ENCHANT: Interview mit Doug Ott

01.01.1970 | 01:00

Die Proggies aus der BayArea zählen seit 1993 zum Besten, was diese Stilrichtung zu bieten hat. Mit ihrem sechsten Longplayer "Blink Of An Eye" kratzen sie gar an der Klasse des legendären Debüts "A Blueprint Of The World". Grund genug Bandkopf und Gitarrist Doug Ott über Entwicklungen in der Band und über das Album auszuquetschen. Dabei erwies er sich als freundlicher und sympathischer Gesprächspartner, der auch was zu sagen hat. Auf ins Geschehen!

Peter:
Als erstes mal herzlichen Glückwunsch zum neuen Album.

Doug:
Oh, danke.

Peter:
In meinen Augen ist es euer bestes Werk seit dem Debüt. Wie sind denn die Reaktionen auf "Blink Of An Eye" bis jetzt?

Doug:
So weit, so gut. Die Leute scheinen es wirklich sehr zu mögen. Das ist natürlich sehr schön.

Peter:
Was sind denn Deiner Meinung nach die Unterschiede zwischen "Blink Of An Eye" und euren letzten Outputs?

Doug:
Also ich denke, das Album ist diesmal stellenweise etwas härter geworden und es ist songorientierter als unsere letzten Sachen. Wir haben also unsere Stärken gebündelt. Dann haben wir noch einen neuen Drummer und zudem habe ich zum ersten Mal das komplette Material alleine geschrieben, was den etwas veränderten Sound ebenfalls erklären dürfte.

Peter:
Wie Du schon sagtest, habt ihr einen neuen Drummer. Warum hat Paul (Craddick – d.Verf.) die Band verlassen?

Doug:
Nun, das hat wohl in der Hauptsache mit der Richtung zu tun, in die wir uns bewegten. Als wir "Juggling..." fertig gestellt hatten, war es offensichtlich für mich, dass Paul nicht wirklich glücklich mit unserem Stil war. Und als wir mit dem Material für dieses Album anfingen, wurde es noch deutlicher, dass er nicht glücklich war damit und lieber etwas anderes machen würde. Und da ich nicht aufhören wollte mit der Band und auch nicht diese Art von Musik zu machen, musste ich eine Entscheidung treffen. Wir haben uns dann zusammen gesetzt und sind zu dem Schluss gekommen, dass es wohl besser ist, wenn wir nicht weiter bei ENCHANT zusammen arbeiten. Es gab da auch überhaupt kein böses Blut, wir haben uns eben so entwickelt. Er ist immer noch ein guter Freund von uns und auch ein guter Freund von Sean (Flanagan, der neue Drummer – d.Verf.). Er kommt sogar ziemlich häufig zu Proben und hört sich unser Zeug an. Er ist immer noch ein Teil im Leben der Band, aber er ist eben nicht mehr in der Band.

Peter:
Und wie seit ihr an Sean gekommen?

Doug:
Ich habe Sean das erste Mal in einem Musikladen getroffen, wo ich gerade eine Gitarre gekauft habe. Ich trug ein "Blueprint Of The World"-Shirt von unserer ersten Tour. Er sah es und meinte nur: "Hey, woher hast du dieses ENCHANT-Shirt? Ich liebe diese Band". Ich meinte nur, dass dies meine Band ist. Er fragt, ob ich der Manager sei und ich antworte, nein, ich bin der Gitarrist. Er flippte fast aus als er realisierte, dass ich Doug Ott bin, denn er ist ein großer Fan von ENCHANT. Wir haben uns dann stundenlang unterhalten und ich mochte sofort sein großes Wissen über Musik. Er ist wirklich ein großer Musikfan und weiß alles mögliche über Bands, Alben und so. Wir haben uns ewig lange unterhalten und sind in Kontakt geblieben. Er spielte in einer Band namens DALI'S DILEMMA. Und als das mit Paul immer klarer wurde, habe ich darüber nachgedacht, ob ich einen guten Drummer kenne, der auch eine gute Einstellung hat und da fiel mir sofort Sean ein. Er wohnte zu dem Zeitpunkt noch in L.A., während wir ja alle in San Francisco wohnen. Also rief ich ihn an und fragte ihn, ob er Drummer bei ENCHANT werden wollte. Also hat er seinen Job gekündigt, seine Freundin verlassen und ist umgezogen (lacht).

Peter:
Da wurde wohl ein Traum wahr....

Doug:
Ja, absolut.

Peter:
Wie Du schon gesagt hast, seit ihr etwas härter geworden. Gerade "Despicable" ist sehr rhythmusorientiert und somit ein sehr ungewöhnlicher Song für ENCHANT. Wie kam es zu dieser Veränderung?

