EISREGEN: Interview mit Michael

21.11.2005 | 11:56

Volksmusik und Ballettunterricht

Gerade noch sah es so aus, als würde die Thüringer Dark-Metal-Formation das Zeitliche segnen, da entern EISREGEN auch schon die Charts mit ihrer neuen MCD "Hexenhaus". Sänger Michael Roth erklärte Powermetal.de wie sich Widerstand und Volksmusik vereinbaren lassen.

Manuela:
Auf der neuen Scheibe wirst du deinem Spitznamen "Blutkehle" nicht immer gerecht, denn es hat sich überraschend viel cleaner Gesang eingeschlichen. Ist das die Richtung, in die du zukünftig gehen willst?

Michael:
Nein, das hat sich eigentlich eher so ergeben. Die neuen Songs werden wahrscheinlich eher im Stil von '1000 tote Nutten' und 'Kaltwassergrab' sein.

Manuela:
Hörst du privat mittlerweile auch eher Musik mit normalem Gesang?

Michael:
Ich höre leider gar keine Musik mehr, weil mich EISREGEN und EISBLUT so in Anspruch nehmen, dass ich für das Schaffen anderer Bands gar keine Zeit mehr habe. Das ist eigentlich schade.

Manuela:
Wie hast du dich auf diese Art des Singens vorbereitet?

Michael:
Ich habe ein paar Atemtechnikübungen mit einem Musikstudenten gemacht, allerdings keinen richtigen Gesangsunterricht genommen. Das wäre mir dann doch zu kostspielig gewesen.

Manuela:
Für viele Fans ist das Volksmusikstück 'Lili Marleen' oder die Dance-Floor-Version von 'Elektrohexe' natürlich ein Schock. Weshalb seid ihr das Risiko eingegangen und habt solche Songs aufgenommen?

Michael:
Die Meinungen gehen da sehr auseinander - die einen finden es putzig, die anderen hassen diese Stücke total. Den meisten ist aber schon klar, dass das eher lustig gemeint war. Wir wollten halt noch eine ganz andere Version von 'Elektrohexe' haben und da unser Produzent auch gleichzeitig der von EWIGHEIM ist, war der Schritt auch nicht mehr sehr weit. Uns ist aber schon klar, dass so ein Lied für eine Metal-Band tödlich sein kann. Das ist uns aber egal.

Manuela:
Weshalb habt ihr euch gerade für dieses Lied entschieden?

Michael:
'Lili Marleen' ist ein Stück, das meine Kindheit geprägt hat, weil es meine Eltern immer gehört haben. Es wurde unter anderem von Marlene Dietrich interpretiert und sollte damals von den Nazis verboten werden. Es war zu negativ und passte deshalb nicht in ihr Programm. Aus diesem Grund passt es auch so gut in unseres - schließlich stehen wir sozusagen für musikalischen Widerstand.

Manuela:
Man würde von dir nicht gerade erwarten, dass du derartige Musik hörst...

Michael:
Mir persönlich gefällt das Lied auch sehr gut. Vor allem natürlich der Text, der ja für damalige Verhältnisse schon ziemlich krass war. Den Song wollten wir übrigens schon zu einem früheren Zeitpunkt mal aufnehmen. Die Gitarrenparts sind auch alle von uns dazu gemacht worden.

Manuela:
Meinst du eigentlich irgendeinen deiner Texte ernst?

Michael:
Ja, es gibt immer wieder Passagen, wo schon eine Menge Ernsthaftigkeit drin liegt. Zum Beispiel die Geschichte zu 'Muttermord', die könnte ja durchaus so gewesen sein. Aber klar gibt es auch sehr viele fiktive Geschichten wie '1000 tote Nutten', womit ich die heutige Medienlandschaft aufs Korn nehme, denn wenn man mal nachmittags in Talkshows rein zappt, dann wird einem einfach nur schlecht. Deswegen habe ich mir vorgestellt, wie es wäre, wenn da jetzt so ein Psychopath daher kommen würde, der es sich zum Ziel gesetzt hat, tausend Nutten zu töten - der wäre doch der absolute Star in solchen Talkshows!

Manuela:
Bist du privat auch so sarkastisch?

Michael:
Überwiegend ja. Kommt natürlich schon des öfteren vor, dass man da mal jemandem auf den Schlips tritt.

Manuela:
Nach all dem Ärger mit der Bundesprüfstelle, die zwei eurer Alben indizierte und den finanziellen Schwierigkeiten, wolltet ihr die Band zunächst auflösen. Das habt ihr ja nun glücklicherweise doch nicht getan. Dennoch: Welche Konsequenzen habt ihr aus diesen Erfahrungen gezogen?

Michael:
Es gibt keine wirklichen Konsequenzen, weil wir weiterhin das machen werden, woran wir Spaß machen. Da lassen wir uns nicht künstlich einschränken. Natürlich ist es schon so, dass wir durch den totalen Verbot unseres Albums große finanzielle Einbußen hatten. Aber diese ganze Indizierungsgeschichte passierte ohnehin erst in dem Jahr, in dem wir pausierten. Da kam irgendwie alles zusammen - wir verstanden uns nicht mehr so gut, das Label ging pleite und dann die Sache mit den Behörden. Aber mittlerweile hat sich dann doch wieder alles zum Positiven gewendet.

Manuela:
Was machst du, wenn du dich nicht grade der Musik widmest?

Michael:
Ich bin von Beruf Drucker, das lässt sich auch ganz gut mit EISREGEN verbinden, sonst würde ich das auch gar nicht machen. Ein festes Standbein ist aber schon notwendig, da ich verheiratet bin und zwei Kinder habe. Mittlerweile ist es aber auch so, dass wir mit EISREGEN ganz gut verdienen.

Manuela:
Eurer MCD liegt eine DVD bei, auf der sich auch einige Interviews befinden. Darin wird behauptet, du hättest mal Ballettunterricht genommen...

Michael:
Davon ist nichts wahr. Das sind alles so Dinge, die sich Jack Knife ausgedacht hat.

Manuela:
Dann ist dein Vater also auch kein Pianist?

Michael:
Nein, er ist Versicherungsvertreter. Meine Eltern haben aber durchaus Verständnis für meine musikalische Karriere und das ist mir auch sehr wichtig.

Manuela:
In euren Texten spielt auch immer wieder eure Herkunft eine Rolle. Bist du wirklich patriotisch oder ist das grundsätzlich ironisch gemeint?

Michael:
Ich bin schon Patriot, wenn auch nicht sehr extrem. Ich mag Thüringen, wir identifizieren uns auch mit unserem Land. Ich sage auch jedem, dass wir eine Band aus dem Osten sind.

Manuela:
Letzte Frage: Wann ist mit der Veröffentlichung des neuen Albums "Menschenmaterial" zu rechnen?

Michael:
Das kann ich momentan noch gar nicht sagen. Wir gehen im Januar/Februar erst mal mit PUNGENT STENCH auf Tour. Vorher proben wir und erst danach können wir uns richtig um die neue Platte kümmern. Eins ist jedoch sicher: Wir werden mal wieder das machen, was man am wenigsten von uns erwartet.

Manuela:
Vielen Dank für das Gespräch.

Redakteur:
Manuela Liefländer

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