ENDSEEKER: Interview mit Ben und Jury

24.10.2023 | 15:18

Wie eine Dampfwalze, die sich unbarmherzig ihren Weg bahnt – eine Abrissbirne vor dem Herrn – Old School Death Metal par excellence – Als ich "Global Worming" das erste (und zweite und dritte und…) Mal hörte, schossen mir immer diese Beschreibungen in den Sinn. Und Hand aufs Herz, die neue ENDSEEKER-Scheibe ist auch wirklich stark geworden. Warum, wieso und weshalb erfahren wir im höchst sympathischen und aufschlussreichen Gespräch mit den beiden Gitarrenhexern und Freizeit-Wissenschaftlern Ben und Jury.

Moin Männer, wie geht es euch und der ENDSEEKER-Mannschaft?
Ben: Moin Marcel, danke der Nachfrage. Soweit alles im Lack, aber kurz vor Release eben auch in einer heißen Phase. Wir können es jedenfalls kaum erwarten, dass die Platte endlich erscheint.

Direkt vorab: Hut ab, dass ihr in dieser 5er Konstellation schon seit fast zehn Jahren gemeinsam Mucke macht. Was ist euer Geheimnis, dass ihr auch ohne Line-Up-Wechsel auskommt?
Ben: Nachdem wir die letzten Jahre nur über unsere Anwälte kommuniziert haben, hat uns nun unser Band-Therapeut viel autogenes Training und eine breite Palette Stimmungsaufheller verschrieben. Auf diese Art können wir uns gegenseitig so gerade eben noch ertragen, haha.
Jury: Das hat Ben gut auf den Punkt gebracht, haha. Aber im Ernst: Tatsächlich kommt die Frage momentan des Öfteren auf und wir sind ziemlich happy und ehrfürchtig, dass unser Line–Up so stabil ist. Gute Frage, was das genaue Geheimnis ist. Ich denke, uns allen ist diese Band in genau dieser menschlichen Konstellation sehr wichtig und wir wissen, dass wir zusammen sehr gut funktionieren und so auch am stärksten sind. Das wollen wir bewahren. Wir haben das alles außerdem von Null auf zusammen aufgebaut und teilen mittlerweile so viele großartige Erinnerungen und Momente, da verlässt man dann nicht einfach unbedacht die Band. Zwar kann auch bei uns der Ton durchaus mal rauer werden oder es gibt mal Meinungsverschiedenheiten, dass tritt aber eigentlich eher verstärkt in den absoluten Stressphasen auf. Das können wir dann mittlerweile ganz gut einordnen und vorüberziehen lassen. Davon ab überwiegt klar der gemeinsame Spaß! Aber wenn man zu fünft seit fast zehn Jahre immer so nah zusammenhockt, bedeutet das natürlich auch immer wieder mal, dass man Beziehungsarbeit leisten und auch mal was besprechen muss. Das ist letztlich wie in jeder beständigen Beziehung. Dass das mit uns schon so lange hält, ist für mich jedenfalls nicht selbstverständlich, aber auf jeden Fall eine sehr schöne Geschichte!

Habt ihr im Vorfeld zur neuen Scheibe "Global Worming" etwas anders gemacht als zu "Mount Carcass"? Schließlich konntet ihr den Vorgänger nicht so betouren, wie ihr es wohl vorgehabt hättet, und hattet für die neue Scheibe sicherlich viel Inspiration oder?
Jury: Wir haben nichts großartig anders gemacht, sind aber die bewährten Abläufe noch fokussierter angegangen. Nach unserer Show in Hamburg im Oktober 2022 haben wir uns eine absolute Live–Auszeit genommen und haben ausschließlich an den Demos für die neue Platte gearbeitet. Dann sind wir im Juni 2023 ins Studio gegangen. Der enge Fokus aufs Songschreiben war zwar ziemlich arbeitsintensiv, aber führte deswegen ebenso zu einem sehr guten Ergebnis, da es keine Ablenkung durch weitere Live–Aktivitäten gab. Eigentlich wollten wir schon im März 2023 ins Studio, das wurde aber doch etwas zu knapp, sodass es dann halt der Juni wurde. Wir benötigten einfach noch etwas länger Zeit, das fertige Demo-Material ausreichend zusammen einzuproben und zu verfeinern. Unser Ziel war, dass die Platte mindestens genauso knallen muss, wie der Vorgänger "Mount Carcass". Auch wollten wir wie immer nicht einfach nur weitere Death-Metal-Songs, sondern auf Albumdistanz abwechslungsreiche Songs mit Aussagekraft und Charakter schreiben. Ich denke, dass ist uns auch gelungen. Letztlich ist das Songschreiben bei uns immer eine Mischung von am Rechner festgehaltenen Ideen und der gemeinsamen Proberaumarbeit. Und genug Inspiration ist bei uns eigentlich immer vorhanden. Die Welt und die Medienlandschaft hat ja immer genug skurrile und Death–Metal–kompatible Themen anzubieten und dann kommt noch der Blödsinn dazu, den sich halt fünf Typen zusammen im Tourbus ausdenken.

