ELDRITCH: Interview mit Terence Holler
21.10.2007 | 17:21Thomas:
Terence, der Re-Release eurer 1998 veröffentlichten Scheibe "El Nino" und unser Review dazu sollen der Ausgangspunkt für dieses Interview sein. Ich muss nämlich gleich mal zugeben, dass ich von ELDRITCH so gut wie nichts wusste, bevor ich die Platte bekam. Ich war einfach neugierig auf etwas Neues und habe mittlerweile etliche eurer CDs angecheckt.
Schon ziemlich zu Beginn habe ich mich gefragt, wieso eine Truppe wie ihr hier in unseren Breiten so wenig mediale Beachtung innerhalb der Szene erfährt und vielen deutschen Fans immer noch kein Begriff ist. Woran liegt es, dass ihr den Durchbruch bisher nicht geschafft habt? Hat das vielleicht damit zu tun, dass progressive Musik nicht eben massentauglich ist?
Terence:
Ich will ehrlich zu dir sein. Ich habe selbst keine Ahnung, wieso wir es bei euch nie geschafft haben, richtig bekannt zu werden. Wir spielen richtig geniale Live-Shows und haben schon sieben Alben veröffentlicht. In den Staaten haben wir beim "Chicago Powerfest 2006" als Headliner gespielt, dann waren wir beim "Gods Of Metal Fest" in Italien dabei und letztens auch beim "Swedenrock" und bei einem ganzen Haufen anderer Festivals, oft als Headliner!
Ich denke, das Problem ist, dass wir nicht wie jede andere Band spielen. Wir sind ziemlich einzigartige Originale. Man kann uns nicht irgendeinem Trend oder einem speziellen Genre zuordnen.
Thomas:
Italienische Metalbands haben bei uns oft ein bestimmtes Image, das da lautet: tonnenweise Keyboardkleister und ein Eunuch am Mikro. Viele kennen eben nur RHAPSODY (OF FIRE). Meinst du, ihr leidet manchmal unter diesem Image? Magst du diesen Stil oder sollten andere italienische Bands mehr Aufmerksamkeit bekommen? Welche Band wird am schlimmsten unterbewertet?
Terence:
Wir werden am schlimmsten unterbewertet! Wir haben die Eier, die den anderen fehlen, mit haufenweise Thrash-Einflüssen, mit einem echten Macho-Organ am Mikro und (O-Ton:) "crunchy" Riffs, so muss sich Metal anhören! Italienischen Power- und Melodic Metal finde ich gräßlich; das hört sich doch total tuntig an! Aber versteh' mich nicht falsch, ich respektiere die Jungs trotzdem. Die Mitglieder von VISION DIVINE, LABYRINTH, SECRET SPHERE, DOMINE, RHAPSODY usw. sind alle unsere Freunde, aber ich selber mag eben Thrash und härtere Sachen. Wenn es dann doch ruhiger sein soll, stehe ich noch eher auf A.O.R. oder Hard Rock. Also stellt uns bloß nicht in die Eunuchen-Ecke, da gehören wir nicht hin! Unsere Einflüsse sind FATES WARNING, ANNIHILATOR, METALLICA, CORONER und QUEENSRYCHE. Eine Mixtur aus all denen mit einem ordentlichen Schuss "Crazy Prog" - das sind wir.
Thomas:
Als ich eure Internetseite besuchte, habe ich festgestellt, dass ihr hier sehr viele Informationen gebt. Unter anderem kann man sämtliche Lyrics aller Alben lesen, was hierzulande nicht immer selbstverständlich ist. Wie wichtig sind die Lyrics um ELDRITCH richtig zu verstehen? Was inspiriert euch?
Terence:
Also eine Message gibt es nicht! Wir spielen einfach für den Spaß an der Musik und um unsere Fans zu unterhalten. Ich schreibe alle Lyrics und drücke dabei stets nur meine persönlichen Gedanken, Erinnerungen und Wünsche aus. Keine Politik, keine Schwerter und Dämonen, kein religiöser Kram, ich erzähle nur von dem, was ich am besten kenne: "Me, myself and I." Haha!
Thomas:
Die CD-Cover und auch das Weblayout sind bei euch richtige kleine Kunstwerke, die im Prinzip genau das widerspiegeln, was du vorhin gesagt hast: Keine Schwerter und Dämonen, keine Tabubrüche und trotzdem sind die Bilder sehr auffällig und interessant. Wer steckt dahinter?
Terence:
Ok, dann lass mich mal kurz überlegen. Die ersten drei Artworks stammen von unserem ehemaligen Keyboarder Oleg, "Reverse" hatte ein Foto-Cover von Alex Bracaloni und unsere letzte Scheibe "Blackenday" ziert ein Werk von Nerve Design. Ach ja, und die fünfte und sechste CD hat ein deutscher Künstler namens Dirk Illing gemacht. Alle sieben Albumcover spiegeln die Themen wieder, um die sich meine Lyrics drehen und ich muss sagen, bisher haben alle, die sich daran versucht haben, einen ordentlichen Job gemacht.
