht der Eindruck auch nur durch deine "kauzige" nasale Herangehensweise was Gesang betrifft)?

Um ehrlich zu sein denke ich, dass das lediglich daran liegt, dass ich auf eine Weise singe durch die der Hörer die Texte verstehen kann. Das ist sehr wohl absichtlich. Im Heavy Metal-Genre verhält es sich zu diesem Zeitpunkt nur noch selten so, dass man den Sänger verstehen kann. Darum kann ich so ungefähr 99 % der neueren Heavy Metal-Bands nicht ausstehen. Gleichzeitig ist es auch witzig, dass man als nicht "extrem" oder heavy genug bezeichnet wird sobald der Gesang nicht aus unverständlichem Geschrei besteht. Dem ist wohl kaum so. Ich kann nicht glauben wie schlecht und generisch viele aktuelle Metalbands sind. Jeder versucht mehr oder weniger dasselbe, was langweilig und weit davon entfernt ist, einzigartig zu sein. Es ist ein Trend and ich hoffe, dass er wie jeder Trend bald ausstirbt. Was wir machen ist nicht komplex und genau darin liegt die Schönheit. Unser Sound kommt von einem sehr fundamentalen, rohen und ehrlichen Ort.

Fünf Jahre (die EP nicht mitgerechnet) zwischen zwei Alben. Ohne Bosheit könnte man sagen, dass das beinahe eine zu große Lücke ist. Kamen andere Dinge der Band in die Quere? Irgendwelche Hinweise wann der nächste Output ansteht?

Viele Dinge kamen dazwischen und es gab definitiv Ablenkungen. Unvorhergesehene Probleme mit dem Label. Fragwürdige Mädchen tauchten magisch aus dem Nichts auf wie sie es so oft tun. Anfangs war es der reinste Alptraum in Sachen Touring etwas zu finden, dass uns allen passte. Man muss sich im Klaren darüber sein, dass, als diese Band anfing zu spielen, diese neuen "Thrash"-Bands noch nicht existierten. Wir waren damals so ziemlich die einzige Band, die unseren Stil praktizierte. Herauszufinden wie wir die Band und ihre Musik vermarkten konnten war also sehr schwierig. Ich könnte diese Liste ewig weiterführen. Ebenfalls jedoch kommt einfach das Leben selbst dazwischen. Ich muss mir meinen eigenen Weg bahnen. Ich komme aus keinem wohlhabenden Elternhaus, Mami und Papi bezahlen mir nicht die Miete, deshalb ist es nicht immer einfach, die Dinge in Bewegung zu halten, da man ja, ob es einem gefällt oder nicht, Sachen wie Miete, Rechnungen, Lebensmittel, usw. bezahlen muss. Unter den vielen Dingen mit denen Musiker in diesem Zeitalter belohnt werden können findet sich nur selten Geld. Es kann deswegen schon ein Kampf sein, sich von einem Monat zum anderen zu schlagen und eine Band mit Schwung vorwärts zu treiben. Bands auf Tour werfen riesige Mengen an Geld hinaus und stecken fast immer bist zum Hals in Schulden, besonders dann, wenn sie am meisten und über allem anderen Wert darauf legen ihre künstlerische Integrität zu wahren. Es ist eine andauernde Schlacht. Man durchlebt Höhen und Tiefen und lernt, sich durchzuschlagen. In jedem Fall kann ich dir versprechen, dass das nächste Album nicht so lange auf sich warten lassen wird wie "Death Potion"! Wir haben unsere Lektion gelernt and bereits begonnen unsere Aufmerksamkeit zum dritten Album zu wenden.

Wo wir gerade beim nächsten Album sind, habt ihr da irgendwelche Pläne? Können wird etwas Ähnliches wie "Death Potion" erwarten oder welche Richtung wird darauf eingeschlagen?


Ich habe noch keine Ahnung. Und das ist das beste daran.

Wahrscheinlich werdet ihr noch ausgiebig auf Tour gehen um "Death Potion" zu promoten. Lieder wie der Titeltrack oder 'The Undertaker Is Calling You' sollten die Massen ja in Bewegung bringen.

Der Hauptteil der Tour für dieses Album wird im Herbst 2010 und durchwegs 2011 vonstatten gehen. Wir haben in den letzten paar Wochen ein paar Shows in Südkalifornien gespielt und die Reaktionen und Energien im Publikum waren fantastisch. Die Releaseshow in einem kleinen Standort in Hollywood war eine der besten Gigs, an die ich mich erinnern kann mitgewirkt zu haben. Alles bestens also. Für diese Band ist der Live-Aspekt ein Hauptbestandteil. Wenn du uns nicht live gesehen hast, dann hast du ganz schön was verpasst.

Sind außerhalb der USA auch Shows geplant?

Wir hoffen 2011 mehr als einmal in Europa zu sein.

Besten Dank für das Interview. Irgendwelche abschließenden Bemerkungen?

Vielen Dank für euer Interesse an der Band, wir hoffen euch alle bald zu sehen!

Redakteur:
Daniel Wimmer

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