Allein der Titel steht schon für sich – aus eurer Sicht, wie schlecht steht es um Mutter Natur? Was steckt hinter dem Fingerzeig der globalen Erwärmung?
Ben: Ich verstehe gar nicht, wie du nun auf die Erwärmung kommst, wo wir doch ganz eindeutig und klar verständlich die existenzielle Bedrohung durch die Erderwürmung thematisieren. Phonetische Parallelen zu anderen Großereignissen sind rein zufällig und keinesfalls von uns beabsichtigt. Aber nichtsdestotrotz – wir sind ja alles keine Wissenschaftler, obwohl, Lenny ist das vielleicht sogar tatsächlich, aber der gefühlte Zustand der guten alten Natur, befindet sich derzeit sicherlich auf dem absteigenden Ast. Wir werden jedenfalls weiter beobachten, ob es in Zukunft noch weniger Insekten auf der Windschutzscheibe unseres Tourbusses gibt und wie viele Festivals in den nächsten Jahren noch absaufen.

Ich bin auf eure wissenschaftliche Auswertung gespannt. Aus eurer Sicht, welche musikalischen Unterschiede gibt es zwischen "Mount Carcass" und "Global Worming"? Euer bisher düsterstes und härtestes Album?
Ben: Ich würde sagen, wir haben die Songs noch mehr auf den Punkt gebracht und einen sehr organischen Flow eingefangen. Im Vergleich zu "Mount Carcass" haben wir diesmal sicherlich etwas mehr Rotz und Punk-Attitüde in einigen der Songs verarbeitet. Das hat sich aber alles während des Schreibens so ergeben und war keineswegs vorher geplant. Scheinbar gab es da allerhand in uns, was mal raus musste.
Jury: Dem stimme ich zu. Darüber hinaus ist dies unser Album mit der größten klanglichen Tiefe. Der Sound ist sehr dreidimensional und es gibt unterm Kopfhörer viele Feinheiten und Räume zu entdecken. Ich stimme dir auch zu, dass dieses Album den dunkelsten Vibe von all unseren Scheiben hat, was viel mit der etwas tieferen Soundästhetik zu tun hat, die sich während der Produktion entwickelte, als wir uns einfach treiben ließen. Die Melodien sind meiner Meinung nach auch etwas subtiler eingeflochten, alles wirkt auf mich dadurch etwas mystischer und tatsächlich düsterer.

Ihr habt wieder mit Eike Freese gearbeitet. Was macht die Arbeit mit ihm so besonders und wie schafft er es, eurem Death Metal die nötige Atmosphäre zu verpassen?
Jury: Eike ist zunächst einfach mal ein langjähriger guter Freund der gesamten Band und auch der einzelnen Bandmitglieder. Da gibt es mittlerweile einen ganz produktiven, entspannten und vertrauensvollen Austausch und wir sind bei ihm einfach zu Hause. Eike hört zu Beginn einer Produktion immer sehr genau zu, welches Ziel die Band verfolgt und bringt sein Know-How mit ein, wie die künstlerischen Vorstellungen am besten erreicht werden können. Unsere ganzen Vorerfahrungen sind natürlich auch hilfreich. Natürlich hat er dann ebenso eine Vorstellung, welches Sounddesign gut zu den Songs passen könnte. Uns ist zum Beispiel mit jeder Platte wichtiger geworden, dass alles so echt und analog wie möglich klingen soll, ohne den modernen Anstrich zu vergessen. Wir wollen einfach keine Plastikproduktion. Hinsichtlich der Atmosphäre ist es dann so, dass wir eigentlich kaum noch Referenzen (sprich Platten anderer Künstler) zum Vergleich hinzuziehen, sondern uns mit Eike vertrauensvoll fallen lassen, um eine eigene Soundwelt zu erschaffen. Wir machen einfach auf dem Produktionsweg, was sich vom Feeling für uns richtig anfühlt und ich denke, durch diesen Mut wird das Ergebnis dann erst recht eigen und lebendig und jede Platte bekommt dadurch einen eigenen Charakter, der auch uns letztlich überrascht.