Doug:
Hm, das Paul nicht mehr dabei ist, hat wirklich einiges verändert, denn vorher haben wir immer alles zusammen gemacht. Es war eine echte 50:50 Koexistenz beim Songwriting und ohne ihn um mich herum, konnte ich einfach Songs schreiben, die vorher nicht zustande gekommen wären. Ich bin auch viel mehr mit Metal groß geworden. Ich habe zwar auch andere Genres gehört wie progressiven Rock, Pop usw., aber Metal war ein großer Einfluss für mich als Gitarristen. Und als ich anfing die neuen Songs zu schreiben, hatte ich auch dadurch Songs im Kopf, die mehr Power haben und gitarrenorientierter sind als das, was wir in der Vergangenheit gemacht haben.

Peter:
Habt ihr schon Tourpläne im Augenblick?

Doug:
Noch nicht wirklich. Wir wollen sehen wie die Verkäufe laufen, wenn das Album veröffentlicht ist. Und dann schauen wir, dass wir eine Band finden, mit der wir touren können und sind dann hoffentlich bald unterwegs.

Peter:
Werdet ihr euch das erste Mal als Headliner präsentieren?

Doug:
Das denke ich nicht. Unsere Verkäufe sind einfach noch nicht so gut, dass sie einen Headlinerstatus rechtfertigen würden. Aber wer weiß, vielleicht nächstes Jahr.

Peter:
Ihr seid jetzt seit fast zehn Jahren im Business. Ist es da eigentlich frustrierend zu sehen wie erfolgreich Bands wie SPOCK'S BEARD oder DREAM THEATER sind und man selbst als Underground-Act immer nur den Supportslot bekommt?

Doug:
Nein, das ist nicht wirklich frustrierend. Weißt du, Bands wie SPOCK'S BEARD oder DREAM THEATER sind sehr inspirierend. Gerade, wenn Du die Jungs dann auch noch kennst. Wir sind mit DREAM THEATER getourt und daher kenne ich Mike (Portnoy – d. Verf.) und John (Petrucci – d.Verf) ziemlich gut. SPOCK'S BEARD habe ich das erste Mal gesehen, als sie gerade das erste Album fertig gestellt haben. Ich fand das Album großartig, die Jungs großartig und hoffte, dass sie Erfolg haben würden. Und sie haben Erfolg und das ist etwas, was mich sehr glücklich macht. Ich bin schon glücklich mit ENCHANT, wenn ich auf die Bühne gehen und spielen kann. Ich möchte nur Alben machen, die ein paar Leute mögen. Und wenn plötzlich ganz viele Leute unsere Musik kaufen und wir damit Geld verdienen und vielleicht sogar berühmt werden würden, dann wäre das auch schön, aber das ist nicht unser Ziel. Mir steht es nicht im Sinn eine große Rockband zu werden.

Peter:
Würdest Du also sagen, dass ihr eure Ziele in den letzten zehn Jahren erreicht habt?

Doug:
Ja, auf jeden Fall. Weißt Du, mein Traum als Kind war lediglich in einer Band zu spielen und Platten aufzunehmen. Und das habe ich definitiv erreicht. Zudem durfte ich noch touren, hab eine Menge meiner Idole getroffen, es gibt sogar aufgeregte Fans, die Autogramme wollen. Aber das ist alles nur ein Bonus. Klar, wir könnten ruhig etwas mehr Geld mit der Musik verdienen. Wir könnten auch gerne etwas berühmter sein, aber ich bin glücklich. Sicher, ich hoffe, dass wir mit der Zeit weiter wachsen, weiter gute Platten aufnehmen und mehr verkaufen, aber wenn ich morgen sterben würde, hätte ich ein glückliches Leben gehabt.

Peter:
Was machst Du neben ENCHANT, um zu leben?

Doug:
Nun, ich bin seit fast neun Jahren Vollzeitmusiker und spiele noch in diversen Coverbands. Ich spiele also schon die ganze Zeit Musik.

Peter:
Du hast ja auch eure letzten Alben produziert....

Doug:
Ja, ich habe alle unsere Alben mit Ausnahme unseres Debüts produziert. (Das übernahm damals MARILLION-Gitarrist Steve Rothery – d. Verf.)

Peter:
Kannst Du Dir überhaupt noch vorstellen mit einem Produzenten zu arbeiten?

