EKTOMORF: Interview mit Zoltán Farkas
31.01.2014 | 07:40"Es ging mir stets nur um die Musik!" Zwei Dekaden ist Zoltán Farkas mit seiner Truppe EKTOMORF bereits unterwegs, und von Abnutzungserscheinungen keine Spur.
Wo andere Bands sich bereits mehrere Male neu erfunden hätten, bleiben die Ungarn ihrem rohen, erdigen Groove/Thrash Metal und ihrem charakteristischen Sound unabänderlich verbunden. Dazu mag man stehen, wie man will – EKTOMORF ist jedenfalls eine fest etablierte Marke im internationalen Metal-Zirkus. Anlässlich der Veröffentlichung des 2014er Outputs "Retribution" führte POWERMETAL.de ein Ferngespräch mit dem charismatischen Fronter. Eine schöne Tradition findet damit ihre Fortsetzung, ist dies doch bereits unser fünftes Interview mit Zoli.
Wenn man wie EKTOMORF im Schnitt alle zwei Jahre ein neues Album veröffentlicht, dazwischen auch mal eine Akustik-Platte aufnimmt oder eine Live-DVD unters Volk bringt, stellt sich die Frage, wie es der hyperaktiven Band nach grob 20 Jahren im Geschäft geht – und ob Mastermind Zoltán überhaupt damit gerechnet hätte, dass es EKTOMORF im Jahr 2014 noch gibt! Klare Ansage: "Ja, natürlich habe ich erwartet, dass wir nach 20 Jahren noch existieren! Musik ist mein Leben, ohne Musik würde es mich wahrscheinlich gar nicht mehr geben." Und die Arbeitswut, die zahllosen Veröffentlichungen, woher die Inspiration, woher die Ideen, die Energie? "Es stimmt, wir bringen tatsächlich im Schnitt alle zwei Jahren etwas Neues heraus. Aber wir sind zugleich auch sehr viel auf Tour, und wenn du unterwegs bist, hörst du ständig etwas Neues, Interessantes. Ich spiele ja ständig Gitarre, nicht nur auf der Bühne, ich sammle all diese Eindrücke und Ideen. Warum sollte ich also fünf Jahre warten, wenn ich schon genug Ideen beisammen habe? Jedes Album ist ein weiter Schritt, vielleicht auch Fortschritt, du bringst heraus was dich aktuell beschäftigt, und so bleibt die Musik frisch und lebendig. Ich bin eigentlich sehr glücklich, all das tun zu können."
Nach besagten 20 Jahren im Geschäft interessiert uns auch, mit welcher Intention EKTOMORF Anfang der 90er ins Leben gerufen wurde. Zoltán, das einzige verbliebene Gründungsmitglied und zugleich Mastermind der Band, hat seinerzeit angefangen wie viele andere Musiker auch: "Wie wahrscheinlich jeder andere Musiker hatte ich meine Lieblingsbands, hatte eine Gitarre, fing an zu spielen, weil ich eben dasselbe machen wollte wie diese Bands. Die Liebe zur Musik war immer schon mein Hauptantrieb, und ist es bis heute geblieben. Die Entwicklung allerdings war hart. Wie du weißt kommen wir aus Ungarn, dort war es einfach nicht leicht, den Durchbruch zu schaffen. Jede Band hat es schwer, aber für uns war es wahrscheinlich noch viel schwerer. Man muss wirklich durchhalten, an sich glauben. Ich wollte nie ein "Rockstar" werden, ganz ernsthaft. Klar, viele behaupten das von sich, aber wäre ich seinerzeit angetreten, um ein Star zu werden, wäre ich heute garantiert nicht mehr hier. Es geht und es ging mir stets um die Musik. Wir wollen Musik machen, und die Fans vor der Bühne haben Spaß, ich sehe es in ihren Augen, sie erzählen uns Geschichten darüber, wie unsere Musik ihnen durch schwere Situationen hindurch geholfen hat. Das ist wirklich ein tolles Gefühl, über all die Jahre, und so ist es auch heute noch."