'Violence Is Gold' ist eine tolle erste Single. Wie weit ist der Song stellvertretend für das gesamte Album und geht es in dem Song um die Darstellung des Kampfes Mann gegen Mann? Oder wie darf man den Titel verstehen?
Ben: Ich glaube, wir hatten bisher auf keinem Album den EINEN Song, der für die gesamte Platte steht. Ich finde, wir sind immer recht abwechslungsreich, in dem was wir tun. Auf "Global Worming" vielleicht sogar noch mehr, als auf den Alben davor. Wenn man sich z.B. 'Violence Is Gold', 'C.B.V.' und 'Nemesis' anhört, sind da schon gehörige Unterschiede und keiner der Songs alleine repräsentiert das gesamte Album. In 'Violence Is Gold' geht es um die physische Auseinandersetzung zweier Menschen mittels Gewalt, mit dem Ziel, den Gegner zu besiegen. Sei es nun im sportlichen Wettkampf, oder in einer ernsthaften Situation auf der Straße. Gewalt ist Teil der menschlichen Natur. Schon immer gewesen und wird es auch immer sein. Seit Ewigkeiten werden Konflikte durch Gewalt geregelt, wenn alles Reden nicht mehr hilft. Das ist erstmal völlig wertfrei eine Feststellung. Wie jeder einzelne dazu steht, ist eine individuelle Entscheidung. Das ändert aber nichts daran, dass wir alle grundsätzlich dazu fähig sind. Was ja im Übrigen auf quasi alle Tiere zutrifft.

40 Minuten lang ballert die Platte auf Teufel komm raus – ein fantastisches Album mit einem geilen 'Hell Is Here'. Hand aufs Herz, wie stellt ihr euch die Hölle vor und leben wir wohlmöglich schon in einer?
Ben: In 'Hell Is Here' geht es nicht um eine biblische Hölle oder sowas, sondern um Krieg. Und in dem Kontext leben vermutlich so einige Leute bereits wirklich in einer realen Hölle. Was natürlich auch außerhalb eines Kriegsgebiets der Fall sein kann. Es gibt genügend Leute, die dermaßen grausame Schicksale durchleben müssen, dass man das getrost als Hölle bezeichnen könnte, aber in unserem Song dreht es sich ganz klar um Krieg und zwar in der höchsten Eskalationsform, einschließlich der nuklearen Auslöschung.

So manchen Text kann man sicherlich auch mit einem kleinen Augenzwinkern sehen oder? Wofür steht denn 'C.B.V.' und worum geht es?
Ben: 'C.B.V.' steht für "Cunt Blood Vampire" und ist das lärmgewordene Ergebnis davon, wenn man 5 erwachsene Männer zu lange in einen Van pfercht und sie bei brütender Hitze im sommerlichen Autobahnstau, ohne Aufsicht sich selbst überlässt. Ein dummer Spruch führt zum nächsten und schwuppdiwupp entsteht ein schwachsinniges Szenario, in dem ein einzigartiger Vampir des nachts durch die Straßen schwebt, auf der Suche nach menstruierenden Damen, um sie dann heimlich zu besuchen und downaround anzuzapfen. Aber alles ohne Beißen! Natürlich wollen wir damit auch mehr Aufmerksamkeit auf die weibliche Menstruation lenken und sie aus der Tabu-Zone ins kollektive Bewusstsein der Death-Metal-Community befördern. Wir erwarten quasi täglich den Anruf eines namhaften Tampon-Herstellers mit der Anfrage, unseren Song als zukünftigen Werbe-Jingle verwenden zu dürfen. Das würden wir uns natürlich entsprechend vergolden lassen und den darauffolgenden Shitstorm dann an einem tropischen Strand unter Palmen aussitzen.