Doug:
Nein, eigentlich nicht. Ich als Gitarrist und Songwriter habe eine genaue Vorstellung davon wie unser Album klingen soll, aber ein Produzent will, dass ein Album so klingt wie er es sich vorstellt. Nimm mal DREAM THEATER als Beispiel. Die hatten in Ihrer Karriere viele Hochs und Tiefs, was die Produktionen angeht. Das Debüt kam raus und der Sound war total scheiße. Dann kam das zweite Album raus und der Sound war gut, nur die Drums waren scheiße. Und als "Awake" erschien, dachte ich, hey, dass ist der beste Sound, den ihr je hattet. Dann tourten wir mit Ihnen, um das Material für "Falling Into Infinity" zu promoten, noch bevor sie das Album aufgenommen hatten und ich fand die Songs unglaublich geil. Als die Scheibe dann erschien, habe ich sie gehasst. Ich habe mich gefragt, was da passiert ist. Da war überhaupt keine Power mehr. Auf einmal klangen sie wie JOURNEY oder so was. Ich weiß nicht, ob es der Wille der Band oder Mikes Wille war, aber das ist etwas, was mir nie passieren soll. Ich will einfach nicht, dass die Band irgendwann so klingt, wie irgendwer es will. Ich will, dass die Band so klingt, wie ich sie hören möchte. Und deshalb ist es sehr schwer den richtigen Produzenten für uns zu finden. Also mache ich es selber.

Peter:
Okay.
Zurück zum neuen Album. Hast Du eigentlich so etwas wie einen Lieblingssong auf dem Album? Und warum?

Doug:
Nun, das wechselt immer. Kommt drauf an, wie oft ich einen Song höre und wie lange es dauert, um ihn aufzunehmen. Aber im Augenblick ist mein Favorit wohl "Monday". Der Grund ist einfach, dass ich gerade arbeite und ich deshalb eine gute Beziehung zu dem Text habe. In dem Song geht es um jemanden, der einer Arbeit nachgeht, die er hasst, weil er so nicht das machen kann, was er wirklich will. Er kann nicht seinen Traum verwirklichen.

Peter:
Ihr habt auf euren Alben noch nie eine Coverversion gehabt. Warum eigentlich nicht? Ich fände es ganz interessant mal zu hören wie so mancher Song im ENCHANT-Gewand klingt.

Doug:
Stimmt, wir haben nie welche aufgenommen. Wir haben ein paar Coverversion für Tribute-Alben gemacht. PINK FLOYD, GENESIS, YES und so was...

Peter:
Oh, ich kaufe nie Tribute-Alben. Ich hasse sie....

Doug:
Ich hasse sie auch. Da bin ich ganz deiner Meinung. Nun, wir haben noch nie eine Coverversion aufgenommen, weil wir immer genug eigenes Material hatten. Wir hatten zum Beispiel 23 Songs für dieses Album und haben gerade mal zehn draufgepackt. Ich denke, die meisten Bands nehmen eine Coverversion auf das Album, weil sie nicht genug Songs haben. VAN HALEN hatten z.B. auf jedem Album eine Coverversion und das sieht für mich dann so aus, als ob sie nicht genug gute, eigene Musik hätten.

Peter:
Du sagtest gerade ihr hättet 23 Songs für dieses Album aufgenommen. Kann man da zum 10-jährigen Bandgeburtstag ein Geschenk an die Fans mit unveröffentlichtem Material erwarten oder so was?

Doug:
Na ja, es wurde ja gerade "Blueprint..." wiederveröffentlicht mit einer Bonus-CD, wo einige Demotracks etc. drauf sind. Aber grundsätzlich ist es nicht unser Plan mehr Songs aufzunehmen, um dann zu hoffen, dass sie irgendwann als B-Seite veröffentlicht werden. Ich weiß, dass es Fans gibt, die solche Sachen lieben und sammeln, aber ich mag das nicht besonders. Klar, es gibt Bands wie SPOCK'S BEARD oder QUEENSRYCHE, wo Du eine B-Seite hörst und dich fragst, warum sie das nicht vorher veröffentlicht haben. Aber häufiger hörst Du eine B-Seite und weißt, warum sie nicht veröffentlicht wurden, denn der Song ist schlecht. Von den 23 Songs aus der "Blink..."-Session bleiben mir jetzt noch 13 mit den ich schon anfangen kann, das nächste Album zu machen. Das kann dann vielleicht schon im Frühjahr 2003 veröffentlicht werden und wir haben das dann in acht Monaten fertig.

Peter:
Das ist natürlich auch ein guter Plan....

Doug:
Weißt du, wir waren bisher nicht sonderlich konstant in der Veröffentlichung von Alben. Das Debüt kam im Dezember 1993, dann das nächste erst 1997, 1998, 2000, jetzt 2002. Ich habe mir vorgenommen, dass wir konstanter werden und versuchen jedes Jahr ein Album zu veröffentlichen.

Peter:
Das sind also eure Ziele für die nächsten zehn Jahre. Alle anderthalb Jahre oder jedes Jahr eine neue Platte zu machen?