Dabei ist die Musik von EKTOMORF stets bei ihren aggressiven Wurzeln geblieben, während sich die Texte um erlebte Diskriminierung, Ungerechtigkeit und zwischenmenschliche Verwerfungen drehen. Auch hier ist Zoltán, der Text- und Musikschreiber von EKTOMORF, sich treu geblieben. Selbst die aktuelle politische Situation in Ungarn tangiert ihn nicht sonderlich: "Ehrlich gesagt interessiere ich mich überhaupt nicht sehr für Politik. Damit haben unsere Texte nichts zu tun. Ich sehe auch nie fern. Es ist doch immer dasselbe: Du machst die Glotze an, und alles was du siehst sind zig tausend Meldungen über Tod und Leid und solch negativen Kram. Man sieht doch schon im eigenen Leben genug davon. Nein, es geht nicht um Politik, ich schreibe von persönlichen Dingen – darüber, was ich in einer bestimmten Situation fühle und denke. So wie über Diskriminierung. Ich bin mit der erlebten Tatsache aufgewachsen, dass die meisten Menschen Zigeuner hassen. Das ist Fakt, das ist auch heute noch so, vielleicht sogar stärker als in der Vergangenheit. Darüber habe ich ein paar Texte geschrieben. Es gibt aber keine Hauptthematik auf "Retribution", es geht eben um Persönliches, wie beispielsweise das Gefühl, von einem Menschen dem ich vertraut habe enttäuscht zu werden, und Ähnliches. Eben die negativen Aspekte des eigenen Lebens. Die Hauptinspiration für alle meine Alben ist letztlich mein eigenes Leben. Das Leben an sich." So aggressiv und deprimiert wie Zoltáns Texte oftmals klingen, scheint sein Leben ein einziger Kampf zu sein. Tatsache? "Nein, das ist natürlich nicht wahr. Mein Leben ist alles andere als schlecht. Aber das, worüber ich schreibe, betrifft eben die schweren Augenblicke meines Lebens. Deswegen ist die Musik auch so verdammt hart." Und für die Band hat sich durch die politische Situation der letzten Jahre wirklich nichts geändert? "Wie gesagt, Politik interessiert mich nicht. Wir haben noch nie allzu viele Shows in Ungarn gespielt, obwohl wir gerne hier spielen, doch hauptsächlich sind wir im Ausland unterwegs. Was hier passiert, tangiert uns als Musiker nicht wirklich."
Das neue Album "Retribution" ist also unabhängig davon ein typischer EKTOMORF-Output geworden, allerdings mit dezent melodischeren Einschlägen. Zufall oder neue Ausrichtung? "Naja, wir waren noch nie eine Mainstream-Band. Trotz unseres Akustik-Albums bleiben wir wohl insgesamt zu hart. Die Melodien sind vorhanden, ja, aber das liegt daran, dass ich eben auch wahnsinnig gerne Akustik-Gitarre spiele und mit meiner klaren Stimme singe... Wobei ich natürlich auch gerne schreie. Beides bin ich, und ich habe jetzt etwas von dieser melodischen Seite in die laute, harte Seite einfließen lassen. Ich denke es passt sehr gut, es klingt interessant, zeigt einfach ein breiteres Spektrum von uns. "Retribution" ist also eine Mischung aus allem was wir bislang gemacht haben – allerdings sicher auf einem sehr einfachen Level. Eine kleine Dekorierung dessen, was wir bislang schon gemacht haben."
Mit 'Numb And Sick' findet sich auf "Retribution" eine sehr überzeugende Kooperation mit Cristian Machado von ILL NINO. Zoli erklärt, wie es dazu kam: "Letztes Jahr waren wir mit ILL NINO auf Tour, und es war eine Killer Tour, wahnsinnige Musik, tolle Typen. Einfach der Hammer! Und Cris stand jeden Abend neben der Bühne und sah sich unsere Show an. Und er sagte mir immer: "Ihr Jungs gebt mir so viel Kraft wenn ihr da auf der Bühne steht!". Daraus hat sich eine richtige Freundschaft entwickelt, mit der ganzen Band und ihrer Crew. Es war die beste Tour meines Lebens, wir waren endlich mit einer Band zusammen, die perfekt zu uns passte und umgekehrt. So kamen Cris und ich darauf, dass es cool wäre, gemeinsam einen Song aufzunehmen. Und nach der Tour setzte ich mich hin, schrieb das Teil, schickte es an Cris, und der flippte völlig aus: "Fuck, Mann, ich liebe es!!" Als wir mit den Aufnahmen zu "Retribution" begannen, schickte ich Cris die Dateien, er nahm seine Gesangparts auf, und daraus wurde dann 'Numb And Sick'. So ist dieser Song entstanden, und ich bin wirklich glücklich damit, es ist mein absoluter Lieblingstrack auf dem Album."