Thomas:
Ok, nun da ich ein bisschen besser über euch Bescheid weiß, lass uns doch mal über den Re-Release von "El Nino" reden. Wie bekannt ist die Urversion aus den 90ern wirklich? Würdest du die Scheibe schon heute als einen Klassiker bezeichnen? Ordne doch mal die Platte und die 90er Jahre innerhalb eurer Bandgeschichte ein!
Terence:
Naja, wir haben auf jeden Fall eine ganze Menge Exemplare von "El Nino" abgesetzt! Wir tourten damals mit PAIN OF SALVATION; und zwar haben die uns supportet und nicht umgekehrt! Auch THRESHOLD waren mit uns unterwegs. Die Nachfrage nach dem Album ist immer noch groß und ich denke irgendwie schon, dass es ein Klassiker geworden ist. Unsere beste Platte ist aber eindeutig unsere letzte, "Blackenday". Die ist absolut großartig produziert und es sind nur Killersongs drauf!
Du willst wissen, wie wir in den 90ern drauf waren? Ganz einfach: genauso wie jetzt! Es interessiert uns nicht die Bohne, wieviel wir verkaufen. Wir sind immer ehrlich zu unseren Fans und zu uns selbst. Wenn jemand nicht auf unsere Musik steht - uns doch egal! Wir springen nicht auf irgendeinen Trendzug auf oder werfen uns einem Produzenten an den Hals, der uns verbiegen will.
Stilistisch hat sich seit damals dafür umso mehr getan. Seit "Reverse" schwinden die hörbaren Prog-Einflüsse in unserer Musik. Mittlerweile spielen wir eher eine Art "technical Thrash" mit A.O.R.-Feeling. Deswegen fühle ich mich der 90er-Ära unserer Karriere heute nicht mehr sonderlich verbunden.
Thomas:
Jeder eurer Re-Releases der letzten Jahre war mit mehreren Bonustracks angereichert, von denen etliche zuvor unveröffentlicht geblieben waren. Warum sollen diese jetzt doch noch den Fans zugänglich gemacht werden? Habt ihr die Songs remastered oder sogar über eine Neueinspielung nachgedacht?
Terence:
Wir wollten einfach so offen sein, alles was wir in den letzten 16 Jahren aufgenommen haben auch zu veröffentlichen und beim Re-Release der ersten drei Alben bot es sich halt an, diese dadurch noch ein bisschen aufzuwerten. Ich glaube aber nicht, dass es jemandem etwas geben würde, wenn wir die alten Kammellen neu aufgenommen hätten. Wir sind jetzt eine andere Band. Aber hey, wer weiß, was noch alles kommt! Hehe!
Thomas:
Vor einigen Wochen ist einer eurer größten Fans bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen. Das war sicher schwer für euch. Konntet ihr denn irgendwas für seine Angehörigen tun?
Terence:
Das ist wirklich etwas, das uns alle extrem mitgenommen hat. Grade vorgestern haben wir ihm zum Gedenken einen Gig veranstaltet. Der Junge war gerade mal 21 Jahre alt und ist mit seinem Scooter in einen Bus gekracht. Nach einer Woche Koma ist er gestorben. Er war wirklich unser größter Fan und es macht uns wahnsinnig fertig. Wir werden ihm wohl einen Song auf unserer nächsten Scheibe widmen, aber was willst du sonst machen!? Die Machtlosigkeit ist ja gerade das Schlimmste daran.
Thomas:
Da hast du wohl recht. Ich habe mich gefragt, ob ich es wohl in Zukunft mal hinbekomme, eine eurer Live-Shows anzusehen. Kannst du schon irgendwas über anstehende Dates verraten? Besonders interessieren mich natürlich Termine in Deutschland!
Terence:
Das solltest du echt mal machen! Wir haben großartige Musiker in unseren Reihen, die die Songs auch live echt klasse rüberbringen. Am 10. November sind wir in Kopenhagen beim Progpower Skandinavia. Anschließend stehen einige Headlinershows zu Hause in Italien an, dann geht's vielleicht nochmal in Richtung U.S.A. Ich hoffe, wir schaffen es auch bald zu euch nach Deutschland! You guys are the kingdom of heavy metal! Keep the faith and support ELDRITCH! Hahaha!
Thomas:
Bis es soweit ist, bedanke ich mich erstmal für das Gespräch und wünsche euch erfolgreiche Shows!
Terence:
Ich danke dir! Hoffentlich schaffst du's mal zu einer davon.
- Redakteur:
- Thomas van der Laan