Doug:
Ja, genau. Ungefähr alle anderthalb Jahre eine Platte und regelmäßig auf Tour gehen. Das ist es, was ich hoffe in den nächsten Jahren zu tun.

Peter:
Denkst Du denn, dass ENCHANT noch in den nächsten zehn Jahren oder noch länger existieren und irgendwann zu Dinos wie GENESIS oder YES werden?

Doug:
Man kann natürlich nie sagen, was passiert. Aber ich hoffe es, ja. Denn ich liebe wirklich, was ich mache. Und ich glaube an das, was mir machen. Wenn es nach mir geht, mache ich diese Musik bis ich 80 Jahre alt bin. Aber es hängt natürlich auch davon ab, ob die Leute uns auch so lange noch hören wollen. Ich denke aber nicht, dass wir Dancemusic wie GENESIS machen werden... (lacht)

Peter:
(lacht) Oh, das ist auch gut so. GENESIS waren nicht wirklich das beste Beispiel.
Jetzt noch eine Standardfrage zum Abschluss, da ich ja von einem Online-Magazin bin. Was hältst Du von Online-Medien und dem Internet?

Doug:
Ich finde es großartig. Es ist sehr cool, ein Medium zu haben, dass Menschen aus aller Welt zusammen bringt. Ich habe in der Vergangenheit viel Zeit damit in Chaträumen verbracht und Interviews im Internet zu geben und habe entdeckt, dass es eine großartige Quelle ist, um Promotion für die Band zu machen und Leute zu treffen, die eine ähnliche Musik mögen bzw. um Kontakt mit Fans zu bekommen, die man sonst nie getroffen hätte. Gerade in den USA wird der Metal und Hardrock im Fernsehen und Radio ja ziemlich ignoriert und so ist es schön zu wissen, dass es ein Medium gibt, mit dem man mit seiner Musik die Leute erreichen kann. Ich denke, dass ist wirklich eine großartige Sache.

Peter:
Du sagst gerade, dass es im Radio keine Platz für Hardrock gibt. Dabei denke ich immer, dass Nummern wie "Acquintance" (vom Debüt – d. Verf.) oder das aktuelle "Ultimate Gift" bei vielen Leuten gut ankommen würden, wenn es im Radio gespielt würde. Das sind ja einfach nur schöne Rocksongs.

Doug:
Ja, das hast du recht. Aber leider spielt man im Radio nur Stücke, die drei Minuten lang sind und die beiden sind sieben bzw. acht Minuten lang. Aber du hast wirklich recht. Einige meiner Freunde, die das neue Album oder auch die alten Sachen gehört haben, haben bei solchen Songs gesagt, dass wir das doch ins Radio bringen sollten. Das gibt mir natürlich ein gutes Gefühl, aber es ist leider nicht realistisch.

Peter:
Sogar meine Freundin mag solche Songs....

Doug:
Ich liebe Musik schon seit ich ganz jung bin. Und damit meine ich jede Form von Musik. Die BEATLES, BLACK SABBATH, JELLY FISH. Ich mag Rock, Pop, Metal, Progressive, Fusion. Ich habe also eine ganze Menge Einflüsse und so ist es ganz natürlich für mich einen Song zu schreiben, der einem bestimmten Ausdruck folgt. Und dann sagen manche Leute zu mir, dass der Song etwas zu melodisch ist oder zu heavy. Ich erwidere darauf nur, dass ich als Musiker nicht darauf beschränkt bin nur eine Form von Musik zu machen. Es ist einfach schön für mich Musik zu machen, die jeden ansprechen kann.

Peter:
Das ist ein guter Vorsatz.
Ich habe es von meiner Seite aus jetzt....

Doug:
Ich habe noch eine Frage an Dich.
Was ist denn Dein Favorit auf dem Album?

Peter:
Hmmm... ich schwanke immer zwischen "Monday" und "Ultimate Gift". Aber wenn ich mich entscheiden muss, dann würde ich "Ultimate Gift" sagen.

Doug:
Ah, cool. "Monday" ist mein Favorit und da Du es zuerst genannt hast, zähle ich den Song auch (lacht). Und "Ultimate Gift" habe ich geschrieben, um meine Erfahrung widerzugeben wie ich meine Seelenverwandte gefunden habe. Mein Frau wird also froh sein, dass zu hören. (lacht)

Peter:
Okay, dann hast Du jetzt noch die Möglichkeit ein Wort an die Fans zu richten.

Doug:
Oh, ich hoffe ihr alle kauft das neue Album und werdet damit glücklich. Vielen dank für den Support und Dir für das gute Interview. Bye!

Peter:
Kein Problem, ich habe zu danken. Bye!


Redakteur:
Peter Kubaschk

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