Danach weicht Zoltán einigen Fragen zu seinen persönlichen Inspirationsquellen zunächst aus. Als wir jedoch wieder auf Musik zu sprechen kommen, sprudelt es aus dem Vollblutmusiker förmlich heraus: "Ich sagte es ja schon – Musik ist alles für mich. Musik ist mein Leben, sie hat mein Leben geformt, und mich zu dem gemacht was ich heute bin. Ich bin jetzt 38, und die Musik war schon immer da, seit ich denken kann. Sie bedeutet mir alles, und ich kann mir nicht vorstellen ohne Musik zu leben. Wie soll ich es beschreiben... Natürlich, hätte ich die Musik nicht, würde ich irgendetwas anderes machen, irgendwas findet man ja immer. Umso dankbarer bin ich, dass ich mit der Musik das machen kann, was ich liebe, und das auch noch weitergeben kann! Es funktioniert ja, es gibt so viele Menschen die meine Musik mögen, denen sie viel bedeutet, denen sie Kraft und Freude bringt... Musik ist wirklich alles für mich. Es ist so simpel, und es macht mich wahnsinnig glücklich und dankbar."
"Jeder Mensch hat seine Inspirationsquellen, ist doch klar. Für mich war die Hauptinspiration METALLICA, so wie wahrscheinlich für 95% aller Metalheads. Als ich zum ersten Mal ein Musikvideo von METALLICA sah, dachte ich mir nur: „Scheiße, sowas will ich auch machen“. Das zu sehen, zu hören, diese Live-Performance... Und dann kamen natürlich andere Bands, PANTERA, SEPULTURA, KORN, FEAR FACTORY, MACHINE HEAD, und viele mehr. Nur leider sind sie heutzutage nicht mehr ganz das was sie mal waren. Wahrscheinlich weil ich mittlerweile meinen Weg gefunden habe. Mit dem Alter hat das nichts zu tun hat. Diese Bands haben sich verändert, was auch in Ordnung ist, aber ich vermisse bei ihnen dieses Feuer, das einst in ihrer Musik brannte. Ich respektiere sie nach wie vor, und ich bin ihnen unendlich dankbar für die vielfältigen Inspirationen. Andererseits mache ich heute auch mein eigenes Ding, insofern ist das schon okay, so entwickelt sich eben jeder in andere Richtungen."
Dieser Weg hat Zoltán für einige Jahre auch von seiner ungarischen Heimat weg geführt. "Seit vier Jahren lebe ich wieder in Ungarn, davor war ich allerdings vier Jahre in Amsterdam. Das ist schon wieder eine Weile her, denn zwischendurch lebte ich auch für weitere vier Jahre in Hamburg. Jetzt bleibe ich allerdings hier, zuhause. Hier habe ich mein Studio, unseren Proberaum – ich habe hier endgültig meinen Platz gefunden. Nach Hamburg hat mich eine Beziehung geführt, aber als die vorbei war, bin ich eben wieder nach Hause gekommen. Hier habe ich heute meine Familie, meine Freundin, und seit es das Internet gibt, kann ich wirklich problemlos alles von daheim erledigen." Zoltán lacht: "So ist das moderne Leben, nicht? Man erledigt alles übers Internet, fährt zum Flughafen, fliegt für eine Show irgendwohin, und fliegt anschließend wieder zurück..."
Und wie wird es mit EKTOMORF weitergehen? Wie soll es in 20 weiteren Jahren aussehen? "Haha, das ist eine gute Frage. Ganz ehrlich, ich hoffe, dass es genauso weitergeht wie bisher. Hoffentlich werde ich dann körperlich noch dazu in der Lage sein, zu singen, zu hüpfen, mich auf der Bühne zu bewegen wie bisher. Ich treibe viel Sport, um fit zu bleiben, ich ernähre mich gesund, ich versuche alles dafür zu geben, dass ich so lange wie möglich so weitermachen kann."
Für die kommende Tour soll der Schwerpunkt auf Deutschland liegen: "Wir planen bereits intensiv, bereiten die Songs vor, und irgendwann im Frühjahr, wahrscheinlich April, soll es los gehen. Wir werden versuchen, größere Kreise zu ziehen, gerade in Deutschland. Deutschland ist eigentlich unser wichtigstes Territorium. Einige Festivals sind schon bestätigt, größere wie auch kleinere, und jetzt kommen noch die Club Shows dazu. Ich freu mich schon riesig darauf! So gern ich auch im Studio sitze und an Songs arbeite, live zu spielen ist einfach gigantisch, es ist das Größte, ich kann es wirklich kaum erwarten."
"Lasst mich daher "Dankeschön, vielen Dank" sagen, an alle unsere deutsche Fans. Ihr habt uns so viel gegeben über all die Jahre! Vielen Dank also, ich hoffe wir sehen viele von euch auf der Tour. Let’s headbang and jump a lot on fucking "Retribution"! Találkozunk a turnén!"
- Redakteur:
- Timon Krause