Das nenne ich einfallsreich! Das Artwork der neuen Scheibe ist auch verdammt stark geworden und erinnert an die gute, alte Schule des Death Metals. Wer hat es entworfen und war die schlichte schwarz-weiß-Darstellung von Anfang an so geplant gewesen?
Ben: Das Artwork habe diesmal tatsächlich ich selber gezeichnet. Angesichts des Titels wollten wir wieder in die Old School Richtung wie "Flesh Hammer Prophecy" oder "Corrosive Revelation" gehen. Keine Farbe, nur schwarzweiß, sehr illustrativ. Der Titel hat förmlich nach Schleim, Schädeln, Gewürm und Verwesung geschrien und ich hatte direkt eine ziemlich konkrete Vorstellung davon, wie es aussehen sollte. Ich zeichne schon mein ganzes Leben lang, hab das in der Band aber bisher nie zum Einsatz gebracht. In diesem Fall hab ich einen Entwurf eingereicht, den alle cool fanden und dann ist es diesmal eben ein Inside-Job geworden.

Ihr veröffentlicht in sehr fanfreundlichen Zwei-Jahres-Abständen neue Alben. Könnt ihr dieses Tempo auch in den kommenden Jahren aufrechterhalten und dürfen wir damit 2025 ein neues ENDSEEKER-Album erwarten?
Jury: Ja, bisher haben wir tatsächlich immer nur insgesamt 1,5 bis maximal 2,5 Jahre für ein neues Album gebraucht, sodass letztlich im Zweijahresabstand eine neue Platte rauskam. Wie es vom Tempo her weitergeht, ist aktuell natürlich noch schwer vorauszusagen. Aber es gab in letzter Zeit, natürlich auch in Zeiten einer gewissen Anspannung, für die neue Platte alles in time abzuliefern zu müssen, durchaus Gespräche in der Band, ob es uns jetzt nicht auch mal guttuen würde, aus diesem Rhythmus etwas mehr auszubrechen. Ich meine, wir haben jetzt vier volle Alben und eine EP aufgenommen und somit über 40 eigene Songs. Wir können ja jetzt schon gar nicht mehr alles Live spielen. Insofern kann es gut passieren, dass ein neues Album das nächste Mal etwas länger auf sich warten lassen wird. Es wäre ja auch nicht wild, wenn es mal drei Jahre oder so dauern würde. Diesen strammen Rhythmus dauerhaft einzuhalten, kann schon in Stress ausarten und gerade haben wir alle Bock, nach der Promo für "Global Worming" die Früchte zu ernten und uns auf den unkomplizierteren Spaß zu konzentrieren. Das bedeutet, viel live zu spielen und gerne uns bisher noch unbekannte Live–Orte aufzusuchen. Aber man muss halt immer sehen, welche Möglichkeiten sich in den nächsten Jahren dann tatsächlich auftun und was man dafür braucht. Und wenn bei jemandem aus der Band frühzeitig wieder die Kreativität ausbricht, wird sicher keiner in der Band sagen, daran nicht teilhaben zu wollen. Wir werden also sehen.

Ihr feiert nächstes Jahr euer 10-jähriges Jubiläum. Auf was können sich Freunde des gepflegten Death Metals einstellen? Habt ihr etwas Spezielles zum Geburtstag geplant?
Jury: Nee, wir haben nichts geplant. Wir wissen auch gar nicht so 100%ig, ob wir sagen sollen, dass wir 2014 oder 2015 gegründet wurden. Zwar waren Kummer und ich schon 2014 mit den ersten Songs der "Corrosive Revelation"–EP bei Alex von HEAVEN SHALL BURN, um die Drums aufnehmen. Aber komplett mit diesem Line–Up war die Band erst Anfang 2015 und irgendwie halten wir von dem Anlass auch nicht so viel. Wir feiern und promoten lieber unser neues Album "Global Worming" etwas länger und gut ist! Es gibt ja auch keine ehemaligen Bandmitglieder, die wir auf die Bühne ziehen könnten, hehe.

Jungs, vielen Dank, für dieses tolle Gespräch! "Global Worming" ist ein Bollwerk vor dem Herrn. Was möchtet ihr unseren Lesern und euren Fans noch mit auf den Weg geben?
Ben: Vielen Dank für deine warmen Worte! Freut uns sehr, dass dir die Platte so gut gefällt. Und an die Außenwelt – hört mal rein und wenn es euch gefällt, kauft euch das Ding. Damit supportet ihr uns massiv! Kommt zu unseren Shows und feiert mit uns! Wir haben derbe Bock auf euch!

Fotocredits: Anabell Ganske

Redakteur:
Marcel Rapp

Login

Neu registrieren